Table Of ContentFORSCHUNGSBERICHTE DES LANDES NORDRHEIN-WESTFALEN
Nr.1268
Herausgegeben
im Auftrage des Ministerpräsidenten Dr. Franz Meyers
von Staatssekretär Professor Dr. h. c. Dr. E. h. Leo Brandt
DK 629.13.054.6:
629.13.053.11 :
656. 7.052.438
Prof Dr.-Ing. Edgar Rößger
Dr.-Ing. R. Bernotat
Institut für Flugführung und Luftverkehr der Technischen Universität
Berlin-Charlottenburg
Erarbeitung der physikalisch-meßtechnischen Grund
lagen für eine Kompensationsmethode an Erdfeld
detektoren in magnetkompaßgestützten Navigations
anlagen in Großflugzeugen
WESTDEUTSCHER VERLAG· KÖLN UND OPLADEN 1964
ISBN 978-3-663-00503-2 ISBN 978-3-663-02416-3 (eBook)
DOI 10.1007/978-3-663-02416-3
Verlags-Nr.011268
© 1964 by Westdeutscher Verlag, Köln und Opladen
GesamthersteUung: Westdeutscher Verlag
Vorwort
Anläßlich von Beratungen des Fachausschusses 2 »Angewandte Flugnavigation«
der Deutschen Gesellschaft für Ortung und Navigation wurde von seiten der
Deutschen Lufthansa AG auf das ungelöste Problem der Kompensierung von
Groß flugzeugen hingewiesen. Es wurde angeregt, diesem Thema eine besondere
Untersuchung zu widmen.
Das Institut für Flugführung und Luftverkehr erklärte sich bereit, den Pro
blembereich in Form eines Forschungsvorhabens abzuklären. Der vorliegende
Bericht stellt das Ergebnis der abgeschlossenen theoretischen Untersuchungen
vor. Es konnten neuartige Verfahren mit wesentlich verringertem Zeitaufwand
bei erhöhter Genauigkeit vorgeschlagen werden. Einleitende Laboratoriumsver
suche zeigten die Gangbarkeit der angegebenen Lösungswege.
Praktische Erprobungen, für die ein Antrag auf Fortsetzung des Forschungsvor
habens zur Zeit läuft, sind für einen 2. Teil der Untersuchung in Aussicht ge
nommen.
EDGAR RÖSSGER
RAINER BERNoTAT
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Inhalt
Zusammenfassung ................................................. 9
1. Theorie der Kompensation ....................................... 11
1.1 Magnetische Störfelder und ihre Auswirkung auf die Kursanzeige 11
1.1.1 Kursbeständige Störfelder ................................. 12
1.1.2 Kursabhängige Störfelder ................................. 12
1.1.3 Zeitabhängige Störfelder .................................. 12
1.1.4 Die mathematische Beschreibung des Gesamtfehlers ........... 13
1.2 Prinzipien der Kompensation .............................. 19
2. Die Kompensation in Großflugzeugen. Problematik und resultierende
AufgabensteIlung ............................................... 21
2.1 Die kompaßgestützte Kurskreiselanlage .................... . 21
2.2 Grundlagen und Anwendungsgrenzen derzeitiger Kompensations-
verfahren ............................................... . 22
2.2.1 Allgemeines ............................................ . 22
2.2.2 Forderungen an ein Kompensationsverfahren ............... . 22
2.2.3 Methoden des Ausschwingens ............................. . 23
2.2.3.1 Drehscheibe ............................................ . 23
2.2.3.2 Kursrose ................................................ 23
2.2.3.3 Periskopsextant .......................................... 25
2.2.3.4 Peilkompaß . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 27
2.2.3.5 Theodolit ............................................... 28
2.2.3.6 Sonstige Verfahren ....................................... 29
2.2.4 Methoden der Fehlerkompensation und ihre Grenzen ......... 29
2.2.4.1 Aufhebung durch Spreiz- und Elektromagnete ............... 29
2.2.4.2 Aufhebung durch mechanischen Kompensator ............... 30
2.2.4.3 Aufhebung durch Elektromagnete und Zusatzkompensator für
zweiwellige Fehler. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 31
2.2.5 Die zeitliche Änderung des erdmagnetischen Feldes. . . . . . . . . .. 31
2.3 Resultierende AufgabensteIlung ............................ 32
3. Die Wirkungsweise von Detektorsystemen ......................... 34
3.1 Das Meßprinzip .......................................... 34
3.2 Detektorsysteme ......................................... 35
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4. Kompensationsverfahren ohne Ausschwingen des Flugzeuges ......... 40
4.1 Prinzipien ............................................... . 40
4.1.1 Verfahren A: Simulation des Ausschwingvorganges ........... . 40
4.1.2 Verfahren B: Trennung von Erdfeld und Störfeld ............ . 43
4.1.3 Verfahren C: Beeinflussung des magnetischen Flusses in den Meß-
elementen des Detektors ................................... . 45
4.1.4 Verfahren D: Beeinflussung des elektrischen Ausgangssignals am
Detektor ................................................ . 49
4.2 Grenzen der Verfahren und ihre Ursachen ................... . 49
4.2.1 Der Einfluß weichmagnetischer Materialien .................. . 49
4.2.2 Fehler bei der Erdfeldaufhebung ........................... . 52
4.2.3 Fehler bei der Felderzeugung .............................. . 54
4.2.4 Die optische Ausrichtung .................................. . 54
4.2.5 Die Lage des Detektors im Magnetfeld ...................... . 55
4.2.6 Anwendungsbereich der Verfahren ......................... . 57
5. Erzeugung eines künstlichen Magnetfeldes ......................... 59
5.1 Allgemeine Betrachtung .................................... 59
5.2 Zur Erdfeldaufhebung ..................................... 59
5.3 Zur Simulation des Ausschwingvorganges .................... 59
5.4 Form und Anordnung der Spulen ........................... 60
5.4.1 Bekannte Spulensysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 60
5.4.2 Berechnung von Spulensystemen bei gegebenen Randbedingungen 62
Anhang: Berechnung der Feldstärke im Inneren einer kreisförmigen An-
ordnung von 24 Flachspulen ............................... 69
Literaturverzeichnis ................................................ 75
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Zusammenfassung
Bei derzeitigen Verfahren zur Kompensation magnetischer Störfelder ist zur Be
stimmung des resultierenden Fehlers eine mehrfache Drehung des Flugzeuges
im erdmagnetischen Feld mit genauer Ausrichtung auf die einzelnen Kurse er
forderlich. Dieser Ausschwingvorgang ist sehr zeitraubend und begrenzt die
erreichbare Gesamtgenauigkeit der magnetischen Kursführung.
Es war das Ziel der vorliegenden Arbeit, ein Kompensationsverfahren zu finden,
das eine schnelle, genaue und damit wirtschaftliche Bestimmung des Störfeld
einflusses ermöglicht. Die bekannten Verfahren werden untersucht und die
Grenzen herausgestellt.
Nach Aufstellung einer Optimalforderung werden vier neuartige Verfahren
angegeben, die bei Flugzeugen mit kompaßgestütztenl Kurskreiselanlagen eine
schnelle Fehlerbestimmung und Kompensation möglich machen.
Hierbei wird nicht mehr das schwere Flugzeug im erdmagnetischen Feld be
wegt, sondern ein künstliches Magnetfeld wird bei feststehendem Flugzeug um
den Detektor gedreht. Nach einem anderen Prinzip kann bei Systemen mit
elektromagnetischer Kompensation nach Aufhebung des erdmagnetischen Feldes
das Störfeld für sich betrachtet und kompensiert werden.
Anwendungsgrenzen und Fehlermöglichkeiten der einzelnen Verfahren werden
diskutiert.
Im letzten Teil sind Untersuchungen über Anordnungen zur Erzeugung der dreh
baren magnetischen Felder beschrieben. Da, wie gezeigt wird, die klassischen
Spulenanordnungen im allgemeinen wegen der notwendigen Abmaße nicht in der
Nähe der Erdfeld-Meßgeber aufgestellt werden können, wird die Verwendung
einer speziellen Spulenanordnung mit kleineren Abmessungen vorgeschlagen.
Der Rechnungsvorgang zur Ermittlung der Parameter eines derartigen Spulen
systems wird angegeben.
1 Nach einer neuen Richtlinie VDIjVDE 2171 wird der Begriff "Kompaßgeführtes
Kurskreisel" empfohlen.
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1. Theorie der Kompensation
Der Magnetkompaß als ältestes Kursführungsgerät hat in abgewandelter Form
auch heute noch in der Verkehrsluftfahrt seine Bedeutung. Er unterliegt ver
schiedenen Störeinflüssen, deren Auswirkungen auf die Anzeige für das genaue
Navigieren des Luftfahrzeuges bekannt sein müssen [1,2].
Eine wesentliche Einflußgröße ist das bordfeste magnetische Störfeld, dessen
Wirkung auf die Kursanzeige sich im allgemeinen jedoch weitgehend aufheben
läßt. Man bezeichnet den Vorgang des FeststeIlens und Aufhebens der Fehler
als Kompensation. In der flugbetrieblichen Praxis spricht man in ungenauer
Formulierung von der Kompensation eines Flugzeuges.
1.1 Magnetische Stärfelder und ihre Auswirkung auf die Kursanzeige
Das erdmagnetische Feld ist an einem Ort durch
:r
den Vektor der Totalintensität gegeben.
:r
Der Vektor läßt sich in eine Horizontalkompo
nente H und eine Vertikal komponente V zerlegen.
Wegen der pendelartigen Aufhängung des Meß
gebers wirkt als Richtkraft die in die Drehebene
::r: Totalintensität des Kompasses entfallende Komponente der Total
H Horizontalkomponente
v Vertikalkomponente intensität [4]. Im unbeschleunigten Flug ist die
cjI Inklination mißweisende Nordrichtung durch die Horizontal
Abb. 1 Komponenten des komponente H bestimmt und gibt die Bezugs
erdmagnetischen richtung für die Kursmessung.
Feldvektors
mwN
KN
mwK
Abb. 2 Verdrehung der Bezugsrichtung durch Störkomponenten
mwK = mißweisender Kurs KN = Kompaß-Nord
KK = Kompaßkurs mwN = mißweisend Nord
?3 = Deviation
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Durch magnetische Materialien und Gleichstrom führende Leitungen an Bord
eines Luftfahrzeuges entstehen magnetische Stärfelder, die sich dem erdmagneti
schen Feld überlagern. Die Horizontalkomponente des resultierenden Feldes
wird im allgemeinen von der magnetischen Nord-Süd-Richtung abweichen.
Durch die Verdrehung der Bezugsrichtung um den Winkel 3 wird der Kurs um
diesen Betrag falsch angezeigt. Die Deviation 3 ist positiv, wenn die Resultierende,
d. h. Kompaß-Nord gegen mißweisend Nord im Uhrzeigersinn verdreht ist [3].
mwK=KK+ 3 (1)
Es lassen sich nach Ursache und Wirkung drei Arten von Stärfeldern unter
scheiden.
1.1.1 Kursbeständige Störfelder
Die Ursachen dieses Feldes sind Dauermagnete und Gleichsträme. Liegen die
Magnete und Stromleitungen relativ zum Flugzeug fest, so wird das Stärfeld
ebenfalls in bezug auf das Flugzeug festliegen und somit abhängig vom Kurs
verschiedene Lagen zur Horizontalkomponente des Erdfeldes einnehmen.
Die Fehlerkurve ist einwellig, auf 3600 Drehung kommt eine volle Schwingung
des Fehlers 3.
1.1.2 Kursabhängige Störfelder
Die Ursache sind weichmagnetische Materialien, z. B. Weicheisen, in denen
durch die magnetischen Felder Pole induziert werden. Stärke und Lage der Pole
hängen von Gräße und Richtung des induzierenden Feldes ab. Beim Verschwin
den des induzierenden Feldes verschwindet auch das Stärfeld. Der Einfluß ist
daher breitenabhängig.
Der von horizontalliegenden weichmagnetischen Elementen herrührende Fehler
ist kursabhängig und hat einen zweiwelligen Verlauf. Auf 3600 Drehung erfolgen
zwei Schwingungen der Fehlerkurve. Der Fehler von vertikal-orientierten weich
magnetischen Elementen ist wie unter 1.1.1 kursbeständig.
1.1.3 Zeitabhängige Stijrfelder
Diese Felder entstehen durch halbfesten Magnetismus. Die Polstärke folgt den
Änderungen des induzierenden Feldes nur langsam. Die Zeitkonstante wird
jedoch bei Erwärmung und stärkerer Erschütterung sehr klein, da die Ummagne
tisierung oder Entmagnetisierung durch diese Einflüsse unterstützt wird.
In den praktischen Kompensationsverfahren wird daher die Auswirkung des
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halbfesten Magnetismus nur insoweit berücksichtigt, als die Triebwerke des
Flugzeuges vorher warmgelaufen sein sollen und bei Kursänderungen die Ab
lesung der Kompaßanzeige verzögert erfolgt. Für die theoretische Betrachtung
kann der Fehler nach erfolgter Ummagnetisierung als Auswirkung des flüchtigen
Magnetismus entsprechend Ziffer 1.1.2 aufgefaßt werden.
1. 1.4 Die mathematische Beschreibung des GesamtJehlers
Der Fehler wird im allgemeinen für jeden Kurs einen anderen Wert annehmen.
Die Fehlerkurve ist periodisch und läßt sich als Summe der von den einzelnen
Störkomponenten ergebenden Deviationen beschreiben. Die Komponentenzer
legung erfolgt in Richtung der Längs- und Querachse des Flugzeuges.
Der Gesamtfehler 8 wird in der folgenden Form dargestellt [2]:
8 = A + B sin z + C cos z + D sin (z' + z) + E cos (z' + z) + . . . (2)
Die Symbole bedeuten:
8 Kompaßablenkung (Deviation) in [0]
z Kompaßkurs [KK]
z' mißweisender Kurs [mwK]
A, B, C, D, E = Deviationskoeffizienten [0]
Diese Näherungsformel gilt unter der Voraussetzung, daß die Deviation 8 < 20°
ist.
Weiterhin ist angenommen, daß die bordfesten Störfelder am Meßort homogen
sind. Andernfalls sind weitere Glieder zu berücksichtigen. Beide Bedingungen
sind bei den hier zu untersuchenden Kompaßanlagen erfüllt, da der Meßgeber
an magnetisch besonders günstigen Stellen eingebaut werden kann.
Man erkennt, daß die Deviation auch eine Funktion des mißweisenden Kurses z'
ist. Die Ursache liegt in der Abhängigkeit der Magnetisierung weichmagnetischer
Materialien von der Orientierung zum induzierenden Erdfeld. Sind die Werte
sehr klein, so setzt man zur weiteren Vereinfachung z' = z. Die GI. (2) erhält
somit die übersichtliche Form
8 = A + B sin z + C cos z + D sin 2 z + E cos 2 z + . . . (3)
Bedeutung der Deviationskoefftzienten
A: Konstante Ablenkung, bestehend aus zwei Anteilen.
A =Al +A2 (4)
Der Wert Al ist kein magnetischer Fehler, sondern ergibt sich aus der unge
nauen Justierung des Meßgebers zur Flugzeuglängsachse. Ursache für den
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