Table Of ContentChristian BeckIWe rner Heisper/
Bernhard Heuer/Bernhard Stelmaszyk/
Heiner Ullrich
Fallarbeit in der universitären
Lehrerinnenbildung
Christian BeckIWe rner Helsper/
Bernhard Heuer/Bernhard Stelmaszyk/
Heiner Ullrich
Fallarbeit in der universitären
LehrerInnenbildung
Professionalisierung durch
fallrekonstruktive Seminare?
Eine Evaluation
Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2000
Gedruckt auf säurefreiem und alterungs beständigem Papier.
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme
ISBN 978-3-8100-2690-3 ISBN 978-3-663-10029-4 (eBook)
DOI 10.1007/978-3-663-10029-4
© 2000 Springer Fachmedien Wiesbaden
Ursprünglich erschienen bei Leske + Budrich, Opladen 2000
Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung
außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages
unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfaltigungen, Übersetzungen, Mi
kroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.
Inhalt
Einleitung 9
Zur Bedeutung der Fallrekonstruktion und Fallarbeit in
der LehrerInnenbildung ........................................................ . 13
1.1 (Rekonstruktiv-)fallorientierte Arbeiten in der
Lehrerinnenbildung - ein Überblick (Stelmaszyk) ............... . 13
1.2 Entwicklungskontext und Intentionen des
"Mainzer Modells" (Heuer) ................................................. . 23
1.3 Zum systematischen Stellenwert der Fallrekonstruktion
in der universitären Lehrerinnenbildung (Helsper) .............. . 29
1.3.1 Antinomien, Widerspruchsverhältnisse und Paradoxien
grundlegende Bestimmungen zum professionellen
Lehrerhandeln und zur Praxisantinomie ............................... . 29
1.3.2 Professionalisierung des Lehrerhandelns durch
fallrekonstruktive Erschließung von Professionsantinomien
als reflexive Vermittlung des Praktischen im Primat des
Theoretischen ....................................................................... . 41
2 Methodische Anlage der Gesamtevaluation und
Ergebnisüberblick zur schriftlichen Befragung (Beck) ........ . 51
3 Darstellung und Evaluation der fallorientierten
Einführungsseminare ............................................................ . 55
3.1 Seminartyp: nur fallrekonstruktives Vorgehen-
"Lehr-und Lernprozesse interpretieren" (Beck) .................. . 55
3.1.1 Konzept, Seminaraufbau, behandelte Themen,
Arbeitsformen ...................................................................... . 56
3.1.2 Seminarverlauf ..................................................................... . 61
3.1.3 Evaluation ............................................................................ . 62
3.1.3.1 Hypothesen ........................................................................... . 64
3.1.3.2 Ergebnisse ............................................................................ . 66
3.1.4 Bilanz und Ausblick ............................................................. . 80
3.2 Seminartyp: Fallrekonstruktion mit theoretischen und
selbstreflexiven Erweiterungen (Helsper) ............................ . 81
3.2.1 Besonderheiten in der Konzeption dieses
Einführungsseminars ............................................................ . 81
3.2.2 Aufbau und Ablauf des Seminars ......................................... . 83
3.2.3 Die Fragebogenevaluation .................................................... . 88
3.2.4 Seminarauswertung auf Grundlage der abschließenden
Gruppendiskussion ............................................................... . 90
5
3.2.4.1 Das Spannungs verhältnis von Beschränkung und
Erweiterung der Seminarinhalte als Kernproblem
exemplarischen Lernens im Seminar..................................... 92
3.2.4.2 Zum Stellenwert der sequentiellen Textinterpretation........... 94
3.2.4.3 Zum Stellenwert der Selbstreflexion der eigenen
Schulerfahrungen .................................................................. 96
3.2.4.4 Praxisrelevanz des Seminars, Einzelfall und theoretische
Verallgemeinerung im Seminar............................................. 99
3.2.5 Bilanzierung der Evaluation und Konsequenzen fur die
weitere Seminargestaltung. ..... ............. ..................... ............. 104
3.3 Seminartyp: Selbstreflexion und Fallarbeit (Stelmaszyk)...... 105
3.3.1 Zum Seminar......................................................................... 107
3.3.1.1 Übersicht über den Seminarverlauf.. ..................................... 109
3.3.1.2 Die Sequenzanalyse zu Flaakes 'Gymnasiallehrerin' ............ 114
3.3.2 Evaluation............................................................................. 115
3.3.2.1 Fragebogenauswertung.......................................................... 115
3.3 .2.2 Gruppendiskussion ................................................................ 120
3.3.3 Folgerungen fur die Weiterentwicklung des Seminartyps ..... 124
3.4 Seminartyp: Fallrekonstruktion und Theorievermittlung
(Heuer) .................................................................................. 126
3.4.1 Durchfuhrung des Seminars: Bausteine................................. 126
3.4.1.1 Methodisches Vorgehen........................................................ 128
3.4.1.2 Ablaufplan............................................................................. 129
3.4.1.3 Seminarverlauf........ ....... .. .... ......... .................. ......... ... .. ...... .. 130
3.4.1.4 Leistungsnachweise ............................................................... 132
3.4.2 Auswertung des Fragebogens.... .......... ................ .................. 132
3.4.2.1 Zusammensetzung nach Geschlecht und Semesteranzahl...... 132
3.4.2.2 Aktive Mitarbeit.................................................................... 132
3.4.2.3 Einschätzung des Leiterverhaltens ........................................ 133
3.4.2.4 Bewertung der Leistungen und der Eignung des Seminars... 134
3.4.2.5 Spezifika des Seminars im Vergleich.. .......... ...... ............ ...... 136
3.4.3 Auswertung der Gruppendiskussion...................................... 138
3.4.3.1 Doppelte Zwecksetzung und Modifikation des Verfahrens... 138
3.4.3.2 Auswertung: Äußere Umstände, Verlauf, Leitung ................ 139
3.4.3.3 Fokus: Zeitrahmen Blockseminar .......................................... 141
3.4.3.4 Fokus: Arbeitsgruppen fördern Selbstwert, Sozialwert
und Leistung.......................................................................... 142
3.4.3.5 Fokus: Methode der extensiven Fallinterpretation und der
Theorie-Praxis-Diskurs ......................................................... 143
3.4.3.6 Fokus: Berufswahlentscheidung und selbstreflexive
Komponente...... .................................................................... 147
3.4.3.7 Eignung des Seminars als Einfuhrung in das
erziehungswissenschaftliche Begleitstudium......................... 148
6
3.4.4 Gesamtbewertung ................................................................. . 148
3.5 Seminartyp: Themenorientierte Theorieeinfiihrung
erweitert um eine Fallrekonstruktion (Ullrich) ..................... . 151
3.5.1 Konzeptionelle Vorüberlegungen ......................................... . 151
3.5.2 Seminaraufbau: Themen und Arbeitsformen ........................ . 152
3.5.3 SeminarteilnehmerInnen ....................................................... . 155
3.5.4 Seminarverlauf ..................................................................... . 157
3.5.5 Seminarevaluation -Fragebogen .......................................... . 157
3.5.6 Seminarevaluation -Abschlußdiskussion ............................. . 162
3.5.6.1 Der Anfang der Gruppendiskussion ..................................... . 163
3.5.6.2 Zum Stellenwert der Fallinterpretation ................................. . 164
3.5.6.3 Die Erfahrungen mit Referat und Diskussion ....................... . 166
3.5.6.4 Die Eignung als Einfiihrungsseminar ................................... . 167
3.5.7 Bilanz und Ausblick ............................................................. . 167
3.6 Empirische Vergleiche an Hand des Fragebogens (Beck) .... . 169
3.6.1 Seminarvergleich .................................................................. . 170
3.6.2 Vergleich anderer Variablen ................................................ . 175
3.6.2.1 Semester ............................................................................... . 175
3.6.2.2 Studienfächer ........................................................................ . 177
3.6.2.3 Geschlecht ............................................................................ . 178
4 Abschlußdiskussion: Eine Bilanzierung der Möglichkeiten,
Probleme und Grenzen der Fallorientierung ........................ . 181
4.1 Zum Verhältnis von Theorie und Fallinterpretation ............. . 181
4.2 Zum Stellenwert der Selbstreflexion .................................... . 184
4.3 Zur Praxis der interpretativen Fallarbeit in den Seminaren .. 191
4.4 Die Zielsetzung fallorientierter Seminare
in der universitären LehrerInnenbildung .............................. . 204
4.5 Der Stellenwert fallorientierter Einfiihrungsseminare im
erziehungswissenschaftl ichen Begleitstudium ...................... . 209
Literatur 217
7
Einleitung
Lehrerbildung ist wieder ein öffentlich diskutiertes Thema. Davon zeugt der
Anstieg einschlägiger Publikationen in den letzten Jahren, die wachsende
Beachtung in den Medien, die bildungspolitische Diskussion um eine Neu
und Umstrukturierung der Lehrerbildung und nicht zuletzt die Thematisie
rung im Rahmen von Bildungskommissionen der Länder oder der KMK (vgl.
etwa Bildungskommission NRW 1995, Kommission zur Neuordnung 1997.
Terhart 2000). Die Intentionen und Motive dieser öffentlichen Diskussion um
die Lage und die Zukunft der Lehrerbildung sind dabei zwischen zwei Polen
aufgespannt: Auf der einen Seite das neu artikulierte und weiter reflektierte
Wissen darum, daß die Qualität von Schulen und der in ihnen stattfindenden
Bildungsprozesse von den Qualitäten und Kompetenzen des professionellen
LehrerInnenhandelns wesentlich bestimmt wird. Die weitere Professionalisie
rung des Lehrberufs ist - neben den makrostrukturellen Rahmungen des Bil
dungssystems und organisatorischen und schulkulturellen Veränderungen auf
der Ebene der Einzelschule, die entscheidende strukturelle Voraussetzungen
der Lehrerprofessionalität konstituieren- nicht zuletzt auch von der Ausge
staltung der beruflichen Lehrerbildungsbiographie und der Qualität der Leh
reraus- und -weiterbildung abhängig. In dieser Linie steht auch unser Vorha
ben und Anliegen. Auf der anderen Seite wird die Diskussion von sta
tuspolitischen und fiskalischen Intentionen mit bestimmt: Die Diskussion
etwa um die Verlagerung eines Teiles der Lehrerausbildung an die Fachhoch
schulen hat neben dem selbst deprofessionalisierenden. eindimensionalen
Praxisargument vor allem auch status- und besoldungsrechtliche Hinter
gründe, die einmal als Entlastung der Staatshaushalte und auf der Gegenseite
als Statussicherung des einmal Erreichten verstanden werden können. Und die
Vorschläge zu einer Verlagerung der didaktisch-pädagogischen, erziehungs
wissenschaftlichen Anteile in die zweite Phase entlastet die Universitäten von
einem leidigen Problem, hält die universitären Bildungsgänge multifunktional
offen und fungibel, stärkt die Fachorientierung und verstärkt den Trend zu
einer pädagogischen Deprofessionalisierung im Lehrerhandeln.
Das hier vorgestellte universitäre Lehrerbildungsprojekt beansprucht le
diglich eine mittlere Reichweite. Es bietet keinen umfassenden Entwurf einer
neuen Struktur und kein Gesamtkonzept der Lehrerbildung, wie es etwa in
Vorschlägen zu einer Neustrukturierung des Verhältnisses der ersten, zweiten
9
und dritten Phase zueinander, dem Vorschlag universitäre Zentren für Lehrer
bildung und Schulforschung zu gründen, die das disparate Nebeneinander von
Pädagogik, Fächern und Fachdidaktik innerhalb der Universität integrieren
sollen oder in Neuformulierungen eines umfassenden Lehrerbildungscurricu
lums vorliegt (vgl. Bayer/Carle/Wildt 1997, Glumpler Rosenbusch 1997,
Blömeke 1998, Terhart 2000). Unser Vorhaben ist bescheidener und an
sprüchlicher zugleich: Bescheidener, weil es sich im Rahmen gegebener Be
dingungen bewegt und nicht beanspruchen kann, die grundlegenden Struktur
probleme der universitären Lehrerbildung - etwa Fachdominanz, Marginalität
der Erziehungswissenschaft, wenn auch landesspezifisch unterschiedlich
ausgeprägt (vgl. Glumpler 1998), die Disparatheit der Bausteine oder die
Beliebigkeit der erziehungswissenschaftlichen Inhalte - umfassend zu behe
ben. Ansprüchlicher, weil es den Anspruch erhebt, auch angesichts dieser
Strukturprobleme und deprofessionalisierenden Rahmungen Professionalisie
rungspotentiale auf der Ebene der Lehre freisetzen zu können.
Dabei votieren wir für eine Lehrerbildung an der Universität, für eine re
flektierte Form der Trennung von Theorie und Praxis, die gerade dadurch
Möglichkeiten einer professionalisierenden Vermittlung eröffnet. Derartige
Vermittlungsmöglichkeiten sehen wir vor allem in einem fallrekonstruktiven
und fallorientierten Zugang im erziehungswissenschaftlichen Studium, ein
Konzept, das wir hier in unterschiedlichen Varianten darstellen, kritisch
sichten und bilanzieren (vgl. zu ähnlichen Ansätzen Ohlhaver/Wernet 1999,
Dirks/Hansmann 1999). Nun ist die Thematisierung der Fallorientierung, der
kasuistischen Arbeit und der Fallrekonstruktion in der Lehrerbildung nicht
neu. Sie ist im Zusammenhang der Theorie-Praxis-Diskussion (vgl. etwa
Blankertz 1978) immer schon eine entscheidende Größe gewesen. In der
geisteswissenschaftlichen Pädagogik war mit dem hermeneutischen Verstehen
und dem Konzept einer Theorie für die Praxis eine Nähe zum Fallerschließen
gegeben. In den Auseinandersetzungen zwischen einer empirischen Erzie
hungswissenschaft und den reformulierten Verstehens- und Kritikkonzepten
der kritischen Erziehungswissenschaft und der sozialwissenschaftlich-inter
pretativen Wende im erziehungswissenschaftlichen Denken klang dies in
einem anderen Reflexionshorizont nach. Schaal weist auf die unhintergehbare
"Komplexität und Kontingenz" des praktischen Unterrichtens hin und fordert
in diesem Zusammenhang, daß "der Lehrer Unterrichtsszenen gleichsam als
, Text' auffassen, lesen und interpretieren lernt" (Schaal 1978, S.149). Boll
now insistiert auf der "Unplanbarkeit" bzw. der "Grenze der Planbarkeit" des
Unterrichts und weist auf die produktiven Momente der Krise und Störung
hin, die in einer nachträglichen Rekonstruktion und "Besinnung" erhellt wer
den können (Bollnow 1978, S.l56ff.). Und Günther thematisiert direkt den
Stellenwert der pädagogischen Kasuistik in der Lehrerausbildung, den er
darin sieht, daß Fälle jene Stelle markieren, "an der die Reflexion als Be
standteil der Praxis entdeckt wird" (Günther 1978, S. 169). Die nur praktisch
10
vom pädagogisch Handelnden selbst zu leistende Vennittlung von Theorie
und Praxis aber hängt auch davon ab, inwieweit die Vennittlung von Theorie
und Fall bereits in der theoretischen Reflexion vorbereitet werden kann
(ebd.).
Unser Projekt steht nun einerseits in dieser Traditionslinie und bricht
doch zugleich mit einem Großteil der kasuistischen und fallorientierten Kon
zepte, die nicht hinreichend begründet werden, affinnative Untertöne enthal
ten, indem am Fall das "Richtige" gelernt werden soll und die methodisch
diffus und unausgewiesen bleiben (vgl. Kap. 1.1., auch schon Beck 1999,
Helsper 1999). Allerdings versteht dieser Band sich auch nicht als "fertiges
Konzept", sondern als Möglichkeit für diejenigen, die an der Lehrerbildung
interessiert und an ihr beteiligt sind, ein "work in progress" in Augenschein
nehmen zu können und Einblicke in eine fallorientierte Lehr- und For
schungswerkstatt im Rahmen universitärer Lehrerbildung zu erhalten. Dabei
beleuchten wir - durchaus in selbstkritischer Absicht - insbesondere auch die
Krisen, Risiken, Probleme und offenen Fragen, die mit einer derartigen Fall
orientierung einher gehen.
Kurz zum Aufbau des Bandes: In Kapitel 1.1. wird ein gedrängter, kri
tisch kommentierender Überblick zu Ansätzen und Reflexionen der Fallarbeit
in der Lehrerbildung gegeben. Daran schließt sich eine Skizze der konkreten
Ausgangsbedingungen und Rahmungen unseres Vorhabens in Mainz an (Kap.
1.2.). Dieser Abschnitt wird mit theoretischen Reflexionen zur Bedeutsamkeit
der Fallrekonstruktion rur die universitäre Lehrerbildung und die Professio
nalisierung der Lehrerarbeit abgeschlossen (Kap. 1.3.). In Abschnitt 2 wird
knapp die Anlage und Evaluation dieser Studie skizziert. Abschnitt 3 stellt
schließlich die fallorientierten Lehrerseminare in ihrer Unterschiedlichkeit
und mit ihrem jeweils spezifischen Zugang dar und bietet einen Überblick
über die Evaluation dieser fall orientierten Seminare. Dabei wird einerseits
überblickshaft auf die Ergebnisse der schriftlichen Befragung eingegangen,
aber auch die Spezifik jedes Seminartyps heraus gearbeitet. Dies führt zu
gewissen Wiederholungen, die von uns aber - um einen möglichst konkreten
Einblick in die jeweilige Seminarspezifik vennitteln zu können - bewußt in
Kauf genommen wird. In Abschnitt 4 erfolgt schließlich eine kritische Bilan
zierung des vorgestellten Lehrerbildungsprojektes anhand einer Auswer
tungsdiskussion zwischen den beteiligten Hochschullehrern, die hier in Aus
schnitten und in leicht überarbeiteter Fonn wiedergegeben wird.
11
1 Zur Bedeutung der Fallrekonstruktion und
Fallarbeit in der LehrerInnenbildung
1.1 (Rekonstruktiv-)fallorientierte Arbeiten in der
LehrerInnenbildung - ein Überblick (Stelmaszyk)
Die hier vorzustellenden Arbeiten zu einem (rekonstruktiv)-fallorientierten
Vorgehen I in der Lehrerbildung decken nur einen Teilbereich unserer Semi
narkonzeption ab. Von den drei Bausteinen des Seminartyps (Fallbezug,
Selbstreflexion, Theorie) wird vorwiegend auf Arbeiten zum ersten Bezug
genommen, wobei die beiden anderen Bausteine miteinfließen. Das ist der
nachfolgenden Diskussion geschuldet, in der als ein Konsens ein eher behut
samer und wenig exponierter Umgang mit selbstreflexiven Elementen in der
universitären Lehre, so wie sie uns möglich ist, formuliert wurde. Theorie als
ein Bestandteil universitärer Ausbildung scheint einmal unstrittig, eine ange
messene Darstellung der Diskussion über das Theorie-Praxis-Verhältnis in
der Lehrerausbildung würde dagegen den Rahmen eines kurzen Literaturbe
richts sprengen (vgl. zusammenfassend Koring 1997, G lumpler/Rosenbusch
1997, Weil 1999).
Ein kurzer Hinweise auf Arbeiten, in denen ein selbstreflexiver Zugang
im Kontext der Lehrerbildung dargestellt wird, muß hier genügen. Aus den
70er Jahren seien exemplarisch Brück (1978) und Thiemann (1977) genannt.
In einer psychoanalytisch orientierten Arbeit thematisiert Brück, auf der Basis
von Seminararbeit und Praktikumsbetreuung, verbliebene Kindlichkeit und
eigene Schulerfahrungen der teilnehmenden LehrerInnen und StudentInnen
und anderer Lehrpersonen als prägend fur aktuelle LehrerInnen-SchülerInnen
Beziehungen. Thiemann legt einen subjektorientierten Ansatz vor, der an
vielen Stellen mit Passagen aus Unterrichtstranskripten als Fallbeispielen
argumentiert. Eine explizite Thematisierung der Lehrerausbildung wird aber
nicht vorgenommen. Dezidiert heißt ein Unterkapitel "einer erfährt, wer er ist,
wenn er sich in Situationen, in denen er sich verhält, nachdenkend auf die
Bedingungen seines Sich-Verhaltens zurückbeziehen kann" (Thiemann 1979,
S. 47). Hier liegt eine Nähe zur Handlungsforschung vor. Als entsprechende
neuere Arbeiten mit Fallbezug können Altrichter/Posch (1990) und
SchratziThonhauser (1996) genannt werden. Einen deutlicheren Bezug zur
Lehramtsausbildung haben zwei kurze neuere Arbeiten. Hierdeis (1997) stellt
Die Klammer um 'rekonstruktiv' ist der Tatsache geschuldet. daß im Gesamtspektrum
fallorientierter Arbeiten Fatlrekonstruktionen mit dem Fokus der Anwendung in der Lehre
rInnenbildung nur einen Teilbereich bilden.
13