Table Of ContentFarberei und Zeugdruck
Die theoretischen Grundlagen
Von
Prof. Dr. Robert Haller
Riehen bei Basel
Mit 45 Textabbildungen
Springer-Verlag Wien GmbH
1951
ISBN 978-3-7091-3885-4 ISBN 978-3-7091-3884-7 (eBook)
DOI 10.1007/978-3-7091-3884-7
Aile Recine, insbesondere das der Obersetzung
in fremde Sprachen, vorbehalten.
Copyright 1951 by Springer-Vcrlag Wien
Ursprtinglich erschiencn bci Springcr-Verlag in Vienna 1951.
Softeover reprint of the hardcover 1s t edition 1951
Meinen lieben Kindern
Vorwort.
Ich habe als junger Kolorist stets vermiJ3t, dafi fUr mich kaum eine Mag
lichkeit vorhanden war, mich tiber die Beziehungen von Farbstoffen zu
den jeweiligen Substraten sowie den durch diese bedingten Vorgangen in
Fiirberei und Zeugdruck zu informieren. Veroffentlichungen tiber die
Geschichte und die Entwicklung der Farbetheorien gab es zwar, ich nenne
hier nur das Werk von Z a c h a ria s "Die Theorie der Fiirbevorgange" 1908,
dann die Arbeit von S c h w alb e "Neue Farbetheorien" 1904. Beide Werke
gaben zwar eine gute Dbersicht uber das Gebiet und bilden, das gilt in ganz
besonderem Mafie fUr die erstgenannte Arbeit, eine vorzugliche Informations
quelIe fUr aIle (die) heterogenen Meinungen, weIche bezuglich der Farbe-.
vorgange herrschten. In den letzten Jahren sind aber, besonders auf dem
Gebiete der Histologie und des Feinbaues unscrer Gespinstfasern so bedeu
tende Beobachtungen gemacht worden, dafi man bcim Versuch der Er
kHirung von Vorgangen der Farbgebung in Farberei und Druckerei nicht
achtlos an ihnen vorbeigehen kann. Aufierdem wurden auf diesen Gebieten
volIkommen neue Gesichtspunkte geschaffen, ria man auf Grund kOIIOid
chemischer Untersuchungen der Farbstofflosungen zu volIig neuen Anschau
ungen hinsichtlich der Farbstoffe in Losung gelangte. Wahrend in Veroffent
lichungen auf diescm Gebiete der Zeugdruck keine nennenswerte Beruck
sichtigung fand, habe ich diescm Zweig der Textilveredlung besondere
Beachtung geschenkt. 1m besonderen wurde die Frage der 'Struktur der
Verdickungen eingehend behandelt, auch den Vorgangen beim Dampfen
ist die erforderliche Aufmerksamkeit zuteil geworden.
AIle diese neuen Errungenschaften textilchemischer Forschung hiefi es
zusammenfassen, urn mit ihrer Hilfe die fruheren Anschauungen auf dem
Gebiete der Farbetheorien zu revidieren, beziehungsweise zu vervolIstandigen.
Dies moglichst zu erreichen soIlte Aufgabe dieser Arbeit scin. Ich habe
daher in meiner Arbeit auch die Chemie und die Histologie der Gespinst
fascrn eingehender behandelt und sie in Beziehung Zll den Farbe- und Druck
vorgangen gebracht.
VI Vorwort.
Auch die Farblehre glaubte ich in diesem Zusammenhang in ihren Grund
prinzipien kurz berucksiehtigen zu mussen.
Ich bin mir wohl bewuBt, daB die vorliegende Arbeit nur eine Etappe auf
dem weiteren Weg zur Erkenntnis aller der gekennzeichneten, zum Teil noch
wenig gekllirten, Vorgange sein kann.
Als Kolorist mikhte ich doch nieht vergessen darauf hinzuweisen, daB
ich auBerordentlich viele Anregungen zu meinen eigenen Untersuchungen
meiner Berufstatigkeit als Textilchemiker verdanke. Es war fast immer die
Praxis, welche mir die verschiedenen Probleme stellte, die dann im Labora
torium mit mehr oder weniger Erfolg zu IOsen versucht wurden.
Auch heute noch hat der groBe Philosoph Wilhelm Bus c h recht, wenn
er sagt:
"Sokrates, der alte Greis,
Sprach oft in tie£en Sorgen,
Oh, wie viel ist noch verborgen,
Was man immer noch nicht weiB."
DaB ich vieles noch nieht weiB, macht mir aber keine Sorgen, es ist viel
mehr £iir mich ein Ansporn trotz meines hohen Alters auf dem ein
geschlagenen Wege weiterzuschreiten, so lange es noch Zeit ist, denn
"es will Abend werden und der Tag hat sich geneiget".
An dieser Stelle mochte ich meinem alten Freund und Kollegen
Dr. H. Per n dan n e r in Wien £iir seine wertvolle Mitarbeit am vor
liegenden Werke meinen herzlichsten Dank aussprechen. Er ist mir besonders
bei der Behandlung gewisser meehanisch-technischer Einzelheiten hilfreich
zur Seite gestanden und hat bei der Anordnung des Stoffes wertvolle Mit
arbeit geleistet.
R i e hen bei Basel, im Fruhjahr 1951.
R. Haller.
Inhaltsverzeichnis.
Seite
I. Eintcilung
A. Die Aufgaben der Pigmentierung und der Farbung 1
B. Historischer Dberblick tiber die Entwicklung der Farberei 3
C. Farblehre und Farbmessungen 8
II. Die Gespinstfasern ..... I')
Allgemeines . . . . . 15
A. Die vegetabilischen Gespinstfasern (Morphologie) 23
1. Die Baumwolle . . . . . . . . . . . . . . 25
a) Das chemische Verhalten der Baumwolle . 35
b) Das physikalische Verhalten der Baumwolle 41
2. Die Bastfasern 43
3. Die verschiedenen Zustandformen der Cellulose 55
B. Die animalischen Gespinstfasern 64
1. Die Wolle •....... 64
a) Morphologie der Wolle .. 64
b) Struktur des Wollhaares 65
c) Physikalische Eigenschaften der Wolle 68
d) Verhalten der Wolle physikalischen und chemischen Einfltissen
gegentiber . . . . . . . . . . . . 68
2. Die Seiden . . . . • • . . . . . . . 75
a) Physikalische Eigenschaften der Seide 80
b) Physikalisches und chemisches Verhalten der Seide 81
C. Die verschiedenen Kunstseidenfasern (Celluloseabkommlinge) 86
1. Die Viskosekunstseide 87
2. Die Kupferkunstseide 89
3. Die Acetatkunstseide 89
4. Die Nitrozelluloseknnstseide 91
5. Unterscheidnng der verschiedenen Kunstseiden 92
6. Die vollsynthetischen Faserstoffe . • • • • . . 106
D. Die Bedeutung von histologischem Aufbau und Struktur der Gespinst
fasern fUr die Veredlungsprozesse und die Zustandsformen der Cellulose 107
III. Farbstoff und Flirbung • • 119
A. Der Begriff Farbstoff · 119
B. Dbersicht fiber die verschiedenen Farbstoffgruppen · 122
VIII Inhaltsverzeichnis.
Seite
C. Der Begriff Farbullg. (Der Charakter der Verbindung Farbstoff-Faser.) 128
D. Entwicklung der Farbung unter Berticksichtigung der verschiedenen
Farbstoffklassen ....... . 138
1. Die substantiven Farbstoffe • 138
2. Die sauren Farbstoffe . .144
3. Die Beizenfarbstoffe .147
4. Die basischen Farbstoffe · 152
5. Die Ktipenfarbstoffe · 155
6. Die Schwefel- und Hydronfarbstoffe • 158
7. Die Entwicklungsfarbstoffe; Anilinschwarz · 159
8. Die Indigosol- (Anthrasol-) farbstoffe · 165
9. Die Pigmentfarbstoffe _ . . . . . • . . · 166
10. Spezialfarbstoffe fUr gewisse Kunstseiden (Acetatseide) • 167
E. Die substantive Farbung im Lichte der neuestell Forschung tiber die
Struktur der quellbaren Substanzen . 172
IV. Der Zeugdruck • 180
A. Geschichte und Entwicklullg des Zeugdrucks • 180
B. Thcoretische lind physikalische Grundlagen de; Zeugdrucks .205
C. Pigmentdrucke ................... . .225
I. Einteilung.
A. Die Aufgaben der Pigmentierung und der Farbung.
Die Aufgabe del' Pigmentierung und der Fiirbung von Substraten besteht
darin, letztere in ihren optischen Eigenschaften so zu verandern, daB sie nur
einzelne Bestandteile des weil3en Lichtes reflektieren und so dem Auge in
einer charakteristischen Faroe erscheinen.
Da schon Par ace 1 sus, viel spater dann 0 s twa 1 d, sowohl WeiB als
auch Schwarz als Farben bezeichnen, wird die obige Definition den natiir
lichen Verhaltnissen insofern nicht vollkommen gerecht, weil auf Grund
der gekennzeichneten Anschauungen, eigentlich alles, was uns in der sicht
baren Welt entgegentritt, von Haus aus gefarbt ist.
Es wurde oben zwischen Pigmentierung und Farbung differenziert; unter
Pigmentierung ist eigentlich nur ein spezieller Fall der Farbgebung zu ver
stehen, wobei der U nterschied kein prinzipieller ist, sondern lediglich in der
technischen Applikation der farbenden Substanz beruht.
Unrer Pigmentierung haben wir den Vorgang zu verstehen, unlasliche
gefarbte Substanzen mit Hilfe eint's Bindemittels auf das Substrat aufzutragen,
so daB erstere mit letzterem so verbunden werden, daB sie den auf sie wirken
den Einfliissen, atmospharischer oder mechanischer Art, dann der Wirkung
der Lichtstrahlen wirlerstehen. Das farbende Prinzip, das Pigment, tritt also
nur bedingt in cine gewisse Bindung mit dem Substrat, unbedingt tut das
lediglich das Bindemittel, so daB die Pigmentierung gewissermaBen als Auf
klebevorgang aufzufasscn ist. Die Pigmentierung beruht also vorzugsweisc auf
der Wirkung einer indifferenten Mittelsubstanz. Eine scharfe Trennung zwi
schen Pigmentierung und Farbung ist indessen nicht zu machen. Wir erken
Den, wie spater eingehend auscinandergesetzt werden solI, auch in gewissen, als
eigentliche Farbung bezeichneten Vorgangen, die Anwendung solcher Mittel
substanzen. Letztere vollziehen sich aber ausnahmslos im fliissigen, beinahe aus
schlieBlich in waBrigem Medium, wahrend die Pigmentierung sich vorzugs
weise hydrophober Medien, Firnisscn, Harzen, Nitrocellulosen, Lasungen von
Acetylcellulosen oder Benzylcellulose u. a. bedient.
Auf Grund der soebt'n gegebenen Definition kann die Pigmen
tierung im Rahmen der vorliegenden Arbeit keinen Platz finden und sci
diesbeziiglich auf die einschHigige Spezialliteratur verwiesen.
Warum nun aber eine Farbung? Yom reinen Niitzlichkeitsstandpunkt aus
ist eine Farbung, soweit es sich um unsere Gespinstfasern handelt, keineswegs
notwendig. Unsere Bekleidungsstiicke wiirden ihren Zweck in ungefarbtem
Haller, Farbere; und Zeugdruck.
2 Einteilung.
Zustande genau so er£iillen, wie in gefarbtem, mit der einzigen Ausnahme, der
schwarzen Stoffe, die im Winter infolge der grol3eren Warmeabsorption
warmer sind als ungefarbte. Aber in den Tropen wiirde auch dieses Argument
hinfallig sein.
Ich glaube, dal3 auch hier Go e the die richtige Erklarung gefunden hat;
er sagt im Osterspaziergang:
"Aber die Sonne sie duldet kein WeiBes,
Oberall regt sich Bildung und Strcben,
Alles will sich mit Farben beleben;
Doch an Blumcn fehlt's irn Revier
Sie nimml geputzte Menschen dafiir."
Die Freude an den Farben ist in der Seele der Menschen verankert und
dal3 die Pflanzenwelt mit ihren Blumen den ersten farbigen Schmuck der
primitiven Menschen lieferte, erkennt man heute noch deutlich. Dieses
Schmiicken mit Blumen ist dem Menschen bis heute geblieben, und wenn wir
die Erzeugnisse unserer hochentwickelten Textilindustrie ansehen, so sind es
vorzugsweise Blumenmotive, we1che zur Dessingestaltung verwendet werden.
Wir kennen zwar heute das farbige Prinzip der verschiedenen Bliiten1),
iiber den biologischen Zweck desselbcn sind wir nur h6chst ungeniigend
unterrichtet. Der Pflanzenbiologe sagt uns zwar, dal3 die farbigen Bliiten
die Insekten anziehen, urn den Befruchtungsvorgang zu vermitteln, er lal3t
uns aber vollkommen im Ungewissen, warum diese Blume eine gelbe, wieder
eine andere, vielfach zur selben Spezies geh6rend, eine violette Bliite hervor
bringt. Warum hat das £iir die Pflanze so lebenswichtige Chlorophyll gerade
eine griine Farbe und beispielsweise nicht eine rote oder gel be? Das eine aber
ist gewil3, die Natur schafft nichts unharmonisch; der rote Mohn in den
griinen Kleefeldern, am schonsten auf Feldern der ungarischen Tiefebene; die
blaue Kornblume in den griinen, dann gelben Getreidefeldern; der blaue
Enzian und die rosarote Mehlprimelbliite auf dem saftigen Griin der Alpen
weiden sind Meisterwerke der Natur.
Die Farben brauchen beim Menschen schein bar keinerlei biologischen
Zwecken zu dienen, obwohl Studien in dieser Richtung immerhin interessante
Resultate zeitigen diirften. Harmonisch farbengeschmiickte Kleider wirken
angenehm auf das Auge und ziehen die Aufmerksamkeit auf sich in sym
pathischem Sinne. Geschmacklose Zusammenstellungen stol3en ab und es iiber
tragt sich diese abstol3ende Wirkung oft auch auf die Person des Tragers.
Die Freude an harmonischen Farbeneffekten, wie die Freude an harmonischer
Musik sind nicht allein Kennzeichen eines kulturell hochstehenden Indivi
duums, sondern verraten auch den innerlich ausgeglichenen Menschen. Wilde
Farbenzusammenstellungen, ebenso wie Geschmack an gewisser wilder Musik
des 20. Jahrhunderts ist, zwar keineswegs immer, ein Beweis £iir kulturellen
Tiefstand, wohl aber £iir eine gewisse innere Unausgeglichenheit und einen
krankhaften Zustand der See1e.
1) Vgl. hierzu Wi e s n e r, Rohstoffe des Pflanzenreiches. Leipzig 1927, Hof
mann I, 225 usw.