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Krieg 8 - Kunſt
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Grafen De la Rochea y mon,
Königl. Preußiſchen Major und vormals adiudanten des Prinzen
Beinrich von PreußenKönigl. Soheit, Bruder des Königs
Friedrichs II.
us dem franzöſiſch & n .
Non casu sedarte.
Vierter i hei I.
Mit fupfern und Charten.
We i mat
im Verlage des Landes :
Induftrie : Comptoirs.
18 0 5.
213751 -B.
나
AN.TS
Einleitung.
den vorhergehenden Theilen dieſes Wertes, habe ich
ie Grundſáře feſtzuſegen verſucht, nach welchen die ver:
hiedenen Truppenarten , aus welchen eine Armee beſtea
en muß, eingerichtet werden ſollen. Von nun an er:
ffnet ſich ein weites Feld, indem es darauf ankommt,
ieſe verſchiedenenCorps zu ſammelnund ſieſo mit einan:
er zu verbinden, daß ein jedes derſelben zur Ausfüh:
ung großer Manóvres, das ſeinige beitrage. Die
kunſt, welche dieſe Ausführung lehrt, nennt man die
óhere aktil.
Die höhere Taktik iſt eigentlich die Wiſſenſchaft der
Veerführer, indem ſie das Reſultat und die Vereinigung
'ler Militärkenntniſſe in fich faßt; denn ein Befehlshaber
er Urmee muß ein Mann ſeyn, der nicht nur alle dieſe
kenntniſſe beſikt, ſondern auch den Erfolg aller Waffen
irten zu berechnen, und ſie ſowohl einzeln als in Verbin:
Dung gehörig zu leiten, im Stande iſt.
Man húte fich indeſſen zu glauben, daß eine voll
ommene Einſicht in die höhere Saktif hinreiche,
Einleit,indieKr.SunftIV.Bb. 21
Saktif.
2
ein großer General zu feyn ; ſie iſt vielmehr nur das
Materielle der erhabenen Feldherrn -Kunſt. Die Ges
wohnheit, eine lange Erfahrung, ant,altendes Studium
und fleißige liebung, können einem Befehlshaber wohl
das Talent verſchaffen, einen Marſch von einem lager
zum andern gut anzuordnen und auszuführen; die Co
lonnen deployiren zu laſſen, und überhaupt die Truppen
auf der Stelle, wo ſie ſich befindent, in Bewegung zu
reken ; allein die höhere Taktik, vermittelſt welcher man
die Bewegungen, welche in der Sidhe oder im Angeſichte
des Feindes gemacht werden ſollen, anordnet, iſt nicht
hinreichend, den Plan zu einem Feldzuge zu entwerfen
und das zu einemKriege erforderlicheGanze einzurichten;
hier muß die Strategie oder die Wiſſenſchaft, Plane
von Feldzugen zu entwerfen, allein die Führerin ſeyn.
Die Strategie giebt die Regein an, nach wel,
then verfahren werden ſoll, und die høyere Taktik führt
ſie aus. Die Strategie bereitet das Ganze aller Opera:
tionen vor, und ſieht das inöglichſt erreichbare Ziel vor:
aus ; indem ſie die Hülfsquellen des Feindes, die Stár:
ke und Schwäche ſeiner Stellungen genau zu ergründen
ſucht, bereitet ſie in dieſem Falle eine Schlacht oder ein
1
Gefecht, in einem andern, 'eine Diverſion wor; mit ei:
nem Worte, fie beſtimmt im Voraus die Lager und
Srellungen wohin die Armee rich nach und nach bewe:
gen muß, um den Punkt zu erreichen, welcherder 3wce
des Feidzugs iſt. Die höhere Taktik giebt die Mittel
an die Sand, die Urmee ſo zu fülyren, daß durch fie all
måhlig diejenige Abſicht des Feldzugs, wozu die Strate:
1
Einleitung. 3
giedenGrund gelegt und die vorzüglichſten Verhaltungss
regein angegeben hat, erreicht werde.
Wir haben viele gute Taktiker, aber nur wenig
groß: Feldierren. Man glaube indeß nicht, daß dieß ein
Widerſpruch ſcy; denn ob man gleich das Beſondere eis
nes Marſches und das Ganze der verſchiedenen Truppens
arten , aus denen eine Armee beſteht, ſehr gut kennen,
und die Bewegungen nach dem Terrain, worauf ſie ſich
beſinden, anordnen kann; ſo folgt daraus noch gar
nid t, daß man im Stande ſey, einen vollſtändigen Ent:
wurf zu einem Feldzuge anzugeben. Ich behaupte ro gar,
daß die Strategie allein hinreicht, eine Armee zum Siege
zu führen , ohne ſich dabei der Taktit zu bedienen. Die
erſten Feldzuge des franzöſiſchen Revolutionskrieges ges
ben hievon ein auffallendes Beiſpiel. Ohne den Ruhin
einiger franzöſiſcher Generale verdunkeln zu wollen, fann
man behaupten, daß ſie im Anfange dieſes Kriegs die
Möglichkeit, ſich ohne gut geübte Armeen, gegen krieg
gewohnte Heere und taftiſche Führer derſelben, zu hal.
ten, nur den beſondern ſtrategiſchen Einſichten deſſen ver
danften , der die Feldzüge der republikaniſchen Armeen
leitete. *)
*) Zu jener Zeit legte man dem Herrn Garnot alle den Nurm
der Entwürfe zu den Feldzugen der franzöſiſchen Armeen ia
den Jahren 1793, 1704, 1795 u. 1. w: bei Ciit dieſer Zeit
aber, daer mehrUntheil an der Revolution ſelbſt nahnı, hat
man ihm jenen Ruhm zu entziehen getrachtet. Ich wage es
nicht, hierinein entſcheidendes ürtheit zu fåülen, nur kann ich
meine Bewunderung den Einjidhten des Mannes oder der mona
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4 Jaktik.
Die Franzoſen haben Schlachten verloren, Niederlas
gen erlitten, ſind bei ihren Angriffen zurückgetrieben
worben: dies konnte nicht fehlen, da ſie weder Taktit
noch Erfahrung hatten ; allein durch dieſe Unfálie wurde
der Erfolg ihrer Unternehmungen nur verzögert. Meh
rere Niederlagen verſchafften dem Frinde nur wenig Ter:
rain, und ein einziges glückliches Internehmen der Frans
joſen, mußtees ihm, ſo groß es auch war, ſofort wieder
entreißen; ſo waren in ſtrategiſder Hinſicht die Derter
berechnet, wo ſich die Franzoſen ſchlugen oder wohin ſie
ſich zurückzogen.
Dagegen haben die Generale der Lüiirten, als
bloße Taktikter, faſt kein einziges Gefect geliefert, von
welchem man ſagen konnte, daß fie auf irgend ein ſtrax
tegiſches Ganzes Bezug hatten. Nur dadurch können
fie entſchuldigt werden , wenn man ſagt, daß ſie von
ihren Cabinettern gehindert waren; daß die Miniſter,
welche ſtets auf die Gegenrevolution im Innern , womit
man ſie tåuſchte, rechneten , nur glänzende Erfolge zu
haben wünſchten; und daß, indem ſie hierauf warteten,
fie den Krieg auf eine ſolide Art ju führen , welches zwar
einen langſamern aber regelmäßigern Gang genommen
haben würde, verhinderten.
ner, welche die Franzoſen in Unternehmungen geleitet haben,
die mit ſo ruhmvollem Erfolge gekrönt worden ſind, nicht ver:
ſagen. Mihi Galba, Otho, Vitellius, nec beneficio, nec
injuria cogniti. Tacit. Hift. Libr. I. Sect. I.
Einleitung.
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Dieſe turze Ueberſicht, wird die Eintheilung, wel:
dhe ich in dieſem Bande befolgt habe, rechtfertigen.
Das erfteBuch enthält alleRegeln und Beweguns
gen der höhern Taltit. Das zweite enthalt einzig und
allein die Strategie oder die Wiſſenſchaft, Plane von
Feldzugen zu entwerfen.
Ich werde mich bemühen i allé Grundbegriffe diefer
erhabenen Kunſt darin zu vereinigen, ohne welche es
weder einen großen Feldherrn noch eine gut angeführte
Armeegeben kann.
Wie bedeutungsvol find nicht die Wörter: Felda
berr und armee! Welche unendlicheZahl von Ideen
ftellenſie unſerer Phantaſie nicht dar!
Meine Abſicht war anfangs, dieſe Einleitung durch
die Schilderung eines Feldherrn, wie er ſeyn ſollt, zu be
fdhließen; allein ich wurde ſehr bald überzeugt, daß eine
ſolche Schilderung aufzuſtellen nur einem volltommenen
Feldherrn ſelbſt zuſtehe, und mein Erſtaunen und meine
Ehrfurcht, für die faſt übermenſchlichen, moraliſchen und
phyfifchen Kräfte, die ein ſolcher Heerführer in ſich vereis
nigen muß, war ſo groß, daß ich dieſen Vorſak gang
aufgab. Ja es ſcheint, als ob die Natur kaum alle
Sahrhunderte einmal, nur deshalb ein ſolchesJdeal ſchaf.
fe., um der Größe desmenídlichen Geiftes zur Epoche zu
dienen.
6 Laktik.
Wie angenehm würde es mir nicht geweſen ſeyn,
bas Gemälde desjenigen Generals zu entwerfen, in deſſen
Dienſten ich 10Jahrezu ſtehen dieEhrehatte;*) allein ſo
*) Menn des Prinzen Heinrichs militäriſcher Ruhm juallges
mein bekannt iſt, als daß es irgend einer Erinnerungan den
ſelbenbedürfe, ſo verdienen ſeine bürgerlichen Jugenden keis
nen geringern Grad der Hufmerkſamkeit. Bei ihm hatte die
Jugend ſtetsihrenWerth. Er lobte fie, ſogar inſeinenFeins
den. So oft er von ſeinen Kriegsbegebenheiten reden mußte,
ſelbſt in den Briefen an den Hof, prieß er den guten Rath
des einen, die Kühnheit des andern; jeder fand ſich an der
rechten Stelle erwähnt; und indem er von allen ſprach, und
allen loo austheilte, wußte man nicht wo man tas anbrina
gen ſollte, was er ſelbſt gethan hatte. Ohne Neid, ohne
Beſchônigung, ohne Prunk, immer gleich groß imHandeln
und imNuhen, ſah man ihn in Nheinsberg wie an der Spige,
ſeiner Truppen. Er mochte nun dieſen Aufenthalt verſchd.
nern oder ein lager mitten im Feindeslande befeſtigen, eine
Feſtung inStand Teßen; er mochte mit ſeinemHeere mitten in
Gefahren ſich begeben; oder mit ſeinen Freunden in ſeinen
prachtigen Baumgången luſtwandeln; es war immer derſelbe
großeMann; fein Ruhm folgte ihmallenthalben. Wie ſchön
iſtes nach dem lärmen derWaffen undSchlasten, noch jenen
friedlichen Jugenden, jenem ſtillen Nuhm ſich ergeben zu kön:
nen, denman ſowenig mit ſeinenKriegern als mit dem Grücke,
zil theilen hat; woalles reizt,, undnichtsblendet; wechenman
vorAugen hat, ohne von demGeſchmeiter derTrompete, noch
von dem Donner des Geſchůrce, noch von dem Webklagen der
Berwundeten erſdüttert zu werden, wo der Menſch allein er:
dheint, eben ſo groß, eben ſo geachtet, als wenn er ſeine Be
fehleaustheilt, und ſich alles aufſeinen Wint bewegt.
DieſeSteſle iſtausBoſſuet entlehnt, in ſeiner Oraiſon fu
nèbredes Großen Condé S. 468. Bloß der Nahme Rheins
1
Einleitung.
7
groß auch meine Bewunderung war, fo geringe waren
meine Kräfte. Vergebens bat ich ihn inſtåndigſt meine
Hand bei dieſem Gemälde zu leiten, allein ſeine Beſchei
denheit, legte ſich meinenBemübungen immer ftandhaft
entgegen. NurTúrenne war ſtets das Ideal, welches er
mir darſtellte, Turenne nur, mußte ſeiner Meinung
nach jedem, der Militärtugend und Talent vereinigen
wollte , zum Mufter dienen.
bergiſtan dieStelledesNahmensChantillygekommen. Nichts
ift kunſtloſer undleichter als die Vergleichung zwiſchen zwci
großen Männern. Ichberufe mich aufdasZeugniß allerderer,
die dasGlúc gehabt haben, in die Nähe des PrinzenHeinrich
jukommen; ich frage fie, ob man mid derSchmeicheleizeihen
kann, wenn ich obigeStelle aufibn anwende!
1
E r ſt e 8 Buch.
Saſtrametation. Oder von der Kunſt ein Lager;
nach Beſchaffenheit des Terrains und der Um:
ſtånde zu nehmen.
Allgemeine Regeln.
Die Saftrametation iſt diejenige Kunſt, welche lehrt,
Lager abzumeſſen und abzuſtecken; die Vortheile ihrer
lage einzuſehen und ibren Fehlern abzuhelfen.
Ein Lager iſt eine Strecke Landes, welche eine Ur:
mee einnimmt, fich dafelbft mit ihrem ſámmtlichen Ges
påck undihrer Urtillerie feftlebt, und darin ſo lange es
die Umſtände erfordern, bleibt.
Inaltern Zeiten wurden die Armeen in Dörfer und
benachbarte Wohnungen ihrer Poſition vertheilt; da
man ſie aber in gar zu kleine Haufen theilen mußte, ſo
fabe man hievon die Unbequemlichkeiten, ſchon während