Table Of ContentEschatologie und Schöpfung
Festschrift für Erich Gräßer
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Beihefte zur Zeitschrift für die
neutestamentüche Wissenschaft
und die Kunde der älteren Kirche
Band 89
Walter de Gruyter · Berlin · New York
1997
Eschatologie und Schöpfung
Festschrift für Erich Gräßer
zum siebzigsten Geburtstag
Herausgegeben von
Martin Evang, Helmut Merklein und
Michael Wolter
Walter de Gruyter · Berlin · New York
1997
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Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme
[Zeitschrift für die neutestamentliche Wissenschaft und die
Kunde der älteren Kirche / Beihefte]
Beihefte zur Zeitschrift für die neutestamentliche Wissenschaft und
die Kunde der älteren Kirche. — Berlin ; New York : de Gruyter
Früher Schriftenreihe
Reihe Beihefte zu: Zeitschrift für die neutestamentliche Wissen-
schaft und die Kunde der älteren Kirche
Bd. 89. Eschatologie und Schöpfung. - 1997
Eschatologie und Schöpfung: Feschrift fur Erich Gräßer zum sieb-
zigsten Geburtstag / hrsg. von Mardn Evang ... — Berlin ; New
York : de Gruyter, 1997
(Beihefte zur Zeitschrift für die neutestamentliche Wissenschaft
und die Kunde der älteren Kirche ; Bd. 89)
ISBN 3-11-015545-1
ISSN 0171-6441
© Copyright 1997 by Walter de Gruyter & Co., D-10785 Berlin
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Vorwort
Die Gattung »Festschrift« entwickelt ihre eigene Dynamik. Festschriften
werden immer umfangreicher, die durch sie Geehrten werden zahlreicher,
und deren Alter hat sinkende Tendenz. Erich Gräßer hat es konsequent ab-
gelehnt, an Festschriften vor dem siebzigsten Geburtstag des zu ehrenden
Jubilars mitzuarbeiten. Am 23. Oktober 1997 vollendet er nun selbst das
siebzigste Lebensjahr. Kein Zweifel, daß er eine Festschrift verdient hat!
Das ist nicht nur die Überzeugung derer, die an diesem Band mitgewirkt
haben.
Das Werk Erich Gräßers deckt nahezu das gesamte Gebiet neutestament-
licher Exegese und Theologie ab. Der Titel der Festschrift markiert nur die
theologisch nicht mehr überschreitbaren Eckpunkte: Eschatologie und
Schöpfung. Was Erich Gräßer zwischen diesen Eckpunkten - und beeinflußt
von ihnen - gestaltet hat, soll unter vier thematischen Aspekten gewürdigt
werden:
Den Ausgangspunkt - auch chronologisch - bildet das Thema der Escha-
tologie. Ihm widmete er seine Dissertation »Das Problem der Parusieverzö-
gerung in den synoptischen Evangelien und in der Apostelgeschichte«. Die
zuerst 1957 veröffentlichte und zuletzt 1977 in dritter Auflage erschienene
Arbeit gehört seit langem zu den Standardwerken. Monographisch hat er das
Thema noch einmal aufgenommen in der Studie »Die Naherwartung Jesu«
(1973). Erich Gräßer sieht klar, daß »die Glaubwürdigkeit der eschatologi-
schen Botschaft auf dem Spiel (steht), wenn Jesus sich tatsächlich im Zen-
tralen, der Ansage der Gottesherrschaft, geirrt haben sollte« (Problem3, S.
VII). Er widersteht aber der Versuchung, die Zeitlichkeit der Ansage Jesu
auszuhöhlen, und setzt auf die neuen Interpretationshorizonte, die die Bot-
schaft Jesu in der ebenfalls apokalyptischen Glaubenserfahrung von Ostern
gewinnt (ebd., S. XXII). Mit diesem Ansatz, den er in zahlreichen Einzel-
studien zum historischen Jesus, zu den Synoptikern und zur Apostelge-
schichte weiter entfaltete, hält er sich die kerygmatische Option seines Leh-
rers Rudolf Bultmann offen, obwohl er in der Einschätzung Jesu nicht uner-
heblich von ihm abweicht.
Ein zweiter Themenbereich ist der Exegese und Auslegung des Hebräer-
briefes gewidmet. Das Fundament dazu legte die Habilitationsschrift »Der
Glaube im Hebräerbrief« (1965). Seither hat Erich Gräßer eine Fülle von
Beiträgen zu dieser Schrift vorgelegt, die von ihrer theologischen Konzep-
tion her in eine Reihe mit Paulus und dem Evangelisten Johannes zu stellen
ist. Ein Teil dieser Aufsätze wurde anläßlich seines 65. Geburtstags unter
dem Titel »Aufbruch und Verheißung« herausgegeben (1992). Die Krönung
seiner diesbezüglichen Arbeiten stellt aber der große Kommentar zum He-
VI Vorwort
bräerbrief in der Reihe des »Evangelisch-Katholischen Kommentars« (EKK)
dar, dessen erster Band 1990 erschien. Der zweite Band folgte 1993, und
der dritte und letzte Band erschien im Frühsommer dieses Jahres. Erich Grä-
ßer hat einen dezidiert theologischen Kommentar vorgelegt, ohne allerdings
die gerade im Hebräerbrief äußerst komplexen religions- und traditionsge-
schichtlichen Probleme zu vernachlässigen. Dem Anliegen des Auetors ad
Hebraeos, die Glaubenskrise durch »bessere Theologie« zu bewältigen (Hebr
I, S. VIII), hat Erich Gräßer mit einer kongenialen Interpretation entspro-
chen.
Der dritte Themenkreis ist inhaltlich facettenreich, doch entspringen die
einzelnen Segmente einem dezidierten hermeneutischen Interesse. Obwohl
entschiedener Verfechter der historisch-kritischen Methode, hat Erich Grä-
ßer nie einen Zweifel an seinem theologischen Impetus gelassen. Seinem
großen Vorbild Rudolf Bultmann verpflichtet, war ihm die Vermittlung von
Exegese und Verkündigung ein beständiges Anliegen. Er selbst hat diese
Vermittlung regelmäßig durch Predigtmeditationen praktiziert. Freimütig
hat er auf aktuelle Herausforderungen reagiert, wenn er das Evangelium in
Gefahr sah, und sich mehrfach zur politischen Theologie geäußert. Er wi-
dersprach einer Auflösung der Christologie in die Anthropologie, wie sie in
den 60er und 70er Jahren postuliert wurde, und in ähnlicher Weise erhob er
in den 80er Jahren mehrfach seine Stimme gegen die Erklärung seiner Rhei-
nischen Landeskirche zum Verhältnis von Juden und Christen, was ihm
manch herbe Kritik eingebracht hat. Aber es fragt sich, ob das Beharren auf
der Christologie als der differentia specifica Christiana nicht zur Redlichkeit
des jüdisch-christlichen Dialogs gehört und einer Verständigung mehr nützt
als manch eilige Verwischung der Unterschiede. Der größere Teil seiner
Arbeiten zu diesem Thema liegt gesammelt in dem Band »Der Alte Bund im
Neuen« vor (1985). - Seit dem Ende der 70er Jahre begleitet ihn ein wei-
teres Thema, das man in dieser Eindeutigkeit bei einem Exegeten kaum
vermutet und das in der Theologie erst allmählich den gebührenden Platz
findet. Schon 1978 wandte sich Gräßer gegen eine »falsche Anthropozen-
trik« und plädierte für eine »Theologie der Schöpfung«. Seither wurde er
nicht müde, den sprachlosen Lebewesen seine Stimme zu leihen und sich in
Wort und Tat für den Tierschutz einzusetzen. Und in der Tat kann wird man
sich nur schwer seiner Einsicht entziehen können, daß der Umgang mit dem
Leben das Kriterium für die Ernsthaftigkeit einer humanen Ethik ist.
Damit ist schon das Stichwort genannt, das zum vierten Thema überleitet.
Theologisch steht es wie das eben genannte unter der Perspektive der
Schöpfung. Es hat für Erich Gräßer aber einen konkreten Namen bekom-
men: Albert Schweitzer. Den meisten Zeitgenossen nur als der berühmte Ur-
walddoktor bekannt, war Schweitzer zugleich Musiker und Theologe. Es
gibt kaum eine Problemstellung in der modernen Jesus- und Paulusfor-
schung, in die nicht schon Albert Schweitzer verwickelt gewesen wäre, und
Erich Gräßer gebührt das Verdienst, den Theologen Schweitzer wieder ins
Vorwort VII
Bewußtsein gerückt zu haben. Neben vielen kleineren Beiträgen ist hier vor
allem die Monographie »Albert Schweitzer als Theologe« zu nennen (1979),
die auch auf den Prediger Schweitzer aufmerksam macht. Daß Erich Gräßer
vor allem von der Ethik Schweitzers fasziniert war und ist, wird angesichts
seines Eintretens für eine die ganze Schöpfung umfassende Verantwortung
des Menschen nicht verwundern. Das Schweitzersche Programm einer »Ehr-
furcht vor dem Leben« ist für Erich Gräßer immer deutlicher zum Prinzip
einer christlichen Ethik geworden. Erich Gräßer ist Präsident der Wissen-
schaftlichen Albert-Schweitzer-Gesellschaft und Mitherausgeber der »Werke
aus dem Nachlaß« Albert Schweitzers.
Die Gedankenbewegung von hinten nach vorne - von der Eschatologie
zur Schöpfung - ist nur auf den ersten Blick erstaunlich. Sachlich ist sie
höchst konsequent, da eine Eschatologie nur dann weiß, wovon sie redet,
wenn sie sich auf die Schöpfung bezieht, und umgekehrt von der Schöpfung
nur in eschatologischer Perspektive christlich geredet werden kann. For-
schungsgeschichtlich hat Erich Gräßer den Weg von Bultmann zu Schweit-
zer gebahnt. Das Ergebnis gleicht einer Ellipse mit zwei Brennpunkten. Mit
Rudolf Bultmann und seiner Kerygmatheologie teilt Erich Gräßer die Über-
zeugung von der Kraft des Wortes. Ihm verdankt er die existentiale Herme-
neutik, und mit der liberalen Theologie Albert Schweitzers teilt Erich Gräs-
ser die Überzeugung, daß Theologie sich in der ethischen Herausforderung
der Praxis zu bewähren hat. Mit der keineswegs naheliegenden Vermittlung
von Bultmann und Schweitzer hat Erich Gräßer ein eigenständiges Werk mit
zukunftsweisenden und zukunftsbeständigen Perspektiven geschaffen.
Alle, die Erich Gräßer kennen, wissen, daß die Ökumene für ihn eine
wichtige Rolle gespielt und er sie mit der größten Selbstverständlichkeit
praktiziert hat. Sichtbar wird dies in seiner Tätigkeit als Herausgeber des
»Ökumenischen Taschenbuch-Kommentars zum Neuen Testament« (ÖTK)
und seine bereits erwähnte Mitarbeit am »Evangelisch-Katholischen Kom-
mentar« (EKK). Hinzu kommen noch seine selbstverständliche Teilnahme an
gemeinsamen Gottesdiensten und interkonfessionellen Lehrveranstaltungen
in Bonn und Jerusalem. Erich Gräßer hat in dieser Hinsicht katholischen und
evangelischen Studierenden ein überzeugendes Beispiel gegeben und vor al-
lem auch das theologische Gespräch zwischen den beiden Bonner theologi-
schen Fakultäten in ganz außerordentlicher Weise gefördert.
Wir verstehen die Festschrift als ein Zeichen des Respekts vor einem
großen wissenschaftlichen Werk und bekunden mit ihr zugleich der Person
Erich Gräßer unsere Dankbarkeit. Wir wünschen uns, daß er noch viele Jah-
re am wissenschaftlichen Gespräch teilnehmen wird, und wir wünschen ihm,
daß er noch lange Jahre Freude an diesem Gespräch hat.
* * *
Daß es möglich wurde, Erich Gräßer zu seinem 70. Geburtstag in dieser
Form zu grüßen, verdanken wir der freundlichen Bereitschaft der Autoren,
VIII Vorwort
an dieser Festschrift mitzuarbeiten, sowie Herrn Dr. Hasko von Bassi vom
Verlag Walter de Gruyter, der sich spontan bereit erklärt hat, diese Fest-
schrift in den Beiheften zur ZNW zu publizieren. Wir möchten ihnen allen
darum an dieser Stelle herzlich danken.
Darüber hinaus geht unser Dank auch an die Mitarbeiter am Lehrstuhl für
Neues Testament der Bonner Evangelisch-Theologischen Fakultät, Dr. Rein-
hard von Bendemann, Kordula Leis, Dirk Schinkel und Martin Ufer, für ih-
re Mithilfe bei den Korrekturen sowie vor allem an Brigitte Schmitz, die die
Hauptlast bei der Erstellung der Druckvorlage getragen hat.
Martin Evang
Helmut Merklein
Bonn, am 23. Oktober 1997 Michael Wolter