Table Of ContentJörg Fertsch-Röver
Erfahrung als
Transformationsprozess
Eine empirische Untersuchung
am Gegenstand des Übergangs
zur Vaterschaft
Erfahrung als Transformationsprozess
Jörg Fertsch-Röver
Erfahrung als
Transformationsprozess
Eine empirische Untersuchung
am Gegenstand des Übergangs
zur Vaterschaft
Jörg Fertsch-Röver
Langen, Deutschland
Dissertation Julius-Maximilians-Universität Würzburg, 2016
ISBN 978-3-658-18264-9 ISBN 978-3-658-18265-6 (eBook)
DOI 10.1007/978-3-658-18265-6
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Danksagung
Wissenschaftliche Arbeiten sind das Ergebnis vieler Köpfe, und nur durch die
Unterstützung vieler Personen ist eine solche Arbeit möglich.
Zuerst möchte ich mich bei Prof. Stephan Ellinger dafür bedanken, dass er
sich auf diese Arbeit eingelassen und mir die dafür nötigen Rahmenbedingungen
ermöglicht hat. Außerdem hat er die Arbeit mit großer Geduld, viel Zuspruch
und anregenden Rückmeldungen begleitet.
Ganz besonders danken möchte ich PD Dr. Oliver Hechler, der durch zahl-
reiche Gespräche Wesentliches zum Inhalt der Arbeit beigetragen und mich im-
mer wieder ermuntert hat, die Arbeit zu Ende zu führen.
Wieviel die Arbeit dem Denken von und dem Austausch mit Prof. Ulrich
Oevermann zu verdanken hat, wird wohl beim Lesen ohnehin deutlich. Beson-
ders erwähnt seien hier die Analysen des Interviewmaterials in den Forschungs-
kolloquien.
Als nächstes möchte ich meinem Freund Udo Fedderies für die sehr gewis-
senhafte Korrektur der meisten Teile des Manuskripts danken. Damit ist gleich-
zeitig gesagt, dass ich für alle Fehler verantwortlich bin, die dennoch auftauchen.
Danken möchte ich auch Dr. Hubertus Danner, der mich darin bestärkt hat,
an meiner Arbeitsweise festzuhalten.
Dank gebührt auch Dr. Bernd Reidiess, der in der Schlussphase wichtige
Strukturierungsarbeit geleistet und dem Ende der Arbeit eine Gestalt gegeben hat.
Schließlich möchte ich mich bei meiner Familie bedanken, die das ganze
Projekt einige Jahre mitgetragen hat und explizit noch mal bei meiner Frau, die
auch am Ende wichtige Formatierungsarbeiten geleistet hat.
Einen Extra-Dank gebührt den hier interviewten Vätern. Ohne sie und ohne
ihr Vertrauen, mit dem sie die Gespräche geführt haben, wäre diese Arbeit natür-
lich nicht möglich gewesen. Deshalb ist es mir noch mal ein besonderes Anlie-
gen zu betonen, dass vielleicht einige sehr kritisch erscheinende Passagen in den
Interviewanalysen ausschließlich einem Bemühen nach analytischer Prägnanz
geschuldet sind.
Jörg Fertsch-Röver
Oktober 2016
Inhalt
IVnhalt erzeichnis der Abbildungen ............................................................................... 9
I. Einleitung ............................................................................................ 11
II. Übergang zur Vaterschaft als Triangulierungsprozess ................... 29
1. Theoretische Grundlegung 1 ................................................................. 29
1.1 Familienmodell: Das Modell der ödipalen Triade ............................. 29
1.2 Methodischer Zugang: Sequenzanalyse nach der Objektiven
Hermeneutik ...................................................................................... 56
2. Fallanalysen .......................................................................................... 77
2.1 Analyse des ersten Interviews mit Herrn Maus ................................. 77
2.2 Analyse des zweiten Interviews mit Herrn Maus ............................ 105
2.3 Analyse des ersten Interviews mit Herrn Michels ........................... 117
2.4 Analyse des zweiten Interviews mit Herrn Michels ........................ 153
2.5 Analyse des ersten Interviews mit Herrn Polzin ............................. 173
2.6 Analyse des zweiten Interviews mit Herrn Polzin ........................... 183
3. Zusammenfassung der Ergebnisse der Sequenzanalysen ................... 192
3.1 Triangulierung des Vaters ............................................................... 192
3.2 Die Abstraktheit des Vaterwerdens bis zur Geburt ......................... 195
3.3 Zur Bestimmung der Triangulierungsaufgabe des Vaters ............... 196
3.4 Zur Struktur der widersprüchlichen Einheit im Übergang zur
Elternschaft ..................................................................................... 202
III. Erfahrung und Lernen als Transformationsprozess ..................... 207
4. Problemstellung: Sechs Verhältnisbestimmungen zu Erfahrungs-
und Lerntheorien ................................................................................. 207
5. Theoretische Grundlegung 2: Eine Kritik der behavioristischen,
konstruktivistischen und kognitivistischen Lern- und
Erfahrungsparadigmen ........................................................................ 210
8 Inhalt
5.1 Behaviorismus ................................................................................. 210
5.2 Konstruktivismus ............................................................................ 220
5.3 Der Kognitivismus .......................................................................... 236
6. Theoretische Grundlegung 3: Erfahrung und Lernen als
Transformationsprozesse .................................................................... 247
6.1 Sprachliche Ausdrucksgestalten als Objektivierung subjektiver
Krisenbewältigung: Zur Dialektik von I und Me in Meads
Bestimmung personaler Identität ..................................................... 247
6.2 Sprachliche Ausdrucksgestalten als Zeichenprozesse: Peirce´
Konzeption von Zeichen ................................................................. 256
6.3 Sprachliche Ausdrucksgestalten als Expressive im Sinne der
Sprechakttheorie .............................................................................. 287
IV. Schlussfolgerungen ........................................................................... 297
7. Zur Rekonstruktion von Strukturmerkmalen gelingender
Erfahrungsaneignung .......................................................................... 297
7.1 Anhaltspunkte ................................................................................. 297
7.2 Positionalität .................................................................................... 301
7.3 Thesen zu Erfahrungsprozessen ...................................................... 307
8. Ausblick .............................................................................................. 336
8.1 Zusammenfassung ........................................................................... 336
8.2 Konsequenzen für ein Verständnis von Lernprozessen ................... 338
Literaturverzeichnis ....................................................................................... 343
Anhang ............................................................................................................. 351
Verzeichnis der Abbildungen
Abb. 1: Strukturkonstellation 1a Strukturkonstellation 1b ..................... 32
Abb. 2: Strukturkonstellation 2 ................................................................. 32
Abb. 3: Strukturkonstellation 3 ................................................................. 32
Abb. 4: Begrüßung .................................................................................... 64
Abb. 5: Triangulierung Herr Maus .......................................................... 193
Abb. 6: Triangulierung Herr Michels ...................................................... 194
Abb. 7: Triangulierung Herr Polzin ........................................................ 194
Abb. 8: Doppelposition des Vaters ......................................................... 200
Abb. 9: Das Verwandtschaftsatom .......................................................... 202
Abb. 10: Leib-Seele-Dualismus ................................................................ 211
Abb. 11: Reiz-Reaktionsmodell ................................................................ 212
Abb. 12: Reflexbogenmodell .................................................................... 213
Abb. 13: Kerzenbeispiel ............................................................................ 214
Abb. 14: Operante Konditionierung .......................................................... 219
Abb. 15: Kippbild ..................................................................................... 222
Abb. 16: Perturbationsmodell ................................................................... 225
Abb. 17: Beobachtermodell a und b .......................................................... 228
Abb. 18: Regelkreismodell ........................................................................ 237
Abb. 19: Kognitivistisches Lernmodell..................................................... 239
Abb. 20: Die Kategorien ........................................................................... 266
Abb. 21: Das Zeichen ................................................................................ 271
Abb. 22: Nominalistische Zeichenauffassung ........................................... 278
Abb. 23: Schlussweisen ............................................................................ 280
Abb. 24: Quadrat 1 .................................................................................... 339
Abb. 25: Quadrat 2 .................................................................................... 340
I. Einleitung
ID. Einleitung ie vorliegende Studie verfolgt zwei ineinander verschränkte Fragestellungen:
1. Welche Triangulierungsaufgabe hat der Vater beim Übergang zur Eltern-
schaft zu leisten?
2. Wie vollzieht sich für das Subjekt die Generierung und Aneignung des
Neuen?
Wie diese beiden Fragestellungen miteinander verschränkt sind und welcher
Aufbau sich daraus für die hier durchgeführte Untersuchung ergibt, soll im Fol-
genden skizziert werden.
Das Erkennen und Erklären des Neuen als Grundlagenproblem einer
Theorie von Bildungs- und Erfahrungsprozessen
Die Frage nach der Entstehung und subjektiven Aneignung des Neuen ist insbe-
sondere für die Sozial- und Erziehungswissenschaften eine Grundlagenfrage.
Denn sowohl für eine Theorie der Sozialisation als auch eine der Erziehung des
Subjekts zur Mündigkeit spielt die Bestimmung des scheinbar paradoxen Ver-
hältnisses von Emergenz und Determination bzw. von Freiheit und Notwendig-
keit, wie es schon Kant1 in seiner Freiheitsantinomie als Problemstellung auf den
Punkt gebracht hat, eine grundlegende Rolle. Eine solche Theorie steht vor dem
Problem, gleichzeitig „das Neue als Neues unreduziert, und das heißt: als Ein-
zigartiges und Emergentes zu begreifen und dennoch als Ergebnis gesetzmäßiger
Strukturtransformation erklären zu können.“ (Oevermann 1991, 268f.)
Bezogen auf Theorien der Individuierung bzw. zu Bildungsprozessen stellt
sich das genannte Problem in Form der Frage, wie das Subjekt neue Erfahrungen
machen bzw. neue Handlungsformen und -kompetenzen generieren kann, wenn
einerseits sich das Neue eben dadurch auszeichnet, dass es das bereits existieren-
de Wissen systematisch überschreitet, andererseits aber aus diesem „alten“ Wis-
sen heraus entstanden sein muss, wenn es nicht zu einem von allem Losgelösten
mystifiziert werden soll. Das heißt, es geht darum, wie das Neue aus dem Alten
1 Siehe Kant 1974, B 472f.
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J. Fertsch-Röver, Erfahrung als Transformationsprozess,
DOI 10.1007/978-3-658-18265-6_1
12 I. Einleitung
heraus zu erklären ist, ohne das Neue unter das Alte zu subsumieren oder – aus
der Perspektive einer Konstitutionstheorie des Subjekts formuliert – wie das
Subjekt sich etwas Neues aneignen kann, das seine bisherigen Erfahrungen und
Kompetenzen überschreitet und dabei gleichzeitig eine Integration von bisheri-
gen und neuen Erfahrungen leistet. Diese Integration muss sich zwischen den
beiden Grundmodi der Erfahrungsaneignung – zwischen Assimilation und Ak-
kommodation - bewegen, wie Piaget in seiner Äquilibrationstheorie2 gezeigt hat.
Zum Zusammenhang von Krise und Erfahrung
Die vorliegende Untersuchung geht von der grundlegenden Annahme aus, dass
sich neue Erfahrungen in Krisensituationen vollziehen. Der hier zugrunde gelegte
Krisenbegriff ist aber kein psychologischer, nach dem beispielsweise die Krisen-
haftigkeit einer Erfahrung an den damit verbundenen Stressreaktionen festgemacht
wird, sondern ein handlungslogischer. Er bezieht sich auf das von Oevermann ent-
wickelte Modell von Lebenspraxis als widersprüchliche Einheit von Entschei-
dungszwang und Begründungsverpflichtung.3
Mit der Entstehung von Sprache, in der sich der Übergang von Natur zu
Kultur wesentlich vollzieht, treten die Sphäre des unmittelbar Gegebenen im
Hier und Jetzt und die Sphäre der hypothetisch konstruierten Welten von Mög-
lichkeiten auseinander und eröffnen damit die Zukunfstoffenheit der Lebenspra-
xis. Diese Zukunfstoffenheit in Form von zur Auswahl stehenden Handlungs-
möglichkeiten enthält kehrseitig den Zwang, sich für eine dieser Möglichkeiten
entscheiden zu müssen, da auch die Unterlassung einer expliziten Wahl eine Ent-
scheidung bedeutet. Gleichzeitig zieht aber die Eröffnung von Handlungsmög-
lichkeiten die Verpflichtung nach sich, die jeweils getroffene Entscheidung als
rationale auszuweisen, da der Verzicht darauf den Ausschluß von jeder Form
von gesellschaftlicher Teilhabe bedeuten würde. In der Regel ist der Anspruch
auf rationale Begründung einer Entscheidung durch angeeignete Normen und
Routinen vorweg entlastend getroffen worden. Die Lebenspraxis ist sich deshalb
in der Regel des Entscheidungscharakters dieser Routinehandlungen nicht mehr
bewusst. Insofern ist für die lebenspraktische Perspektive die Routine der Nor-
malfall und die Krise, in der der Rekurs auf eingerichtete Standards der Rationa-
lität verstellt ist und somit die Begründungsverpflichtung zunächst nicht einge-
löst werden kann, der Grenzfall. Konstituitionslogisch und material verhält es
sich dagegen genau umgekehrt: „Denn bezogen auf Routinen bedeuten Krisen
deren Scheitern und damit ein manifestes Wieder-Öffnen der Zukunft, wohinge-
2 Vgl. Piaget 1976
3 Siehe vor allem Oevermann 1995 und zur Einführung in das Modell Garz/Raven 2015.