Table Of ContentT.Oney H. Kaulhausen
Friiherkennung und Pravention
von hypertensiven Komplikationen
in der Schwangerschaft
Geleitwort von E. J. Plotz
Mit 12 Abbildungen
Springer-Verlag
Berlin Heidelberg New York Tokyo 1983
Priv.-Doz. Dr. med. Taylan Oney
Universitats-Frauenklinik Bonn
Sigmund Freud StraBe 25, 5300 Bonn 1
Prof. Dr. med. Helmut Kaulhausen
Frauenklinik der Medizinischen Hochschule Hannover,
PodbielskistraBe 380,3000 Hannover 51
ISBN-13:978-3-S40-12647-8 e-ISBN-13:978-3-642-69277-2
DOl: 10.1007/978-3-642-69277-2
CIP-Kurztitelaufnahme der Deutschen Bibliothek
Oney, Taylan:
Frilherkennung und Priivention von hypertensiven Komplikationen in der Schwanger
schaftlT.Oney; H.Kaulhausen. - Berlin; Heidelberg; New York; Tokyo: Springer,
1983.
ISBN-13:978-3-540-12647-8
NE: Kaulhausen, Helmut:
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© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 1983
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2119/3140-543210
Dieses Buch widmen wir
GUlay, Heide
und
unseren Kindem
Geleitwort
In den vergangenen 61ahren haben sich die beiden Autoren mit Methoden zur
friihzeitigen Erkennung eines erhOhten Risikos der schwangerschaftsbedingten Hy
pertonie bzw. Gestose klinisch und experimentell befaBt. Sie griffen Hinweise aus
der Literatur auf, erprobten und modifizierten einzelne Tests und verglichen deren
Aussagekraft in der sekundaren Pravention hypertensiver Komplikationen wah
rend der Schwangerschaft. Insbesondere beschiiftigten sich die Autoren mit der von
ihnen als Angiotensinbelastungstest benannten Methode, die intensiv fiberpriift
und schlieBlich aufgrund der Erfahrungen bei fiber 350 Erstgebiirenden vereinfacht
werden konnte. Es konnte dariiber hinaus belegt werden, daB die vaskulare Emp
findlichkeit gegenfiber exogenem Angiotensin-II-amid durch verschiedene Phar
maka deutlich verandert werden kann. So hat sich beispielsweise gezeigt, daB so
wohl L-Dopa als auch Theophyllin die Angiotensinempfindlichkeit vermindern
konnen. Ein wesentlicher Aspekt der vorliegenden Studie ist jedoch die auf diesem
Sektor neue Berechnung von Parametern der Voraussagekraft von Friiherken
nungsmethoden. Die Umsetzung der wissenschaftlichen Ergebnisse in die Praxis
hat gezeigt, daB eine wochentliche Blutdruckkontrolle bei Schwangeren mit aufflil
lig hohem mittlerem arteriellem Druck im 2. Trimenon oder mit niedriger Angioten
sinpressordosis eine friihzeitige Erkennung der schwangerschaftsbedingten Hyper
tonie bzw. leichten Gestose erlaubt, so daB der Dbergang in eine schwere Gestose
vermieden werden kann.
In den vergangenen lahrzehnten sind nur wenige Arbeiten auf dem Gebiet der
Gestoseforschung erschienen, die einen wesentlichen klinischen Fortschritt haben
erkennen lassen. Die vorliegende Monographie gehOrt zu diesen Arbeiten. Auf
grund der Ausweitung der pathophysiologischen Kenntnisse ist es den Autoren ge
lungen, einen Durchbruch in der Friiherkennung der Gestose zu erzielen.
Bonn, Sommer 1983 Prof. Dr. E.l.Plotz
Vorwort
"Jeder Mensch kann irren,
Unsinnige nur verharren im Irrtum"
(Cicero)
Die erhohte Ansprechbarkeit der Arteriolen und damit des Blutdrucks gegeniiber
vasopressorischen Substanzen wie Angiotensin II ist in den letzten lahren als mog
licherweise wichtiger pathogenetischer Mechanismus bei der Entstehung der
schwangerschaftsbedingten hypertensiven Komplikationen (Gestose/Praeklamp
sie) in den Vordergrund der Oberlegungen geriickt. Die Analyse der einzelnen Fak
toren, welche fUr die Zunahme der Gefa13ansprechbarkeit verantwortlich sind, ist
jedoch zum gegenwartigen Zeitpunkt noch nicht abgeschlossen.
Obwohl die prognostisch ungiinstigen schweren Formen der Gestose seltener
geworden sind, stellen die hypertensiven Schwangerschaftskomplikationen weiter
hin eine der Hauptursachen der Miittersterblichkeit und der perinatalen Mortalitat
dar. Weitere Fortschritte in der Pravention und Therapie dieser Erkrankung konnen
erst dann erzielt werden, wenn die noch offenstehenden Fragen zur Entstehung der
Gestose aufgeklart werden und die Schwangeren, die voraussichtlich spater an ei
ner hypertensiven Komplikation erkranken werden, durch geeignete Methoden
friihzeitig erkannt werden konnen.
Nach einer ausfiihrlichen Darstellung der Nomenklatur und der Einteilung der
hypertensiven Schwangerschaftskomplikationen sowie der bis 1983 veroffentlich
ten Literatur werden eigene Untersuchungen zu den wichtigsten Friiherkennungs
method en und zur medikamentosen Beeinflussung der Angiotensinempfindlichkeit
in der Spatschwangerschaft beschrieben.
Herrn Professor Dr. E.J. Plotz danken wir fiir die gro13ziigige Unterstiitzung und
das stetige Interesse, mit dem er die beschriebenen Untersuchungen gefordert hat.
Den Herren Professoren O. Bellmann, G. Leyendecker, W. Nocke sowie Herrn
Dr. H. Schlebusch danken wir fiir die Zusammenarbeit bei den biochemischen Ana
lysen. Die Durchfiihrung der verschiedenen Studien ware nicht moglich gewesen
ohne die unermiidliche Kooperation unserer technischen Assistentinnen Cristina
Checchin, Barbara Klein, Ilse Kroos und Karin Pfeiffer. Ferner gilt unser Dank
dem Ministerium fUr Wissenschaft und Forschung des Landes Nordrhein-Westfa
len und der Deutschen Forschungsgemeinschaft, die durch Sachbeihilfen die vor
liegenden Untersuchungen ermoglicht haben (FA 8036 und FA 8824; Ka 426/2 -
5). Nicht zuletzt gilt unser Dank den zahlreichen Patientinnen, die sich fUr diese
Untersuchungen zur Verfiigung gestellt haben, sowie allen Kolleginnen und Kolle
gen, deren Kooperation die wissenschaftliche Arbeit sehr erleichtert hat.
Bonn und Hannover, August 1983 T.Oney H. Kaulhausen
Inhaltsverzeichnis
Einleitung . . . : . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1
1.1 Nomenklatur ......................... . 1
1.1.1 Einteilung der hypertensiven Komplikationen in der
Schwangerschaft nach atiologischen Gesichtspunkten 2
1.1.2 Einteilung nach Schweregraden 4
1.2 Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5
2 Der heutige Wissensstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9
2.1 EinfluB der Schwangerschaft auf den arteriellen Blutdruck . 9
2.2 Pathophysiologie der Gestose . . . . . . . . . . 11
2.2.1 Toxine und vasopressorische Substanzen . 11
2.2.2 Uteroplazentare Minderdurchblutung . 11
2.2.3 Nierentheorie . . . . . . . . . . . . 13
2.2.4 Endokrinologische Veranderungen 14
2.2.5 Prostaglandine . . . . . . . . . . . . 14
2.2.6 Abnorme Gewichtszunahme . . . . 15
2.2.7 Bedeutung der Odembildung und Veranderungen im
Natriumhaushalt ................. . 16
2.2.8 Sympathisches Nervensystem und Katecholamine . . 19
2.2.9 Veranderte GefaBansprechbarkeit . . . . . . . . . . . 20
2.3 Das Renin-Angiotensin-Aldosteron-System in der normalen
Schwangerschaft und bei Gestose. . . . . . 21
2.3.1 RAAS bei normaler Schwangerschaft ......... . 21
2.3.2 RAAS bei Gestose .................... . 24
2.4 Veranderungen der GefaBansprechbarkeit gegeniiber vasopressorischen
Substanzen in der normalen Schwangerschaft und bei Gestose . 27
2.5 Methoden zur Friiherkennung der Gestose ................ 33
3 Methodik und Versuchspersonen 37
3.1 Blutentnahmen .. : .... . 37
3.2 Radioimmuntests ..... . 38
3.2.1 Bestimmung der Plasmareninaktivitat 38
3.2.2 Bestimmung der Aldosteronkonzentration im Plasma 38
XII Inhaltsverzeichnis
3.2.3 Bestimmung der Konzentration von ovariellen Steroiden und von
Prolaktin im Plasma . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 39
3.3 Bestimmung der Konzentrationen von Hamsiiure, Natrium und Kalium
im Serum, von Natrium im 24-h-Urin sowie des Hiimatokrits und der
Hamoglobinkonzentration ........ 39
3.4 Kreislaufuntersuchungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 39
3.4.1 Messung des arteriellen Blutdrucks ................. 39
3.4.2 Berechnung des mittleren arteriellen Drucks im 2. Trimenon
(MAD-II-Wert) . . . . . . . . . . 41
3.4.3 DurchfOhrung des Lagerungstests . . . . . . . . . . . . . . 42
3.4.4 Angiotensinbelastungstest .................. 42
3.5 Methoden zur Beurteilung der diagnostischen Aussagekraft von
FrOherkennungsmethoden 43
3.6 Versuchspersonen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45
4 Eigene Untersuchungen: Ergebnisse und Diskussion . . . . . . . . . . . .. 47
4.1 Methoden zur FrOherkennung hypertensiver Komplikationen in der
Schwangerschaft . . . . . . . . . 47
4.1.1 Lagerungstest . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47
4.1.2 Angiotensinbelastungstest .................... 54
4.1.3 Einmalige Bestimmung der Hamsiiurekonzentration im Serum 58
4.1.4 Mittlerer arterieller Blutdruck im 2. Trimenon (MAD-II-Wert) . 62
4.1.5 Vergleichende Betrachtung der Ergebnisse und Aussagekraft ver-
schiedener Methoden zur FrOherkennung von hypertensiven
Komplikationen in der Schwangerschaft .... 65
4.2 Beeinflussung der Angiotensinempfindlichkeit in der
Spiitschwangerschaft ............. 69
4.2.1 EinfluB von Natriumchlorid und Sorbit . 69
4.2.2 EinfluB von Furosemid und Bumetanid . 73
4.2.3 EinfluB von L-Dopa. . . . . 78
4.2.4 EinfluB von Metoclopramid . . . . . . . 82
4.2.5 EinfluB von Theophyllin . . . . . . . . . 85
4.2.6 Mogliche Beziehungen zur Prolaktinsekretion 88
4.2.7 Mogliche Beziehungen zur Aktivitiit des Renin-Angiotensin-
Aldosteron-Systems und zu den ovariellen Steroiden . . . . . . .. 91
5 Allgemeine Diskussion und SchluBfolgerungen . . . . . 95
5.1 Zu den FrOherkennungsmethoden ......... . 95
5.2 Zur Beeinflussung der Angiotensinempfindlichkeit . 99
6 Zusammenfassung ................................ 103
7 Literaturverzeichnis ............................... 107
Abkiirzungen
A I, A II Angiotensin I, Angiotensin II
ABT Angiotensinbelastungstest
ACTH adrenokortikotropes Hormon
AMP Adenosinmonophosphat
APD Angiotensinpressordosis
cAMP zyklisches Adenosinmonophosphat
llPd Anstieg des diastolischen Blutdrucksl im Lagerungstest
DHP Dihydroprogesteron
EDTA Athylendiamin-tetraazetat
KOMT Katechol-O-methyl-Transferase
MAD mittlerer arterieller Druckl
MAD-II-Wert mittlerer arterieller Blutdruckl, berechnet aus dem Mittelwert
der im zweiten Schwangerschaftsdrittel gemessenen Blutdruck
werte
PA Aldosteronkonzentration im Plasma
PG, (A, E, F2u) Prostaglandin (A, E, F2u)
PRA Plasmareninaktivitiit
PRC Plasmareninkonzentration
PRL Prolaktinkonzentration im Plasma bzw. Serum
PRS Plasmareninsubstratkonzentration
RAS Renin-Angiotensin-System
RAAS Renin-Angiotensin-Aldosteron-System
RPF renaler PlasmafluB
SD Standardabweichung ("standard deviation")
SEM Standardabweichung des Mittelwerts ("standard error of
mean")
SSW Schwangerschaftswoche
UBF uteriner BlutfluB
x arithmetischer Mittelwert
1 In diesem Buch in mmHg angegeben. Umrechnung in (SI-Einheit) Pascal: 1 mmHg= 133,322 Pa.
1 Einleitung
1.1 N omenklatur
In der Literatur gibt es fUr die hypertensiven Schwangerschaftskomplikationen ver
schiedene Definitionen und unterschiedliche EinteilungsvorschHige, die jedoch bis
her keine allgemeine Anerkennung gefunden haben. Die zahlreichen Bezeichnun
gen und Definitionen, z. T. fur dasselbe Krankheitsbild, oder aber auch Empfehlun
gen, klinisch und morphologisch unterschiedliche Krankheitsbilder auf einen
Nenner zu bringen, spiegeln die nach wie vor herrschenden Unklarheiten uber die
Atiologie der hypertensiven Schwangerschaftskomplikationen wider.
Die immer noch haufig benutzten Bezeichnungen wie "Schwangerschaftstoxi
kose" oder "Toxamien" sind irrefUhrend, da im Gegensatz zu der anfanglich herr
schenden Auffassung weder ein Toxin, noch eine fUr die Entstehung der hyperten
siven Schwangerschaftskomplikationen verantwortliche Substanz oder Substanz
gruppe nachgewiesen werden konnte. Weitere Bezeichnungen, wie "Schwanger
schaftsniere" oder "Nephropathia gravidarum", stellen die Niere ganz in den
Mittelpunkt des Geschehens.
Die symptomatische Bezeichnung EPH-Gestose ist ein v. a. im deutschsprachi
gen Raum verbreiteter Begriff(E = "edema", P = "proteinuria", H = "hyperten
sion"). Sie wird jedoch dem Krankheitsgeschehen u. E. nur unvollstandig gerecht,
da auch Organe wie Leber, Gehirn und Lunge an der Erkrankung beteiligt sein kon
nen. Es handelt sich vielmehr um eine schwangerschaftsspezifische Systemerkran
kung, die am besten mit dem traditionellen, jedoch allgemeinen Ausdruck "Gesto
se" bezeichnet werden sollte; er schliel3t beispielsweise die Beteiligung des
Zentralnervensystems mit ein, die in hohem Mal3e fur die Muttersterblichkeit und
perinatale Mortalitat verantwortlich ist.
Bei einer rein symptomatischen Einteilung, wie sie auch von der "Organisation
Gestose" empfohlen wurde [225], besteht weiterhin die grol3e Gefahr, bei Vorliegen
nur eines Symptoms (sog. "monosymptomatische P- oder H-Gestose") vorbeste
hende oder in der Schwangerschaft erworbene Nierenerkrankungen oder eine es
sentielle Hypertonie falschlicherweise unter "Gestose" einzuordnen. So ist hiervon
die isolierte Proteinurie in der Schwangerschaft ohne nachweisbare Nephropathie
abzutrennen, die ein seltenes Ereignis darstellt und vorerst nicht mit Sicherheit zu
zuordnen ist. Aufgrund der Anderungen der intrarenalen Hamodynamik und mog
licherweise der vermehrten Durchlassigkeit der Glomerulusmembran fUr Proteine
kann eine zeitweise Eiweil3ausscheidung von 250-300 mg taglich noch als physio
logisch angesehen werden [89, 158]. Weiterhin wird haufig durch Scheiden- und