Table Of ContentSibylle Ihm
Eros und Distanz
Beiträge zur Altertumskunde
Herausgegeben von
Michael Erler, Dorothee Gall, Ernst Heitsch,
Ludwig Koenen, Reinhold Merkelbach,
Clemens Zintzen
Band 167
Κ · G · Saur München · Leipzig
Eros und Distanz
Untersuchungen zu Asklepiades
in seinem Kreis
Von
Sibylle Ihm
Κ · G · Saur München · Leipzig 2004
Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek
Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der
Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind
im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.
© 2004 by Κ. G. Saur Verlag GmbH, München und Leipzig
Printed in Germany
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Jede Art der Vervielfältigung ohne Erlaubnis des Verlages ist unzulässig.
Gedruckt auf alterungsbestandigem Papier.
Gesamtherstellung: Druckhaus „Thomas Müntzer" GmbH, 99947 Bad Langensalza
ISBN 3-598-77716-7
Für Thomas und Laura
Inhaltsverzeichnis
Einleitung 9
1. Anmerkungen zum „Hetärenwesen" 14
1.1. Ansichten zu den Frauen bei Asklepiades 14
1.2. Prostituierte und Hetären 16
2. Frauen im Hellenismus 24
3. Zu Theokrits zweitem Idyll und Verwandten 32
3.1. Simaitha 32
3.2. Asel. XIX G.-P.; AP 12, 153 33
3.3. Verlassene Frauen im Hellenismus 35
4. Überlegungen zu dem Bedeutungsgehalt von
παρθενία und παρθένος 37
4.1. Asel. II G.-P ; AP 5, 85 39
4.2. Asel. XXVIII G.-P.; AP 7, 11 41
4.3. Asel. XXXIV G.-P.; AP 5, 194 43
4.4. Hedylos II G.-P.; AP 5, 199 44
4.5. Ergebnis 47
5. Frauen in den Epigrammen des Asklepiades 49
5.1. Einfuhrende Überlegungen 49
5.2. Besprechung der Epigramme 52
5.2.1. Asel. IX G.-P ; AP 5, 7 52
5.2.2. Asel. X G.-P.; AP 5, 150 55
5.2.3. Asel. XIII G.-P ; AP 5, 164 58
5.2.4. Asel. XLII G.-P.; AP 5, 189 59
5.2.5. Asel. VIII G.-P.; AP 5, 162 61
5.2.6. Asel. V G.-P.; AP 5, 210 63
6. Ergebnisse 66
6.1. Zum Ideal des Asklepiades 66
6.2. Zum Selbstbild 69
7. Die Frauen in den Marktepisoden 78
7.1. Asel. XXV G.-P.; AP 5, 181 78
7.2. Asel. XXVI G.-P.; AP 5, 185 81
8 Inhaltsverzeichnis
7.3. Deutung im Zusammenhang 82
8. Eros und die homoerotischen Epigramme des Asklepiades 84
8.1. Einfuhrung 84
8.2. Besprechung der Epigramme 85
8.2.1. Asel. XXI G.-P.; AP 12, 75 85
8.2.2. Asel. XXXVIII G.-P ; AP 12, 77 88
8.2.3. Asel. XXII G.-P.; AP 12, 105 91
8.2.4. Asel. XXIII G.-P.; AP 12, 162 93
8.2.5. Asel. XXIV G.-P.; AP 12, 163 96
9. Exemplarische Vergleiche zweier Epigrammpaare 99
9.1. Asel. IV G.-P.; AP 5, 158 und Pos. II G.-P.; AP 5, 186 99
9.1.1. Asel. IV G.-P.; AP 5, 158 99
9.1.2. Pos. II G.-P ; AP 5, 186 104
9.1.3. Vergleichende Untersuchungen zu den beiden
Epigrammen 106
9.2. Asel. XVII G.-P.; AP 12, 166 und Pos. V G.-P.;
AP 12, 45 108
9.2.1. Asel. XVII G.-P.; AP 12, 166
9.2.2. Pos. V G.-P.; AP 12, 45 111
9.2.3. Vergleichende Untersuchungen zu den beiden
Epigrammen 113
10. Asklepiades und Zeus 115
10.1. Asel. XIV G.-P.; AP 5, 167 115
10.2. Asel. XI G.-P.; AP 5, 64 125
11. Resümee 128
12. Literaturverzeichnis 133
12.1. Ausgaben, Übersetzungen und Kommentare 133
11.2. Sekundärliteratur 135
13. Index 155
Einleitung
Die Dichtung des Asklepiades vermag bis heute durch ihre Kühnheit und
Emotionalität zu faszinieren. In diesem Buch wird die These entwickelt, dass
die Liebesepigramme in einem konzeptionellen Zusammenhang gesehen
werden müssen, um zu verlässlichen Deutungen zu kommen. Ziel ist es
dabei, nicht einen vollständigen Kommentar, sondern eine in sich
geschlossene Interpretation vorzulegen. Eine Fülle von Arbeiten hat sich
Asklepiades' Werkes angenommen, doch in der Vielzahl der Erklärungen ist
es schwer, den Konturen des Dichters nachzuspüren. Dann aber, wenn sie
sich zu verfestigen scheinen, ist kritisch zu prüfen, ob nicht etwa eine
Mehrheitsmeinung der Forschung Erkenntnisse konstituiert, die bei genauer
Überprüfung zu relativieren wären. Dies hat Cameron 1981 erstmals getan,
als er gegen die Mehrheit der Interpretationen die These aufgeworfen hat,
dass die Frauen in den Liebesepigrammen des Asklepiades zum größten Teil
keine Hetären seien. Später hatte Gutzwiller (1998) diese These nur zögernd
aufgegriffen und Clack (1999) ging darauf nicht ein. Dabei ist die Frage, ob
sich Liebe auf Geld oder Gefühle gründet, von entscheidender Bedeutung. In
der Forschungstradition dominiert eindeutig die Hetärenthese, da aber die
Quelle selbst nur in Ausnahmen den Bezug zur Prostitution herstellt, blieb es
letztlich ungewiss, ob alle Frauen tatsächlich jenen Status innehatten, den die
Gelehrtenmeinung fur sie vorsah.
Anders als Cameron aber, dessen Arbeit sich fast ausschließlich am Text
ausrichtet, geht diese Untersuchung weiter, indem sie auch das
zusammenträgt, was uns an literarischen oder historischen Kenntnissen über
den Gegenstand zur Verfugung steht. So lässt sich festhalten, dass sich die
Stellung der Frau im Hellenismus gegenüber der klassischen Zeit merklich
geändert hatte. Das Klima war libertärer geworden, Zeugnisse berichten von
der ökonomischen Handlungsfreiheit mancher Frauen. Autonomes Verhalten
in der Gesellschaft rief nicht mehr, wie noch in klassischer Zeit, automatisch
eine moralische Gegenreaktion hervor.
Die im folgenden verwandte Methode des text- und zeitimmanenten
Ansatzes sucht nach Zusammenhängen, die weder kontextuell noch
historisch Widersprüchlichkeiten aufweisen dürfen. Je öfter oder je
intensiver ein Zusammenhang gezeigt werden kann, je plausibler die daraus
abgeleiteten Schlüsse erscheinen, desto belastbarer erweist sich die Analyse.
Deshalb werden im folgenden zuerst die Rahmenbedingungen dargestellt,
und erst im Anschluss daran erfolgt die Interpretation der ausgewählten
Epigramme. Selbstverständlich ist dieser Weg von Unsicherheiten und
10 Einleitung
Zweifeln nicht frei, aber diese Vorgehensweise hat den Vorteil, dass die
Kriterien belegt sind und die Tragfähigkeit der Interpretation offen liegt.
Als besonders hilfreich erweisen sich Epigrammpaare. Dass diese inhaltlich
mitunter weit auseinanderliegen, erleichtert die Interpretation sogar. Um das
Original variieren zu können, musste der Epigone seine Vorlage zuerst
analysieren und verstehen. Der Kern zum Verständnis beider Epigramme
liegt dann, technisch gesprochen, in deren Schnittmenge.
Ein erstes Ergebnis dieser Methode war, dass die Hetärenthese mehr eine
Glaubens- denn eine Ermessensfrage ist; ein zweites, dass in den
Liebesepigrammen des Asklepiades ein konzeptioneller Zusammenhang
verborgen ist, der allein mit einem konzeptionellem Untersuchungsansatz
nachgewiesen werden kann; ein drittes, dass die Frage nach dem Hetärentum
letztlich viel weniger wichtig ist als ursprünglich angenommen, denn
Asklepiades geht es ganz ums Gefühl und gar nicht ums Geld.
Dieser dreimal überraschende Befund fuhrt zu einem Asklepiades-Bild, das
einen tieferen Blick in die komplexen Gedanken dieses ungewöhnlichen
Dichters gestattet. Asklepiades, bzw. sein dichterisches Ich, das in dieser
Untersuchung gemeint ist, wenn gleichwohl der Einfachheit halber immer
vom Autor die Rede sein wird, erträumte sich in seinen Frustrationen ein
überirdisch unerreichbares Liebesideal. Gleichzeitig bewahrte er sich
willentlich eine analytische Distanz zum erhofften Liebesglück, bzw. wurde
unwillentlich auf sie zurückgeworfen. So finden wir ihn in einem ständigen
Zwiespalt wieder, den weder Frau noch Mann, noch Draufgängertum, noch
Rückzug, noch Alkohol zu heilen vermag. Das Offenlegen seiner
Erfahrungen und Gefühle geschieht mit einer Schonungslosigkeit, die von so
radikaler und umfassender Qualität ist, das sie in seiner Zeit und weit
darüber hinaus singulär bleibt. Dabei bedient sich Asklepiades dichterischer
Mittel, die über das bis dahin gekannte Ausdrucksvermögen weit
hinausreichen. In seiner Kühnheit unternimmt es der Dichter, mit dem
Göttervater selbst auf Augenhöhe zu kommunizieren, und ist sich doch nicht
zu schade, sich selbst in den Niederungen der Melancholie und Trunkenheit
zu beschreiben. Man kann nur Vermutungen darüber anstellen, wie dieser
Neuerer in seiner Zeit gewirkt hat1. Wir wissen von dem Echo, das er
' Theokrit lobt ihn 7, 40 unter dem Namen Sikelidas als unübertreffliches Vorbild.
Asklepiades war eng verbunden mit seinen beiden jüngeren Zeitgenossen Poseidipp und
Hedylos (vgl. Meleagros AP IV 1, 45f.). Diese beiden, sowie und Kallimachos sind von ihm
beeinflusst, obgleich Asklepiades und Poseidipp literarische Gegner des Kallimachos waren
(Schol. Kall. Frg. 1, Iff.). Ursächlich hierfür waren unterschiedliche dichtungstheoretische
Auffassungen, die sich insbesondere an der „Lyde" des Antimachos entzündeten. Asklepiades