Table Of ContentFILMDOSIMETRIE
FILMDOSIMETRIE
GRUNDLAGEN UND METHODEN
DER PHOTOGRAPHISCHEN VERFAHREN
ZUR STRAHLENDOSISMESSUNG
VON
KLAUS BECKER
KERNFORSCHUNGSANLAGE JOLICH DES LANDES NORDRHEIN -WESTFALEN
ABTEILUNG STRAHLENSCHUTZ
MIT 93 ABBI LDUNGEN
SPRINGER-VERLAG
BERLIN· GOTTINGEN· HEIDELBERG
1962
Aile Rechte, insbesondere das der lJbersetzung in fremde Sprachen, yorbehalten
Ohne ansdriiekliche Genehmignng des VerJages ist es aueh nicht gestattet, dieseH
Bueh oder Teile daraus auf photomechanischem Wege oder auf audere Art
(Photokopie, l\'[ikrokopie) zu vervielfiiltigen
ISBN-13: 978-3-540-02787-4 e-ISBN-13: 978-3-642-86705-7
DOl: 10.1007/978-3-642-86705-7
© by Springer-Verlag OHG, Berlin· G6ttingen· Heidelberg 196~
Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem
Buche berechtigt auch ohne besondere KeIlflzeichnung nicht zu der Annahme, daB solche
Namen im Sinne der Warenzeichen- und lIfarkenschutz-Gesetzgebung als frei zu hetrachten
waren und daher von jedermann benutzt werden durften
Vorwort
Die Entwicklung del' Kernwissenschaft und -technik ist seit del' Entdeckung
del' natiirlichen Radioaktivitat durch deren photochemische Wirkung stets eng
mit photographischen Methoden verkniipft gewesen. So ist z. B. die Friihgeschichte
del' Erforschung del' Korpuskularstrahlen ohne die photographischen Wilson
kammeraufnahmen ebensowenig denkbar, wie es die Fortschritte in der Physik
hochenergetischer Strahlung ohne das Hilfsmittel der Kernspuremulsion sind. In
den dreiBiger Jahren beginnend hat sich die Kernspuremulsion vermoge ihrer
Fiihigkeit, eine Kernreaktion direkt mikroskopisch lesbar aufzuschreiben, zu dem
wahrschr;,inlich rnachtigsten Instrument in der Erforschung der Atornkeme und fur
die Entdeclcung der Energien, die sie zusarnmenhalten (WALLER), entwickelt - eine
Rolle, die ihr erst in den letzten Jahren auf einigen Gebieten durch den zunehmen
den Einsatz del' Blasenkammer streitig gemacht vvird.
Auch fUr die Auffindung und Messung kleiner und kleinster Strahlenquellen
und zur Bestimmung del' raumlichen Verteilung radioaktiver Stoffe in Festkor
pern hat die Photographie als Autoradiographie groBe Bedeutung erlangt und ist
fiir die Analyse der Fallout-Aktivitat, biologische und medizinische Untersuchun
gen, die Auswertung von Chromatogrammen usw. die oft schnellste und bequemste
Methode. An die Rolle, welche die Ultrakurzzeitphotographie flir die Analyse
schnell ablaufender nuklearer Ereignisse spielL sei in diesem Zusammenhang auch
erinnert.
Zu den genannten Methoden ist nun besonders seit dem Beginn del' technischen
ErschlieBung del' Kernenergie in steigendem Umfang eine weitere, in ihren Grund
zligen liingst bekannte Anwendungsmoglichkeit der photographischen Schicht ge
treten: die Messung von Strahlendosen durch die photometrierbare Globalschwar
zung entwickelter photographischer Schichten. Diese Methode nimmt heute eine
zentrale SteUung in der Strahlenschutz-Personendosisliberwachung ein und hat
ein groBes wissenschaftliches und praktisches Interesse gefunden, was durch die
steigende Zahl wissenschaftlicher Veri:iffentlichungen auf diesem Gebiete ebenso
erwiesen wird wie durch die wachsende Anzahl der laufend mit Filmdosimetern
iiberwachten Personen und die amtlichen Bestimmungen, die in verschiedenen
Landern - so auch in del' Bundesrepublik - iiber das Tragen von Filmdosimetern
erlassen worden sind.
Wahrend nun z.E. auf dem Gebiet der Kernspurphotographie in den letzten
Jahren eineAnzahl ausgezeichneter Monographien erschienen sind (DEMERS-PO
WELL, FOWLER und PERKINS -Joos und SCROPPER u. a.), fehIt eine solche mono
graphische Zusammenstellung fiir das Gebiet der Filmdosimetrie. Kiirzere zu
sammenfassende Darstellungen (EHRLICH 1954, DUDLEY 1956) entsprechen nicht
mehr ganz dem neuesten Stand, und auch die Bibliographien (BAUM 1955, GRU'-
FITH 1958, BRISBANE und SILVERMAN 1959, ISENRURGER 1961) lassen einige Wlin
sche offen. Es wurde deshalb versucht, allen an der Filmdosimetrie interessierten
Wissenschaftlern, Medizinern und Technikern, besonders aber den Strahlenschutz
spezialisten mit der vorliegenden Schrift eine Dbersicht liber die photographischen
Moglichkeiten der Strahlenmessung zu geben.
Es wurde weiter versucht, moglichst vollstandig die bis Mitte 1961 zu diesel'
Frage erschienenen Aufsatze, Reports und Patente zu berlicksichtigen, ohne daB·
dies bei dem Umfang des Gebietes und der schweren Zuganglichkeit manchel'
Publikationen wirklich vollstandig moglich gewesen ware. Die Nichterwahnung
einer Veroffentlichung im Literaturverzeichnis oder im Text beinhaltet deshalb
keinesfalls ein Werturteil liber diese Arbeit. Das Literaturverzeichnis enthii,lt
nicht die Werbe- und Informationsschriften der DosismeBfilmherstelier und der
kommerziellen DosismeBfilmdienste, unveroffentlichte Forschungsberichte und
private Mitteilungen, die dem Verfasser dankenswerterweise zuganglich gemacht
worden sind. Zusammenfassende Darstellungen der Filmdosimetrie in Lehr- und
Handbuchern des Strahlenschutzes, der Dosimetrie, der Strahlenbiologie usw.
sind nur insoweit berucksichtigt, als sie uber die Primarliteratur hinausgehende
Kenntnisse vermitteln. Namen, die mit d', von oder van beginnen, sind unter dem
ersten Buchstaben des Hauptnamens, Namen mit 0' unter 0 zu finden. Patent
schriften ohne Erfinderangabe und Publikationen ohne erkennbaren Verfasser
werden unter anonym in der Reihenfolge ihres Erscheinungsjahres aufgefiihrt.
Wurde ein Patent in mehreren Liindern erteilt oder angemeldet, so ist in der
Regel nul' das Patent im Heimatland des Erfinders genannt. Wenn eine Arbeit
zunachst als Report und spater in einer Zeitschrift veroffentlicht wurde, so sind
normalerweise beide Zitate angegeben, da der Report oft detailliertere Angaben
enthalt, wahrend die Zeitschrift meist schneller zuganglich ist. Die Titel deut
scher, englischer und franzosischer Veroffentlichungen wurden nach Moglichkeit
in der Originalsprache, bei weniger gebrauchlichen Sprachen normalerweise in einer
diesel' Sprachen aufgefiihrt.
Allen Kollegen, die mich mit Hinweisen und Ratschlagen bei del' Abfassung
des Manuskriptes und dem Lesen del' Korrekturen unterstutzt haben, sei an diesel'
Stelle ebenso gedankt wie del' Zentralbibliothek del' Kernforschungsanlage Julich
fur ihre wertvolle Hille bei del' Literaturbeschaffung.
Jiilich, im Fruhjahr 1962
K. Beckel'
Inhal tsverz eichnis
I. Einleitung ........................................................... 1
1. Begriffsbestimmung und Einordnung .................................... 1
2. Historischer Uberblick ................................................ 4
II. Physikalische und chemische Grundlagen del' Filmdosimetrie .... 7
1. Strahlenwirkung und Dosisbegriff ...................................... 7
a) Quantenstrahlen ........................ ,.......................... 8
b) Korpuskularstrahlen ................................................ 11
2. Entstehung del' photograph is chen Schwarzung ........................... 12
a) Del' photographische Elementarproze13 ................................ 14
b) Die Na13verarbeitung ............................................... 1!)
c) Die Schwarzung ... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 23
III. Filmdosimetrie energiereicher Quantenshahlen................... 28
1. Vergleich verschiedener Quantenenergien ................................ 28
2. Die zeitliche Verteilung del' Energieeinstrahlung .......................... 33
a) Del' Reziprozitatsfehler ............................................. 33
b) Das Fading ....................................................... 38
3. Energieabhangigkeit del' Dosisschwarzung ............................... 41
a) Energieabsorption in del' Emulsionsschicht ............................ 41
b) Messung und Beeinflussung del' Energiea,bhangigkeit .................... 48
c) Die Fluoreszenzkompensation ........................................ 57
4. Film-Filter-Kombinationen ............................................ 65
a) Ausgleichsfilter ..................... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 67
b) Filteranalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74
n-.
Neutronen-Filmdosimetrie .......................................... 80
1. Neutronenwirkung auf konventionelle Emulsionen ........................ 81
2. Praktische Dosimetrie langsamer Neutronen ............................. 84
3. Praktische Dosimetrie schneller Neutronen .............................. 91
4. Methoden del' Bahnspurzahlung ........................................ 93
V. Filmdosimetrie von fi-Strahlen, gemischten Strahlenfeldern und
Sonderanwendungen ................................................. 104
1. fJ-Strahlendosimetrie .................................................. 104
2. Gemischte Strahlenfelcler .............................................. 109
3. Sonderanwendungen .................................................. 112
\'1. Praktische Filmdosimetrie ........................................... 115
1. Filmempfindlichkeit und Me13bereich ................................. _ .. 115
2. Filmverpackung und -kennzeichnung ................................... 120
3. Plakettengestaltung .................................................. 123
4. Organisation und Labortechnik ........................................ 129
5. Ergebnisse und ihre Bewertung ........................................ 141
Li tera turverz ei c hni s .................................................... 148
Xamenverzeichnis ........................................................ 168
Sachverzeichnis .......................................................... 173
I. Einleitung
1. Begriffsbestimmung und Einordnung
Unter der Filmdosimetrie energiereicher oder ionisierender1 Strahlung solI im
folgenden die integrierende, quantitative Bestimmung der Dosis verschiedener un
sichtbarer, vornehmlich beim Kernzerfall und beim Betrieb von Rontgenanlagen
und Teilchenbeschleunigern auftretender und auf biologische Systeme wirksamer
Strahlenarten hauptsachlich zum Zwecke der Strahlenschutz-Personeniiber
wachung durch photographische lVIethoden verstanden werden.
Das Gebiet del' Filmdosimetrie laBt sich in seinen wissenschaftlichen Grund
lagen, dem Studium der Einwirkung energiereicher Strahlen auf photographische
Schichten, unschwer der Wissenschaftlichen Photographie und damit der Phy
sikalischen Chemie oder Strahlenchemie zuordnen, wahrend seine praktischen An
wendungen mit ihren vieWiltigen technischen und organisatorischen Problemen
zweifellos der Health Physics (im deutschen Sprachbereich nicht ganz entsprechend
als Strahlenschutz bezeichnet) und damit der Kernwissenschaft und -technik wie
auch del' Radiologie zugehoren.
Eine Abgrenzung der Filmdosimetrie gegen benachbarte Wissensgebiete ist
nicht immer streng durchfiihrbar. So beriihrt die Filmdosimetrie schneller Neu
tronen die Kernspurphotographie und -mikroskopie, und bestimmte Fragen der
~-Dosimetrie iiberschneiden sich mit del' Autoradiographie. Nahe benachbart sind
auch die IWntgenphotographie und die zerstorungsfreie ::\1:aterialpriifung mit ihren
yielfach recht ahnlichen Problemen.
Die photographische l\'[ethode erreicht mit einem Verstarkungsfaktor von
etwa 108-1011 (Zahl der Silberatome nach der Entwicklung, deren Ausscheidung
auf die Einwirkung eines einzelnen Elektrons zuriickgefUhrt werden kann) die
Empfindlichkeit rein physikalischer Strahlennachweismethoden. Das Filmdosi
meter ist damit das empfindlichste bekannte chemische Dosimeter. Unter che
mischen Dosimetern yersteht man allgemein Systeme, in denen die bindungs
beeinfiussende, oxydierende oder reduzierende Wirkung der energiereichen Strah
lung zur J\lIessung der Dosis benutzt wird. Als Beispiele fUr klassische chemische
Dosimeter seien die Depolymerisations-Dosimeter, in denen die Viskositatsande
rung von Losungen organischer Polymere messend verfolgt werden, und die
Fell/FellI_ bzw. CellI/CeIV-Dosimeter genannt, in denen Oxydation bzw. Reduk
tion verdiinnter waBrigcr Salzlosungen zur Dosisbestimmung benutzt wird. Diese
1 Diese Formulierung wird hier als gebrauchlich und allgemeinverstalldlich benlltzt, ob
wohl strenggenommen z. B. thermisehe Keutronen weder energiereich noeh ionisierend sind
und erst sekundar wirksam werden. Aueh Quantenstrahlen wirken ledie:lich dureh die aus
ge16sten Elektronen ionisierend. Ahnlichc Einwande lassen sieh aueh ~gegen BegrifTe wie
Kernstrahlung, Atolllstrahlung, radioaktive Strahlung usw. erheben.
1 Becker, Filmdosimetric
2 1. Einleitung
Systeme konnen fUr spezielle Zwecke, z.B. zur Messung hoher Strahlendosen in
der Strahlenchemie und der Lebensmittelkonservierung, von groDer Bedeutung
sein, sind aber fUr die normal en Zwecke des Strahlenschutzes mit einer unteren
Nachweisbarkeitsgrenze von mehr als 50 Rontgeneinheiten r (vgl. S. 9) viel zu
unempfindlich. Eine groBere Empfindlichkeit ist bei der Ausnutzung bestimmter
radikalischer Kettenreaktionen (Oxydation, Halogenierung usw.) geeigneter or
ganischer Systeme zu erwarten. So gestattet ein neueres Tetrachlorathylen-Dosi
meter Messungen von Dosen ab 20 r.
Fur die chemischen Dosimeter in fiussiger oder fester Phase (eingOeschmolzen
in Ampullen oder eingebettet in geeignete Polymere, unter Umstanden auch
als Gel) sprechen im wesentlichen ihre Energieunabhangigkeit der Dosisregistrie
rung bzw. Korperaquivalenz der chemischen Zusammensetzung und ihre oft be
queme Auswertbarkeit, gegen sie sprechen ihre fur viele Zwecke zu groBe Un
empfindlichkeit und Instabilitat (geringe Haltbarkeit usw.). Mit einer unteren
Nachweisgrenze von etwa 1000 r fur die Personendosisuberwachung ebenfalls zu
unempfindlich und auch fur die Megarontgen-Dosimetrie infolge der teilweisen
Reversibilitat der strahlungsbedingten Verfarbung nur bedingt tauglich sind auch
die verschiedenen K unststoffolien mit oder ohne Farbstoffzusatz, wie sie gelegent
lich beschrieben worden sind.
Wesentlich empfindlicher und damit besser geeignet, wenn auch in ihrer
Energieabhangigkeit infolge ihres hoheren Gehaltes an schweren Atomen un
gunstiger, sind die verschiedenen Festkorperdosimeter, in denen durch Bestrah
lung Fluoreszenzzentren gebildet werden. So gestatten spezielle, mit Silberphos
pha t aktivierte Glaser Dosismessungen zwischen weniger als 1 I' und 104 r, wohin
gegen die Fluoreszenzverminderung, z.B. in organischen Szintillatoren, nur in
hoheren Dosisbereichen ausgenutzt werden kann.
Ein rein physikalisches Verfahren der Festkorperdosimetrie beruht auf del'
Speicherung strahleninduzierter Fluoreszenz uber langere Zeit. Die gespeicherte
Fluoreszenz kann durch Erhitzen und Aufzeichnullg der erhaltenen Glow-Kurven
(Thermolumineszenz), durch Belichten mit Licht langerer Wellenlange (stimu
lierte Fluoreszenz) odeI' durch Ultraschall abgerufen und zur eingestrahlten Dosis
in Beziehung gesetzt werden. Dem Vorteil hoher Empfindlichkeit (es sind noch
wenige Millirontgen erfaBbar) stehen als Naehteile mangelhaftes Speicherungs
vermogen (Fading) und Storungen durch Tribolumineszenz gegenuber. VOl' allem
spricht gegen diese Dosimeter, daB der Strahleneffekt reversibel ist. Damit kann
zwar das Dosimeter mehrfach benutzt werden, ist andererseits aber als Dokument
der Strahlenbelastung nach der Auswertung im Gegensatz zum chemischen Dosi
meter und DosismeBfilm wertlos geworden.
Alle die angefuhrten Methoden sind bis jetzt allenfalls zur Erganzung del' film
dosimetrischen Personenuberwachung herangezogen worden (z. B. wurden Glas
dosimeter zur Hochdosismessung im Katastrophenfall den Filmplaketten bei
gefugt), ohne daB sie jedoch groBere Bedeutung erlangen konnten. Andererseits
ist durchaus denkbar, daB eines oder mehrere der genannten Systeme mit del'
Steigerung ihrer Empfindlichkeit bzw. Stabilitat infolge ihrer unbezweifelbaren
Vorzuge (gunstigere Energieabhangigkeit vieler chemischer Dosimeter, schnellere
und bequemere Auswertung durch Wegfall des Entwicklungsvorganges) die Film
dosimetrie in Zukunft teilweise oder ganz ersetzen konnen.
1. Begriffsbestimmung und Einordnung 3
Die wichtigste Erganzung filmdosimetrischer Methoden sind heute die ebenfalls
integrierenden, fUllhalterformigen und ansteckbaren Ionisationskammern (Stab
dosimeter), die in verschiedener AusfUhrung (direkt abIes bar oder nur mit Aus
wertegerat ablesbar fUr verschiedene Dosisbereiche und Strahlenarten) im Handel
sind und deren Hauptvorzug, die Moglichkeit der sofortigen Ablesbarkeit der
empfangenen Dosis, auf der Hand liegt. Andererseits wiegen auch die Nachteile
der Stabdosimeter schwer: Selbstentladung kann zu hohe erhaltene Dosen vor
tauschen und nach Empfang einer den Skalenumfang iiberschreitenden Dosis kann
nichts mehr iiber die GroBe der Dosisiiberschreitung ausgesagt werden (der ab
lesbare Bereich umfaBt beim Stabd osimeter weniger als zwei Zehnerpotenzen der
Dosis, bei Filmen dagegen mehr als drei Zehnerpotenzen).
Weiter sind als Vorziige des Filmdosimeters gegeniiber dem Stabdosimeter zu
nennen: der geringe Preis (ein selbstablesbares Stabdosimeter kostet derzeit etwa
100-250 DM, eine E'ilmplakette dagegen 2-5 DM, der DosismeBfilm weniger als
0,50 DM), das geringe Gewicht und die geringe GroBe (Stabdosimeter konnen
nicht wie Filmdosimeter als Fingerring an der Hand getragen werden). Ein optimal
verpackter Film ist gegen Staub, korrodierende Dampfe, Feuchtigkeit usw. im
Gegensatz zu einem Stabdosimeter unempfindlieh. StoB, Schlag und Herunter
fallen schaden ihm nicht. Er ist stets meBbereit, der Nulleffekt ist meist zu ver
nachlassigen. Gelegentlich wird als Vorzug des Filmes auch angefiihrt, daB beim
filteranalytischen MeBverfahren zusatzliche Informationen iiber die Strahlen
zusammensetzung und die bevorzugte Einstrahlungsriehtung erhalten werden
konnen. Die meisten Fachleute halten aber diese Informationen, so interessant sie
in Sonderfallen sein k6nnen, nicht fiir so wesentlich, daB dadurch der betracht
liche Mehraufwand der Filteranalyse gegeniiber anderen, energieunabhangigen
Registrierverfahren gerechtfertigt ware.
Ein wesentlicher Vorzug des Filmes gegeniiber dem Stabdosimeter ist der
dokumentarische Wert des aufbewahrtenFilmes bei Schadensanspriichen. Auch der
Umstand, daB der Film nicht unmittelbar ablesbar ist, sondern von einer auBen
stehenden Stelle ausgewertet wird, wird meist als Vorzug empfunden. Die zen
trale Erfassung der Dberwachungsergebnisse wird dadurch erleichtert. Auch kann
es ein psychologisches Argument fiir den Film sein, daB eine nicht vorgebildete
Person durch Vorzeigen des geschwarzten Filmes starker zu beeindrucken ist als
durch die Mitteilung der Dosisangabe. Nun stehen zwar den genannten Vorziigen
auch einige noch ausfiihrlicher zu besprechende Nachteile (Latentbildschwund,
geringere Empfindlichkeit usw.) gegeniiber, im ganzcn iiberwiegen aber die Vor
ziige.
Tatsachlich wurde bisher nur einmal der Versuch gemacht, die laufende Per
soneniiberwachung innerhalb einer geschlossenen Anlage ausschlieBlich mit Stab
dosimetern durchzufiihren (FRIES und HULL 1958). In einer anschlieBenden Dis
kussion fiihrender Dberwachungsspezialisten [Nucleonics 17, No.5 (1959) 116]
war die vorherrschende Meinung, daB trotz der Vorziige des Stabdosimeters fUr
Spezialzwecke (z. B. zur Dberwachung wahrend der Durchfiihrung eines wissen
schaftlichen Experimentes) dank seiner sofortigen Ablesbarkeit und der unter
Umstanden etwas groBeren Empfindlichkeit doch die Filmdosimetrie die Basis
der Personeniiberwachung bleiben solI, die nur von Fall zu Fall durch Stabdosi
meter erganzt wird. Selbstverstandlich sind bei beiden Methoden Tauschungs-
1*
4 1. Einleitung
mogliehkeiten in Riehtung hoherer oder niedrigerer Werte gegeben, und die Be
weiskraft der Anzeige ist deshalb besehrankt. Dennoeh ist die filmdosimetrisehe
Anzeige hoher zu bewerten. So auBert HUTTON (1959) hierzu: Dosimeter readings
may be of little value to a defendant from a legal viewpoint unless in conjunction
with film badges . .. Film badges can be a defendants most persuasive evidence that
a plaintiff did not receive an injurious dose of radiation ... Ideally, film badges and
dosimeters should be worn together. If a choice must be made, however, I believe that
a strong case can be made for choosing the film badge on purely legal considerations.
Als Grundregel darf also heute fUr die Personeniiberwaehung gelten: Film
dosimetrie muB sein, Stabdosimetrie kann sein. Die Diskussion urn die Vorzuge
und Naehteile beider Verfahren ist fiir die Bundesrepublik dadureh gegenstands
los geworden, daB der Gesetzgeber im § 36 Absatz 2 der Ersten Strahlensehutz
verordnung die gleiehzeitige Anwendung beider Methoden rnittelbar vorsehreibt,
wobei bei dieser Regelung offensiehtlieh von dem Gedanken ausgegangen wurde,
daB sieh beide Methoden in ihren Eigensehaften erganzen sollen und eine weehsel
seitige Ergebniskontrolle moglieh ist, wobei jedoeh der hohere dokumentarisehe
Wert der filmdosimetrisehen Anzeige unbestritten sein diirfte.
AbsehlieBend kann gesagt werden: Trotz versehiedener Mangel ist die Film
dosimetrie heute das beste Verfahren zur laufenden Strahlensehutz-Personen
dosisiiberwachung und hat sieh deshalb aueh iiberall durehgesetzt. Die Bearbei
tung del' zahlreiehen, zum Teil neuartigen Probleme del' Filmdosimetrie laBt
noeh manehen interessanten Fortsehritt erwarten.
2. Historischer Uberblick
1842 hatte MOSER die merkwiirdige Beobaehtung veroffentlieht, daB sieh be
stimmte Gegenstande auf jodiertell Silberplatten, mit denen sie langere Zeit in
Beriihrung waren, aueh im Dunklen selbst abbilden konnen. Vermutlieh kannte
NTEPCE DE SAINT-VIC'l'OH diese Mitteilung, als er 1867 Versuehe iiber die Ein
wirkung von urannitratgetranktem Karton auf photographisehe Sehiehten dureh
fiihrte. Die erhaltenen Autoradiographien versuehte er dureh Lumineszenz zu
-erklaren. Diese Arbeiten blieben ohne groBere Beaehtullg.
1895 teilt dann RONTGEN die Entdeekung del' X-Strahlen mit und sehreibt
bereits in seiner erst en VOl'liiufigen Mitteilung, da{J photographische Trockenplatten
sich als empfindlich fUr X-Strahlen erwiesen haben. Man ist im Stande, manche Er
scheinung zu fixiel'en, wodurch Tiiuschungen leichter ausgeschlossen werden. Und
man kann Aufnahmen mit del' ... in einer Papierumhiillung eingeschlossenen Platte
im beleuchteten Zimmer machen. Dber seine quantitativen Messungen sagt er: Um
vielleicht eine Beziehung zwischen Durchliissigkeit und Schichtdicke finden zu kon
nen, habe ich photographische Aufnahmen gemacht, bei denen die photographische
Platte zum Teil bedeckt war mit Stanniolschichten von stufenweise zunehmender
Blatterzahl. 1897 beriehtet e1' iiber die Ausmessung von Strahlungsfeldern naeh
del' photographisehen l\Iethode und gibt erste Hinweise auf die Energieabhangig
keit del' Strahlungswirkung auf die Pbotosehieht.
BECQUEHEL hatte inzwisehen, ange1'egt dureh RONTGENS Entdeekung, 1896
die Ve1'suehe von NIEPCE DE SAINT-VICTOR ''liederholt und mit Uransalzen ge
{unden: On doit donc conclure de ces experiences q11e la substance phosphorescente