Table Of ContentSeptember 2013 D 13882 F
XIX. Jahrgang ISSN 0947-0875
3.13
n
Neurowissenschaftliche
....... Gesellschaft
Themenheft: Furcht, Angst, Angsterkrankungen
Neuronale Schaltkreise von Furchtgedächtnis und Furchtextinktion
Das Zusammenspiel von Genotyp und Umwelt bei der Entwicklung von Furcht und Angst
Kontextkonditionierung in virtueller Realität als Modell für pathologische Angst
Angsterkrankungen: Genetische Grundlagen
springer-spektrum.de
Henning Beck,
Deutscher Meister
Science Slam 2012
Das Gehirn verstehen und sein
kreatives Potenzial nutzen
Denken Sie, das Gehirn ist eine perfekte Rechenmaschine, präziser
Neu
und leistungsfähiger als jeder Computer? Vergessen Sie das sofort!
Das Gehirn ist ein Haufen eitler, fauler und selbstverliebter Zellen,
die sich ständig verrechnen und dabei permanent von ihren Nach-
barn abgelenkt werden – und dennoch: Das Gehirn funktioniert!
Sehr gut sogar, denn Menschen sind im Gegensatz zu rechnenden
Maschinen ausgesprochen kreativ.
„Wie das?“, mag man fragen. Dieses Buch gibt die Antwort darauf.
Fachlich fundiert und humorvoll berichtet derNeurowissenschaftler
und deutsche Science Slam-Meister 2012 Henning Beck anhand von
Beispielen aus dem Alltag über das Zusammenspiel von Nerven-
und ihren Helferzellen, erklärt, was ein Geistesblitz überhaupt ist,
wie er entsteht und was die Hirnforschung zum Thema Kreativität
Henning Beck
zu sagen hat. Dabei zeigt er nicht nur, wie und woran auf diesem
Biologie des Geistesblitzes
Speed up your mind! Gebiet geforscht wird, sondern macht die kreativen Prozesse im
2013, 243 S. 63 Abb. in Farbe. Brosch. Gehirn verständlich.
ISBN 978-3-642-36532-4
€ (D) 14,99 | € (A) 15,37 | *sFr 16,50
€ (D) sind gebundene Ladenpreise in Deutschland und enthalten 7% MwSt. € (A) sind gebundene Ladenpreise in Österreich und enthalten 10% MwSt.
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Aoo972_Beck Neuroforum 210x280.indd 1 24.07.2013 09:41:06
Inhalt
Themenheft: Furcht, Angst, Angsterkrankungen
Gast Autor: Hans-Christian Pape
Inhalt 89
EdItorIal 90
Experimentelle Ansätze zur Identifizierung der
neurobiologischen Grundlagen von Furcht, hauptartIkEl
Angst und Angsterkrankungen. Neuronale Carsten T. Wotjak und Hans-Christian Pape 92
Expression von Rezeptoren für Neuropeptid S Neuronale Schaltkreise von Furchtgedächtnis und Furchtextinktion
(siehe Seite 92 ff).
n
Neurowissenschaftliche Norbert Sachser und Klaus-Peter Lesch 104
....... Gesellschaft
Das Zusammenspiel von Genotyp und Umwelt
bei der Entwicklung von Furcht und Angst
Vorstand der
Amtsperiode 2013/2015
Evelyn Glotzbach-Schoon, Marta Andreatta, Andreas Mühlberger und Paul Pauli 110
Kontextkonditionierung in virtueller Realität als Modell für pathologische Angst
Präsident:
Prof. Dr. Helmut Kettenmann, Berlin
Vizepräsident:
Katharina Domschke 118
Prof. Dr. Hans-Joachim Pflüger, Berlin
Angsterkrankungen: Genetische Grundlagen
Generalsekretär:
Prof. Dr. Christian Steinhäuser, Bonn
Schatzmeister: ForschungsFördErung
Prof. Dr. Andreas Draguhn, Heidelberg Schwerpunktprogramm 1757: „Functional Specializations 126
of Neuroglia as Critical Determinants of Brain Activity“
Sektionssprecher
Computational Neuroscience:
Prof. Dr. Fred Wolf, Göttingen nachrIchtEn aus dEr dEutschEn ForschungsgEmEInschaFt
Deutsch-Japanische Zusammenarbeit in Computational Neuroscience 128
Entwicklungsneurobiologie/Neurogenetik:
Neues Schwerpunktprogramm „Emerging Roles of Non-coding 128
Prof. Dr. Gerd Kempermann, Dresden
RNAs in Nervous System Development, Plasticity and Disease“ (SPP 1738)
Klinische Neurowissenschaften:
Prof. Dr. Thomas F. Münte, Lübeck
nachrIchtEn aus dEr nEurowIssEnschaFtlIchEn gEsEllschaFt
Kognitive Neurowissenschaften: „Jugend forscht“ – Sonderpreis der Neurowissenschaftlichen Gesellschaft 2013 125
Prof. Dr. Herta Flor, Mannheim Kursprogramm 2014 der neurowissenschaftlichen Graduiertenkollegs 128
in Verbindung mit der Neurowissenschaftlichen Gesellschaft e.V.
Molekulare Neurobiologie: 20 Jahre NWG 132
Prof. Dr. Sigrun Korsching, Köln
Neuropharmakologie und -toxikologie:
ausblIck 136
Prof. Dr. Michael Koch, Bremen
Systemneurobiologie:
Prof. Dr. Eckhard Friauf, Kaiserslautern ImprEssum 136
Verhaltensneurowissenschaften
Prof. Dr. Charlotte Förster, Würzburg
Zelluläre Neurobiologie:
Prof. Dr. Andreas Reichenbach, Leipzig
3/13 89
EdItorIal
Furcht, Angst, Angsterkrankungen te translationale Ansätze und konkrete
Schlussfolgerungen in Richtung einer Dia-
gnose- und Therapieentwicklung sowie der
Hans-Christian Pape Erstellung von individuellen Risikoprofilen
für die Erkrankungen zulassen. Mit diesem
strategischen Ziel wurde der translationale
Aus biologischer Sicht sind Furcht (das Sonderforschungsbereich „Furcht, Angst,
Gefühl der konkreten Bedrohung beispiels- Angsterkrankungen (SFB-TRR58)“ im
weise durch eine Person oder ein Objekt) und Juli 2008 von der Deutschen Forschungsge-
Angst (das diffuse Unbehagen in einer als meinschaft eingerichtet und im Jahre 2012
bedrohlich empfundenen Situation) wichtige in die aktuell 2. Förderperiode verlängert
Komponenten unseres Verhaltensrepertoires: (http://sfbtrr58.uni-muenster.de/). Dieser
Sie schützen uns vor potenziell unange- Sonderforschungsbereich vereint Wissen-
nehmen oder sogar schädlichen Einflüssen. schaftlerinnen und Wissenschaftler der
So lernen wir durch Sozialisierung oder Universitäten und Universitätsklinika aus
schmerzvolle Erfahrung, bestimmte Verhal- Münster, Hamburg und Würzburg sowie eine
tensweisen oder Begegnungen zu vermeiden, eng kooperierende Gruppe der Universität
aus Angst davor, verletzt zu werden. Charles Mainz. Die Mitglieder bringen ihre Expertise
Darwin hat bereits im Jahr 1872 darauf aus Molekularbiologie, Genetik, Neurophy-
hingewiesen (C Darwin. The expression siologie, Verhaltensbiologie, Psychologie,
of the emotions in man and animals. John Psychiatrie und der Bildgebung ein. Diese
Murray, London, 1872), dass diese stam- einzigartige Bündelung von Expertise und
mesgeschichtlich alten Merkmale („horror interdisziplinärer Zusammenarbeit in diesem
and agony“) in allen Säugetieren, wenn nicht Forschungsgebiet schafft die Grundlage
sogar in allen Wirbeltieren vorhanden sind. für eine wissenschaftliche Strategie, in der
Der phylogenetisch alte Ursprung dieser sich experimentelle Konzepte in tierexpe-
Verhaltensreaktionen und deren positive rimentellen Studien und Untersuchungen
Selektion im Verlauf der Evolution sind am Menschen gezielt ergänzen. Damit ist
leicht nachvollziehbar: Individuen, die in zählen Angsterkrankungen nicht nur zu die Voraussetzung gegeben, molekulare
einer gefährlichen Umwelt furchtsam rea- den häufigsten psychischen Störungen, und systemische Mechanismen von Furcht,
gieren, überleben besser. So ist der bei uns sondern auch zu denjenigen mit frühestem Angst und Angsterkrankungen nicht nur
als „ängstlich“ diskriminierte Hase in der Krankheitsbeginn. Die Krankheit führt zu inkrementell in Details zu charakterisieren,
chinesischen Mythologie das Sinnbild der erheblichen Beeinträchtigungen von Le- sondern grundlegende Prinzipien dieser
Langlebigkeit. Oder anders herum: „Die bensqualität, Lernvermögen, Arbeits- und Zustände zu entschlüsseln. Aktuell besteht
Mutigen sterben zuerst“. Berufstätigkeit. Der Erkrankung liegt ein der SFB-TRR58 aus 19 Teilprojekten, die
Allerdings können anhaltende Verände- komplexes Wechselspiel aus genetischer in drei Bereichen und einem Zentralbereich
rungen oder eine extreme Störung dieser Disposition, psycho-sozialen und auto- organisiert sind: (A) Tierexperimentelle
Verhaltensmechanismen zu exzessiven biografischen Spezifika (Life History) in Studien, (B) Präklinische Studien, (C) Kli-
und in Bezug auf die Situation unangemes- Verbindung mit neuropathologischen Verän- nische Translation und Intervention, (Z02)
senen Reaktionen führen, die durch den derungen der „Furchtschaltkreise“ des Ge- Funktionelle Genomik und Gen x Umwelt-
Betroffenen kaum kontrollierbar sind: zum hirns zugrunde. Allerdings bleiben Ätiologie Wechselwirkung.
Beispiel eine andauernde Angst lange nach und Pathogenese der Angsterkrankungen in Die wissenschaftliche Strategie zur
Ende der eigentlich bedrohlichen Situation, großen Teilen unverstanden, was erhebliche Durchführung und Weiterentwicklung des
ein Wiedererleben von Erfahrungen mit Probleme in der diagnostischen Einordnung Forschungsprogramms des SFB-TRR58
extremer Angst, oder eine omnipräsente, und insbesondere in der Entwicklung wirk- folgt zwei Hauptlinien. Entlang einer Linie
für den Außenstehenden kaum erklärliche samer Therapieverfahren mit sich bringt. In fokussieren wir auf ausgewählte Modelle,
basale Ängstlichkeit. Panikstörung, Phobien, der Tat dokumentieren epidemiologische Mechanismen und Erkrankungen, generie-
posttraumatische Belastungsstörung und Studien die enorme ökonomische Relevanz ren konvergente Ansätze aus verschiedenen
generalisierte Angsterkrankung. der Angsterkrankungen und verweisen auf Beschreibungsebenen und gewährleisten
„Now is the age of anxiety“ (W. H. Auden. die aus den Erkrankungen resultierenden damit ein Maximum an Synergieeffekten.
The age of anxiety: a baroque eclogue. Herausforderungen für die Systeme der Dieser Ansatz ist bewusst reduktionistisch
Random House, New York 1947). Obwohl Gesundheitsfürsorge. ausgelegt. Entlang einer zweiten strate-
die barocke Lyrik von Wystan Hugh Auden Eine systematische, wissenschaftliche gischen Linie haben wir screening Ansätze
bereits vor mehr als 60 Jahren mit dem Analyse dieser Emotionen und ihrer pa- implementiert, die auf Kandidatengene und
Pulitzer-Preis gewürdigt wurde, ist dessen thologischen Alteration erfordert Ansätze „innovative“ Gene für Angsterkrankungen
Kernaussage zu Beginn des 21. Jahrhunderts der Neurobiologie, Genetik, Psychologie zielen. Nach Identifizierung eines Gens
aktueller denn je: Die Zahl Angsterkrankter und Psychiatrie, in Verbindung mit einem wird dessen Relevanz in einer Art „proof-
ist besorgniserregend, mit einer Wahrschein- translationalen Konzept. Dieses sollte of-principle“ mithilfe der etablierten experi-
lichkeit der Erkrankung im Verlaufe des einerseits auf die Erfassung von Detailme- mentellen Modelle und Konzepte überprüft,
Lebens von 14-29% (in der Europäischen chanismen mit einer notwendigerweise wobei die zuvor erreichte Kenntnis der
Union) und einem Krankheitsbeginn zum reduktionistischen Grundanlage zielen; es Detailfunktionen eine entscheidende Vo-
Teil schon im Alter von 11 Jahren. Damit sollte andererseits in hinreichender Brei- raussetzung zur mechanistischen Erfassung
90 3/13
EdItorIal
des genetischen Einflusses und der Gen x den Faden präklinischer Untersuchungen Profilbildung an den Standorten, generiert
Umwelt-Beziehung ist. Unsere Ziele sind (i) zu molekularen Grundlagen von Angst und wichtige wissenschaftliche Beiträge im
molekulare und zelluläre Komponenten zu Furcht auf, indem sie das Zusammenwirken Forschungsfeld und leitet Ausbildungs- und
integrieren, um deren globale Funktion in von genetischen Faktoren und Umweltein- Nachwuchsprogramme zur Neurobiologie
einem relevanten synaptischen Netzwerk zu flüssen bei Angsterkrankungen des Men- der Emotion. Gleichzeitig zielt der SFB-
verstehen, (ii) die involvierten Hirnregionen schen aufzeigt, ein neues Vulnerabilitätsgen TRR58 auf die Heranführung einer „neu-
und Verhaltenskorrelate zu erfassen, (iii) vorstellt und dessen Bedeutung für Angster- en“ Generation von Wissenschaftlerinnen
die Einflüsse der Umwelt auf diese Funkti- krankungen im Systemkontext nachweist. und Wissenschaftlern an das Gebiet der
onen zu erkennen, und schlussendlich (iv) In die wissenschaftlichen Arbeiten des Emotionsforschung und das vertiefte Ver-
aus den neu gewonnenen Erkenntnissen SFB-TRR58 ist ein Nachwuchskonzept ständnis der mechanistischen Prinzipien von
Schlussfolgerungen für die klinische Praxis integriert, in das die beteiligten Standorte Furcht und Angst. Aus diesen Ergebnissen
abzuleiten. Hamburg, Münster und Würzburg ihre erwarten wir langfristig eine Richtungsbe-
Diese Sonderausgabe von Neuroforum strukturierten Graduiertenprogramme mit stimmung zur signifikanten Verbesserung
bietet einen Einblick in die einzelnen relevanten Themenstellungen und metho- von Prognose, Diagnose und Therapie der
Forschungsbereiche. Carsten Wotjak und dischen Ansätzen einbringen. Umgekehrt Angsterkrankungen.
Hans-Christian Pape führen kursorisch in stellen die Mitglieder des SFB-TRR58 ihre Dank gebührt der Deutschen Forschungs-
die synaptischen Schaltkreise von Furcht, Expertise diesen Programmen zur Verfü- gemeinschaft für die Förderung unserer wis-
Angst und Furchtextinktion ein, ehe Nor- gung. Darüber hinaus bietet der SFB-TRR58 senschaftlichen Arbeit und allen Mitgliedern
bert Sachser und Klaus-Peter Lesch die dem wissenschaftlich interessierten Nach- des SFB-TRR58, die dieses Verbundprojekt
Bedeutung von Gen x Umwelt-Interaktionen wuchs auf früherer Stufe Möglichkeiten zur tragen.
am Beispiel von Tiermodellen gesteigerten Erkundung wissenschaftlicher Arbeit. Dies
Angst- und Furchtverhaltens erläutern. geschieht beispielsweise im Rahmen von
Anschließend dokumentieren Evelyn Glotz- „Schülerlabors“ direkt in den Forschungs-
bach-Schoon, Marta Andreatta, Andreas einrichtungen oder durch Vorträge der SFB-
Mühlberger und Paul Pauli, wie sich mithil- Mitglieder in Leistungskursen der Biologie.
fe virtueller Realität und in enger Anbindung Insgesamt verknüpft der SFB-TRR58
an Tierstudien Modelle für pathologische die Forschung an drei Universitäten zum
Angst im Menschen entwickeln lassen. Thema Furcht/Angst/Angsterkrankungen,
Katharina Domschke nimmt abschließend leistet einen substanziellen Beitrag zur Prof. Dr. Hans-Christian Pape
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nEuronalE schaltkrEIsE von FurchtgEdächtnIs und FurchtExtInktIon
Neuronale Schaltkreise von Furcht- die Konfrontation mit tatsächlichen oder
potenziellen Bedrohungen verschiedene
gedächtnis und Furchtextinktion Furcht- oder Alarmreaktionen auslöst, bei
denen vegetative Reaktionen (z.B. Anstieg
des Blutdrucks, des Herzschlags und der
Carsten T. Wotjak und Hans-Christian Pape Atemfrequenz), Verhaltensreaktionen (z.B.
Bewegungsstarre, Zusammenzucken und
Augenschlussreflex als ungerichtete bzw.
Zusammenfassung Kampf, Flucht oder Vermeidung als gerich-
Das Prinzip „Fressen und Gefressenwerden“ erwies sich als eine entscheidende Trieb- tete Reaktionen) und hormonelle Reaktionen
feder der Evolution von Tier und Mensch. Dies mag erklären, weshalb es sich bei der (z.B. Freisetzung der Stresshormone Adre-
Fähigkeit, Gefahren rechtzeitig zu erkennen und adäquat darauf zu reagieren, um nalin und Cortisol bzw. Corticosteron) un-
stammesgeschichtlich konservierte Errungenschaften handelt, die bei Säugetieren einen terschieden werden. Stammesgeschichtlich
hohen Grad an Homologien aufweisen. Tierexperimentelle Untersuchungen gestatten es betrachtet, sind solche Alarmreaktionen bei
deshalb nicht nur, neurochemische, zelluläre und molekulare Grundlagen von Schutz- Säugetieren, einschließlich des Menschen,
mechanismen wie Furcht und Angst zu entschlüsseln, sondern auch Rückschlüsse auf weitgehend konserviert. Der Linguist Mario
die Situation beim Menschen zu ziehen. Dies könnte zur Verbesserung der Prognose, Wandruszka (1981) verdeutlicht dies am
Diagnose, Prävention und Therapie von Angststörungen beitragen. Unser Artikel Beispiel unserer Alltagssprache, die von
greift mit den neuronalen Grundlagen von Furchtgedächtnis und Furchtextinktion schreckhaft aufgerissenen oder zusammen-
einen zentralen Aspekt der translationalen Angstforschung heraus. Nach einer kurzen gepressten Augen, einem wild schlagenden,
Einführung in Prinzipien der Furchtkonditionierung und Furchtextinktion werden sich zusammenkrampfenden Herz, dem
neuronale Schaltkreise vorgestellt, die in die Entstehung und Überwindung von Furcht- stockenden Atem, dem erstarrenden Blut,
gedächtnis einbezogen sind. Dabei werden historisch-etablierte Prinzipien den neueren Leichenblässe, Angstschweiß und Zähne-
Erkenntnissen zur Organisation der synaptischen Schaltkreise gegenübergestellt. Die klappern, der ausgetrockneten, zusammen-
detaillierte Kenntnis dieser Verschaltungsmuster trägt zu unserem Grundverständnis geschnürten Kehle, dem sich sträubenden
pathologischer Formen von Furcht und Ängstlichkeit bei. Gleichzeitig lassen sich aus Haar, dem heiseren Schrei des Entsetzens
ihnen neue Interventionsmöglichkeiten für die Therapie von Angststörungen ableiten. und der zitternden Lähmung des ganzen
Körpers kündet. Und weiter spricht man von
der instinktiven Reaktion des Herumrennens,
Abstract dem fieberhaften Bewegungssturm, von
Neuronal circuits of fear memory and fear extinction. Kopflosigkeit und Nervenverlieren sowie
The principle of „Eat or Be Eaten“ has proven a critically guiding element during evolu- von einer tödlichen Schreckenslähmung,
tion of both humans and animals. This may help to explain that the ability of detecting die Lots Weib zur Salzsäule, die Edomiter,
a danger or threat has been highly conserved throughout evolution, and, thus involves Moabiter und Kanaaniter zu Stein erstarren
a high degree of homologies across species. Studies in laboratory animals thereby en- lässt und die durch das schlangenstarrende
able to identify key neurochemical, cellular and molecular mechanisms underlying Gorgonenhaupt oder den Todesblick des Ba-
fear and anxiety, and importantly, to also draw conclusions on the mechanistics in silisken bewirkt wird. Besinnt man sich dann
human beings. This, in turn, provides a most valuable basis of fostering improvements noch auf Lampenfieber, das Heiß-und-kalt-
in prognosis, diagnosis, prevention and therapies of anxiety disorders. The present ar- Werden, die Gänsehaut und das Heulen und
ticle focuses on one aspect that is central to translational anxiety research, namely the Zähneklappern, so rundet sich die Palette der
neuronal substrates and circuits of fear memory and fear extinction. Following a brief Furchtantworten weitgehend ab.
introduction to the principles of fear conditioning, synaptic circuits will be described Auch wenn Furchtreaktionen per se re-
underlying the acquisition and extinction of fear memory in the mammalian brain. flexiv sind, d.h. durch phylogenetisch und
Historically established principles will be systematically compared with novel findings ontogenetisch festgelegte Reaktionsbahnen
on the detailed synaptic circuit organization of the fear matrix. The knowledge of the vermittelt werden, sind wir dennoch keine
neuronal substrates and connectivities will significantly improve our understanding of Marionetten, die sich automatisch von den
pathologically transformed states of fear and anxiety, and thereby help to derive novel Fäden, die wir Emotionen nennen, führen
intervention strategies for the treatment of anxiety disorders. lassen. Synaptische Plastizität und die
Existenz neuronaler Netzwerke aus exzi-
tatorischen und inhibitorischen Neuronen
Keywords: fear conditioning; amygdala; prefrontal cortex; anxiety disorder gewährleisten, dass die Furchtantwort der
jeweiligen Situation angemessen abläuft.
Dies beinhaltet die Fähigkeit, bedrohliche
Situationen künftig zu vermeiden, indem
Einführung unbestimmtes Gefühl der Beklemmung auf entsprechende Schlüsselreize antizi-
und des Bedrohtseins. Furcht hingegen ist patorisch reagiert wird. Alternativ können
In unserem täglichen Sprachgebrauch objekt- oder situationsbezogen. Im wissen- Furchtreaktionen auch unterdrückt werden,
wird häufig nicht zwischen Angst und schaftlichen Ansatz ist zur Erfassung dieses sollte sich die Bedrohung als unerheblich
Furcht unterschieden. Daher möchten wir Verhaltens neben Äußerungen über den erweisen. Individuelle Unterschiede in Angst
unseren Ausführungen eine Definition (subjektiv empfundenen) Gemütszustand und Furcht resultieren aus dem komplexen
der entsprechenden Begrifflichkeiten vo- die Messung quantifizierbarer Größen Wechselspiel zwischen genetischer Veranla-
ranstellen: Wir verstehen unter Angst ein erforderlich. Hierbei ist von Vorteil, dass gung und autobiografischen Spezifika (z.B.
92 3/13
carstEn t. wotjak und hans-chrIstIan papE
frühkindliches Trauma). Tierexperimentelle von Genotyp und Umwelt (Sachser und der Entstehung (Acquisition), der Lang-
Modelle leisten einen wichtigen Beitrag Lesch, in dieser Ausgabe), neuropsycholo- zeitbildung (Consolidation) und des Abrufs
zum Verständnis der physiologischen und gischen Aspekten (Glotzbach-Schoon et al., (Retrieval, Recall) der Gedächtnisinhalte
genetischen Grundlagen von Furcht und in dieser Ausgabe) sowie pathologischen unterschieden und experimentell erfasst
Angst. Diese Modelle ermöglichen es uns, und genetischen Konstituenten bei Angster- werden (Exkurs 1B); zum anderen ist die
die Rolle einzelner Gene unter kontrollierten krankungen (Domschke; in dieser Ausgabe) Verhaltensexpression der Furcht gut erkenn-
Umgebungsbedingungen, den Einfluss von befassen. bar und recht einfach quantifizierbar. Werden
Umweltfaktoren bei definiertem genetischen die Tiere beispielsweise zu einem späteren
Hintergrund bzw. die Interaktion dieser bei- Furchtkonditionierung und Zeitpunkt erneut dem Tonsignal bzw. der
den Einflussgrößen zu untersuchen. Furchtextinktion Lernumgebung (dem konditionierten Reiz,
Das am besten untersuchte Modellsystem CS+) ausgesetzt, dann zeigen sie eine Reihe
ist die Furchtkonditionierung (LeDoux Bei der Furchtkonditionierung handelt sich typischer Furchtreaktionen, wobei z. B. die
2000). Im weiteren Verlauf dieses Artikels um einen Lern- und Gedächtnisprozess, der Bewegungsstarre (Freezing) als ein Maß für
wollen wir deshalb die neurobiologischen auf der klassischen (oder Pawlow´schen) das Furchtgedächtnis verwendet wird (Ex-
Prinzipien beschreiben, die der Entstehung, Konditionierung beruht, d.h. einer Stimu- kurs 1). Beim Ausbleiben des antizipierten
Ausprägung, Modulation und Extinktion von lus-Stimulus (Reiz-Reiz)-Assoziation. In aversiven Reizes kann es zu einer Abnahme
Furchtgedächtnis zugrunde liegen. Hierbei einem typischen Verhaltensansatz lernt das der Furchtreaktion kommen. Dieser Vorgang
werden wir uns auf die wesentlichen Aspekte Versuchstier (und auch der Mensch), ein wird als Furchtextinktion bezeichnet. Er lässt
beschränken. Wer sich tiefer mit der Materie Tonsignal bzw. die Lernumgebung (Kon- sich experimentell durch die wiederholte
vertraut machen möchte, den verweisen wir text) mit einem aversiven Reiz (z.B. einem bzw. lang anhaltende Exposition gegenüber
auf eine Reihe aufschlussreicher Übersichts- schwachen elektrischen Reiz an Fuß oder dem Tonsignal bzw. der Lernumgebung
artikel, die sich detailliert mit den beteiligten Hand) zu verknüpfen (Exkurs 1A). Dieser hervorrufen, ein Prozess, den man als Extink-
molekularen und synaptischen Mechanismen kontrolliert-reduktionistische Ansatz bietet tionstraining bezeichnet (Exkurs 1A). Die
(Myers und Davis 2007; Ehrlich et al. 2009; eine Reihe von Vorteilen für die systema- Wahl des hierfür eingebürgerten Begriffes
Milad und Quirk 2012; Pape und Paré 2010; tische Analyse neuronaler und molekularer „Extinktion“ erweist sich insofern als un-
Johansen et al. 2011), dem Zusammenspiel Mechanismen: Zum einen können Phasen glücklich, als das Furchtgedächtnis nur in
3/13 93
nEuronalE schaltkrEIsE von FurchtgEdächtnIs und FurchtExtInktIon
die Präsentation des Tonsignals in einer
Exkurs 1
lernen kommt. In diesem Umlernprozess neuen Umgebung (Renewal) (Exkurs 1B).
wird eine neue Gedächtnisspur gebildet, Neben der Extinktion gibt es eine Reihe
Experimentelle Untersuchung die den Abruf des Furchtgedächtnisses von anderen Vorgängen, die zu einer Ab-
zur Furchtkonditionierung und unterdrückt. Der Nachweis, dass es sich nahme der Furchtreaktion führen können.
Furchtextinktion hierbei um kein „Auslöschen“ des Furcht- Zu diesen zählt das „Vergessen“ (d.h. das
gedächtnisses im engeren Sinne handelt, Abschwächen der Gedächtnisspuren, die
(A) Während der Furchtkonditionierung wird durch das mögliche erneute Auftreten dem Furchtgedächtnis zugrunde liegen, mit
wird in einer bestimmten Umgebung der Furchtreaktion auf das Tonsignal ge- zunehmendem zeitlichem Abstand zwischen
(Kontext A = konfigureller konditionierter führt. Dieser „Rückfall“ erfolgt entweder Lernereignis und Gedächtnisabruf). Die
Stimulus, cCS) ein Tonsignal (elementarer spontan (Spontaneous Recovery), oder Evolution hat jedoch dafür gesorgt, dass wir
konditionierter Stimulus; eCS) präsentiert, wird durch die erneute Präsentation eines bedrohliche Erlebnisse lange im Gedächtnis
das gemeinsam mit einem kurzen elektri- unkonditionierten Reizes (Reinstatement) behalten. Die Zeit heilt zwar viele Wunden,
schen Fußreiz (unkonditionierter Stimulus, bzw. die Testung in einer neuen Umgebung aber bei weitem nicht alle. Entsprechend
US) endet. Die nachfolgende Präsentation (Kontext C) (Renewal) bewirkt. (B) Die geht eine Reihe von Angsterkrankungen
des Konditionierungskontextes oder des Lernkurve verdeutlicht anhand der Er- (z.B. posttraumatische Belastungsstörung,
konditionierten Tons löst eine typische fassung der Furchtreaktion (Freezing) die Agoraphobie, spezifische Phobie, Panikstö-
Furchtreaktion aus (z.B. Freezing/Be- einzelnen Phasen der Gedächtnisbildung rung) mit anhaltend starken Furchtreakti-
wegungsstarre). Während des Extink- (Acquisition, Consolidation, Retrieval), die onen einher. Aus diesem Grund gewinnt das
tionstrainings wird der Ton wiederholt sowohl bei der Furchtkonditionierung als Verständnis für diejenigen Vorgänge, die zur
präsentiert, ohne dass ihm ein aversiver auch bei der Furchtextinktion unterschie- Entstehung derartiger Furchtreaktionen füh-
Stimulus folgt, sodass es zu einem Um- den werden. ren bzw. zu deren Überwindung beitragen,
gerade aus klinischer Sicht an Bedeutung.
Beide Aspekte lassen sich experimentell
A
Rückfall systematisch durch die Furchtkonditionie-
B
rung bzw. die Furchtextinktion untersuchen.
+ einige Tage Spontaneous
Recovery
Konditionierung Furchtgedächtnis Extinktionstraining Extinktionsgedächtnis Neuronale Schaltkreise der
A (cCS) A B B B Entstehung und Expression des
B Furchtgedächtnisses
(n) (n)
(eCS)(US) +24h +24h +24h +24h +24h Reinstatement
Ganz allgemein können wir zwischen Hirn-
regionen unterscheiden, die unmittelbar in
Kontextuelle Elementare C die Expression der Furcht einbezogen sind
Furcht Furcht (wiederholt)
(z.B. Änderung von Blutdruck, Herzfre-
+24h Renewal
quenz und motorischer Aktivität). Diese
befinden sich vor allem im Hypothalamus
B sowie im Mes- und Metencephalon. Darüber
hinaus existieren Hirnregionen, die für die
Modulation und Kontrolle des Furchtver-
Acquisition Consolidation Retrieval
haltens verantwortlich sind, zum Beispiel
Acquisition Consolidation Retrieval
Furcht- im Rahmen entwicklungs- oder lernabhän-
expression Rückfall
giger Erfahrungen. Letztere sollen in diesem
Freezing Furchtkonditionierung Extinktionstraining Egxetdinäkcthiotnniss- enewal einstatement pontaneous Recovery Awtduvaneeilrnrsrktd ei ouAkarrennetmmeskl xye aBu,gnu med ds(ra ifEüePalax nclHkakkgtoursizempirgicspcrp hoüh2ltknee)i,xngad m eudMbnanpe segsuastc uhs fhwfofior ndiädrredmne nheknaanee trPu,nis otre.we ännE f aoürsulobb nizneesud-rti
R R S ein detailliertes Wissen über die neuronalen
Zeit Grundlagen von Furchtgedächtnis und
Furchtextinktion verfügen.
Bildgebende Verfahren, elektrophysio-
logische Studien und Untersuchungen an
Ausnahmefällen tatsächlich „ausgelöscht“ die Furchtreaktionen auf das Tonsignal Patienten mit Hirnläsionen weisen auf ein
wird. Beim Extinktionstraining kommt nach erfolgreicher Extinktion rückfallartig hohes Maß an Homologie in der neuronalen
es vielmehr zur Bildung einer neuen Ge- wieder auftreten können. Dies geschieht Matrix der Furchtregulation bei Menschen
dächtnisspur („der Ton signalisiert keine entweder spontan durch das Verstreichen und Nagern hin (Abbildung 1).
Gefahr mehr“), die die Ausprägung des von Zeit (Spontaneous Recovery), oder Die Amygdala setzt sich aus mehr als
ursprünglichen Furchtgedächtnisses („der aber bei erneuter Gabe des Bestrafungs- einem Dutzend Kerngebieten zusammen,
Ton signalisiert Gefahr“) unterdrückt. Wir reizes ohne erneute Assoziation mit dem von denen der basolaterale Kernkomplex
schließen auf einen solchen Vorgang, da Tonsignal (Reinstatement) bzw. durch (BLA) und der zentrale Kern (Central
94 3/13
holgEr lErchE Et al.
A frontal occipital
Mensch
ACC
NEW Low-Price Instrument Series
Amygdala
vmPFC EXT-02 B
Hippocampus Ratte
Extracellular
Maus
B 1 cm amplifier with
filters, gain and
Rodentia stimulus control
AUD-08 B
Audio monitor for
up to four EXT-02 B
amplifiers
mPFC Amygdala Hippocampus
dHPC dorsal REL-08 B
PrL
Resistance test for
IL CeL up to four EXT-02 B
CeM LA vHPC
amplifiers
BLA ventral
medial lateral
TMR-01B
Abb. 1: Hirnanatomische Grundlagen von Furchtgedächtnis und Versatile timer
Furchtextinktion. A) Mit Bereichen des medialen Präfrontalen
with pulse or
Kortex (mPFC), der Amygdala und des Hippokampus werden beim
burst mode
Menschen Hirnareale unterschieden, die eine maßgebliche Rolle bei
der Regulation der Furchtantwort spielen. B) Da es sich hierbei um
phylogenetisch konservierte Hirnstrukturen handelt, finden sich ho- ISO-STIM 01B
mologe Hirnareale bei der Maus (Farbkodierung). Was die komplexen Isolated stimulator
Funktionen des ACC beim Menschen angeht, so scheinen diejenigen,
with voltage or
die unmittelbar in die Furchtregulation eingreifen, bei den Rodentia
current output and
vor allem (wenn auch nicht ausschließlich) vom PrL übernommen
interphase gap
zu werden. Ein Blick auf die maßstäbliche Gegenüberstellung der
Gehirne von Mensch, Ratte und Maus verdeutlicht die Herausforde-
rungen, mit denen sich die tierexperimentelle Neurowissenschaft bei npi provides complete
der Aufklärung der Prozesse konfrontiert sieht, die zur Entstehung
rigs for electrophysiology
und zur Extinktion von Furchtgedächtnis führen. Die in den Exkursen
2 und 3 vorgestellten Methoden gestatten es, uns dieser Herausfor-
npi is distributing:
derung zu stellen. (ACC – Anteriorer Zingulärer Kortex; BLA – Basale
Amygdala; CeL – Zentrolateraler Kern der Amygdala; CeM – Zentro- ALA Scientific perfusion systems and accessories
medialer Kern der Amygdala; CeL und CeM bilden gemeinsam den Burleigh micropositioners and mounts
Zentralen Kern der Amygdala CeA; dHPC – Dorsaler Hippokampus; Campden vibrating microtomes
vHPC – Ventraler Hippokampus; IL – Infralimbische Region des
DataWave data acquisition systems
Präfrontalen Kortex; LA – Laterale Amygdala; PrL – Prälimbische
Lumen Dynamics X-Cite fluorescence illumination
Region des Präfrontalen Kortex; vmPFC – Ventraler mPFC)
Molecular Devices amplifiers and data acquisition
Amygdala, CeA) von besonderer Bedeutung für die Furchtkonditi- NeuroNexus acute and chronic electrodes
onierung sind. Der basolaterale Komplex besteht aus drei Kernen: Scientifica micropositioners, mounts, SliceScope
dem lateralen (LA), dem basolateralen (BL) und dem basomedialen two-photon SliceScope
(BM) Kern, wobei viele Studien wenig präzise in der Differenzierung Sensapex piezo driven micromanipulator
bleiben. Der Einfachheit halber haben wir uns hier dafür entschieden, TMC vibration isolation tables
im Folgenden lediglich zwischen dem lateralen Kern (LA) und dem
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nEuronalE schaltkrEIsE von FurchtgEdächtnIs und FurchtExtInktIon
Exkurs 2
Risiko eines falsch-negativen Ergebnisses BOLD-Effekt); FP – Feldpotenziale; IA
zu, da die Lernaufgabe auf Grund redun- – Ibotensäure; IEG – Immediate Early
Methodisches Portfolio danter bzw. kompensatorischer Prozesse Genes (Aktivierung von Transkriptions-
bewältigt werden kann. Bei nachlaufender faktoren); MEMRI – Mangan-verstärkte
Auf tierexperimenteller Ebene verfügen (retrograder) Intervention ist dieses Risiko Magnetresonanztomographie (aktivitäts-
wir heute über eine Vielzahl von Me- gering. abhängige Akkumulation von parama-
thoden, die es uns gestatten, diejenigen In Klammern werden einige der jewei- gnetischem Mn2+); LTD – Langzeitde-
neuronalen Prozesse zu identifizieren, ligen Interventionsstrategien aufgeführt pression; LTP – Langzeitpotenzierung;
die Furchtgedächtnis und Furchtex- (ohne Anspruch auf Vollständigkeit): COX NMDA – N-Methyl-D-Aspartat; PET
tinktion begründen. Ganz allgemein – Cytochrom-c-Oxidase-Aktivität (Maß – Positronen-Emissions-Tomographie
unterscheiden wir hierbei zwischen (A) für die respiratorische Aktivität der Neu- (basiert auf der Gabe von radioaktiven
Hypothesen-generierenden und (B) Hy- ronen); DREADDs – Designer Receptors Tracern wie z.B. radioaktiv markierten
pothesen-validierenden Methoden. Bei Exclusively Activated by Designer Drug; Glukosederivaten (FDG); TTX – Tetro-
den letzteren spielt der Zeitpunkt der In- EEG – Elektroenzephalographie; EP – dotoxin (unterdrückt Aktionspotenziale);
tervention in Bezug auf das Lernereignis Evozierte Potenziale; fMRI – funktionelle VSDI – Voltage-sensitive dye imaging
eine wichtige Rolle: Bei vorausgreifender Magnetresonanztomographie (misst Ver- (gestattet es, die Erregungsleitung auf
(anterograder) Intervention nimmt das änderungen im Sauerstoffgehalt des Blutes; Netzwerkebene zu untersuchen).
A
Hypothesen-generierend
(auf der Suche nach lerninduzierten Veränderungen)
In vivo Ex vivo
Bildgebung Ableitungen Aktivitätsmarker Biochemie Anatomie Physiologie
• fMRI • EEG • IHC (IEG, pCREB) • Western Blots • Golgi-Färbung • FP / Patch Clamp
• PET (FDG) • EP • ISH (IEG) (AMPA-Rezeptoren) (Dornenfortsätze) (LTP, LTD)
• MEMRI • Einzelzellableitungen • Histochemie (COX) • Tracing • VSDI
• Ca2+-Imaging • Oszillationsmuster
B
Hypothesen-validierend
(Aufzeigen von Kausalzusammenhängen)
Interventionen
Lernereignis
In vivo anterograd retograd
Läsionen Pharmakologie Stimulationen Genetik
(Permanent) (Inhibition) (Aktivierung / Inhibition)
• Keimbahnmutationen
(KO, KI, KD)
• Somatische Mutationen
(virale Vektoren, RNAi)
• Konditionale Mutationen
(cre/loxP-System, Tetracyclin- oder
Tamoxifen-schaltbar)
• Induzierbare / konditionale
Schalterproteine (DREADDs,
Ivermectin, Diphterietoxinrezeptor)
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Description:Neues Schwerpunktprogramm „Emerging Roles of Non-coding. 128. RNAs in Nervous System Development, Plasticity and Disease“ (SPP 1738).