Table Of ContentElektrische
Hochleistungsübertragung
auf weite Entfernung
Vorträge von
Prof. Dr.-Ing. R. Rüdenberg, Berlin · Dr. phil. K. Pohlhausen, Berlin
Dr.-Ing. A. Mandl, Berlin · Dr.-Ing. E. Friedländer, Berlin
Prof.A. Rachel, Dresden· Prof. Dr.-Ing. H. Piloty, Berlin
Prof. A. Matthias, Berlin
Veranstaltet durch den
Elektrotechnischen Verein, e. V. zu Berlin in Gemeinschaft
mit dem Außeninstitut der TechnischenHochschule zu Berlin
Ilerausgegeben von
Reinhold Rüdenberg
Prof. Dr.-Ing. u. Dr.-Ing. e. h.
Mit 240 Textabbildungen
Springer-Verlag Berlin Heidelberg GmbH
1932
Alle Rechte, insbesondere das der Dbersetzung
in fremde Sprachen, vorhehalten.
Copyright 1932 by SpringerVerlag Berlin Heidelberg
Urspriinglich erschienen bei Julius Springer in Berlin 1932
ISBN 978-3-662-34907-6 ISBN 978-3-662-35241-0 (eBook)
DOI 10.1007/978-3-662-35241-0
Vorwort.
Die Elektrotechnik besitzt heute die Möglichkeit, große Leistungen
im Betrage von vielen Hunderttausenden von Kilowatt über Tausende
von Kilometern fortzuleiten und kann so die Energieverteilung und
Energiebewirtschaftung ganzer Kontinente erschließen. Daher
steht das Problem der Übertragung hoher elektrischer Leistung auf sehr
weite Entfernung in letzter Zeit im Mittelpunkt des Interesses der
Starkstromtechnik.
Die Entwicklung, die zur Lösung dieser Aufgabe führte, ist in allen
elektrotechnisch arbeitenden Ländern relativ schnell vor sich gegangen
und ist heute bis zu einem gewissen Abschluß gebracht. Dies kommt
durch den Bau und Betrieb einer Reihe großer Fernübertra
gungsanlagen von sehr erheblicher Leistung deutlich zum Ausdruck.
Obgleich die Teilaufgaben dieses weitreichenden Gebietes in zahlreichen
Beiträgen der in- und ausländischen Fachliteratur niedergelegt sind,
besteht bisher keine Zusammenfassung derjenigen technischen
Entwicklungsgedanken, die gerade für unser Problem spezifisch sind.
Dies gab dem "Elektrotechnischen Verein zu Berlin" in Verbindung
mit dem "Außeninstitut der Technischen Hochschule zu Berlin" V er
anlassung, im Anfang des Jahres 1931 eine Vortragsreihe über dieses
Thema zu veranstalten, die von über sechshundert Hörern besucht
wurde. Es gelang, eine Reihe von maßgebenden Fachleuten für
die Vorträge zu gewinnen, die selbst an der Entwicklung teilgenommen
haben und daher die vielen Besonderheiten des Übertragungsproblems
aus eigener Kenntnis darstellen konnten.
In dem vorliegenden Buch sind im Anschluß an diese Vorträge zu
nächst die Grundlagen der Wechselstromübertragung und die Theorie
der langen Leitungen dargestellt mit den für die Fernübertragung
wichtigen Eigentümlichkeiten. Dann wird das Verhalten der Maschinen
und Transformatoren behandelt, sowie die Kompensierung der
Blindleistung der Leitungen und ihre Regelung im Betrieb. Daran
schließt sich die Regelung der Kraftwerke in zusammenarbeitenden
Netzen und die Wirtschaftlichkeit der Übertragung, wobei auch
Gleichstromfernleitungen mit berücksichtigt sind. Zum Schluß werden
die schädlichsten Störungen der Fernübertragung durch Gewitter
erscheinungen und die Möglichkeit ihrer Beherrschung erläutert.
IV Vorwort.
Durch diese Unterteilung wurde angestrebt, Überdeckungen des
Inhalts nach Möglichkeit zu vermeiden. Nur dort, wo die Ansichten
sich noch nicht zu einer einheitlichen Meinung verdichtet haben, hat
jeder Mitarbeiter die Zusammenhänge unter seinem Gesichtswinkel
dargestellt.
Von der Bedeutung, die man unserem Problem innerhalb der
Elektrotechnik in den letzten Jahren zumißt, gibt das Literatur
verzeichnis am Schluß des Buches einen Anhalt. In ihm wurde ver
sucht, diejenigen Arbeiten aufzunehmen, die entweder neue Entwick
lungsgedanken oder Zusammenfassungen von Teilgebieten enthalten,
so daß dem Leser ein vertieftes Studium ermöglicht wird.
Berlin, im Dezember 1931.
R. Rüdenberg.
Inhaltsverzeichnis.
Seite
I. Grundlagen der Wechselstromübertragung. Von Prof. Dr.-Ing. u.
Dr.-Ing. e. h. R. Rüdenberg, Siemens Schuckertwerke A.-G., Berlin 1
A. Notwendigkeit des Energietransports 1
B. Energieverluste auf den Leitungen. . . . 7
C. Aufbau der Fernleitungen . . . . . . . 17
D. Übertragung auf verlustfreien Leitungen . 23
E. Kompensierung langer Fernleitungen 32
F. Anpassung von Station und Leitung. . . 41
G. Zusammenwirken von Kraftwerk und Leitung 47
H. Fernleitung mit Teilstrecken . . . . . . . . 57
II. Theorie der langen Leitungen. Von Dr. phil. K. Pohlhausen,
Siemens Schuckertwerke A.-G., Berlin . . . . . . . . . . . . . 68
A. Mathematische Grundlagen . . . . . . . . . . . . . 68
B. Leitungsdiagramme für Spannungs- und Stromverlauf 77
C. Näherung für kurze Leitungen 84
D. Zusammengesetzte Leitungen . . . 86
E. Leistungsdiagramme . . . . . . . 95
F. Bestimmungsstücke für den Betrieb 105
III. Verhalten der Maschinen und Transformatoren. VonDr.-Ing. A.Mandl,
Allgemeine Elektricitäts-Gesellschaft, Berlin . 116
A. Statische Stabilität . . . . . . . . . . . . . . . 116
B. Dynamische Stabilität . . . . . . . . . . . . . . 145
C. Entwurf der Maschine mit Rücksicht auf Stabilität. 165
D. Erregeranordnungen . . . . . . . . . . . . . . . 170
E. Leistungs- und Spannungsregler. . . . . . . . . . 174
IV. Kompensierung und Regelung der Leitungen. Von Dr.-Ing. E. Fried-
länder, Siemens Schuckertwerke, A.-G., Berlin . . 182
A. Aufgaben der Blindleistungskompensation . . . 182
B. Verhalten der kompensierten Leitung im Betriebe 183
C. Kompensation und Stabilität . . . . . . . . . 200
D. Vergleich der Kompensationsmittel und ihrer Steuerung . 209
E. Die Spannung als Regelmaß der Kompensierung . . 218
F. Die Blindleistung als Regelmaß der Kompensierung. . . 230
G. Vergleich zwischen Freileitung und Kabel . . . . . . . 237
V. Regelung der Kraftwerke beim Zusammenschluß. Von Prof. Dir.
A. Rachel, A.-G. Sächsische Werke, Dresden 240
A. Spannungs- und Blindleistungsregelung. 240
B. Grundlagen der Wirkleistungsregelung . 249
C. Regelungsarten beim Zusammenschluß . 255
D. Die Regelung verkuppelter Netze 262
E. Regelung bei Störungen . . . . . . . 273
VI Inhaltsverzeichnis.
Seite
VI. Wirtschaftlichkeit der Drehstrom- und Gleichstrom-Übertragung.
Von Prof. Dr.-Ing. H. Piloty, Allgemeine Elektricitäts-Gesellschaft, Berlin 284
A. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 284
B. Beanspruchung von Leitungen durch Gleichspannung . . 285
C. Zusammenhang zwischen Belastung und Wirkungsgrad . 289
D. Allgemeine Gesetzmäßigkeiten für die Wirtschaftlichkeit 292
E. Wirtschaftlichkeit von Drehstromleitungen . . . . . . . 309
F. Erzeugung und Verwendung von hochgespanntem Gleichstrom. 314
G. Wirtschaftlichkeit von Gleichstromleitungen . . . . . . . . . 320
H. Anhang. Abriß einer Theorie der Konstantspannungs-Wechselstrom-
leitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 327
VII. Überspannungsstörungen der Fernübertragung. Von Prof. Dir.
A. Matthias, Technische Hochschule, Berlin. 333
A. Einführung . . . . . . . . . . 333
B. Natur der Gewittereinflüsse. . . . . . . 334
C. Wirkung auf die Leitungsanlage 337
D. Bekämpfung der Gewitterüberspannungen 341
E. Verlauf der Wanderwellen 343
F. Überspannungsschutz. 346
G. Schaltüberspannungen 352
Literaturverzeichnis. 355
Sachverzeichnis 366
I. Grundlagen der W echselstromübertragung.
Von R. Rüdenberg, Berlin.
A. Notwendigkeit des Energietransports.
1. "Übertragung der Energie. Die räumlichen Gebiete auf der Erd
oberfläche, an denen die Energie des Wassers, der Kohle oder des Öles
in großer Menge anfällt, sind durch die Natur gegeben. Manchmalliegen
Bmrfl I
A 1Z500 (8900/
8 3100
c,•Cz 38J(J()(J (tiO(J()(J}
0 19110() (Ziff{]l)}
( 1330 (1701))
F,•r,
+05 {7too)
() *150 lf0301J)
H Sf(J()(J (2~200)
J 315000
..
Bszil'k
1550
c 1,5
d 10/)
Steinkohle e,•ez•83 T(J()(J
8NJunkohle t, ··~·r.·r,•,•f, 3950
- ·Wasser g,•g,•g,.g,•gs 90
II IJO
ji(1~0 ~lrWi1d1)7lnKltillrltliflemi l 1l1r, ••1~1tz •lrJ zZu1o8
11+11•~•4•/s 12100
Abb. 1. Energievorräte von Steinkohle, Braunkohle und Wasserkräften ln Deutschland
in Milliarden kWh und Erzeugung in Millionen kWh pro .Tahr.
sie in unwirtlichen Gegenden, wie z. B. bei großen Wasserkräften in
den Bergen. Die Orte des· Energieverbrauchs sind meistens von den
Menschen frei gewählt und liegen häufig im Flachland, am Meer oder
in anderen Gegenden mit guten Verkehrsmöglichkeiten.
Abb. 1 zeigt als Beispiel für das Gebiet des Deutschen Reichs die
Energievorräte, die in Form von Steinkohle, Braunkohle oder
Rüdenberg, Leistungsübertragnng. 1
2 I. R. Rüdenberg: Grundlagen der Wechselstromübertragung.
Wasserkraft verfügbar sind. Dabei sind die dem heutigen Stande ent
sprechenden jährlichen Erzeugungsmöglichkeiten einheitlich in Mil
lionen Kilowattstunden angegeben. Man erkennt eine Häufung der
Steinkohlenvorräte im Rheinland und Oberschlesien, eine Häufung der
Braunkohlenvorräte in Mitteldeutschland und eine Häufung der Wasser
kraftvorkommen in den Alpen. Im Gegensatz dazu stellt Abb. 2 den
elektrischen Energieverbra.uch innerhalb Deutschlands dar, wo
bei jeder der eingetragenen Punkte jährlich 25 Millionen Kilowatt-
Abb. 2. Verteilung des Stromverbrauchs in Deutschland nach Millionen kWh.
stunden bedeutet. Am Niederrhein hat sich der Stromverbrauch un
mittelbar am Anfallorte der Steinkohle angesiedelt, jedoch sind die
anderen Konzentrationsstellen, vor allem die in Groß-Berlin, schon
merklich entfernt von den Bezirken des Energieanfalls.
Es ist daher nötig, die Energie vom Orte des Anfalls zum
Orte des Verbrauchs zu transportieren. Dies kann in der
potentiellen Form der Kohle oder des Öls durch Schiffe und Eisen
bahnen erfolgen, oder in kinetischer, leicht und direkt verwertbarer
Form durch elektrischen Strom, Druckluft, Gas oder ähnliche Agenzien.
Aus Abb. 3 sieht man, daß beim mechanischen Energietransport die
Kohle durch die Eisenbahn von der Grube dem Kraftwerk zugeführt
wird, um dort in elektrische Energie verwandelt zu werden. Bei der
A. Notwendigkeit des Energietransports. 3
Fernleitung durch eine Hochspannungsleitung nach Abb. 4 steht das
Kraftwerk dagegen auf der Grube und formt die Energie der Kohle
dort unmittelbar in elektrische um, die ihrerseits in die Ferne übertragen
wird.
Für die Kosten des mechanischen Energietransports ist
der Gütertarif unserer Eisenbahnen maßgebend, dessen Zahlen in
Abb. 3 für Steinkohle angegeben sind. Er ist mit Absicht so gestaffelt,
Tarif für t.clnkohlc: Kompensiert • 200 kV -Leitung.
km Jt.l{/t Zinsfuß 12% i. J.
I fo!nCrMicvcriusl<' :1,3% ffir 100 km.
100 4,30 hrrtraRungsk tcn
500 14,111 I,M 1>1((/k\\'h 11. 1000 km.
1000 J 7,50
Abb. 3. Versandkosten der Energie bei Abb. 4. Versandkosten der Energie bei Über
Transport durch die Eisenbahn. tragung durch Hochspannungsleitung.
daß der Versand auf große Entfernungen verhältnismäßig billiger ist
als auf geringe, um auch den entfernt von der Grube liegenden Lan
desteilen den Vorteil billiger Kohle zukommen zu lassen. Für die elek
trische Energieübertragung ist ein Kraftwerk angenommen, das
als Durchschnittswert bei 5000 Betriebsstunden im Jahre 0,75 kg
Steinkohle pro Kilowattstunde verbraucht. Dieselbe koste an der
Grube 1,25 Pfg/kWh, wozu noch für Verzinsung und Amortisation der
Kraftwerkskosten 0,75 Pfg/kWh treten, so daß mit einem Erzeugungs
preis von 2,0 Pfg/kWh gerechnet werden kann. Auf dieser relativ hohen
Selbstkostenbasis für den
Strom ergeben sich die in Tabelle I.
Abb. 4 angegebenen Über Übertragungskosten der Energie.
tragungskosten der 200 k V Entfernung Transportkosten in Pfg;kWh
Fernleitung von 1 ,54 Pfg/kW h km mechanisch elektrisch
und 1000 km.
100 0,32 0,15
In Tabelle 1 sind die Über 500 1,05 0,77
tragungskosten für ver 1000 1,30 1,54
schiedene Entfernungen
zusammengestellt. Die elektrischen Transportkosten sind proportional
der eben errechneten Zahl, die mechanischen Transportkosten ergeben
sich aus dem vorher genannten Kohlenverbrauch für die Kilowatt
stunde und dem Gütertarif. Der Vergleich ergibt bis zu etwa 800 km
Entfernung eine Überlegenheit des elektrischen Energietransportes.
Von da ab wird der Eisenbahntr11,nsport der Steinkohle billiger, dies
J*