Table Of ContentUtho Creusen und Paul Halbe
Fusion als
untemehmerische
Chance
Das Fallbeispiel Bräutigam - OBI
GABLER
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme
Creusen, Utho:
Fusion als unternehrnerische Chance: das Fallbeispiel
Bräutigam - OBI / Utho Creusen ; Paul Halbe. -
Wiesbaden: Gabler, 1993
ISBN 978-3-322-91141-4 ISBN 978-3-322-91140-7 (eBook)
DOI 10.1007/978-3-322-91140-7
NE: Halbe, Paul:
Der Gabler Verlag ist ein Unternehmen der Verlagsgruppe Bertelsmann International.
© Betriebswirtschaftlicher Verlag Dr. Th. Gabler GmbH, Wiesbaden 1993
Softcover reprint ofthe hardcover 1st edition 1993
Lektorat: Ulrike M. Vetter
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Satz: Satzstudio RESchulz, Dreieich-Buchschlag
ISBN 978-3-322-91141-4
Von Fusionen sind immer Menschen betroffen!
Fusionen gehören zum strategischen Potential von Unternehmensfüh
rungen. Sie können für sehr unterschiedliche Ziele eingesetzt werden.
Häufig tragen sie Züge dramatischer Vorgänge, vor allem wenn eine
Fusion durch Kapitalübernahme erzwungen wird. Es gehört zweifels
ohne zum Prozeß wirtschaftlicher Dynamik, daß Unternehmen sich
verändern, sich vergrößern, in anderen aufgehen, neu entstehen oder
aus dem Wettbewerb ausscheiden. Nur wenn genügend wirtschaftliche
Entwicklung stattfindet, behält eine Volkswirtschaft die Vitalität, die sie
zur Schaffung von Arbeitsplätzen und Einkommen braucht.
Die Auslese, die der Wettbewerb unter den Unternehmen trifft, wird
durch vielfältige Kooperationen gemildert. So wird verhindert, daß
Ressourcen verlorengehen, die - anders genutzt - durchaus einen
wettbewerbsfähigen Beitrag zum Bruttosozialprodukt leisten können.
Fusionen sind Chancen zur Anpassung an wirtschaftliche Prozesse; sie
eröffnen Auswege aus der bedrohlichen Situation des "Vogel friß oder
stirb!".
Vom Vollzug einer Unternehmensfusion sind die Mitarbeiter je nach
dem Ausmaß und der Intensität des Fusionierens unterschiedlich be
troffen. Wo nur der Mehrheitsaktionär wechselt, ohne daß sonst etwas
geändert wird, bleibt für die Mitarbeiter so gut wie alles beim alten.
Aber meistens ändert sich wesentlich mehr als nur der Kapitaleigner:
neues Führungspersonal, neue Kollegen, neue Betriebsstrukturen, ver
änderte Leistungsanforderungen, andere Prioritäten, ungewohnte Ver
haltenserwartungen, in Frage gestellte Werte und Gewohnheiten.
Das alles verunsichert, löst Ängste aus, wird als Bedrohung empfunden
und reduziert in der Folge die Leistungen. Wenn mehr als die Hälfte der
Fusionen in Deutschland nicht den gewünschten Erfolg bringt, so liegt
das vermutlich daran, daß die Fusionsstrategen zwar die gesellschafts
und personalrechtlichen sowie die finanztechnischen Aufgaben der
Verflechtung gelöst haben, aber aufgrund einer autoritär-kapitali
stischen Einstellung den sozialpsychologischen Problemen keinerlei
Beachtung geschenkt haben.
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Da sich die deutsche Wirtschaft eine Ressourcenverschwendung weni
ger denn je leisten kann, muß die Quote erfolgreicher Fusionen gestei
gert werden. Es ist erforderlich, dem Zusammenwachsen der beiden
Unternehmensmannschaften zu einem neuen Team wesentlich mehr
Management-Aufmerksamkeit zu widmen als bisher üblich. Wenn die
Synergie-Effekte, die so oft als das sinnrnachende Element einer Fusion
ins Feld geführt werden, wirklich erzielt werden sollen, müssen die
Mitarbeiter motiviert werden, ihrerseits die Fusion produktivitätsstei
gernd zu vollziehen.
Diesen Prozeß zu steuern ist eine Führungsaufgabe des Personalma
nagements. Wie ein solcher Prozeß gestaltet wurde, wird in diesem
Buch anhand des Beispiels "Bräutigam - OBI" beschrieben. Mitte der
80er Jahre schloß sich das Unternehmen Bräutigam dem Franchise
System des Unternehmens OBI an. Die Fusion war vom Start weg ein
Erfolg, weil das Hauptaugenmerk auf die soziale Integration gelegt
wurde.
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Inhalt
Fusion als Existenz-Sicherung:
Bräutigam sucht einen Partner
Zwei gegensätzliche Führungspraktiken 9
Skizze der Grid-Organisationsentwicklung ................. 14
Bräutigam geht auf OBI zu ............................. 23
Der Fusionsvertrag ..... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24
Vierergruppe ,,Fusion" ................................. 34
Zwei Mannschaften lernen sich kennen:
Fragebogenaktion und Fusionsseminar
Fremd-und Selbsteinschätzung .......................... 37
Ablauf des Fusionsseminars I 50
Einsichten und Konsequenzen 55
Schulungsmaßnahmen und Auszeichnungsaktion ............ 56
Etablierung der künftigen Zusammenarbeit:
Managemententwicklung nach dem Grid-Konzept
Internes Grid-Management-Seminar ...................... 59
Verhaltenspsychologie im Betrieb ........................ 62
Vorarbeiten für das Grid-Management-Seminar ............. 70
Seminar-Ablauf ...................................... 74
Die Bedeutung der Plenarsitzungen ....................... 83
Lernprozeß in Gruppen ................................ 84
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Aufgaben der Einzelarbeit .............................. 88
Leistungsvergleiche ................................... 89
Das Fallbeispiel "Instrumente AG" ....................... 96
Das Filmbeispiel "Die zwölf Geschworenen" ............... 101
Organisationskultur in der Soll-Vorstellung . . . . . . . . . . . . . . . .. 106
Organisationskultur im Ist-Zustand ....................... 108
Persönlicher Grid-Stil vor dem Seminar ................... 109
Grid-Stile nach dem Seminar .... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 110
Neue Dynamik für unternehmerisches Handeln:
Zwischenchecks und Aktionsprogramm
Fragebogenaktion 2 ................................... 112
Unterlagen und Vorarbeiten für das zweite Fusionsseminar .... 124
Aufbau des Fusionsseminars 11 .......................... 130
Das Fusionsseminar 11 im Zeitablauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 133
Seminarergebnisse zur Verbesserung der Zusammenarbeit ..... 135
Fragebogenaktion 3 ................................... 139
Bräutigam als gewichtiger Teil der OBI-Gruppe:
Nicht mehr Konkurrenten, sondern selbständige Partner
Weichenstellungen .................................... 142
Zeitlicher Ablauf der Fusion ............................ 147
Modell für weitere Übernahmen:
Die Raab Karcher-OBI-Fusion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 149
Literatur 151
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Fusion als Existenz-Sicherung:
Bräutigam sucht einen Partner
Zwei gegensätzliche Führungspraktiken
Heinz Bräutigam gründet 1972 in Zusammenarbeit mit einem anderen
Unternehmen in Neuss den Bräutigam-Baumarkt. Die Kooperation
scheitert. Bräutigam macht allein weiter und eröffnet 1977 jeweils ei
nen Baumarkt in Düsseldorf-Reisholz und Wetzlar. Die Firma Bräuti
gam-Baumarkt GmbH datiert vom 1.1.1977. Das Unternehmen expan
diert um jährlich zwei bis drei Märkte. Mitte 1985 betreibt die Firma 20
Märkte.
Bereits bei einem Stand von 10 Märkten im Jahr 1979 stößt Bräutigam
an die Grenzen seines bis dahin praktizierten Führungssystems: Die
Zentralverwaltung in Düsseldorf ist hoffnungslos überlastet. Zur Ent
lastung wird eine Zwischenebene mit fünf Gebietsverkaufsleitern ein
geführt. Jedem von ihnen sind zwei bis vier Märkte zugeordnet. Die
Gebietsverkaufsleiter sind Vorgesetzte der Marktleiter und verantwort
lich für das Ergebnis der von ihnen betreuten Märkte. Vier Jahre später
erhalten die Gebietsverkaufsleiter weitere Verantwortung: Sie handeln
die Einkaufskonditionen mit den Lieferanten der Produkte aus, die in
ihren Marktbereich fallen. In der Stellenbeschreibung heißt es, daß die
Gebietsverkaufsleiter für Umsatz, Ertrag und Personal Verantwortung
haben.
In der Stellenbeschreibung der Marktleiter wird trotz Überschneidung
mit der Stellenbeschreibung der Gebietsverkaufsleiter in absichtsvoller
Weise gleiche Verantwortung zugeteilt, sogar mit der Betonung "allei
nige" Verantwortung: für den Gesamtumsatz, für die Kosten und Er
tragslage sowie den Personaleinsatz. Die Zusammenarbeit zwischen
den Gebietsverkaufsleitern und den ihnen zugeordneten Marktleitern
ist als ein System von Überwachen und Ausführen gedacht. Während
die Marktleiter entsprechend ihrer Verantwortung die von ihnen gefor-
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derten Maßnahmen durchzuführen haben, um die ihnen gesteckten
Ziele und Ergebnisse zu erreichen bzw. vorweisen zu können, hat der
Gebietsverkaufsleiter dies alles zu kontrollieren und gegebenenfalls
mit Anordnungen für notwendige Korrekturen zu sorgen.
Beide, Gebietsverkaufsleiter und Marktleiter, sind bezüglich ihrer
Maßnahmen und Ergebnisse der Geschäftsleitung gegenüber berichts
pflichtig. Dies nicht im Sinne einer bloßen Information, sondern als
Grundlage für Vorgaben und Anweisungen. Denn Bräutigam versteht
sich als ein Filialunternehmen mit zentraler Entscheidungsstruktur.
Gewinnerzielung durch die Gesamtunternehmenseinheit und nicht über
einzelne Profitcenter wird als Firmenziel in den Unternehmensrichtli
nien angegeben. Für das Führungssystem bedeutet das: hierarchische
Struktur mit Bündelung der Entscheidungsprozesse auf der Geschäfts
führungsebene und wenig Freiraum für selbstverantwortliches Handeln
auf den untergeordneten Hierarchieebenen. Also ein autoritär-direk
tiver Führungsstil.
Einen dazu geradezu konträren Führungsstil bildet das etwa im glei
chen Zeitraum entstehende Konkurrenzunternehmen OBI aus. Das
wird besonders deutlich an der Stellung und den Aufgaben des OBI
Marktleiters. Seine Hauptaufgaben sind: Planung, Umsetzung der Pla
nung, Kontrolle der betriebswirtschaftlichen Daten, Personalführung
und -ausbildung. Zur Planung und Kontrolle werden dem Marktleiter
zahlreiche Instrumente wie Soll-Ist-Vergleich, Betriebsvergleich mit
anderen Märkten sowie weitere Informationen, die aus dem Warenbe
wirtschaftungssystem hervorgehen, zur Verfügung gestellt.
Partnerschaft im unternehmerischen Handeln bedarf besonders starker
und ausgeprägter Koordinationsformen. Verträge und Richtlinien sind
dazu nicht ausreichend. Sie können den Rahmen abstecken, aber dieser
muß dann mit der täglichen Praxis verbindlicher Umgangsformen aus
gefüllt werden.
Das OBI-Franchise-Konzept ist ausgeformt entsprechend dem Organi
sationsmodell, das die Amerikaner Robert R. Blake und Jane S. Mouton
unter dem Namen Grid entwickelt haben. Die Grid-Organisations-
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entwicklung vollzieht sich in sechs Phasen. Sie beginnt beim Individu
um, konzentriert sich dann auf eine konkrete Arbeitsgruppe und an
schließend auf die Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Arbeits
gruppen; die weiteren drei Phasen dienen der Entwicklung strategischer
Unternehmenskonzepte. Ziel des Entwicklungsprozesses ist die Reali
sierung eines Höchstmaßes an menschen-orientierter und leistungs
orientierter Führung - und zwar gleichzeitig. Bei OBI heißt das: Argu
mentation statt Anweisung.
Die Organisationsentwicklung nach Grid hat sich bei OBI in einer
Reihe von Führungsgrundsätzen niedergeschlagen:
1. Dezentrale Vernetzung statt Hierarchie,
2. Betroffene zu Beteiligten machen,
3. Grundsatzentscheidungen der einzelnen Märkte nur im sogenann-
ten Führungsdreieck,
4. Gruppen entscheiden einstimmig,
5. Einzelentscheidungen aufgrund von Kompetenz,
6. Kein Quereinstieg in Führungspositionen,
7. Einsatz "sanfter" Technologien,
8. Personalauslese nicht nach Anforderungsprofil,
9. Beteiligung der Mitarbeiter am Erfolg,
10. Training ist nicht delegierbar und
11. Lernen ist ein lebenslanger Prozeß.
Aufgrund dieser Führungsgrundsätze sieht sich OBI in der Lage, die
Vorteile eines Großunternehmens mit den Vorteilen von Kleinunter
nehmen zu verbinden. Es wird ein Höchstmaß an Rationalisierungsef
fekten bei gleichzeitiger Realisierung von Flexibilität und Autonomie
ermöglicht.
Erläuterungen zu den einzelnen Führungsgrundsätzen:
Dezentrale Vernetzung wird durch eng geflochtene Kommunikations
systeme erreicht, die zu kooperativer Zusammenarbeit ohne Hierar
chie-und Statusprobleme führen. Konflikte werden solange positiv und
für das Gedeihen der Organisation förderlich verstanden, wie das Be-
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mühen um konstruktive Problemlösungen dahintersteht. Im offenen
Austragen von Konflikten wird sogar eine Chance gesehen, das Unter
nehmen weiter zu entwickeln und sich den Markterfordernissen rasch
anzupassen.
Betroffene werden dann zu Beteiligten, wenn sie in den Entscheidungs
prozeß sie betreffender Fragen einbezogen werden, insbesondere müs
sen diejenigen an einem Entscheidungsprozeß beteiligt werden, die
später die Entscheidung umsetzen sollen. Dazu dient eine Vielzahl von
Kommissionen und Tagungen. Die Kommissionen bestehen aus demo
kratisch gewählten Marktleitern, Franchise-Nehmern und Fachleuten
der Systemzentrale. Themen sind u.a. die Grundsatzfragen der Dienst
leistungen des Franchise-Gebers, Sortimentzusammenstellungen, Per
sonalentwicklungsmaßnahmen, EDV-Entwicklungen und Werbekon
zepte.
Grundsatzentscheidungen, die den einzelnen Markt der Organisation
betreffen, werden von Franchise-Nehmer, Franchise-Geber und dem·
jeweiligen Marktleiter gemeinsam, und zwar einstimmig, getroffen.
Das Trio diskutiert und verabschiedet sämtliche Zielsetzungen eines
Marktes.
Alle Gruppenentscheidungen bedürfen bei OBI der Einstimmigkeit.
Dadurch wird ein Höchstmaß an Identifikation mit der getroffenen
Entscheidung erreicht. Voraussetzung ist, daß ein Thema so lange dis
kutiert wird, bis es zu einer einheitlichen Meinungsbildung kommt. Der
Diskussionsprozeß kann langwierig und auch schmerzhaft sein, aber
nach der Entscheidung kommt es zu einer verläßlichen und beschleu
nigten Umsetzung der Beschlüsse.
Einzelentscheidungen werden von dem Mitarbeiter getroffen, der dazu
die notwendige Fachkompetenz durch tägliche, praktizierte Erfahrung
hat. Welche und wieviele Artikel eingekauft werden, darüber entschei
den z. B. die Verkäufer der einzelnen Märkte und nicht Einkäufer der
Systemzentrale.
Führungspositionen werden nur mit solchen Mitarbeitern besetzt, die
auf den verschiedenen Arbeitsebenen der Organisation erfolgreich tätig
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