Table Of ContentChristoph Egle · Reimut Zohlnhöfer (Hrsg.)
Ende des rot-grünen Projektes
Christoph Egle
Reimut Zohlnhöfer (Hrsg.)
Ende des
rot-grünen Projektes
Eine Bilanz der Regierung
Schröder 2002 – 2005
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1.Auflage Januar 2007
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©VSVerlag für Sozialwissenschaften | GWVFachverlage GmbH,Wiesbaden 2007
Lektorat:Frank Schindler
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Umschlaggestaltung:KünkelLopka Medienentwicklung,Heidelberg
Druck und buchbinderische Verarbeitung:Krips b.v.,Meppel
Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier
Printed in the Netherlands
ISBN 978-3-531-14875-5
Inhalt
Vorwort 9
Reimut Zohlnhöfer und Christoph Egle
Der Episode zweiter Teil – ein Überblick über die
15. Legislaturperiode 11
I. Parteien und Strategien
Bernhard Kornelius und Dieter Roth
Bundestagswahl 2005: Rot-Grün abgewählt. Verlierer bilden die
Regierung 29
Helge Batt
Eine Frage des Vertrauens. Die vorzeitige Parlamentsauflösung
zwischen rechtlichem Anspruch und politischem Streit 60
Thomas Meyer
Die blockierte Partei – Regierungspraxis und
Programmdiskussion der SPD 2002-2005 83
Christoph Egle
In der Regierung erstarrt? Die Entwicklung von Bündnis 90/
Die Grünen 2002-2005 98
Reimut Zohlnhöfer
Zwischen Kooperation und Verweigerung: Die Entwicklung des
Parteienwettbewerbs 2002-2005 124
Bernhard Weßels
Organisierte Interessen und Rot-Grün: Temporäre
Beziehungsschwäche oder zunehmende Entkoppelung zwischen
Verbänden und Parteien? 151
6 Inhalt
Karl-Rudolf Korte
Der Pragmatiker des Augenblicks: Das Politikmanagement von
Bundeskanzler Gerhard Schröder 2002-2005 168
Fritz W. Scharpf
Nicht genutzte Chancen der Föderalismusreform 197
Sascha Kneip
Anschieber oder Bremser? Das Bundesverfassungsgericht und die
Reformpolitik der rot-grünen Bundesregierung 215
II. Politikfelder
Uwe Wagschal
Auf dem Weg zum Sanierungsfall? Die rot-grüne Finanzpolitik
seit 2002 241
Josef Schmid
Arbeitsmarkt- und Beschäftigungspolitik – große Reform mit
kleiner Wirkung? 271
Manfred G. Schmidt
Die Sozialpolitik der zweiten rot-grünen Koalition (2002-2005) 295
Sigrid Leitner
Gender-Screening: Rot-grüne Sozialpolitik als
Geschlechterpolitik 313
Nils Bandelow und Anja Hartmann
Weder Rot noch grün. Machterosion und
Interessenfragmentierung bei Staat und Verbänden in der
Gesundheitspolitik 334
Frieder Wolf und Christian Henkes
Die Bildungspolitik von 2002 bis 2005: Eine
Misserfolgsgeschichte und ihre Ursachen 355
Inhalt 7
Nico A. Siegel
Rot-Grün und die Pfeiler des deutschen Kapitalismus 379
Andreas Busch
Von der Reformpolitik zur Restriktionspolitik? Die Innen- und
Rechtspolitik der zweiten Regierung Schröder 408
Klaus Jacob und Axel Volkery
Nichts Neues unter der Sonne? Zwischen Ideensuche und
Entscheidungsblockade – die Umweltpolitik der Bundesregierung
Schröder 2002-2005 431
Gunther Hellmann
„... um diesen deutschen Weg zu Ende gehen zu können.“
Die Renaissance machtpolitischer Selbstbehauptung in der
zweiten Amtszeit der Regierung Schröder-Fischer 453
Tobias Ostheim
Einsamkeit durch Zweisamkeit? Die Europapolitik der zweiten
Regierung Schröder 480
III. Fazit
Christoph Egle und Reimut Zohlnhöfer
Projekt oder Episode – was bleibt von Rot-Grün? 511
Autorenverzeichnis 537
Vorwort
Als im Herbst 1998 zum ersten Mal in der deutschen Geschichte eine aus SPD
und Bündnis 90/Die Grünen gebildete Bundesregierung ihre Amtsgeschäfte
aufnahm, wurde dieses „rot-grüne Projekt“ mit hohen Erwartungen auf der einen
und ebensolchen Befürchtungen auf der anderen Seite begleitet. Bereits zum
Ende der ersten Legislaturperiode der rot-grünen Regierung wurde jedoch deut-
lich, dass die Regierung Schröder den hohen Anforderungen ihrer Anhänger nur
zum Teil genügen konnte, andererseits erwiesen sich auch manche im Vorfeld
geäußerten Sorgen als unbegründet. Eine ausführliche Bilanz der Regierungspo-
litik der ersten Amtsperiode der rot-grünen Regierung haben wir (zusammen mit
Tobias Ostheim) im Frühjahr 2003 vorgelegt („Das rot-grüne Projekt. Eine Bi-
lanz der Regierung Schröder 1998-2002“). Dieser Band wurde überwiegend
wohlwollend aufgenommen und von manchem Rezensenten wurde gar eine
Fortsetzung für die zweite Amtszeit der Regierung Schröder angemahnt. Diese
Anregung haben wir mit dem nun vorliegenden Band gerne aufgegriffen.
Im Gegensatz zum Vorgängerband steht nun nicht mehr die Frage nach ei-
nem durch den Machtwechsel von 1998 zu erwartenden rot-grünen Politikwech-
sel im Mittelpunkt der einzelnen Beiträge, sondern diejenige nach Kontinuität
und Wandel der Regierungspolitik von 2002 bis 2005 im Vergleich zur ersten
rot-grünen Legislaturperiode. In der Tat waren nach der Wiederwahl der Regie-
rung Schröder im Herbst 2002 durchaus überraschende Politikwechsel zu beo-
bachten, insbesondere im Bereich der Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik. Andere
Politikfelder waren hingegen eher von Stagnation gekennzeichnet. Welches
Profil die Politik jeweils aufwies und welches die Bestimmungsgründe hierfür
waren, wird in den folgenden Beiträgen ausführlich analysiert.
Die Herausgeber haben den Autoren für ihre engagierte Mitarbeit und die
Bereitschaft zu danken, dass sie nach der überraschenden Auflösung des Deut-
schen Bundestages und den daraufhin durchgeführten Neuwahlen kurzfristig für
dieses Buch-Projekt zur Verfügung standen.
Heidelberg und Frankfurt am Main, im September 2006
Christoph Egle und Reimut Zohlnhöfer
Der Episode zweiter Teil – ein Überblick über die 15. Legislaturperiode 11
Reimut Zohlnhöfer und Christoph Egle
Der Episode zweiter Teil – ein Überblick über die
15. Legislaturperiode
Der Episode zweiter Teil – ein Überblick über die 15. Legislaturperiode
Der Wahlsieg der rot-grünen Koalition bei der Bundestagswahl am 22. Septem-
ber 2002 hatte viele Beobachter überrascht. Angesichts der Umfrageergebnisse
war lange Zeit ein Sieg eines christlich-liberalen Bündnisses erwartet worden,
während es SPD und Grünen erst in den letzten Wahlkampfwochen – nicht zu-
letzt begünstigt durch die Elbeflut und die Sorge um einen möglichen Krieg im
Irak – gelungen war, die Stimmung noch zu wenden und einen knappen Sieg
davon zu tragen (vgl. Roth 2003). Die Mandatsmehrheit der Koalition war aller-
dings noch knapper ausgefallen als 1998: Hatte die rot-grüne Regierung 1998
noch 21 Mandate Vorsprung vor den Oppositionsparteien (345 zu 324), lag sie
2002 – auch wegen der Verkleinerung des Bundestags – nur noch mit neun
Stimmen vorn (306 zu 297). Das bedeutete, dass schon fünf Gegenstimmen aus
der Koalition genügen würden, der Regierung die Mehrheit im Bundestag zu
verweigern. Doch was würde die rot-grüne Koalition mit ihrer wieder gewonne-
nen Regierungsmacht anfangen? In dieser Einleitung werden die Geschicke der
zweiten rot-grünen Regierung knapp und überblicksartig in vier Phasen darge-
stellt.
1 Fehlstart: Konzeptionslosigkeit und Kakophonie
Schon für die erste Legislaturperiode von Rot-Grün haben wir konstatiert, dass
die Konstellation vor allem für die Grünen ein „Projekt“ war, während die SPD
darin lediglich eine Option neben anderen sah (Egle et al. 2003: 12). Soweit Rot-
Grün überhaupt ein Projekt war, dürfte es im Wesentlichen in einer ökologischen
Modernisierung der Ökonomie und einer postmaterialistischen Gesellschaftspoli-
tik bestanden haben. Vieles aus diesem Programm war in der ersten rot-grünen
Wahlperiode bereits abgearbeitet worden, auch der Wahlkampf 2002 hatte nur
begrenzt deutlich gemacht, was von einer zweiten rot-grünen Regierung zu er-
warten sein würde. Entsprechend war 2002 ein großer Unterschied zu Wahlsieg
und Regierungsbildung vier Jahre zuvor spürbar, nicht zuletzt symbolisch: „Vor
vier Jahren, bei der Unterschrift des ersten Koalitionsvertrages, gab es Sonnen-
12 Reimut Zohlnhöfer und Christoph Egle
blumen, rote Nelken, viel Sekt und verheißungsvolle Reden. Diesmal gibt es
Mineralwasser, keine Fragen, keine Antworten“ (Geyer et al. 2005: 230), so
kommentierten der Regierung prinzipiell wohl gesonnene Journalisten des
„Spiegel“. Weder der Koalitionsvertrag noch die erste Regierungserklärung am
29. Oktober 2002 vermittelten Aufbrauchstimmung: „Es ist die erste Regie-
rungserklärung nach der Wahl, Rot-Grün stellt sich vor zur zweiten Runde, aber
es sieht so aus, als habe nicht einmal die Regierung selbst Lust darauf“ (Geyer et
al. 2005: 231).
Das Ausbleiben einer Aufbruchstimmung dürfte mit dem Fehlen eines ge-
meinsamen Projektes zu tun gehabt haben, mit dem die Wähler hätten überzeugt
werden können. Franz Walter hatte bereits Anfang 2003 attestiert, „dass Rot-
Grün früher als jede andere Regierungsallianz zuvor nicht mehr wusste, was sie
eigentlich wollte. […] Seit etwa zweieinhalb Jahren ist Rot-Grün ohne politische
Plattform, und Perspektive“ – ja: „Rot-Grün ist in gewisser Weise das sinn- und
begründungsloseste Regierungsbündnis seit Bestehen der Bundesrepublik“ (Wal-
ter 2005: 109f.). Auch wenn diese Einschätzung übertrieben erscheint bzw. im
Kontext überhöhter Erwartungen zu verstehen ist, bleibt der rasante Verlust Rot-
Grüns als Versinnbildlichung eines zukunftsgerichteten Reformprojektes erklä-
rungsbedürftig. Das hatte damit zu tun, dass viele der genuin rot-grünen Projekte
bereits in der ersten Wahlperiode abgearbeitet wurden, so dass nach 2002 nur
noch „Aufräumarbeiten“ zu erledigen waren, wie z.B. bei der neuerlichen Verab-
schiedung des Zuwanderungsgesetzes und der Änderungen des Hochschulrah-
mengesetzes (Busch sowie Wolf/Henkes i.d.B.). Das konzeptionelle Vakuum am
Beginn der zweiten rot-grünen Regierung mag aber auch damit zu tun gehabt
haben, dass viele Akteure selbst nicht mit einer Wiederwahl gerechnet hatten.
Mindestens ebenso wichtig dürfte schließlich die (weitere) Verschlechterung der
wirtschaftlichen Entwicklung gewesen sein. Bis zur Bundestagswahl war eine
insgesamt positive wirtschaftliche Entwicklung für die kommenden Jahre prog-
nostiziert worden, die Wachstumsprognose des Finanzministeriums hatte bei 2,5
Prozent gelegen. Kurz nach der Wahl musste dieser Wert erheblich nach unten
korrigiert werden, mit der Folge, dass plötzlich ein Loch von 10 Mrd. € im
Haushalt klaffte, das kurzfristig gestopft werden musste. Auf diese Herausforde-
rung war die Koalition nicht vorbereitet, einen Plan zur Konsolidierung hatte sie
ganz offensichtlich nicht. Entsprechend gab es von den verschiedensten Koaliti-
onspolitikern die unterschiedlichsten, zum Teil sich widersprechenden Vorschlä-
ge – Schröder selbst sprach gar von einer „Kakophonie“, die aufhören müsse.
Dieser Fehlstart der Regierung war Wasser auf die Mühlen der Opposition,
die im Dezember 2002 einen Bundestags-Untersuchungsausschuss einsetzte, um
klären zu lassen, ob die Koalition die Öffentlichkeit bezüglich der Situation des
Bundeshaushaltes vor der Bundestagswahl falsch informiert habe (BT-Drs.