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Energiemethoden der
Technischen Mechanik
Mechanische Prinzipe der Elastostatik
Energiemethoden der Technischen Mechanik
Christian Spura
Energiemethoden der
Technischen Mechanik
Mechanische Prinzipe der Elastostatik
Christian Spura
Hochschule Hamm-Lippstadt
Hamm, Deutschland
ISBN 978-3-658-29573-8 ISBN 978-3-658-29574-5 (eBook)
https://doi.org/10.1007/978-3-658-29574-5
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Vorwort
Neben der Elementaren Technischen Mechanik, welche als Technische Mechanik 1
bis 3 eine der Grundlagen in den heutigen Ingenieurstudiengängen bildet, ist die Höhere
Technische Mechanik zu finden. Die in diesem Lehrbuch behandelten Energiemethoden
werden eben dieser Höheren Technische Mechanik zugeschrieben, da sie auf einer
vollkommen anderen Grundidee basieren als die auf den NEWTON'schen Axiomen basie-
rende Elementare Technische Mechanik. Als Basis der Energiemethoden dienen die
Begriffe von Arbeit und Energie. Bei diesen Begriffen ist auch die Thermodynamik nicht
weit entfernt. Vielmehr stammen sogar einige grundlegende Überlegungen aus der
Thermodynamik. Beispielsweise fand MAXWELL heraus, dass der Flächeninhalt des
Druck-Volumen-Diagramms einer Wärmekraftmaschine und des Kraft-Weg-Diagramms
eines linear-elastischen Fachwerks nichts weiter als die in Form von mechanischer Ar-
beit ausgetauschte Energie des jeweiligen technischen Systems ist. Auf eben solchen
energetischen Überlegungen basiert auch das im Jahre 1879 publizierte Werk Théorie
de l’Équilibre des Systèmes Élastiques et ses Applications von CASTIGLIANO, in welchem
er auf Basis des Energieprinzips den Energieerhaltungssatz für die Strukturmechanik
definierte. Daher sind die Energiemethoden ein überaus wichtiger Bestandteil der heuti-
gen Technischen Mechanik. Wie wir noch sehen werden, können die eigentlichen Ener-
giemethoden auf zwei zueinander komplementäre, d. h. sich ergänzende, Ansätze ein-
geteilt werden. Auf der einen Seite finden wir mithilfe des kraftgeregelten Ansatzes das
Prinzip der virtuellen Kräfte (PdvK) oder auch die beiden jeweils ersten Sätze von CAS-
TIGLIANO und ENGESSER. Diese Verfahren haben für die Handrechnungen in der Ingeni-
eurpraxis eine unverzichtbare Rolle erlangt. Dagegen finden wir auf der anderen Seite
mithilfe des verschiebungsgeregelten Ansatzes das Prinzip der virtuellen Verrückungen
(PdvV) oder auch den zweiten Satz von CASTIGLIANO. Diese Verfahren bilden demge-
genüber die Grundlage für numerische Methoden, wie z. B die Finite-Elemente-Methode
(FEM), welche aus der heutigen Ingenieurpraxis nicht mehr wegzudenken ist. Aber nun
genug zur Geschichte. Schließlich wollen wir uns ja nicht mit der Geschichte, sondern
den eigentlichen Energiemethoden und ihrer Anwendung befassen.
Natürlich bleibt es Ihnen auch bei den Energiemethoden nicht erspart, dass Sie Stift
und Papier zur Hand nehmen müssen, um Herleitungen nachzuvollziehen und Übungs-
aufgaben händisch durchzurechnen. Es geht halt nichts über die praktische Anwendung
der Berechnungen, um eine Routine beim Lösen von Übungsaufgaben und damit die so
notwendige Selbstsicherheit zu erlangen. Zudem sollten Sie auch wieder die gleichen
Zusammenhänge in anderen Lehrbüchern nachlesen, um unterschiedliche Darstellun-
gen und Erklärungen der gleichen Sachverhalte zu bekommen.
Für dieses Lehrbuch möchte ich mich beim Springer Vieweg Verlag und insbesondere
bei Herrn Thomas Zipsner für die hervorragende Zusammenarbeit, das Engagement und
die vielen Freiheiten zur Ausgestaltung ganz herzlich bedanken.
Und nun wünsche ich Ihnen viel Erfolg und Spaß beim Durcharbeiten der Energieme-
thoden der Elastostatik
Christian Spura
Wenn Du etwas nicht einfach erklären kannst, hast Du es selbst nicht gut
genug verstanden.
Albert EINSTEIN
1879–1955
Navigation
Thematische Einleitung mit
Seitenzahlen und Kapitelnummern
Kurzinhalten des Kapitels
für die schnelle Orientierung
106 Kapitel 6 ∙ Prinzip der virtuellen Kräfte
Beim Prinzip der virtuellen Kräfte (PdvK) werden reale
Grafiken stehen direkt
Verrückungen bei einem virtuellen Kraftzustand betrachtet.
neben dem zugehörigen Das PdvK dient zur Berechnung von Verschiebungen und
Abschnitt und sind im Verdrehungen an beliebigen Punkten eines Tragwerkes.
Dabei ist es unerheblich, ob an diesen Punkten äußere
Text hervorgehoben
Belastungen vorhanden oder diese Punkte belastungsfrei
sind.
In Bezug auf den Begriff der Arbeit betrachten wir die ne-
du benstehende Achterbahn in Abb. 3.15. Die Achterbahn ist
αF ein verschiebungsgeregeltes System. Dies bedeutet, dass
(u)
der Weg des Achterbahnwagens mit einer vorgegebenen
Verschiebungsbahn u (Achterbahnschiene) festgelegt und die
QR-Codes führen zu
am Achterbahnwagen wirkende Kraft F(u) verschiebungsab-
animierten Grafiken für hängig ist, da sich die Kraft F(u) in Abhängigkeit des Weges u
ein besseres Verständnis Abb. 3.15 ändert. Betrachten wir den Weg u in infinitesimale Teil-
Abschnitte du, können wir mit Kenntnis der Kraft F(u) die
differentielle Arbeit dW berechnen:
𝑑𝑊=𝑭((cid:3048))∙𝑑𝒖=𝐹((cid:3048))∙𝑐𝑜𝑠 𝛼∙𝑑𝑢 (3.36)
5.1 Herleitung
Z usammenfassung Lenken wir die Wippe in Abb. 5.1b) aus ihrem Gleich-
gewichtszustand um einen realen und gleichzeitig infinitesi-
des nebenstehenden
Bei einer infinitesimalen Dre- malen Winkel dφ aus, verschieben sich die beiden Kraftan-
Abschnitts
hung dφ, verläuft die Verschie- griffspunkte von F1 und F2 um die realen Verschiebungen ds1
bung dr auf der Tangente der und ds2. Da es sich jedoch um infinitesimale Verschiebungen
eigentlichen Kreisbahn. handelt und wir die Kleinwinkelnäherung anwenden können,
geht die eigentliche Verschiebung auf einer Kreisbahn in die
Verschiebungen dr1 und dr2 entlang der Tangente der Kreis-
bahn über (vgl. Abb. 2.3 auf S. 15).
Wichtige Zusam- Da wir zwar mit den real wirkenden Kräften und Momen-
menhänge für das ► Die realen Verrückungen ten, aber nur mit virtuellen Verrückungen arbeiten wollen,
dφ und dr werden durch die ersetzen wir einfach die realen Verrückungen dφ und dr durch
Lösen von Aufgaben
virtuellen Verrückungen die virtuellen Verrückungen δφ und δr. Zur Kennzeichnung
(unbedingt beachten!) δφ und δr ersetzt. virtueller Größen verwenden wir das in der mathematischen
Variationsrechnung verwendete Variationszeichen "δ". Des
Weiteren ist zu beachten, dass die am Körper angreifenden
eingeprägten Kräfte und Momente bei virtuellen Verrückun-
gen als unveränderlich zu betrachten sind.
Vor gehensweise Vorgehensweise
Schritt für Schritt Anlei-
Aufstellen des Prinzips der virtuellen Verrückungen
tung zur Lösung von
(PdvV) nach Gl. (5.5) und dabei die Vorzeichenkon-
konkreten Aufgaben vention beachten!
Ausklammern der virtuellen Lageparameter δqi.
In Gl. (5.5) sind so viele Klammerausdrücke enthal-
ten, wie Lageparameter δqi vorhanden sind.
Farblich hervorgehobene
Beispiele mit Musterlösung
Formelzeichen haben in
6.3 ∙ Statisch bestimmte Tragwerke 123
den Grafiken und im Text
die gleiche Schriftart
Beispiel 6.6
Ein masseloser Rahmen (a = 1 m, E = 210 GPa, q0
I = 48 cm4) wird durch eine Einzelkraft F = 200 N und F
G
eine konstante Streckenlast q0 = 500 N/m belastet. x
Berechnen Sie die Verschiebung am Lager B. 3a
x
1
A B
x
2
2a
Lösung
Wir bestimmen uns als erstes für jeden Bereich die realen Biegemomentenverläufe M(x) in-
folge der realen Belastung durch die Einzelkraft F und die Streckenlast q0 und erhalten damit:
𝑀((cid:3051)(cid:3117))=𝐹∙(−𝑥(cid:2869)+𝑎) M(x2 ) 12q0· a 2
𝑀((cid:3051)(cid:3118))=𝑞(cid:2868)∙(cid:3436)−12∙𝑥(cid:2870)(cid:2870)+𝑎∙𝑥(cid:2870)(cid:3440) M(x1 ) M(x)
𝑀((cid:3051)(cid:3119))=0 M(x3 ) Navigation
F · a Kapitelnummern für die
Als nächstes entfernen wir die realen Belastungen und fügen eine virtuelle Kraft δF in hori-
schnelle Orientierung
zontaler Richtung an das Lager B an. Damit bestimmen wir uns wieder für jeden Bereich die
virtuellen Biegemomentenverläufe δM(x) infolge der virtuellen Kraft δF:
𝛿𝑀((cid:3051)(cid:3117))=𝛿𝐹∙(𝑥(cid:2869)−𝑎)
6
1
𝛿𝑀((cid:3051)(cid:3118))=2∙𝛿𝐹∙𝑥(cid:2870)
𝛿𝑀((cid:3051)(cid:3119))=𝛿𝐹∙(−𝑥(cid:2871)+𝑎)
In Kürze In Kürze: fasst ein Kapi-
tel bzw. Unterkapitel
Arbeit Arbeitssatz
Eine mechanische Arbeit W wird ver- Die an einem elastischen Körper von den strukturiert zusammen
richtet, wenn ein Körper unter Aufwen- äußeren Belastungen geleistete Arbeit W
dung einer Kraft längs eines Weges (äußere Energie) wird als Formänderungs-
verschoben oder durch eine Kraft ver- energie Π (innere Energie) im verformten
formt wird Körper gespeichert. Dabei ist Π immer positiv
Die Arbeit ist das Produkt aus Kraft mal (auch bei Druck).
zurückgelegtem Weg und besitzt die
𝑊=𝛱
Einheit Newtonmeter oder JOULE.
Eine Kraft kann nur dann eine Arbeit W
verrichten, wenn die Kraft in Richtung Komplementärer Arbeitssatz
ihrer Wirkungslinie verschoben wird. Die an einem elastischen Körper von den
Vorzeichenkonvention der Arbeit: äußeren Belastungen geleistete komplementä-
positiv: wenn Kraft und Weg re Arbeit W* wird als komplementäre Formän-
gleichgerichtet sind derungsenergie Π* im verformten Körper
Null: wenn Kraft und Weg senk- gespeichert. Dabei ist Π immer positiv.
recht aufeinander stehen
𝑊∗=𝛱∗
negativ: wenn Kraft und Weg ent-
gegengesetzt gerichtet sind.
Inhaltsverzeichnis
1 Eine Einführung in die Energiemethoden ......................................... 1
1.1 Technische Mechanik ............................................................................ 3
1.2 Energiemethoden ................................................................................... 5
1.3 Historisches ........................................................................................... 8
1.4 Anwendung .......................................................................................... 10
2 Verschiebungen und Polplan ........................................................... 13
2.1 Infinitesimale Bewegungen .................................................................. 15
2.2 Polplan ................................................................................................. 16
2.2.1 Hauptpol und Nebenpol .......................................................... 20
2.2.2 Polplanregeln ......................................................................... 21
2.3 Verschiebungsfigur .............................................................................. 23
2.4 Aufgaben zu Kapitel 2 .......................................................................... 29
3 Arbeit, Energie und Arbeitssatz ....................................................... 31
3.1 Arbeit ................................................................................................... 32
3.2 Allgemeine Definition der Arbeit ........................................................... 33
3.3 Energie................................................................................................. 36
3.4 Arbeitssatz ........................................................................................... 37
3.4.1 Arbeit der Belastungen (äußere Kraftgrößen) ........................ 39
3.4.2 Arbeit der Schnittgrößen (innere Kraftgrößen) ....................... 40
3.4.3 Arbeitssatz .............................................................................. 42
3.4.4 Anwendung des Arbeitssatzes ............................................... 43
3.4.5 Nachteile des Arbeitssatzes ................................................... 45
3.5 Höhere Betrachtungen ......................................................................... 46
3.5.1 Komplementäre Arbeit ............................................................ 46
3.5.2 Komplementäre Formänderungsenergie ................................ 48
3.5.3 Komplementärer Arbeitssatz .................................................. 50
3.5.4 Energieerhaltungssatz ............................................................ 51
4 Kraftgrößenverfahren ....................................................................... 55
4.1 Grundgedanke ..................................................................................... 56
4.2 Anwendung .......................................................................................... 58
4.3 Nachteile .............................................................................................. 59
5 Prinzip der virtuellen Verrückungen ............................................... 65
5.1 Herleitung ............................................................................................. 67
5.2 Anwendung in der Stereostatik ............................................................ 70
5.2.1 Anschauliche Methode ........................................................... 71
5.2.2 Formale Methode ................................................................... 71
5.2.3 Kräfte und Momente in verschiebbaren Systemen ................. 74
5.2.4 Gleichgewichtslagen von beweglichen Systemen .................. 76
5.2.5 Systemparameter zur Erfüllung von Gleichgewicht ................ 81
XII Inhalt
5.2.6 Lager- und Gelenkreaktionen sowie Schnittgrößen ................ 84
5.3 Anwendung in der Elastostatik ............................................................. 98
5.4 Aufgaben zu Kapitel 5 ........................................................................ 102
6 Prinzip der virtuellen Kräfte ........................................................... 105
6.1 Herleitung ........................................................................................... 106
6.2 Fachwerke ......................................................................................... 112
6.3 Statisch bestimmte Tragwerke ........................................................... 117
6.4 Statisch unbestimmte Tragwerke ....................................................... 125
6.5 Analogie zu anderen Verfahren ......................................................... 125
7 Reziprozitätssätze ........................................................................... 127
7.1 Satz von BETTI .................................................................................... 129
7.2 Satz von MAXWELL .............................................................................. 132
7.3 Erweiterung des Kraftgrößenverfahrens ............................................ 134
7.3.1 1-fach statisch unbestimmtes Tragwerk ............................... 134
7.3.2 2-fach statisch unbestimmtes Tragwerk ............................... 136
7.3.3 Reduktionssatz ..................................................................... 139
7.3.4 Nachteile .............................................................................. 143
7.3.5 Höhergradig statisch unbestimmte Tragwerke ..................... 144
8 Sätze von CASTIGLIANO, MENABREA und ENGESSER ........................ 155
8.1 Sätze von CASTIGLIANO ....................................................................... 157
8.2 Erweiterung der Sätze von CASTIGLIANO............................................. 161
8.3 Satz von MENABREA ............................................................................ 167
8.4 Sätze von ENGESSER .......................................................................... 175
9 Aufgaben zu den Kapiteln 4, 6, 7 und 8 ........................................ 179
10 Formelsammlungen ........................................................................ 183
Literaturverzeichnis ............................................................................... 207
Formelzeichen ........................................................................................ 209
Sachwortverzeichnis .............................................................................. 212