Table Of ContentVERSTANDLICHE
WISSENSCHAFT
VIERUNDACHTZIGSTER BAND
BERLIN· GOTTINGEN· HEIDELBERG
SPRINGER-VERLAG
ELEKTROMAGNETISCHE
WELLEN
EINE UNSICHTBARE WELT
VON
PROF. DR. HANS HEINRICH MEINKE
DIREKTOR DES INSTITUTS PUR HOCHPREQUENZTECHNIK
DER TECHNISCHEN HOCHSCHULE MUNCHEN
1.-6. TAUSEND
MIT 89 ABBILDUNGEN
BERLIN· GOTTINGEN· HEIDELBERG
SPRINGER-VERLAG
Herausgeber der naturwissenschaftlichen Abteilung:
Prof. Dr. Karl v. Frisch, Miinchcn
ISBN-13: 978-3-540-03072-0 e-ISBN-13: 978-3-642-86554-1
DOl: 10.1007/978-3-642-86554-1
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© by Springer-Verlag OHG. Berlin· Gottingen· Heidelberg 1963
Library of Congress Catalog Card Number 63 -22582
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Jugung u!lelll
Inhaltsverzeichnis
Bin/eitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1. Der We/Iii/her und der Maxwellsehe Versehiebungsstrom .
Entdeckung der Wellennatur des Lichts. S. 3. - Der Wunsch
nach anschaulicher Erkliirung. S. 4. - Weltiither als Medium der
Wellenausbreitung. S. S. - Die Maxwellsche Theorie der elektro
magnetischen Wellen. S. 6. - Verschiebungsstrome im Dielektri
kum eines Kondensators und im freien Raum. S. 8.
II. Bxperimentelle Bestiitigung der Maxwellsehen Theorie . 10
Berechnung und Messung der Lichtgeschwindigkeit. S. 10. -
Zusammenhange zwischen Dielektrizitiitskonstante und Bre
chungsindex. S. 12. - Ausbreitungsgeschwindigkeit elektrischer
Storungen in einem Kondensatorfeld. S. 13. - Die Versuche von
Heinrich Hertz: Erzeugung schneller Wechselfelder durch oszillie
rende Funken, Abstrahlung von Wellen, Knotenpunkte reflektier
ter Wellen, Nachweis der Wellen durch Resonanz. S. IS.
rn.
Unsere heutige Auf/assung lion der Pqysik elektromagnetiseher Wellen 21
Elektrische und magnetische Feldenergie. S. 23. - Zerfall, Um
wandlung und Zerstreuung der Feldenergie im freien Raum. S. 25.
- Lichtgeschwindigkeit als Tragheitserscheinung der Energie
umwandlung. S. 26. - Energieumwandlung in der Umgebung
eines Dipolstrahlers. S. 29. - Abstrahlung von Wellen. S. 30. -
Frequenz und Wellenlange. S. 31.
IV. Die ersten drahtlosen Obertragungsllersffehe.
Friihe Ideen und unzuliingliche Experimente vor 1890. S. 32. -
Der Kohiirer als Empfanger. S. 35. - Popoff empfiingt Wellen,
die durch Blitze erzeugt werden. S. 36. - Funkensender und
Drahtantennen von Marconi. S. 38. - Die Dberbriickung groBer
Entfemungen durch Marconi. S. 39. - Der Ausbau der Funk
technik durch Slaby und Braun. S. 40. - Der Nobelpreis flir
Physik 1909. S. 40. - Die ersten Industriefirmen. S. 40.
v
V. Die techni.rchen GrundJogen de.r Sentlen.r und Empjangen.r 41
A. Technische Fonnen der Sender . . . . . . . 41
Funkensender mit Zwischenkreis nach Braun. S. 41. - Rotie
rende Hochfrequenzmaschinen. S. 43. - Sdbsterregung dutch
Lichtbogen. S. 44. - Selbsterregung dutch steuerbare Elektronen
rohren. S. 48. - Mehrstufige fremderregte Sender hoher Lei
stung. S. 51. - Elektronenrohren flir hochste Frequenzen.
S·53·
B. Die Antenne des Senders . . . . . . . . . . . . . . .. 53
Abstrahlungsbedingungen cines Dipols. S. 54. - Der Luftdraht
von Marconi. S. 56. - Antennen mit Querdraht und groBer Ka
pazitiit. S. 58. - Stabantennen. S. 62. - Richtantennen aus
Dipolen. S. 65. - Richtantennen mit Spiegeln. S. 76. - Flii
chenantennen. S. 79. - Parabolspiegd. S. 80.
C. Die Antenne des Empfangers . . . . . . 81
Empfang des magnetischen Fddes mit Rahmenantennen. S. 81.
- Empfang des dektrischen Fddes mit Dipolantennen. S. 83. -
Aquivalentes Verhalten von Sende- und Empfangsantennen.
S. 85. - Richtempfang. S. 85. - Strahlungserregte Hilfsdipole.
S.86.
D. Technische Fonnen der Empfanger . . . . . . . . . .. 87
Empfang mit Gleichrichter. S. 89. - Hochvakuumgleichrichter.
S. 89. - Halbleitergleichrichter. S. 90. - Empfangsverstarker
mit Elektronenrohren und Transistoren. S. 94. - Oberlagerungs
empfang mit Frequenzwandlung. S. '95. - Atmosphiirische
Storungen. S. 97. - Rauschen. S. 99.
VI. Die Au.rhreitung von eJektromofl1eti.rchen Wellen in Erdniihe . 101
EinfiuB des Erdbodens. S. 101. - Eindringen von Wdlen in die
Erde, in das Wasser und in den menschlichen Korper. S. 103. -
EinfluB der Erdkriimmung. S. 106. - Reflexion an der lono
sphiire. S. 107. - Femiibertragung mit Kurzwellen. S. II4. -
Refl.exion, Brechung und Streuung in der Troposphiire. S. II9. -
Wirkung des Regens. S. 121. - Molekularresonanzen der Luft.
S. U2.
VII. Elektromofl1etische Wellen in tier Nachrichtentechnik
Punkt-zu-Punkt-Verkehr. S. U4. - Mobiler Verkehr. S. U5. -
Bandbreite eines Senders. S. U9. - Frequenzplanung. S. 131.
- Rundfunk. S. lB. - Femsehiibertragung. S. 136. - Richt
funk. S. 138. - Rdaisstationen. S. 139. - Empfang dutch Streu
strahlung. S. 140. - Kiinstliche Reflektoren in der Atmosphiire.
S. 141. - Aktive Nachrichtensatdllten. S. 143. - Femmessung.
VI
S. 144. - Femsteuerung. S. 145. - Funkverkehr mit Satelliten
und Raumfahrzeugen. S. 146.
VIII. Funkorlung. . . . . . . . .
Funknavigation. S. 146. - Kollisionssicherung. S. 147. - Rich
tungsmessung (PeiIung). S.149. - Radioastronomie. S. 152. -
Dopplereffekt. S. 155. -Entfemungsmessung. S. 157. - Radar.
S.159·
IX. Geleilele Wellen 166
Wellenleiter. S. 167. - Hohlleiter. S. 168. - Koaxiale Kabel.
S. 169. - Kabel mit vielen Leitem. S. 170. - Zwischenverstarker.
S. 174. - Unterwasserkabel. S. 175.
Einleitung
Die naturwissenschaftlichen Erkenntnisse, die uns die letzten
100 Jahre brachten, haben gezeigt, daB das Licht ein elektro
magnetischer Wellenvorgang ist, daB das Verhalten der Materie
zu einem wesentlichen Teil durch elektromagnetische Wirkungen
der Elementarteilchen zu erklaren ist, daB sogar jedes lebende
Wesen in seinem Nervensystem und den internen Regelvorgangen
durch elektrische Signale gesteuert wird. Nach unserem heutigen
Wissenstand spielt also das elektromagnetische Geschehen eine
Uberragende Rolle im gesamten Geschehen unserer Welt. Etwas
erstaunlich erscheint daher die Tatsache, daB diese fundamentalen
Erscheinungen erst so spat entdeckt wurden. Dies beruht zweifel
los darauf, daB derartige V organge in unserer ursprUnglichen
makroskopischen Umwelt ohne komplizierte Hilfsmittel kaum er
kennbar sind: Die schon im Altertum bekannten Erscheinungen,
daB geriebener Bernstein elektrische Anziehung und daB bestimmte
Magneteisensteine magnetische Anziehung ausUben, galten als ein
seltenes und nicht erklarbares Kuriosum. Der Blitz als elektrische
Entladung war ein schwer zuganglicher V organg in der hoheren
Atmosphare. Versuche mit dem sichtbaren Licht deuteten zwar
schon vor einigen Jahrhunderten auf Wellenvorgange hin, jedoch
war ein innerer Zusammenhang dieser Wellen mit dem Verhalten
des geriebenen Bernsteins und der magnetischen Mineralien nicht
erkennbar. Nur durch sorgfaltiges Beobachten einiger zunachst
unauffalliger Naturerscheinungen und mit Hilfe genial erdachter
MeBmethoden konnte in mUhsamer Kleinarbeit ein Zugang zu den
elektrischen und magnetischen Erscheinungen gewonnen werden.
Hinter diesen wenigen Dingen entdeckte man dann eine vollig
neue Welt.
Man fand nicht nur eine brauchbare Erklarung fUr viele bisher
unverstandliche V organge in der Natur, sondern durch kluges
Weiterdenken auch zahlreiche Moglichkeiten, die sich in der
I Meinke, Elektromagnetische Wellen
Natur nicht vorfinden und die zur modernen Elektrotechnik fuhr
ten. Ein eindrucksvolles Beispiel hierflir sind die elektromagneti
schen Wellen, mit denen wir heute Rundfunk, Fernsehen, Radar
und viele andere technische Verfahren betreiben. Die Natur hat
uns nicht mit Sinnesorganen, die solche Wellen unmittelbar
empfinden, ausgerustet. Der Grund dafur liegt zweifellos darin,
daB diese V organge in der Natur sehr selten und so schwach sind,
daB sie fur die Grundprobleme aller lebenden Wesen (Erhaltung
und Fortpflanzung des Lebens) fast uninteressant sind. Die Sonne
und einige Sterne senden zwar eine Strahlung dieser Art aus, die
aber so schwach ist, daB wir sie heute nur mit groBem Aufwand
an verfeinerten MeBmethoden registrieren (Radioastronomie).
Auch jeder Blitz erzeugt kurzzeitig eine schwache elektromagneti
sche Welle; jedoch sind diese naturlichen Wellen nicht nur
schwach, sondern auch so kompliziert und unsystematisch in ihrem
zeitlichen Verlauf, daB sie keinerlei V orbild fur die technische
Anwendung sein konnen. Die von Menschen kunstlich erzeugten
elektromagnetischen Wellen unserer heutigen Technik sind also
etwas vollig Neuartiges, eine geistige Schopfung des Menschen
selbst. Den historischen Ablauf dieser Entwicklung naher zu be
trachten und zu analysieren, ist auBerordentlich anregend. Es ist
interessant zu erfahren, auf welchen Wegen die Erkenntnisse ge
wonnen wurden und wie unsere heutige technische Situation ent
stand. Es ist aber auch wichtig, hinter allem den forschenden und
den schaffenden Menschen zu sehen; wir werden dabei Zeuge un
gewohnlicher geistiger Leistungen und erleben eine vollig neue
Seite des Phanomens "Mensch", die in unserem Jahrhundert erst
malig durchbrach. Wir begreifen dann vielleicht besser, warum
dieser grundlegende Wandel des menschlichen Lebens durch die
Technik eingetreten ist.
Die Theorie der elektromagnetischen Wellen war wohl der erste
Schritt in die ungewohnliche Welt der modernen Naturwissen
schaft, dem dann die Relativitatstheorie, die Quantentheorie, die
Kernphysik und biologische Erkenntnisse in so kurzen Abstanden
und so umwalzender Weise folgten, daB auch den fuhrenden
Geistern im Moment die Gesamtschau noch fehIt. Es reicht nicht
aus, diese Erweiterung des menschlichen Wissens und die damit
verbundene Anderung unseres Lebens einfach zu konstatieren und
2
hinzunehmen. Wir sollten uns vielmehr auch um ein tieferes Ver
standnis dieser Entwicklung bemiihen, die aus irgendeiner inneren
GesetzmaBigkeit der menschlichen Natur lawinenartig entstanden
ist und deren Ende wir nicht kennen. Die Vergangenheit zeigt, daB
durch jede neue Erkenntnis weitere neue Erkenntnisse moglich
werden. Diese haben wieder neue technische Anwendungen zur
Foige. Ais Foige der Technik steigt die Zahl der Menschen, die
sich mit Naturwissenschaft und Technik befassen, und die Technik
gibt ihnen auch immer bessere MeB-und Untersuchungsmethoden.
So entsteht diese Lawine der naturwissenschaftlichenErkenntnisse,
die im Moment schon niemand mehr iiberblickt und die nur noch
in elektronisch gesteuerten, riesigen Registraturen gespeichert
werden konnen. Auch die elektromagnetischen Wellen sind ein
Wissensgebiet, auf dem man zwar eine bereits uniibersehbare
Fiille von Kenntnissen besitzt, und das schon weitgehend zum
Bereich der Technik gehort, das aber auch noch eine Fiille grund
Iegender, wissenschaftlicher Probleme enthalt, die der Losung be
diirfen.
I. Det Weltather
und der Maxwellsche Verschiebungsstrom
Die Entdeckung der elektromagnetischen Wellen hat ihren Be
ginn in den Untersuchungen iiber die Natur des sichtbaren Lichts.
Die ersten Versuche iiber die Beugung des Lichts unternahm
FRANCESCO GRIMALDI um 1650, ohne sie erklaren zu konnen. Er
sah aber bereits das, was man spater Interferenz nannte und schrieb:
"Kommt zu dem Licht, das ein Ieuchtender Korper empfangt,
noch Licht hinzu, so kann der Korper dunkier werden." Ein da
mals offensichtlich merkwiirdiges und scheinbar widerspruchs
volles Ergebnis, dem bei der Erforschung der elektromagnetischen
Wellen noch viele, zunachst ebenso ratselvolle Ergebnisse folgen
sollten. Manches dieser Ratsel haben wir heute geklart, manche
Losung erahnen wir erst, weil die Theorien sich als ungewohnlich
schwierig erweisen.
FRESNEL unternahm um 1800 seinen beriihmtenlnterferenzver
such mit zwei Spiegeln und war einer der Begriinder der Theorie,
daB das Licht ein Wellenvorgang seL Er betrachtete das Licht ais
elastische Schwingungen des "Lichtathers" oder "Weltathers",
r* 3
einer hypothetischen, nichtmateriellen, aber tiberall vorhandenen
Substanz, tiber deren Natur man sich noch bis tiber das Jahr 1900
hinaus heftig getritten hat. SchlieBlich ergaben grundlegende Ex
perimente (MICHELSON 1881) und die Relativitatstheorie den siche
ren Beweis ftir das Nichtexistieren dieses Weltathers. Die Haupt
schwierigkeit ftir das Begreifen dieser Wellenvorgange lagen da
mals offenbar im nattirlichen Bestreben des Menschen, sich aIle
Vorgange "anschaulich" vorstellen zu wollen. Der gleichen
Schwierigkeit unterliegen die meisten Menschen hierbei noch
heute, denn die elektromagnetischen Wellen sind ebenso wie viele
spater entdeckte Erscheinungen der modernen Physik (z. B. Rela
tivitatstheorie, Quantentheorie) im Grunde genommen frei von
jeder Anschaulichkeit. Man kann sogar behaupten, daB in den
neueren Zweig en der Physik jedes Bemtihen urn anschauliche Vor
stellung zu unlas baren Widersprtichen ftihrt und das Verstehen
verhindert. Wenn man daher die elektromagnetischen Wellen
"verstehen" will, muB man die etwas fragwiirdigen Begriffe der
"Anschaulichkeit" und der "Vo rstellbarkeit" sehr ernsthaft analy
sieren und eine gewisse Aufnahmebereitschaft ftir unanschauliche
Resultate mitbringen.
Die Physik der frtihen Zeit entsprach der Forderung nach An
schaulichkeit durchaus: Die Mechanik mit ihren materiellen, sicht
baren oder ftihlbaren Karpern, den direkt sptirbaren Kraften und
Tragheitserscheinungen, mit den sichtbaren Verformungen der
Karper unter dem EinfluB von Kraften, war sehr anschaulich. Die
Warmeerscheinungen waren unseren Sinnesorganen ebenfalls
weitgehend zuganglich. Die wenigen, damals bekannten elektri
schen und magnetischen Erscheinungen ftihrten zu mechanischen
Kraften (Anziehung) und mechanischen Bewegungen (Drehung
einer Magnetnadel). Der durch einen Draht flieBende elektrische
Strom war immerhin noch in gewissem Sinne "anschaulich vor
stellbar". Die akustischen Wellen wurden als elastische Verfor
mungen und Fortleitung von Kraftwirkungen innerhalb der Ma
terie erkannt. Der luftleere Raum gestattete keine Schallausbrei
tung. Es erschien daher bei der erkannten Analogie zwischen
Schallwellen und Lichtwellen als notwendige Konsequenz, anzu
nehmen, daB die Lichtwellen etwas ahnliches wie elastische Ver
formungen und Fortleitung von Wirkungen in einem geeigneten
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