Table Of ContentElastizität und Festigkeit
im Rohrleitungshau
Statische Beremnung der Rohrleitungen
und ihrer Einzelteile
Von
Helmut von Jürgensonn, VDI
Ingenieur der Vereinigter Rohrlt>itungsbau G.m.b.H.
Berlin-Mariendorf
Mit 248 Textabbildungen
und 16 Tabellen
Springer-Verlag Berlin Heidelberg GmbH 1940
ISBN 978-3-662-35942-6 ISBN 978-3-662-36772-8 (eBook)
DOI 10.1007/978-3-662-36772-8
Alle Rechte, insbesondere das der Übersetzung
in fremde Sprachen, vorbehalten.
Copyright 1940 by Springer-Verlag Berlin Heidelberg
Ursprünglich erschienen beiJulius Springer in Berlin 1940
Softcoverreprint ofthe bardeover 1st edition 1940
Vorwort.
Die in den letzten Jahren erfolgte äußerst rasche Entwicklung
des Hochdruck-Rohrleitungsbaues und die starke Inanspruchnahme
aller, besonders der technischen Fachkräfte, machte das Fehlen eines
zusammenfassenden Werkes über die statische Berechnung von Rohr
leitungen und ihrer Einzelteile besonders unangenehm bemerkbar. Die
genaue Kenntnis der Elastizität der Rohrleitung gewinnt mit steigenden
Betriebsdrücken und Temperaturen an Bedeutung. So vielseitig und
umfangreich zum Teil die in dieser Beziehung auftauchenden Probleme
sind, so wenig Zeit hat gewöhnlich der in der Praxis stehende Ingenieur,
sich die erforderlichen Berechnungsgrundlagen selbst zu schaffen.
"Aus der Praxis für die Praxis" war der Leitfaden für die Ent
wicklung dieser Arbeit. Das Buch ist daher auch in erster Linie für den
mit dem Entwurf oder der Bauleitung einer Rohrleitungsanlage beauf
tragten Ingenieur bestimmt. Deswegen sind bei der Behandlung des Stoffes
nur die notwendigsten theoretischen Entwicklungen berücksichtigt. Es
wurde der größte Wert darauf gelegt, solche Berechnungsverfahren
auszuwählen bzw. zu entwickeln, die ein Mindestmaß an Zeit und Mühe
erfordern und eine hohe Genauigkeit besitzen. Gleichzeitig war es wichtig,
die Rechenarbeit selbst in eine Norm einzufügen, die an die Überlegung
und Aufmerksamkeit des Rechnenden die geringsten Anforderungen stellt.
Soweit wie möglich wurden dafür auch Linientafeln ausgearbeitet.
Zahlreiche Rechenbeispiele erläutern die praktische Anwendung der
gegebenen Richtlinien.
Es erschien nicht angebracht, den theoretischen Aufbau der Berech
nungsverfahren ganz fallen zu lassen, da sonst das Verständnis der inneren
Zusammenhänge beeinträchtigt und die Beurteilung der Grenzen der
Gültigkeit und Genauigkeit erschwert wäre. Besonders bei einem ein
gehenderen Studium dieses Gebietes würde man das Fehlen der theore
tischen Grundlagen als Mangel empfinden.
Es muß zugegeben werden, daß ungeachtet der weit fortgeschrittenen
technischen Entwicklung doch noch einige Fragen offen bleiben, die
IV Vorwort.
einer gründlichen Erforschung wert sind. Als Beispiel sei nur die einwand
freie, auf wirklichkeitsgetreuen Annahmen aufgebaute Berechnung fester
Flansche, oder die genaue Spannungsermittlung in Faltenrohrbogen
genannt, wofür bisher fast keine theoretisch nachprüfbaren Versuchs
werte vorliegen. Das sind Aufgaben, die einer späteren ruhigeren Ent
wicklungszeit vorbehalten bleiben.
Für das mir bei der Durchführung dieser Arbeit gezeigte verständnis
volle Entgegenkommen möchte ich an erster Stelle Herrn Direktor
F. SCHWEDLER meinen Dank aussprechen. Desgleichen bin ich auch
meinem Mitarbeiter, Herrn Dipl.-Ing. U. HIEMESCH, für seine Unter
stützung bei der Untersuchung einiger theoretischer Fragen und bei der
Sichtung und Auswertung ausländischen Schrifttums zu Dank ver
pflichtet.
Berlin, im Oktober 1940.
H. v. Jürgensonn.
Inhaltsverzeichnis.
Seite
Einführung . . . . . . 1
A. Festigkeitsberechnung der Rohre . 3
I. Allgemeine Grundlagen. 3
l. Grundbegriffe der Festigkeitslehre 3
2. Einfluß der Temperatur. Dauerstandfestigkeit . 9
3. Kerbschlagzähigkeit . . . . . . . . . . . 13
II. Rohrwerkstoffe und ihre Eigenschaften 14
l. Unlegierte und legierte Rohrstähle 14
2. Elastizitätsmodul . . . . . . . . . . . . 18
3. Begriff der Sicherheit . . . . . . . . . . 19
III. Einfluß von Druck und Temperatur auf die Rohrwand 20
l. Ermittlung der Wandstärke für einfache Fälle. . . . . . . 21
2. Wandstärkenberechnung für Sonderfälle und bei starkwandigen
Rohren . . . . . . . . . . . . . . . . 26
3. Einfluß der Wärmespannungen im Rohr 36
IV. Die Wärmedehnung und ihr Ausgleich 38
l. Allgemeine Grundlagen . . . . 38
2. Künstlicher Dehnungsausgleich . 40
a) Stopfbüchsenausgleicher. 41
b) Linsenausgleicher. . . . . 42
c) Metallschlauchausgleicher . 42
d) Kugelgelenkkompensatoren 44
e) Lyrabogenausgleicher . . . 44
3. Natürlicher Dehnungsausgleich . 44
4. Rechnerische Grundlagen für die Wärmedehnung 47
5. Begriff der Vorspannung. . . . 50
H. .E lastizitätsberechnung der Rohrleitungen . . . . . . . . 51
I. Berechnungsgrundlagen . . . . . . . . . . . 51
l. Biegungsmoment und Biegungs~:~paruwug im Rohr 51
2. Drehmoment und Drehspannung im Rohr. . . . 5ü
II. Berechnung der Elastizität von ebenen Rohrsystemeu. 59
l. Grundbegriffe der Berechnung . . . . . . . . : 59
a) Ebene Rohrsysteme mit Gelenkfestpunkten. . . . . . . üO
b) Ebene Rohrsysteme mit Einspannfestpunkten . . . . . . 71
c) Ebene Systeme einerseits eingespannt, andererseits mit Gelenk-
festpunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74
d) Zusammen;assender Vergleich der bishe.·igen Annahmen 77
2. Biegungsverhältnisse im gekrümmten Rohr . . . 79
a) Theorie der gekrümmten Träger. . . . . . . . . . . 79
b) Querschnittsabplattung und KARMANsche Zahl . . . . 81
c) Einfluß der KARMAN-Theorie auf die Spannungsverhältnisse in
Bogenrohren . . . . . . . . . . . . . 87
d) LoRENZsche Zahl . . . . . . . . . . . 96
e) Berechnungsgrundlagen für Bogenrohre. 96
VI Inhaltsverzeichnis.
Seite
3. Verschiedene Berechnungsverfahren ebener Rohrsysteme 101
a) Berechnungsvorschlag des Verfassers . . . . . . . 102
b) Berechnungsverfahren nach MARBEC . . . . . . . 135
c) Berechnungsart nach M. CuTCHAN und S. CROCKER 147
d) Verfahren nach C. T. MITCHELL . . . . . 169
e) Verfahren nach F. PEITER und M. J. FISH . . . . 176
f) Berechnung von Sonderfällen . . . . . . . . . . 178
g) Kritischer Vergleich der behandelten Berechnungsverfahren 187
III. Berechnung der Elastizität räumlicher Systeme. . . . . 192
1. Berechnungsgrundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193
2. Berücksichtigung der Bogen in räumlichen Systemen . . . . . 196
3. Verschiedene Berechnungsverfahren für räumliche Rohrsysteme 201
a) Berechnung nach ABEL . . . . . . . . . . . . 201
b) Berechnungsvorschlag des Verfassers . . . . . . 215
c) Berechnung nach M. CuTCHAN und S. CROCKER . 241
d) Berechnung nach MITCHELL . . . . . . . . . . 259
e) Kritischer Vergleich der Berechnungsverfahren . 263
IV. Zusammenfassende Beurteilung der Elastizitätsberechnung 264
1. Einfluß von Druck und Temperatur . . 265
2. Zusammensetzung der Beanspruchungen 266
a) Größtspannungshypothese. . . . . 269
b) Größtdehnungshypothese . . . . . 269
c) Größtschubspannungshypothese . . 270
d) Gestaltsänderungsenergiehypothese . 271
e) Praktische Anwendung . . . . . . 272
C. Berechnung der Flansche und Flanschverbindungen 278
I. Allgemeine Grundlagen . . . . . 278
1. Grundsätzliche Bauarten . . . . . 278
2. Vorspannung und Betriebsbelastung 280
a) Belastungsfall mit gleichen Federwer~en 283
b) Belastungsfall mit ungleichen Federwerten 285
3. Der Dichtungsdruck . . . . . . . . . . . . 290
4. Werkstoffauswahl und Eigenschaften . . . . 293
5. Temperaturverteilung innerhalb der Flanschverbindung . 298
II. Elastizität innerhalb der Flanschverbindung 302
1. Federwert der Schrauben 302
2. Federwert des Gewindes 303
3. Federwert der Flansche 306
a) Lose Flanschen . . . 307
b) Feste Flanschen . . . 309
4. Federwert der Dichtung und der sonstigen Teile . 316
III. Beanspruchung innerhalb der Flanschverbindung. 323
1. Beanspruchung der Schrauben . . . . . . 323
2. Beanspruchung der Flanschen . . . . . . 330
a) Berechnung nach DIN 2506 bzw. 2505. 330
b) Vorschlag von Tn.!:osHENKO . . . . . . 332
c) Vorschlag von WATERS und TAYLOR 334
d) Vorschlag von HoLMBERG und AxELSON 336
3. Wärmespannungen in einem Flansch 340
4. Lebensdauer der Flanschverbindung 343
Weiteres Schrifttum . . . . . . . . . 352
Verzeichnis der Zahlenbeispiele. VII
Verzeichnis der Zahlenbeispiele.
Belspiel Gegenstand Seite
1 Wandstärke für DIN-Rohr 200 NW für 30 atü 400° C . 23
2 Wandstärke für Hochdruckrohr 150 NW für 80 atü 500° C nach
der normalen Formel . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23
3 Wandstärke für Hochdruckrohr 150 NW für 80 atü 450° C nach
der Hochdruckformel . . . . . . . . . 34
4 Temperaturspannungen in der Rohrwand . . . . . . . . . . 37
5 Z-Bogen beiderseits mit Gelenkfestpunkten . . . . . . . . 69
6 Z-Bogen einerseits eingespannt, andererseits mit Gelenkfestpunkt · 76
7 Querbiegungsspannungen nach KARMAN für Z-Bogen aus Bei-
spiel 5 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92
8 Aufnahmefähigkeit eines U-Bogen-Kompensators . . . . . . 116
9 Winkelbogen beiderseits mit Einspannfestpunkten (Berechnung
mittels Linientafeln) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119
10 Unsymmetrischer Z-Bogen, sonst wie im Beispiel 9 . . . . . 122
11 Z-Bogen aus Beispiel5, jedoch genaue Berechnung unter Berück-
sichtigung der Bogenabflachung . . . . . . . . . . . . . 124
12 Schwanenhalsbogen bestehend aus zwei Teilen mit verschiedenen
Rohrdurchmessern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126
13 Z-Bogen aus Beispiel 11 mit Hilfe des MARBEc-Verfahrens 142
14 Winkelbogen aus Beispiel 9 mit Hilfe des Verfahrens von CuT-
CHAN (biegungssteife Ecken). . . . . . . . . . . . . 155
15 Turbinenanschlußbogen nach dem Verfahren von CuTCHAN
(unter Berücksichtigung der Bogen) ........· . . . 160
16 Z-Bogen aus Beispiel5 mit Hilfe des Verfahrens von MrTCHELL 172
17 Z-Bogen aus Beispiel 16 mit Hilfe des Verfahrens von PEITER
und FrsH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177
18 Sonderfall eines Verteilungssystems mit drei Festpunktenden
nach dem Verfahren von CuTCHAN . . . . . . . . . . . 178
19 Räumliches System nach dem Vorschlag von ABEL (mit bie-
gungssteifen Ecken) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211
20 Räumliches System nach dem Vorschlag des Verfassers unter
Berücksichtigung der Bogen . . . . . . . . . . . . . . 230
21 Räumliches System aus Beispiel 20 nach dem Verfahren von
CUTCHAN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246
22 Räumliches System in Anlehnung an das Verfahren von MrTCHELL 261
23 Zusammensetzung der Beanspruchungen nach den verschiedenen
Hypothesen . . . . . . . . . . . 27 5
24 Durchbiegung eines losen Flansches . . . . . . . . . . . . 314
25 Durchbiegung eines festen Flansches . . . . . . . . . . . . 315
26 Verspannungsverhältnisse einer Flanschverbindung gemäß Bei-
spiel 24 und 25 . . . . . . . . . . . . . . . 318
27 Temperaturspannungen in einem Flansch . . . . . 343
28 Lebensdauer der Flanschverbindung aus Beispiel 26 347
VIII Verzeichnis der Tabellen.
Verzeichnis der Tabellen.
Nr. Gegenstand Seite
I Festigkeitseigenschaften der Röhrenstähle . 16
2 Reaktionskräfte und Biegungsspannungen für ebene Rohr·
systeme mit Gelenkfestpunkten . . . . . . . . . . . . . 67
3 Trägheits-, Zentrifugal- und statische Momente für Bogen und
Gerade ebener Systeme (Vorschlag des Verfassers) 104
4 Beiwerte nach ABEL für räumliche Systeme . . . . . . . . 204
5 Zugehörigkeit der Trägheitsmomente und Wirkungsebenen . . 217
6 Formelzusammenstellung für räumliche Systeme nach dem
Vorschlag des Verfassers . . . . . . . . . . . . . 224
7 Festigkeitseigenschaften von Flanschenstählen 296
8 Festigkeitseigenschaften von Bolzen- und Mutterstählen 297
9 Federwerte für WHITWORTH-Gewinde nach DIN 11 .. 305
10 Beiwerte für Gewindeberechnung nach MADUSCHKA .. 325
11 Belastung der Gewindegänge für 3/4" bis J3j4" DIN 11 325
12 Biegungs- und Schubspannungen im Gewinde DIN 11 . 326
13 Vergleich der Ergebnisse verschiedener Flanschberechnungen . 339
14 Rohrträgheitsmomente 350
15 Rohrträgheitsmomente 350
16 Rohrträgheitsmomente 351
Einf'übrung.
Die Verwendung höchster Drücke und Temperaturen im Rohrleitungs
bau bedingt eine genaue Kenntnis aller auftretenden Kräfte und Span
nungen. Nicht erst für den Bau, sondern schon beim Entwerfen der
Rohrleitungsanlage, soll der Konstrukteur jeden Teil der Anlage nach
wirtschaftlichen Gesichtspunkten genau prüfen, um ein Höchstmaß an
Erfolg mit einem Mindestmaß an Aufwand zu erreichen.
Die im folgenden behandelten Fragen verdanken ihre ausführliche
Klärung in erster Linie der Höchstdrucktechnik Hier besteht in beson
derem Maße die Notwendigkeit, die zu erwartenden Kräfte und Be
anspruchungen rechnerisch so genau wie möglich zu erfassen, um dem
entsprechend die Werkstoffauswahl zu treffen. Selbstverständlich können
die gleichen Berechnungsverfahren sinngemäß auch für Rohrleitungen
niederer und mittlerer Drücke und Temperaturen angewandt werden.
Allerdings haben sich auf diesem Gebiet die Konstrukteure im Laufe
der Jahre ein gewisses Fingerspitzengefühl angeeignet. Dadurch ver
mögen sie bei· solchen Leitungen die Kräfte und Spannungen in gewissen
Grenzen sicher zu beurteilen und den Entwurf diesen Verhältnissen
instinktiv richtig anzupassen.
Der Höchstdruck-Rohrleitungsbau hat sich den Forderungen der
Industrie entsprechend äußerst rasch, beinahe sprunghaft, entwickelt.
Diesem Fortschritt der Technik ging natürlich auch eine theoretische
Erforschung voraus, nur blieb sie auf einzelnen Gebieten in den An
fängen stecken, weil man unter Zuhilfenahme von vereinfachenden
Annahmen und der sehr bequemen "Sicherheitszuschläge" auch ohne
genaue Rechnung zu bauen wagte. Auch blieben die wissenschaftlichen
Erkenntnisse auf einige wenige Spezialfirmen beschränkt, die ihre Be
rechnungsverfahren als ein großes Geheimnis streng hüteten.
Ganz abgesehen davon, daß dadurch jeglicher Erfahrungsaustausch
unterbunden war, blieben auch die Verbraucherkreise in bezug auf die
besonderen im Höchstdruck-Rohrleitungsbau herrschenden Verhältnisse im
Unklaren, so daß häufig auch heute noch widersprechende Forderungen
an die ausführenden Firmen gestellt werden.
Die besonderen Bedingungen des deutschen Rohstoffmarktes fordern
mehr denn je ein sparsames und wirtschaftliches Bauen. Unter Zuhilfe
nahme der theoretischen Erkenntnisse müssen die zur Verfügung stehen
den Werkstoffe sorgsam ausgewählt und ihren Eigenschaften ent
sprechend so weit wie möglich ausgenutzt werden. Trotzdem muß höchste
v. Jiirgensonn, Elastizität nnd Festigkeit. l