Table Of ContentW. HEITLER
]neInentare VVellentnechanik
W. HEITLER
Elementare Wellenmechanik
Mit Anwendungen auf die Quantenchemie
2. Auflage
Mit 43 Bildern
FRIEDR. VIEWEG & SOHN· BRAUNSCHWEIG
1961
Autorisierte 'Übersetzung: Dr. KLAUS MüLLER
ISBN 978-3-663-00477-6 ISBN 978-3-663-02390-6 (eBook)
DOI 10.1007/978-3-663-02390-6
Titel der englischen Originalausgabe ELEMENTARY WAVE MECHANIC S
©
1958 by CLARENDON PRESS, OXFORD
Softcover reprint of the hardcover 2nd edition 1958
Alle Rechte an der deutschen Ausgabe bel Frledr. Vleweg & Sohn, Braunschwelg
Vorwort zur zweiten Auflage
Da dieses Büchlein vornehmlich für Chemiker und andere Leser ohne
besondere mathematische Kenntnisse bestimmt ist, habe ich einen Ab
schnitt über zweiatomige Moleküle eingefügt und im übrigen die Kapitel
über die chemische Bindung sehr erweitert. Die Ergänzungen sind im
gleichen elementaren Stil geschrieben wie die übrigen Kapitel und halten
sich im Rahmen eines Taschenbüchleins ; sie veranschaulichen, hoffe ich,
in klarer Weise die wellenmechanischen Methoden wie auch deren Nütz
lichkeit für chemische Probleme. Um die allgemeine Theorie mehr abzu
runden, wurde ein Abschnitt über die zeitabhängige Wellengleichung
aufgenommen.
W.B.
Zürich, Januar 1956
Vorwort zur deutschen Ausgabe
Es ist dem Verfasser eine große Befriedigung, daß dieses kleine Buch nun
auch in deutscher Sprache erscheinen kann. Es bestand kein Grund,
irgendwelche Änderungen oder Zusätze vorzunehmen, so daß die vor
liegende Ausgabe eine wortgetreue Übertragung der zweiten englischen
Auflage ist. Möge dieses Buch dazu beitragen, auch im deutschen Sprach
gebiet dem angehenden Physiker, dem Chemiker und anderen Natur
wissenschaftlern eine erste Kenntnis der ja praktisch, theoretisch und
philosophisch so wichtigen Quantenmechanik zu vermitteln.
Zürich, Anfang 1961 W. Beitler
Professor für theoretische Physik
an der Universität Zürich
Inhaltsverzeichnis
I. Experimentelle Grundlagen der Quantenmechanik
1. Quantenzustände und Elektronenbeugung .................... 1
2. Beziehungen zwisohen Wellen- und Teiloheneigensohaften .. ..... 3
3. Versohmelzung von Wellen- und Teilohenbild ................. 6
H. Ableitung der Wellenrlelchung
1. Das freie Elektron .•......... ,. . . .. . . . . .. . . .• . . . . . . . . . ... . . 13
2. Diskrete Quantenzustände ............ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16
3. Die Sckrödingersohe Wellengleiohung ..•...................... 18
4. Die zeitabhängige Wellengleiohuni ...........•...•.......... 20
IH. Das Wasserstoftatom
1. Der Grundzustand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . • . . . . . . . . . • . . . . . . . . . . 24
2. Angeregte Zustände ....................................... 28
3. p.Zustände ............................................... 29
4. Normierung und Linearkombination von Wellenfunktionen 32
IV. Drehimpuls, Zeeman-Effekt und Spin
1. Scharfe und unscharfe Größen ........•..................•.. 34
2. Drehimpuls von 8- und p-Zuständen ......................... 37
3. Der Zeeman-Effekt ................•....................•.. 40
4. d-Zustände. Richtungsquantisierung ..........•.............. 42
5. Der Elektronenspin ......•..••...•......................... 43
6. Zwei Elektronen mit Spin ...................•....•......... 47
V. Das Zweielektronenproblem
1. Die Wellengleichung für zwei Elektronen ..................... 50
2. Lösung der Wellengleiohung zweier Elektronen................ 51
3. Austauschentartung ....................................... 54
4. Das PauZische Aussohließungsprinzip ........................ 56
5. Die Wellenfunktion des Spins ............................... 58
6. Allgemeine Formulierung des Pauli-Prinzips .••.•.••..•..••.•. 61
VI. StörungstMorie
1. Allgemeine Theorie .........•..••..•.......••.............. 64
2. Heliumatom und Austausohenergie .••••...••.....•.......... 66
3. Die Orthogonalitätsbeziehungen ............................. 69
VII. Das Periodensystem der Elemente
1. Die Elektronenkonfiguration .•... . . . • . . . . . . . • • . . . . . . . • . . • • . . 72
2. Die Atomzustände ....•..•..•........•.•...•............... 74
VIII. Zweiatomige Moleküle
1. Die Elektronenzustände ....•.•...................•......... 79
2. Die Molekülrota.tionen ..................................... 82
3. Die Molekülschwingungen ...............•.....•...........• 85
4. Ortho- und Para·M oleküle ..............•................... 87
IX. Theorie der homöopolaren chemischen Bindung
1. Das Wasserstoffmolekül .•............................ . . . . .. 91
2. Die Sättigungseigenschaften der chemischen Bindung .......... 100
X. Die Valenz
1. Spinvalenz ........................•...................... 103
2. Schnitt von Atomwechselwirkungskurven. Die Valenz von Kohlen-
stoff ..................................................... 105
3. Wechselwirkung in zweiatomigen Molekülen •................. 111
XI. Mehratomige Moleküle
1. Wechselwirkung mehrerer Atome mit einem Valenzelektron ..... 116
2. Aktivierungsenergie, nichtlokalisierbare Bindungen ...•...•.... 123
3. Gerichtete Valenzen ..•.........................•.......... 128
4. Wechselwirkung von Atomen mit mehreren Elektronen ........ 134
5. Bindungsenergien der Kohlenwasserstoffe. . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 138
Sa.chverzeichnis . . • . . . . . . . . . . . . . . . . . . • . . . . . . . . . . • . . . . . • . . . . . . . . . . . .. 144
I. Experimentelle Grundlagen der Quantenmechanik
1. Quantenzustände und Elektronenbeugung
Es gibt zwei Hauptgruppen von experimentellen Erscheinungen, die
sich mit der klassischen Physik nicht vereinbaren lassen:
a) Ändert sich die innere Energie eines Atoms bei der Emission oder der
Absorption von Licht, so geschieht das nicht stetig oder kontinuierlich,
sondern in "Quantensprüngen".
b) Ein Elektronenstrahl zeigt Interferenzerscheinungen, wie sie in
ähnlicher Weise von den Lichtwellen bekannt sind.
a) Quantenzustände
Umfangreiches experimentelles Material, das hauptsächlich auf spektro
skopischem Wege gewonnen wurde, zeigt, daß ein Atom nicht in Zu
ständen mit kontinuierlich veränderlicher Energie, sondern nur in ge
wissen diskreten Energiezuständen existieren kann, die in Bild 1 sche
matisch dargestellt sind und "diskrete Energieniveaus" genannt werden.
Die einzelnen Niveaus und die Abstände zwischen ihnen sind für jedes
chemische Element verschieden, für alle Atome des
gleichen Elements jedoch gleich. Der Übergang von E. ------
einem Niveau E zu einem anderen Niveau EI ist
2
mit Emission (wenn E > EI) bzw. Absorption
2
(wenn E2 < EI) von Licht verbunden, dessen Fre- EJ -.,_-_--_-_-_
quenz 'P durch die Beziehung Ez_ ~l_hv
E,_...Li _____
E -E = h'P (1)
2 I
bestimmt ist. h ist eine universelle Konstante, be- Bild 1.
k annt a Is PIa nck S C h es WI· rk ungsquantum, und h at Diskrete Energieniveaus
den Wert 6,6 . 10-27 erg. sec. Zum gleichen Energie-
übergang, z. B. von E nach EI> gehört stets die gleiche Frequenz.
2
Ferner hat ein Lichtstrahl der Frequenz 'P, wie er etwa durch eine große
Zahl von Atomen, die sämtlich Quantensprünge von E nach EI aus
2
führen, emittiert wird, keine kontinuierlich veränderliche Energie. Er
besteht vielmehr aus einer Anzahl "Quanten", von denen jedes einzelne
die Energie h'P besitzt. Die Energie des Strahls ist also entweder 1 h'P
oder 2 h'IJ oder 3 h'IJ ... oder nh'P usw.; mit anderen Worten: sie besteht
aus 1, 2, 3, ..., n, ... Lichtquanten.
1 Heitier, WellenmechanIk 1
b) Interferenz von Wellen
Wie allgemein bekannt ist, zeigen Lichtwellen, wenn sie an einem regel
mäßig geteilten Gitter reflektiert oder gebeugt werden, Interferenz
erscheinungen und erzeugen eine sogenannte "Beugungsfigur" . Diese
Erscheinung wurde beispielsweise dazu benutzt, die Wellennatur der
Röntgenstrahlen nachzuweisen. Als Gitter dient hierbei die regelmäßige
Anordnung der Atome in einem Kristall, da ein gewöhnliches Gitter zu
grob wäre. Man kann die kristalline Substanz in Pulverform verwenden.
Die Wellen der Röntgenstrahlquelle A (Bild 2) treten durch das Kristall-
e
Bild 2. Elektronenbeugung
pulver B hindurch und fallen auf den Schirm O. Die Beugungsfigur,
welche man auf 0 beobachtet, besteht aus einer Reihe konzentrischer
Ringe (Debye-Scherrer-Ringe), aus deren Abständen wir die Wellenlänge
des Lichts nach der Formel
nA. = 2dsin ~
bestimmen können. d ist der Abstand der mit Atomen besetzten parallelen
Ebenen im Kristall, und (X ist der Beugungswinkel. n = 1, 2, 3, ... für
die einzelnen Ringe.
Wir können nun ein ähnliches Experiment mit einem Strahl ausführen,
der aus Elektronen besteht, die alle die gleiche Geschwindigkeit v haben,
und man hat gefunden, daß das Ergebnis ähnlich ist. Zur Erzeugung eines
Elektronenstrahls kann man eine Kathodenstrahlröhre benutzen. Die
Elektronen durchlaufen eine elektrische Potentialdifferenz V, welche sie
auf die Geschwindigkeit v beschleunigt, die durch die Beziehung
e V = ! mv2 gegeben ist; anschließend treten die Elektronen durch das
Kristallpulver B usw. wie oben.
Die Beugungsfigur, die man so erhält, ist der durch Röntgenstrahlen er
zeugten sehr ähnlich. Das Experiment zeigt, daß mit einem Elektronen
strahl, von dem man früher annahm, er bestünde nur aus Teilchen,
Wellen verknüpft sind. Aufgabe der Wellenmechanik ist es zu zeigen, wie
die Eigenschaften eines Elektrons, das als Welle betrachtet wird, mit
seinen Teilcheneigenschaften in Einklang gebracht werden können.
2
Gleichzeitig werden wir sehen, daß die Erscheinung der diskreten Energie
niveaus aus einer vollständig entwickelten Theorie der Wellenmechanik
folgt.
2. Beziehungen zwischen Wellen- und Teilcheneigenschaften
Um die wellenmechanische Theorie zu entwickeln, beginnen wir mit dem
oben beschriebenen Experiment, welches zeigt, daß eine Welle mit dem
Elektronenstrahl verknüpft ist. Natürlich erhebt sich sofort die Frage:
Wie groß ist die Wellenlänge? Diese kann aus den Abständen der
Beugungsringe experimentell bestimmt werden. Wie die Messung ergibt,
hängt Ä von der Elektronengeschwindigkeit v ab. Diese Geschwindig
keit kann man variieren, indem man das Beschleunigungspotential ver
ändert.
Man findet dann, daß die Wellenlänge umgekehrt proportional zur Ge
schwindigkeit ist; Ä", 1/v, d. h. je langsamer die Elektronen, desto
größer die Wellenlänge. Auf die gleiche Weise läßt sich die Propor
tionalitätskonstante messen, und es ergibt sich die Plancksche Kon
stante, dividiert durch die Elektronenmasse m:
h h
Ä = - oder Ä = - , (2)
mv p
wo mv der Impuls p ist. Die Beziehung (2) geht auf de Broglie (1924)
zurück und bildete den Ausgangspunkt für die Wellenmechanik.
Die Geschwindigkeit v (künftig "Teilchengeschwindigkeit" genannt)
gründet sich auf die Vorstellung, das Elektron sei ein Teilchen; dagegen
stellt Ä ein Konzept dar, das sich auf eine Welle bezieht. Beide Konzepte
sind durch die Plancksche Konstante miteinander verbunden. Ihrer
Entdeckung nach war diese Konstante ursprünglich das Bindeglied
zwischen Energie E und Frequenz 'V eines Lichtquants,
E = h'V.
Während die Frequenz ein Konzept ist, das sich auf eine Welle bezieht,
ist ein Lichtquant als Konzept eines Teilchens anzusehen. Die gleiche
Konstante h bringt, wie wir nunmehr gesehen haben, auch bei Elek
tronen Wellen- und Teilchenbild in Zusammenhang miteinander.
Eine Welle ist durch ihre Wellenlänge allein noch nicht bestimmt,
sondern erst durch die drei Größen Wellenlänge Ä, Frequenz 'V und
Wellengeschwindigkeit Vq;, die gemäß
Ä'V = Vq; (3)
in Beziehung zueinander stehen. Für eine Lichtwelle ist Vq; = c (Licht
geschwindigkeit) .
3
Wir haben bereits einen Zusammenhang zwischen Ä. und der Teilchen
geschwindigkeit v gefunden, aber um die Eigenschaften der Elektronen
wellen vollständig zu beschreiben, brauchen wir entweder für 11 oder für
V4i eine weitere Beziehung. Unglücklicherweise lassen sich weder 11
noch V4i experimentell bestimmen. Stattdessen werden wir eine weitere
Beziehung aus theoretischen Überlegungen gewinnen. Es ist plausibel,
daß ein Zusammenhang zwischen der Teilchengeschwindigkeit v und der
Fortpflanzungsgeschwindigkeit V4i der Welle bestehen wird. Es wäre
jedoch falsch, von vornherein einfach anzunehmen, daß v = V4i ist. Der
Grund hierfür ist folgender: Ä. hing in unserem Falle stark von v und
daher - voraussetzungsgemäß - auch von V4i ab. Unsere Welle zeigt
also eine starke Dispersion, wie wir sie ähnlich, wenn auch viel geringer,
bei einer Lichtwelle in einem brechenden Medium, etwa Glas oder
Wasser finden. In diesem Falle hat man zwischen zwei Wellengeschwin
digkeiten zu unterscheiden. Zusätzlich zu der oben eingeführten Phasen
geschwindigkeit V4i kann man nämlich eine sogenannte Gruppengeschwin
digkeit
(4)
definieren. Lediglich wenn V4i unabhängig von der Wellenlänge Ä. ist,
wird Vg nach (3) mit V4i identisch. Während die Phasengeschwindigkeit
die Fortpflanzungsgeschwindigkeit einer monochromatischen, unendlich
ausgedehnten Welle ist, beschreibt die Gruppengeschwindigkeit, wie sich
ein kurzer Wellenimpuls ausbreitet (Bild 3). Ein solcher Impuls - oft
.. vg
II II ~,r-
~ /i\ ~ I I
- V;V:V- oder I I I
I I
I I I I
I-Ao--1 --1~o:
a) b)
Bild 3. GruppengeschwIndigkeit
auch Wellenpaket genannt - hat keine wohldefinierte Wellenlänge,
sondern ist aus Wellen der verschiedensten Wellenlängen zusammen
gesetzt, die sich um die Grundwellenlänge .A.o gruppieren, so wie ein
Schallstoß (Krach) aus vielen verschiedenen Tönen komponiert ist.
Die einzelnen monochromatischen Teilwellen, aus denen sich das Wellen
paket aufbaut, haben verschiedene Phasengeschwindigkeiten, und das
führt, wie sich zeigen läßt, zu folgender Erscheinung: angenommen, das
Wellenpaket habe zur Zeit t = 0 die Form nach Bild 3 (80) oder (b); dann
bleibt für t > 0 die Form zunächst erhalten, und das gesamte Wellen
paket wandert mit der Gruppengeschwindigkeit vg (.A.o), die sich von
4