Table Of ContentAndreas Dornheim . Winfried Franzen 
Alexander Thumfart . Arno Waschkuhn (Hrsg.) 
Gerechtigkeit
Andreas Dornheim· Winfried Franzen 
Alexander Thumfart· Arno Waschkuhn (Hrsg.) 
Gerechtigkeit 
I nterdisziplinare Grundlagen 
Westdeutscher Verlag
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© Westdeutscher Verlag GmbH, Opladen/Wiesbaden, 1999 
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ISBN-13:978-3-531-13302-7  e-ISBN-13:978-3-322-83328-0 
DOl: 10.1007/978-3-322-83328-0
Inhaltsverzeichnis 
Vorwort .......................................................................................... 5 
Andreas Dornheim / Win/ried Franzen / Alexander Thum/art / 
Arno Waschkuhn 
Zur Plurivalenz von Gerechtigkeitsdiskursen - Ein ProblemaufriB ..... 7 
Wolfgang Kersting 
Gleiche gleich und Ungleiche ungleich: Prinzipien der sozialen 
Gerechtigkeit ................................................................................. 46 
1.  Iustitia directiva und iustitia distributiva ......................................... 46 
2.  Hobbes und Kant tiber distributive Gerechtigkeit ............................ .48 
3.  Verteilungsgerechtigkeit in der politischen Philosophie der 
Gegenwart ...................................................................................... 52 
3.1. Libertare Kritik der Verteilungsgerechtigkeit I: 
Friedrich von Hayek ................................................................ 53 
3.2. Kooperation und soziale Gerechtigkeit ..................................... 55 
3.3. Libertare Kritik der Verteilungsgerechtigkeit II: 
Robert Nozick ......................................................................... 58 
4.  Transzendentale Guter .................................................................... 65 
5.  Das Gedankenexperiment des Gesellschaftsvertrages ....................... 66 
6.  Zwei Prinzipien der Verteilungsgerechtigkeit ................................... 67 
7.  Institutionalistische und individualistische Theorien der 
sozialen Gerechtigkeit ..................................................................... 71 
7.1. Cartesianismus der Verteilungsgerechtigkeit ............................. 72 
7.2. Staatliche Allwissenheit.. ....................................................... 75 
Peter Blickle 
Gerechtigkeit und Freiheit als Schlusselbegriffe des Reformations-
zeitalters in Deutschland ................................................................ 78 
1.  Das Problem ................................................................................... 79 
2.  Zwischen Freiheit und Leibeigenschaft ............................................ 81 
3.  Gerechtigkeit zwischen Recht und Satzung ...................................... 84 
4.  Freiheit und Gerechtigkeit als gottliche Rechtsordnung .................... 87 
5.  Fragen an die Reformatoren ............................................................ 90
2  Gerechtigkeit 
Martin Greiffenhagen 
Gerechtigkeit als sozialwissenschaftliches Thema ........................... 92 
Wolfgang Ullmann 
Offentliches Recht und offentliche Gerechtigkeit in Deutschland 
nach der friedlichen Revolution .................................................... 107 
1.  Friedliche Revolution - eine Gerechtigkeitsinitiative ....................... 107 
2.  Die Konsequenzen der Friedlichen Revolution im offentlichen 
Recht ........................................................................................... 112 
3.  Offentliche Gerechtigkeitsdefizite als Demokratieproblem ............. 117 
Frank Ettrich 
Gerechtigkeitsaspekte postkommunistischer Transformations-
prozesse. Eine Problemskizze ...................................................... 120 
1.  Facetten des Themas ..................................................................... 120 
2.  Soziologie und Gerechtigkeit ......................................................... 136 
3.  Soziale Gerechtigkeit heute: Existentielle Sicherheit und 
staatsbtirgerliche Gleichheit .......................................................... 145 
Eva Kreisky 
Wider verborgene Geschlechtlichkeit. Die maskuline Unterseite 
politischer Gerechtigkeitsdiskurse ................................................ 168 
1.  VerblaBte Relevanz von Gerechtigkeitsbetrachtungen? .................. 168 
2.  Hegemonie der Philosophie im Gerechtigkeitsdiskurs? ................... 172 
3.  Semantische und methodologische Voraussetzungen einer 
geschlechterkritischen Sichtweise .................................................. 174 
4.  Fragmente einer Begriffsgeschichte: vom bloBen "Pathos der 
Gerechtigkeit" zurationalen Gerechtigkeitskriterien? ..................... 180 
4.1. Griechische Antike: die Anfiinge einer "Politisierung" von 
Gerechtigkeit ......................................................................... 181 
4.2. "Privatisierung" von Gerechtigkeit im christlichen Denken ...... 186 
4.3. Der neuzeitliche Vertragsgedanke als Grundlage 
geschlechtlicher Ungerechtigkeit. ............................................ 189 
5.  John Rawls' prozedurale Sicht von Gerechtigkeit .......................... 194 
6.  Michael Walzers nach Spharen "separiertes" Gerechtigkeits-
verstiindnis ................................................................................... 198 
7.  Frauenbewegung oder: Stillstand der Geschichte sozialen 
Fortschritts? ................................................................................. 200 
8.  Gibt es eine feministische Alternative der Theoretisierung von 
Gerechtigkeit? .............................................................................. 203
InluUtsverzeichrris  3 
Alexander Thumfart 
Kritische Gerechtigkeitstheorien und Ungerechtigkeit im 
TransformationsprozeB ................................................................ 208 
1.  Die andere Gerechtigkeit E. L6vinas und J. Derrida bei 
Axel Honneth, Judith Shklar ......................................................... 211 
2.  Tugend, Schadigungsablehnung und Anstandigkeit 
Onora O'Neill und Avishai Margalit .............................................. 2l6 
3.  Erprobungen: Gerechtigkeit im Transformationsproze6 ................. 231 
Peter Glotz 
Kommunikationsgerechtigkeit in der digitalen Gesellschaft ........... 249 
Michael StrUbel 
Wege zu einer gerechten Weltordnung. Zur Lage der Welt-
gesellschaft im Zeichen der Globalisierung ................................... 257 
1.  Globalisierung, Interpretationen, Definitionen, Kontroversen ......... 258 
1.1. Globalisierung der Wirtschaft und das Demokratieproblem ..... 258 
1.2. Die Globalisierung der Informations-und Kommunikations-
technologien .......................................................................... 262 
1.3. Globalisierung zwischen Mythenbildung und Realanalyse ....... 264 
2.  Gleichheit, Gerechtigkeit, Armut in den intemationalen 
Beziehungen ................................................................................. 269 
3.  Wege zu einer neuen und gerechten Weltordnung .......................... 275 
4.  Verteilungsgerechtigkeit Die Nord-Sud-Beziehungen .................... 279 
5.  Intemationale Intergenerationengerechtigkeit im Licht der 
Forderung nach "Sustainable Development" (SD) ......................... 288 
6.  Fazit. ............................................................................................ 291 
Die Herausgeber, die Autorin und die Autoren ............................. 295
Vorwort 
Die Kultur-und Sozialwissenschaftliche Fakultat der Padagogischen Hochschu 
Ie  Erfurt veranstaltete im Wintersernester  1996/97 und im Sommersemester 
1997 eine offentliche Ringvorlesung unter dern Thema "Gerechtigkeit". Sie hatte 
sich zu dieser Veranstaltungsreihe entschlossen, urn sich neben der taglichen 
Arbeit in Forschung und Lehre vor dem Hintergrund der in ihr vereinten unter 
schiedlichen Wissenschaftsdisziplinen auch mit grundsatzlichen Fragen der Ge 
genwart auseinanderzusetzen, zu ihnen Stellung zu nehmen und zu versuchen, 
Standorte zu bestimmen und Orientierung zu vermitteln. 
Dem damaligen Prodekan Univ.-Prof. Dr. W. Franzen, heute Prorektor der Pad 
agogischen Hochschule, gebiihrt das Verdienst, den Blick der Fakultat fiber die 
Tagesgeschafte hinaus auf die Notwendigkeit der Besinnung gerichtet zu haben. 
Seine Anregung, eine Ringvorlesung zu veransta1ten, in der auf wissenschaftli 
cher Grundlage eine Auseinandersetzung mit driingenden Problemen der Zeit 
stattfinden sollte, so daB sie auch fiber die Hochschule hinaus fur eine breitere 
Offentlichkeit von Interesse sein konnte, hat die Fa kultat bereitwillig aufgegrif 
fen. Auch das Leitthema der Vortragsreihe, "Gerechtigkeit", als ein Thema, das 
gerade die Menschen der Gegenwart und nicht zuletzt in den neuen Bundeslful 
dem taglich bewegt, geht auf seinen Vorschlag zurUck. 
Urn das Vorhaben zu verwirklichen, setzte der Fakultatsrat einen Arbeitsaus 
schuB ein, der aus den Herren Wiss. Assistent Dr. A. Domheim (lnstitut fur Ge 
schichte), Univ.-Prof. Dr. W. Franzen (lnstitut fur Philosophie), Wiss. Assistent 
Dr. A. Thumfart und Univ.-Prof. Dr. A. Waschkuhn (beide Institut fur Politik 
wissenschaft) bestand. Thrern pers5nlichen Einsatz, mit dem sie die Last der zeit 
raubenden Vorbereitung im GroBen wie im Einzelnen trugen, ist das Zustande 
kommen der Ringvorlesung zu verdanken. Es gelang ihnen, namhafte und aus 
gewiesene Referenten aus dem In- und Ausland zu gewinnen, die sich mit we 
sentlichen Aspekten des Themas aus der Sicht ihrer jeweiligen Disziplin ausein 
andersetzten. 
Als sich gleich nach Beginn der Vorlesungsreihe ihr Erfolg abzeichnete, erhob 
sich der Wunsch, die Vortrage auch im Druck zu veroffentlichen. AIle Referen 
ten und Autoren haben bereitwillig ihre Manuskripte zur Verfugung gestellt und 
sie, trotz vielfaltiger anderer Verpflichtungen, zum Druck vorbereitet. So konnen
6  Gerechtigkeit 
die iiberarbeiteten Manuskripte der insgesamt acht Vortrage und ein weiterer 
Beitrag von Dr. A. Thumfart bier vorge1egt werden. 
So bleibt mir zum AbschluB dieses Gemeinschaftswerkes allen, die zu seinem 
Ge1ingen beigetragen haben, den Dank der Kultur-und Sozialwissenschaftlichen 
Fakultiit und ebenso meinen persanlichen herzlichen Dank auszusprechen. Mage 
dem Werk derselbe Erfolg wie zuvor der Ringvorlesung bescbieden sein! 
Univ.-Prof Dr. K. Heinemeyer 
Dekan der Kultur-und Sozialwissenschaftlichen Fakultat 
der Piidagogischen Hochschule Erfurt
Andreas Domheim / Winfried Franzen / Alexander Thwnfart / 
Arno Waschkuhn 
Zur Plurivalenz von Gerechtigkeitsdiskursen -
Ein Problemaufri8 
Gerechtigkeit ist ein Grundthema der politischen Philosophie seit Platon und 
Aristoteles bis hin zu John Rawls und Michael Walzer. Der Topos der Gerech 
tigkeit hat also stets politische Implikationen. Das gilt insbesondere fur die Ge 
rechtigkeitsdebatte im Blick auf die deutsche Vereinigung und ihre normativen 
Integrationsprobleme, zumal gerade in Ostdeutschland die Gerechtigkeitsvorstel 
lungen weiterhin stark yom Gedanken der sozialen Gleichheit durchdrungen 
sind. Demokratische Verhaltnisse garantieren keineswegs von sich aus bereits 
eine ausgleichende Gerechtigkeit,  so daB  die Gerechtigkeitsidee zwar immer 
schon  politische  Konnotationen  hat,  aber  dariiber hinaus  materielle  soziale 
Aspekte, rechtliche Festlegungen, historische und kulturelle Einbettungen auf 
weist sowie als normativer Wert stets kontexttranszendierende Zukunftsdimen 
sionen mit sich fiihrt. Neben der (zwischen den "haves" und den "have-nots" 
stets  umstrittenen)  Verteilungsgerechtigkeit k6nnen  als  weitere  Formen  eine 
Tauschgerechtigkeit, hieran anschlie.Bend eine korrektive Gerechtigkeit, femer 
eine Verfahrensgerechtigkeit sowie eine intergenerationelle Gerechtigkeit unter 
schieden werden. Die Gerechtigkeit in bezug auf die Zuteilung von Gutem oder 
Lasten, Positionen und Amtem bemi.Bt sich dabei generell nach den folgenden 
Prinzipien oder auch Billigkeitskriterien: Jedem das Gleiche oder nach seinem 
Wert als Mensch uberhaupt, jedem nach seiner Leistung resp. Leistungsfiihig 
keit, jedem nach seinen gesetzlichen Rechten, jedem nach seinen Bedii.rfuissen. 
Hierbei sollte Gleiches gleich und Ungleiches ungleich behandelt werden. Des 
weiteren mu.B auch eine Dezentrierung der eigenen Sicht vorausgesetzt werden, 
urn dem gerechtigkeitsinharenten Streben nach Unparteilicbkeit zu entsprechen. 
Gerechtigkeit weist im ganzen zweierlei Ebenen auf, die sich nicht ausschlie.Ben 
oder wechselseitig aufheben, sondem als komplementar zu verstehen sind: Ge 
rechtigkeit ist zum einen eine personen- oder gruppenbezogene Kardinaltugend 
und ben6tigt zum anderen eine  institutionelle Grundstruktur.  Sie bedarf be-
8  Gerechtigkeit 
stimmter Autonomiespharen und gemeinsamer Wertbindungen oder Ligaturen, 
ist auf Solidaritat und Subsidiaritat gestellt, solI im Sinne komplexer Gleichheit 
zugleich Identitat stiften und personale Differenz bewahren, Allgemeines und 
Besonderes  miteinander versOhnen,  Ausdifferenzierung  und  Integration glei 
chennaBen ermoglichen. Gerechtigkeit ist insofem ein menschlich-gesellschaft 
liches Konstrukt und wurzelt offenbar elementar in den Dingen, die eine gemein 
same Lebensweise ausmachen. Die Beitriige dieses Bandes sind hieran orientiert 
und entfalten in interdiszipliniirer Weise einen aufgefii.cherten Gerechtigkeitsdis 
kurs, der sich aus philosophischen, soziohistorischen, soziologischen, politikwis 
senscbaftlichen, feministischen, kommunikationstheoretischen und transnationa 
len Einsichtsgewinnen zusammen:fugt. 
Gemeinsamer Hintergrund ist die demokratische Gerechtigkeit. Jorg Paul Miiller 
fiihrt hierzu in einer bislang viel zu wenig beachteten Monographie aus, daB we 
der eine Gruppe noch eine Kultur legitimiert sei, allein zu definieren, was der 
Mensch sei, vielmehr hat sich Humanitat im verstandigungsorientierten Zusam 
menspiel alternativer Auspriigungen des Menschseins zu realisieren. Insofem ist 
die Notwendigkeit eines forderlichen Zusammenlebens der Menschen in ihrer 
Pluralitat und Partikularitat vorgegebenes Substrat und zugleich sinnstiftende 
Aufgabe demokratischer Ordnung: "Die Menschen sind mit ihren spezifischen 
Priigungen und Lebensgeschichten je eigen und in ihren Oberzeugungen, Wer 
tungen und Interessen dementsprechend vielgestaltig; gleich sind sie hingegen im 
Anspruch, das MaB, nach dem menschliche Ordnung gestaltet werden solI, zum 
gro 
Ausdruck zu britigen. Demokratische Ordnung bedarf im kleineren wie im 
Beren Raum in jedem Fall stindiger Bereitschaft aller Betroffenen zur LOsung 
der unvermeidlichen Konflikte durch andauemde diskursive Auseinandersetzung 
und Aushandlung - anstelle des RiickgrifIs auf Gewalt und andere Formen der 
Unterdriickung .... Diskursbereitschaft und Gewaltverzicht erweisen sich als die 
tragenden Saulen, auf die sich die Hofihung auf eine minimale Gerechtigkeit in 
einer Welt stUtzt, in der keine allgemeingiiltige Definition von Gemeinwohl an 
erkannt ist, sondem diese im Zusammenprall heterogener Interessen stets neu 
definiert werden muJ3. Die Tragfiihigkeit solcher Prinzipien wird urn so entschei 
dender, je mehr auch Grundfragen des Zusammenlebens wie die Umschreibung 
von Wohlstand, Wohlbefinden, die Bewertung von Fortschritt oder die Ein 
schatzung und Bereitschaft zur Hinnahme von Risiken und Gefahren kollektiver 
Untemehmungen (z.B.  im Bereich der technologischen Entwicklung) mit ins 
Zentrum politischer Auseinandersetzungen treten. Die infolge weltweiter Migra 
tion und anderer Mobilitat zu erwartende starkere ethnische Durchmischung der 
Bevolkerung akzentuiert die kulturellen Divergenzen, mit denen sich die Demo-