Table Of ContentGünther Kebeck
Fehleranalyse als Methode der Gedächtnisforschung
Günther Kebeck
Fehleranal,se
als Methode der
Gedächtnisforschung
~
Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH
Die Deutsche Bibliothek - ClP-Einheitsaufnahme
Kebeck, Gunther:
Fehleranalyse als Methode der Gedochtnisforschung /
Gunther Kebeck. - Wiesbaden : Dt. Univ.-Verl., 1991
(DUV : Psychologie)
ISBN 978-3-8244-4082-5 ISBN 978-3-322-90043-2 (eBook)
DOI 10.1007/978-3-322-90043-2
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ISBN 978-3-8244-4082-5
Prof. Dr. Manfred Sader
gewidmet
Inhaltsverzeichnis
Einleitung ................................................. 11
1. Modellvorstellungen über das Gedächtnis: Assoziation und Organisation .. 17
1.1. Das Konzept der Assoziation. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 17
1.2. Das Konzept der Organisation. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 22
2. Forschungsparadigmen und ihre spezifischen Möglichkeiten der Fehler-
analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 25
2.1. Paarassoziationslernen ................................. 27
2.2. Freie Reproduktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 29
2.3. Reproduzieren mit Abrufbilfen ........................... 31
2.4. Wiedererkennen ........ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 33
3. Der produktive Charakter des Fehlers .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 37
3.1. Die Annahme einer "dynamischen Aktivität" und das "Prägnanzkon-
zept" .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 37
3.2. Die Interaktion zwischen "internen" und "externen" Faktoren: Zur
empirischen Evidenz der Annahme autochthoner Veränderungen der
Gedächtnisspur ...................................... 40
4. Die Gedächtnisepisode und Möglichkeiten ihrer Beeinflussung .. . . . . . .. 44
4.1. Das Verhältnis von Aneignungs- und Abrufsituation: "Enkodierungs-
spezifItätsprinzip" (E.S.P.) .............................. 44
4.2. Ein nützlicher Begriffsrahmen für episodische Gedächtnisforschung:
"General Abstract Processing System" (GAPS) ............... 46
4.3. Die experimentelle Erzeugung von Fehlern .................. 50
7
5. Das Repräsentationsproblem: Betrachtung unter einer Transformationsper-
spektive ............................................... 55
5.1. Perzeptuelle und konzeptuelle Verarbeitung. . . . . . . . . . . . . . . . .. 55
5.2. Vorstellungsbilder: Zum Verhältnis von Wahrnehmung und Gedächt-
nis ............................................... 59
5.3. Die Transformationsperspektive: Was bleibt invariant? . . . . . . . . .. 61
5.4. Symmetrie, anschauliche Ähnlichkeit und das Konzept der Transfor-
mationsgüte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 64
6. Untersuchungsprogramm .................................... 71
6.1. Überblick über die Versuche I - IV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 72
6.2. Gedächtnismaterial . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 73
6.3. Theoretische Modelle zur Vorhersage der Fehlerprofile ......... 78
7. Versuch I: Anschauliche Ähnlichkeit ............................ 82
7.1. Freies Sortierverfahren ................................. 83
7.1.1. Methode. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 83
7.1.2. Ergebnisse ..................................... 85
7.1.3. Diskussion ..................................... 90
7.2. Dominanzpaarvergleich ................................ 91
7.2.1. Methode. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 91
7.2.2. Ergebnisse ..................................... 92
7.2.2.1. Transitivität ............................... 93
7.2.2.2. Stabilität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 93
7.2.2.3. Interindividuelle Übereinstimmung .............. 94
7.2.2.4. Modellvergleiche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 94
7.2.3. Diskussion ..................................... 97
8
8. Versuch TI: Vergleich von Reproduzieren und Wiedererkennen ........ 98
8.1. Problemstellung ...................................... 98
8.2. Methode. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 99
8.3. Ergebnisse ......................................... 102
8.3.1. Itemschwierigkeiten ............................. 102
83.2. Gedächtnisleistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 102
833. Fehlerverteilungen .............................. 107
83.4. Modellvergleiche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 111
8.4. Diskussion ......................................... 113
9. Versuch III: Einfluß von "wahrscheinlichstem", "unwahrscheinlichstem" und
"zufälligem" Fehler als Abrutbilfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 115
9.1. Problemstellung ..................................... 115
9.2. Methode. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 117
93. Ergebnisse ......................................... 119
9.3.1. Nutzung der Abrutbilfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 119
9.3.2. Gedächtnisleistung .............................. 120
933. Fehlerverteilungen .............................. 121
933.1. Fehlerverteilung als Transformation des Targets (TA) 123
93.3.2. Fehler als Transformationen der Abrutbilfe (H) . . .. 126
9.4. Diskussion ......................................... 132
10. Versuch IV: Wiedererkennungswahrscheinlichkeiten für Transformatio-
nen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 134
10.1. Problemstellung .................................... 134
10.2. Methode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 135
103. Ergebnisse ........................................ 137
103.1. Gedächtnisleistung ............................. 137
10.3.2. Fehleranalyse ................................. 139
10.4. Diskussion ........................................ 143
9
11. Theoretische und methodologische Reflexionen .................. 145
11.1. Zusammenfassung der zentralen Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . .. 145
11.2. Diskussion ausgewählter methodischer Probleme ............ 147
11.3. Abschließende allgemeine Einordnung der Ergebnisse ........ 150
12. Gesamtzusammenfassung 153
Anhang..................................................
158
Literaturverzeichnis ......................................... 170
10
Einleitung
Auf den ersten Blick ist eine Deftnition des "Fehlers" in der Gedächtnisforschung
unproblematisch. Ob eine Antwort "richtig" oder "falsch" ist, wird durch den Ver
gleich zwischen dem Ereignis, das in der Lemphase eines Gedächtnisexperiments
angeeignet wurde, und der Antwort der Versuchsperson in der Prüfphase bestimmt.
Als Fehler gilt jede Nicht-Übereinstimmung zwischen dem Original und dem Er
innerungsprodukt. In einer ersten und allgemeinen KlassifIkation gibt es dann drei
Typen von Fehlern: die "Auslassungen", die ''Veränderungen'' und die "Hinzujügun
gen". Im ersten Fall fehlen Teile des Originals oder das ganze Original, im zweiten
werden Teile des Originals umgeformt, im dritten werden Ereignisse genannt, die
in der Lemphase nicht dargeboten wurden. In allen drei Fällen lassen sich qualitati
ve und quantitative Unterschiede beschreiben. Im Rahmen dieser groben Klassift
kation beschäftigt sich die hier vorliegende Arbeit nur mit "Veränderungen".
Die experimentelle Gedächtnisforschung ist weitgehend bemüht, mit einem
intersubjektiv prüfbaren Original und intersubjektiv prüfbaren Antwortregistrierun
gen zu arbeiten. Dies ist ein wesentlicher Unterschied gegenüber vielen alltäglichen
Erinnerungssituationen, wo uns das "Original" für einen Vergleich nicht zur Ver
fügung steht. Für diese Situationen mit "fehlendem Original" lassen sich wieder zwei
qualitativ unterschiedliche Fälle formulieren: im Fall A gibt es zwar kein Original,
aber mehrere Erinnerungsprodukte unterschiedlicher Personen, die sich auf dasselbe
Original beziehen (dies ist z.B. häuftg die Situation bei der Beurteilung von Zeugen
aussagen), im Fall B existiert nur ein Erinnerungsprodukt (große Teile der biogra
phischen Gedächtnisforschung). Für den Fall B haben wir nur die Chance einer
Prüfung auf logische Konsistenz, für den Fall A kommt noch die Möglichkeit einer
Prüfung auf interindividuelle Übereinstimmung hinzu. Beide Kriterien sind aber für
eine "Fehleranalyse" -wie sie hier vorgestellt wird - nicht ausreichend, sie benötigt
den Vergleich zum Original.
Will man die Fehler, wie in dieser Arbeit, als Indikator für kognitive Prozesse
verwenden, so reicht diese formale Bestimmung (Nicht-Übereinstimmung mit dem
Original) nicht aus. Vielmehr ist theoretisch zu begründen und festzulegen, auf wel-
11
cher Ebene der Vergleich zwischen Original und Erinnerungsprodukt durchgeführt
werden soll, konkret: welche Formen und welches Ausmaß der Nicht-Überein
stimmung als Fehler zu interpretieren sind. Dies gilt unabhängig davon, ob eine
qualitative oder lediglich eine quantitative Fehleranalyse beabsichtigt ist. Das ver
wendete Material in Kombination mit der verwendeten Prüfmethode legt fest, welche
Ebenen des Vergleichs möglich sind, die Theorie bestimmt, welche Ebene bedeutsam
ist.
Fehleranalyse ist also nach dieser Auffassung immer nur im Kontext einer
Theorie sinnvoll. Hierfür ein Beispiel: Wird in einer Arbeit von der Rekonstruk
tionshypothese Bartletts ausgegangen (vgl. I.Kap.), ein komplexer sprachlicher Text
vorgegeben und über Freie Reproduktion geprüft, so würde ein ausschließlich wort
wörtlicher Vergleich zwischen Original und Erinnerungsprotokoll gerade die theore
tisch entscheidenden Prozesse (Erhaltung des Organisationskerns und Veränderung
der peripheren Elemente) unberücksichtigt lassen. Es bedarf daher in jedem Fall,
auch wenn man sich für das Kriterium einer vollständigen Übereinstimmung ent
scheidet, einer theoretischen Begründung.
Nach diesen Vorbemerkungen zum Begriff des Fehlers soll nun zunächst ein
Überblick über den Aufbau der Arbeit, insbesondere des Theorieteils, gegeben
werden:
Die Arbeit verfolgt Ziele auf zwei unterschiedlichen Ebenen. Auf der methodi
schen Ebene soll die Nützlichkeit eines bisher in der Gedächtnisforschung wenig sy
stematisch genutzten Instrumentariums, der "Fehleranalyse", gezeigt werden. Auf der
inhaltlichen Ebene werden Annahmen über Veränderungen der Gedächtnisspur mit
Einflüssen der Abrufbedingungen konfrontiert. Aus methodischen Gründen wird
dabei entgegen der Entwicklung in der neueren Gedächtnisforschung mit relativ ein
fachem figürlichen Material und einer geschlossenen Menge von Fehlern gearbeitet.
Auf diese Weise wird erreicht, daß sich jeder IQögliche Fehler als eine Transforma
tion der Vorgabe (Target) beschreiben läßt.
Im 1. Kapitel wird zunächst gezeigt, daß es von der Modellvorstellung über das
Gedächtnis abhängt, ob theoretisch bedeutsame Ergebnisse durch die Analyse der
Fehler zu erwarten sind. Hierzu wird das Konzept der ''Assoziation'' (als forschungs
leitendes Konzept der Ebbinghaus-Tradition) dem Konzept der "Organisation" (als
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