Table Of ContentERGEBNISSE
DER INNEREN MEDIZIN
UND KINDERHEILKUNDE
HERAUSGEGEBEN VON
A. CZERNY . FR. MULLER· M. v. PFAUNDLER
A. SCHITTENHELM
REDIGIERT VON
lI. v. PFAUNDLER A. SCHITT~NHELM
MUNCHEN MUNCHEN
SECHSUNDFONFZIGSTER BAND
MIT 153 ZUM TElL FARBTGEN ABBILDUNGEN
BERLIN
VERLAG VON JULIUS SPRINGER
1939
ALLE RECHTE, INSBESONDERE
DAS DER UBERSETZUNG IN FREMDE SPRACHEN,
VORBEHALTEN,
ISBN-13 : 978-3-642-88830-4 e-ISBN-13 : 978-3-642-90685-5
DOl: 10.1007/978-3-642-90685-5
COPYRIGHT 1939 BY JULIUS SPRINGER IN BERLIN.
Inhaltsverzeichnis.
Seite
I. KOTTGEN, Dr. H. U. Rontgenkymographische Untersuchungen des
Herzens im Kindesalter. Mit 45 Abbildungen. . . . . . . . 1,
II. SCHULTZ, Professor Dr. W. und Dr. E. KRUGER. Monocytenleukiimie 56
III. KIRCHMANN, Dr. LISE-LoTTE. Uber die Bedeutung des Vitamin C
fUr die klinische Medizin . . . . . . . . . . . . . . . .. 101
IV. STOLTE, Professor Dr. K. und Dr. J. WOLFF. Die Behandlung del'
kindlichen Zuckerkrankheit bei freigewiihlter Kost.
Mit 5 Abbildungen ........... . 154
V. BECHER, Professor Dr. E. Symptomatologie, Pathogenese und The-
rapie der akuten und chronischen Pseudouriimie und der echten
Uriimie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 194
VI. ENGELBRETH-HoLM, Dr. J. Ergebnisse del' Leukoseforschung der
letzten Jahre . . . . . . 267
VII. BANSI, Professor Dr. H. W. Die thyreotoxische Krise, das thyreo-
toxische Coma. Mit 4 Abbildungen. . . . . . . . . . . . . . . 305
VIII. HENNING, Professor Dr. N. und Dr. H. KEILHACK. Die Ergebnisse
del' Sternalpunktion. l\'lit 19 zum TeiI farbigen Abbildungen . . . 372
IX. VON PEIN, Dr. H. Die physikalisch-chemischen Grundlagen del' Odem-
entstehung. Mit 9 Abbildungen . . . . . . . . . . . . . . . . 461
X,; KRAMER, Dr. S. Osteogenesis imperfecta congenita et tarela. Ein
'Ie Beitrag zur verzogerten Form, nebst Sichtung und ausfuhrlichem
Literaturverzeichnis. ]\fit 3 Abbildungen . . . . . . . . . . . . 516
XI. HORSTERS, Professor Dr. H. Differentialdiagnose des Ikterus nach
fiirberischen Merkmalen. .. ...... 575
XII. BRUGSCH, Dr. J. TH. Mensch und Chlorophyll 614
XIII. SCHELLONG, Professor Dr. F. Grundziige einer klinischen Vektor-
diagTaphie des Herzens (mit einem Beitrag von Dr.A.BucKEL-Berlin).
]\fit 68 Abbildungen. 657
Namenverzeichnis. 744
Sachverzeichnis. . 767
Inhalt del' Biinde 51-56 777
Ein Generalregister fur die Biinde 1-25 befindet sich in Band 25
und fur die Biinde 26-50 in Band 50.
I. Rontgenkymographische Untersuchungen
des Herzens im Kindesalter\
Von
HANS ULRICH KOTTGEN -Munster.
Mit 45 Abbildungen.
Inhalt. Seite
Literatur ............ . 1
A. Grundlagen der Kymographie . . 4
B. Kymographie des gesunden Herzens 9
1. Der Bewegungsraum des linken Ventrikels . 9
2. Herzmessungen am Kymogramm . . . . . 14
3. Die Zackenform im Gebiet des linken Ventrikels . 15
4. Umformungsbewegungen 17
5. Pendelbewegungen. 19
6. Linkes Herzohr . . 21
7. Rechter Herzrand . 22
8. Die groBen GefaBe. 23
9. Besonderheiten des friihen Kindesalters 27
10. Der EinfluB der Atmung auf das Herzkymogramm. 30
C. Kymographie des kranken Herzens. . . . . 34
1. Ventrikelzackenform des kranken Herzens 34
2. Doppelzacken. . . . . . . . . . . . . 39
3. Rhythmusstorungen . . . . . . . . . . 39
4. Endokarditis und erworbene KIappeufehler. 42
5. Angeborene Herzfehler. . . 45
6. Erkrankungen des Myokards 48
7. Erkrankungen des Perikards 49
8. Lageandernngen des Herzens 53
D. SchluBbetrachtung . . . . . . 53
Literatur.
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Rontgenkymographische Untersuchungen des Herzens im Kindesalter. 3
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1*
4 H. U. KOTTGEN:
A. GrundJagen der Kymographie.
Die Entdeckung des Rontgenverfahrens brachte wie auf vielen anderen
Gebieten der Medizin auch fiir die Kenntnis des gesunden und kranken Herzens
wesentliche Fortschritte. War es doch hierdurch moglich geworden, sich jeder-
zeit ein Bild von der GroBe und Form des Herzens zu verschaffen. Dennoch
haftete der iiblichen Rontgentechnik der groBe Nachteil an, daB die Aufnahmen
jeweils nur ein Augenblicksbild boten. Man war im allgemeinen nicht einmal
in der Lage, die Herzfigur in einem
bestimmten Augenblick - also z. B. der
Systole oder Diastole - festzuhalten,
sondern es blieb dem Zufall iiberlassen,
welche Bewegungspha.se jeweils heraus-
gegriffen wurde. Auch nachtraglich lieB
sich nicht bestimmen, in welchem Zeit-
punkt der Herztatigkeit ein Bild ent-
standen war. Nur durch Anwendung
einer schwierigen Methodik, wie z. B.
Vereinigung von Rontgenaufnahme und
Elektrokardiogramm, lieB sich eine ge-
c d
nauere Bestimmung der Herzphase ermog-
lichen, doch waren derartige Verfahren
fiir den praktischen Betrieb unbrauchbar.
Die Beobachtung am Durchleuchtungs-
schirm konnte zwar zu einem Teil Auf-
schluB iiber den Ablauf der Herzpulsa-
tionen geben, es waren hier aber infolge
e der Schnelligkeit der Herztatigkeit recht
Abb. la-c. Arten dcr Kymographic: a nach SABAT
nnd GiiTT nnd ROSENTHAL, b nnch SCHERF nnd enge Grenzen gesetzt. 1m Gegensal;z
ZDll. ~SKY, c nach READ, d nach STU)IPF, e nach
CIGNOLINI (nach HECRMANN). hierzu waren am Magen -Darmkanal mit
seinen viel langsameren Bewegungen, die
sich gut verfolgen lieBen, wertvolle Durchleuchtungsergebnisse zu erzielen. Der
Wert der Schirmbeobachtungen wurde zudem stark dadurch beeintrachtigt,
daB es sich dabei immer nur um subjektive Eindriicke handeln konnte, die
sich nicht festlegen und deshalb auch schwer nachpriifen lieBen.
Es bestand infolgedessen schon seit langem das Bestreben, das Herz auch
in seiner Tatigkeit auf dem Film festzuhalten. Die Rontgen-Kinematographie,
die erstmalig von GROEDEL verwandt und hierfiir herangezogen 'wurde, war
nicht in der Lage, wesentliche Fortschritte zu bringen, da durch sie zwar Einzel-
bilder der verschiedenen Abschnitte der Herztatigkeit gewonnen wurden, die
sich aber nur schwer untereinander in Verbindung setzen lieBen. Ein neuer
Weg wurde von SABAT (1911) (Abb. 1a) und unabhangig von ibm durch GOTT
und ROSENTHAL (1912) an der Miinchner Kinderklinik gezeigt, die das in der
Physiologie iibliche Verfahren der Ubertragung einer Bewegung in eine Kurven-
linie mittels eines Kymographions abgewandelt in die Rontgentechnik einfiihrten.
Sie schoben zwischen den Patienten und den Film eine von einem waagerechten
Schlitz durchbrochene Bleiplatte; wurde nun der Film in einer zum Schlitz
senkrechten Richtung bewegt, so bildeten sich wahrend dieser Zeit die Bewe-
Rontgenkymographische Untersuchungen des Herzens im Kindesalter. 5
gungen der vor dem Schlitz befindlichen Teile auf dem Film ais Kurve abo Nach
dem Vorschlag von VON DER WETH kann man sich den Vorgang vereinfacht
und dadurch klarer darstelIen, wenn man als Objekt ein Pendel annimmt. Die
Bewegungen dieses Pendels wiirden sich bei stehendem Film durch den Raster-
schlitz (h) als waagerechte Linie abbilden; wird dagegen der ]'ilm bewegt, so
entsteht eine Sinuskurve (Abb. 2). Es war allerdings so nur moglich, yom Herzen
je 2 gegeniiberliegende Randpunkte zur Darstellung zu bringen, so daB es zu
keinem Gesamteindruck des ganzen Organs kam. Dieser Nachteil wurde durch
die von STUMPF (1928) angegebene FHichenkymographie iiberwunden (Abb. Id)
An Stelle der nur von einem Schlitz durchbrochenen Bleiplatte verwandte.
er einen Bleiraster, der in regelmaBigen Abstanden (6, 12, 24 oder 36 mm) von
einem schmalen Schlitz (0,5 mm) durchbrochen
wird. Es ist so moglich, neben den Einzelkurven
der jeweils vor den verschiedenen Schlitzen
liegenden Herzabschnitte das Gesamtbild fest-
zuhalten. Allerdings verlauft die Kontur nicht
in einer zusammenhangenden Linie, sobald der
Organrand schrag zur Schlitzrichtung liegt, man
erhalt vielmehr ein sogenanntes Stufenkymo-
gramm, in dem die einzelnen Randkurven S?nk-
recht zur Schlitzrichtung aufgezeichnet sind
(s. Abb. 4). Es kommen bei dieser Anordnung
.\lIh.~. nal':-;h~lltll1l!tl(.'rn('w(~!.mllgeiIL('~
aber nicht aIle Punkte des Herzrandes zur Dar- PI'I)(leJ~ dun:h ('iIH~lI Hllstt'r:o:eIlJit1.h :mf
einen h(,wt~JItell Film
steHung, es wird vielmehr auf jeder Raster- (nach VIlX IIEl< \\"E'I'II).
breite ein Randpunkt in seiner Bewegung eine
gewisse Zeit beobachtet und festgehalten. Bewegt man aber an Stelle des
Films den Raster wahrend der Aufnahme, so werden nacheinander aIle Rand-
punkte von den Strahlen abgetastet und kommen so zur Darstellung. Es
entsteht damit eine zusammenhangende Kontur, die sich aus den einzelnen
Randkurven aufbaut. Wegen der besseren Ubersichtlichkeit der Bilder werden
die Aufnahmen meist bei laufendem Raster angefertigt. Die Art der Metho-
dik bringt es aHerdings mit sich, daB die Aufnahmezeit beschrankt ist auf
die Dauer der Bewegung des Films bzw. des Rasters urn eine Rasterbreite.
AndernfaHs wiirde es zu Doppelbelichtungen kommen. Die Geschwindigkeit
dieser Bewegung, die das Kurvenbild stark beeinfluBt, laBt sich nur in bestimmten
Grenzen abwandeln; wahlt man sie zu groB, betragt Z. B. die Laufzeit bei einem
Herzkymogramm weniger als 1 Sek., so wird nicht mehr eine ganze Bewegungs-
phase des Organs abgebildet, ist sie zu gering, braucht also beispielsweise der
Schlitz 5 Sek. urn eine Rasterbreite zu durchmessen, so erscheinen auf dem
Bilde zu zahlreiche Randzacken, die stark aneinandergedrangt und dadurch
uniibersichtlich werden. Diese Begrenzung macht sich besonders dann un-
angenehm bemerkbar, wenn langere Beobachtungszeiten erwUnscht waren, wie
Z. B. zur Aufschreibung vereinzelter Extrasystolen. Die Einschlitzkymographie
hatte unter dieser Schwierigkeit nicht zu leiden, da man bei ihr, ebenso wie
bei der Elektrokardiographie, zumindest theoretisch, in der Lage war, unbegrenzt
lange einen Film hinter dem Schlitz vorbeizuziehen. Mehrere Autoren suchten
deshalb die Einschlitzkymographie abzuwandeln und zu verbessem. So gaben
SCHERF und ZDANSKY (1929) einen Kymographen mit zwei gegeneinander
6 H. U. KOTTGEN:
vers'ehiebbaren Sehlitzen an, der es ermogliehte, an beiden Herzrandern Punkte
versebiedener Hobe gleiebzeitig zu untersuehen (Abb. 1 b). READ (1929) ver-
wandte zwei in einem Abstand von 4 em iibereinanderliegende Sehlitze, die eine
Beobaebtung Bowohl beider Ventrikel sowie des GefaBbandes gestattete (Abb. 1 e).
DELHERM, THOYER-RoZAT und FrSCHGOLD (1934) vermehrten die Zahl der
Sehlitze auf flinf, die auf die Herzspitze, Herzbasis, das linke Herzohr und das
GefaBband an zwei Stellen eingestellt werden. CIGNOLINI endlieh verwandte
in seinem Kymographen ebenfalls zahlreiehe Sehlitze, die nebeneinander ver-
sehieblieh sind, also auf Punkte eingestellt werden konnen, die nieht unter-
einander liegen (Abb. 1 e). Besonders CIGNOLINI und ZDANSKY haben die Vor-
ziige der Aufnahmeteehnik mit lang laufendem Film gegeniiber der Flaeben-
kymographie hervorgehoben. Die Kurven konnen dureh Steigerung der Lauf-
gesehwindigkeit beliebig auseinander gezogen werden, wodureh manehe Einzel-
heiten wesentlieh besser hervortreten als bei der Flaehenkymograpbie. STUMPF
ist diesem Einwand unter Hinweis auf die von ihm angegebene Densographie
entgegengetreten, die eine genauere Analyse der bei der Herztatigkeit im Kymo-
gramm zu bemerkenden Diebteanderungen, die dem weehselnden Fiillungsgrad
entspreehen, erlaubt. Diese Diebteanderungen werden auf photo-elektrisehem
Wege verzeiehnet. Es kommen auf diese Weise Einzelheiten zur Ansehauung,
die bei der einfaehen Betraehtung eines Kymogramms niemals erkannt werden
konnen. Trotzdem hat die Densographie keine groBere Verbreitung finden
konnen, da einmal der Untersuehungsgang dadureh wesentlieh ersebwert wird,
zum anderen aber aueh gewiehtige theoretisehe Einwande gegen die Bereehtigung
der daraus gezogenen SehluBfolgerungen ausgesproehen sind. So haben ZDANSKY
und ELLINGER darauf hingewiesen, daB diese Diehtigkeitsanderungen nieht mit
Sieberheit den Randbewegungen parallel verlaufen miiBten. Aueh HECKMANN
hat auf mehrere mogliehe Fehlerquellen aufmerksam gemaeht. Den Herz-
sehatten verstarken die vor oder hinter ihm liegenden sehattengebenden Lungen-
teile, also besonders die Aste der Pulmonalarterien. Diese Puhnonalaste maehen
haufig Bewegungen, die den Herzrandbewegungen nieht gleiehgeriehtet sind
und sieh deshalb in ganz unbereehenbarer Weise den Diehtigkeitsanderungen
hinzufiigen. Gerade in der Gegend der V orhofe, deren Randbewegungen am
sehwersten zu deuten sind, maeht sieh dies besonders unangenehm bemerkbar,
da hier infolge der Nahe des Hilus die zahlreiehsten und starksten GefaBe zu
finden sind. Eine weitere Fehlerquelle ist naeh ihm in der nie vollig gleiehmaBigen
Ablaufsgesehwindigkeit des Kymographen zu sehen. Kleinste Gesehwindigkeits-
anderungen be"rirken natiirlieh bereits eine versehieden starke Beliehtung des
Films und damit andere Sehwarzung, die bei der Densographie ebenso wie eine
Diehtigkeitsanderung in Erseheinung tritt. Allgemein kann man sagen, daB
sehwierige Einzelfragen am genauesten mit Hilfe der Einsehlitzkymographie
oder ihrer Abarten gelOst werden konnen, wie es in der Tat aueh gesehehen ist,
daB aber fUr eine weitere Anwendung nur die Flaehenkymographie in Frage
kommt, die als einziges Verfahren den Gesamtiiberbliek ermoglieht. Wie wir
spater noeh sehen 'werden, ist es aber aueh bei der Einsehlitzkymographie
moglieh, daB infolge uniibersehbarer Allgemeinbewegungen des Herzens sieh
Fehler in der Deutung der Kurven einsehleichen.
Bei der Beurteilung eines jeden Kymogramllls miissen einige wiehtige Ge-
sichtspunkte immer wieder beriieksiehtigt werden, die deshalb bereits hier vor
Rontgenkymographische Untersuchungen des Herzens im Kindesalter. 7
der Besprechung von Einzelfragen behandelt werden sollen. Um sich ein Bild
liber die Starke einer Organbewegung machen zu k6nnen, ist die Feststellung
des BewegungsausmaBes, der Amplitude, erforderlich. Liegt der Rand eines
Organs senkrecht zur Schlitzrichtung des Rasters, und erfolgt die Bewegung
des Gegenstandes parallel zu ihr, so laBt sich die Amplitude unmittelbar aus
dem Bilde ablesen (Abb.3). Die Periodendauer der Bewegung findet ihren
Ausdruck in dem Abstand zweier phasengleicher Punkte
voneinander. Dieser Abstand ist natfulich der Geschwindig-
keit der Bewegung des Rasters bzw. des Films bei der
Aufnahme proportional. Der Abstand der Randzacken von-
einander ist um so weiter, je schneller der Raster sich bewegt
bzw. je kiirzer die Aufnahmezeit ist. 1st also die Laufzeit
bekannt, so laBt sich die Periodendauer aus der Aufnahme Abb.3. Ablesung der
Bewegnngsamplitude
genau berechnen. Erfolgt dagegen die Organbewegung nicht a einer Randkurve lind
der Pcriodendaucrb bei
parallel zur Schlitzrichtung, so entspricht die im Kymo- gleichmiiBiger, rhyth·
mischer Be,vegung
gramm dargestellte nicht der wahren Amplitude (Abb. 4). eines Organs, dessen
Ralldlinie senkrecht
Diese wird durch die Verbindung von mindestens je 2 phasen-
zur RasterschUtzrich-
tung verliinft
gleichen Umkehrpunkten gefunden. Der senkrechte Ab-
(nach STUMPF).
stand zwischen den beiden Verbindungslinien entspricht der
Amplitude. Bei Aufnahmen mit laufendem Film miissen mindestens je 2 phasen-
und zeitgleiche Umkehrpunkte in Verbindung gebracht werden, und zwar nicht
die Kurvenpunkte selbst, sondern ihre Projektion auf die Streifenunterteilung.
Die Zusammenfassung aller gleichartigen Umkehrpunkte ergibt den sogenannten
Beweyungsraum (STUMPF), der den Spielraum aller in der Projektionsebene des
Films verlaufenden Bewegungen urnfaBt. Es muB dabei betont werden, daB die
Abb. 4. 'Ablesllng der Bewegungsamplitude a und der Periodendauer b bei gleichmlWiger, rhythmischer
Bewegung eines Organs, dessen Randlinie schrag zur Rasterschlitzrichtung verliinft (nach STmIPF).
Verbindung aller medialen und lateralen Endlagen durchaus nicht etwa einem
bestimmten Zustandsbild des Organs entsprechen muB, die Verbindung aller
Media1punkte am Herzen also nicht ein Bild der Systole gibt und umgekehrt.
Die Endstellungen werden im allgemeinen an den verschiedenen Teilen des Organs
nicht zu gleicher Zeit erreicht, was bei der Darstellung des Bewegungsraumes
nicht beriicksichtigt wird. Es lassen sich deshalb auch niemals Volumbestim-
mungen allein aus ihm ableiten. Nur bei Beachtung der Zeitverhaltnisse sind
gewisse Riickschliisse hierauf moglich. Der Vorzug der Darstellung des Bewe-
gungsraumes beruht darin, daB hierbei auf den ersten Blick umschriebene
Bewegungsausfalle erkannt werden, was praktisch von groBem Wert sein kann.
Aus der GroBe der einzelnen Amplituden oder des ganzen Bewegungsraumes