Table Of ContentStephen W. Hawking
E i n s t e i n s T r a u m
Expeditionen an die
Grenzen der
Raumzeit
Rowohlt
Was denkt und woran arbeitet der wohl
bekannteste Wissenschaftler unserer Zeit
heute, fünf Jahre nach Erscheinen seines
Weltbestsellers «Eine kurze Geschichte
der Zeit»? Der Band enthält autobiographi-
sche Skizzen und neue populärwissen-
schaftliche Aufsätze über Ursprung und
Zukunft des Weltalls, Schwarze Löcher und
Baby-Universen und die Möglichkeit einer
Theorie, die a l l e s erklärt.
«Ich gehöre nicht zu denen, die glauben,
das Universum sei und bleibe ein Ge-
heimnis, etwas, das man intuitiv erfassen,
aber niemals ganz analysieren und ver-
stehen kann. Das Weltall gibt uns immer
noch viele Rätsel auf, aber die großen Fort-
schritte, die wir besonders in den letzten
hundert Jahren erzielt haben, sollten uns in
der Überzeugung bestärken, daß ein voll-
ständiges Verständnis im Bereich unserer
Möglichkeiten liegt.»
Einsteins Traum von einer vollstän-
digen einheitlichen Theorie, die alle Phäno-
mene und Ereignisse im Universum in eine
umfassende Ordnung stellt, ist nicht in Er-
füllung gegangen. In seiner allgemeinen
Relativitätstheorie hat das Weltall eine fest-
gefügte, bestimmbare Struktur - und bis
ans Ende seines Lebens hat er sich gegen
die Quantenmechanik zur Wehr gesetzt, die
das Zufallsmoment, die prinzipielle Unbe-
stimmbarkeit einzelner Ereignisse in die
physikalische Forschung einführte. Ein-
steins berühmter Satz «Der liebe Gott wür-
felt nicht!» ist zum Motto seiner zweiten
Lebenshälfte geworden. Leider ist er falsch.
«Alles spricht dafür», schreibt Hawking,
«daß Gott ein unverbesserlicher Spieler ist
und bei jeder sich bietenden Gelegenheit
würfelt.»
So einfach, wie Einstein es sich vor-
stellte, ist unsere Welt also nicht beschaffen
- doch sein Traum lebt in den Köpfen der
Wissenschaftler unserer Tage weiter und
treibt auch Stephen Hawking zu seinen
Expeditionen durch die Weiten des Univer-
sums. Alles kreist bei ihm um die Frage: Wie
lassen sich die Erkenntnisse von Quanten-
und Relativitätstheorie zu einem konsisten-
ten Modell der Welt vereinen?
«Einsteins Traum» versammelt Texte,
die - mit Ausnahme des berühmten Auf-
satzes über die «Quantenmechanik Schwar-
zer Löcher» aus den siebziger Jahren - alle
zwischen 1987 und 1992 entstanden sind
und hier erstmals in Buchform vorgelegt
werden. Nach einigen kurzen autobiogra-
phischen Texten führt Hawking den Leser
mitten hinein in seine faszinierende Ge-
dankenwelt, wo sich Teilchen mit Überlicht-
geschwindigkeit fortbewegen, wo Schwar-
ze Löcher ihr Unwesen treiben und «stolze
Eltern kleiner Baby-Universen» werden.
Hawking entwickelt die in der «Kurzen
Geschichte der Zeit» dargestellten Gedan-
ken fort, präzisiert und erweitert sie und
probiert neue Wege aus. Wie denkt der wohl
berühmteste Wissenschaftler unserer Zeit
heute, fünf Jahre nach Veröffentlichung sei-
nes Bestsellers? In seiner klaren, anschau-
lichen Sprache und mit unerschütterbarem
Humor verführt Hawking den Leser, ihm zu
folgen. Sein Rat - nicht nur an den uner-
schrockenen Zeitreisenden, der durch ein
Schwarzes Loch fliegt -: «Denk imaginär!»
F
o
to
: M
iria
m
B
e
rk
le
y
Prof. Dr. Stephen W. Hawking,
1942 geboren, Physiker und Mathematiker
an der Universität Cambridge, wo er 1979
zum «Lukasischen Professor» ernannt wur-
de, ein angesehenes Lehramt, das vor ihm
Newton und Paul Dirac bekleideten. 1988
erschien bei Rowohlt sein Weltbestseller
«Eine kurze Geschichte der Zeit», 1992 der
von ihm herausgegebene Band «Stephen
Hawkings Kurze Geschichte der Zeit».
Stephen W. Hawking
Einsteins Traum
Expeditionen
an die Grenzen
der Raumzeit
Deutsch von
Hainer Kober
Rowohlt
Die Originalausgabe erschien 1993
unter dem Titel «Black Holes and Baby Universes and
Other Essays» im Verlag Bantam Books, New York
Umschlaggestaltung Susanne Müller
1.-30. Tausend September 1993
31.-40. Tausend Oktober 1993
Copyright © 1993 by Rowohlt Verlag GmbH,
Reinbek bei Hamburg
«Black Holes and Baby Universes and Other Essays»
Copyright © 1993 by Stephen Hawking
Alle deutschen Rechte vorbehalten
Satz Aldus (Linotronic 500)
Gesamtherstellung Clausen & Bosse, Leck
Printed in Germany
ISBN 3 498 02919 3
Inhalt
Vorwort 8
Kindheit 11
Oxford und Cambridge 25
Meine Erfahrung mit ALS 33
Öffentliche Einstellungen
zur Wissenschaft 41
Eine kurze Geschichte
der Kurzen Geschichte 47
Mein Standpunkt 55
Einsteins Traum 63
Der Ursprung des Universums 81
Die Quantenmechanik Schwarzer Löcher 97
Schwarze Löcher und Baby-Universen 113
Ist alles vorherbestimmt? 127
Die Zukunft des Universums 141
Desert Island Discs
Ein Interview 159
Register 181
Vorwort
In diesem Band sind Arbeiten gesammelt, die ich zwi-
schen 1976 und 1992 geschrieben habe - autobiographische
Skizzen, wissenschaftsphilosophische Überlegungen und Versu-
che zu erklären, warum mich die Physik und das Universum so
faszinieren. Das Buch endet mit der Abschrift der «Desert-Is-
land-Discs»-Sendung, zu der ich eingeladen war. Diese Radio-
sendung ist eine typisch britische Institution, bei der jeweils ein
Gast gebeten wird, sich vorzustellen, es würde ihn auf eine ein-
same Insel verschlagen und er dürfe sich acht Schallplatten aus-
suchen, um sich mit ihnen die Zeit bis zu seiner Rettung zu ver-
treiben. Glücklicherweise mußte ich nicht allzu lange warten, bis
ich wieder in die Zivilisation zurückkehren durfte.
Da diese Arbeiten über einen Zeitraum von sechzehn Jahren
entstanden, geben sie den jeweiligen Stand meines Wissens wie-
der, das sich, wie ich hoffe, im Laufe der Jahre erweitert hat. Ich
nenne deshalb die Daten und die Anlässe, für die die Texte ge-
schrieben wurden. Da jeder als in sich abgeschlossene Einheit
konzipiert war, kommt es unweigerlich zu einem gewissen Maß
an Wiederholungen. Ganz ist mir der Versuch, sie zu beseitigen,
nicht gelungen.
Einige Beiträge in diesem Buch waren in ihrer ursprünglichen
Fassung Vortragsmanuskripte. Schon in den siebziger Jahren war
meine Stimme so verzerrt, daß ich meine Vorlesungen und
Vorträge von anderen halten lassen mußte, gewöhnlich von einem
meiner Doktoranden, der mich verstehen konnte oder einen Text
vorlas, den ich geschrieben hatte. Doch 1985 mußte ich mich
einer Operation unterziehen, die mir meine Stimme völlig raubte.
Eine Zeitlang hatte ich überhaupt keine Verständi-
gungsmöglichkeit mehr. Schließlich bekam ich ein Computersy-
stem mit einem hervorragenden Sprachsynthesizer. Zu meiner
Überraschung stellte ich fest, daß ich bei öffentlichen Vorträgen
gute Resonanz fand und in der Lage war, ein großes Publikum
anzusprechen. Es macht mir Freude, wissenschaftliche Sachver-
halte zu erklären und Fragen zu beantworten. Sicherlich muß ich
noch viel lernen, um mich darin zu verbessern, aber ich hoffe, daß
ich Fortschritte mache. Sie können sich selbst ein Urteil darüber
bilden, ob mir das gelingt, indem Sie die folgenden Seiten lesen.
Ich gehöre nicht zu denen, die glauben, das Universum sei und
bleibe ein Geheimnis, etwas, das man intuitiv erfassen, aber nie-
mals ganz analysieren und verstehen kann. Meiner Meinung nach
wird eine solche Sicht der wissenschaftlichen Revolution nicht
gerecht, die vor fast vierhundert Jahren von Galilei ausgelöst und
von Newton fortgeführt wurde. Diese beiden Männer zeigten, daß
sich zumindest einige Teile des Universums nicht willkürlich
verhalten, sondern von exakten mathematischen Gesetzen
bestimmt werden. Seither haben wir die Erkenntnisse von Galilei
und Newton fast auf jeden Bereich des Universums angewandt.
Heute verfügen wir über mathematische Gesetze, die alles
beschreiben, was unserer normalen Erfahrung zugänglich ist. Ein
Maß für unseren Erfolg ist die Tatsache, daß wir Milliarden
Dollar für den Bau riesiger Maschinen ausgeben müssen, um
Teilchen zu so hoher Energie zu beschleunigen, daß
wir nicht im voraus wissen, was bei ihrer Kollision geschehen
wird. Diese hochenergetischen Teilchen treten in gewöhnlichen
Situationen auf der Erde nicht auf, so daß es reichlich akademisch
und überflüssig erscheinen mag, soviel Geld in ihre Untersuchung
zu investieren. Doch es hat sie im frühen Universum gegeben,
und deshalb müssen wir herausfinden, was bei solchen Energien
geschieht, wenn wir verstehen wollen, wie wir und das
Universum begonnen haben.
Das Weltall gibt uns immer noch viele Rätsel auf, aber die
großen Fortschritte, die wir besonders in den letzten hundert
Jahren erzielt haben, sollten uns in der Überzeugung bestärken,
daß ein vollständiges Verständnis im Bereich unserer Mög-
lichkeiten liegt. Vieles spricht dafür, daß wir nicht dazu verurteilt
sind, auf ewig im dunklen zu tappen. Es ist möglich, daß uns
eines Tages der Durchbruch zu einer vollständigen Theorie des
Universums gelingt. Dann wären wir wirklich die «Masters of the
Universe».
Die wissenschaftlichen Artikel in diesem Buch sind in der
Überzeugung geschrieben worden, daß das Universum von einer
Ordnung bestimmt wird, die wir heute nur teilweise erkennen,
die wir aber in einer nicht allzu fernen Zukunft möglicherweise
vollständig verstehen werden. Es mag sein, daß diese Hoffnung
ein Luftschloß ist; vielleicht gibt es keine endgültige Theorie,
und selbst wenn, so bleibt sie uns unter Umständen verschlos-
sen. Aber es ist auf jeden Fall besser, nach umfassendem Ver-
ständnis zu streben, als am menschlichen Geist zu verzweifeln.
Stephen Hawking
31. März 1993