Table Of ContentJurgen Rodig
Einfiihrung
in eine anaIytische
Rechtslehre
Herausgegeben von
Harald Kindermann
Springer-Verlag
Berlin Heidelberg New York
London Paris Tokyo
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JURGEN RODIG
Dr. jur. HARALD KJNDERMANN
Postfach 11 06 09
0-6300 GieBen
Mit 14 graphischen Oarstellungen
CIP-Kurztitelaufuahme der Deutschen Bibliothek
ROdig, Jiirgen:
Einfiihrung in eine analytische Rech tslehre 1
Jiirgen Rodig. Hrsg. von Harald Kindermann. -
Berlin; Heidelberg; New York : Springer, 1986.
ISBN-13: 978-3-642-71398-9 e-ISBN-13: 978-3-642-71397-2
DOl: 10.1007/978-3-642-71397-2
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© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 1986
Softcover reprint of the hardcover 1st edition 1986
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2142/3130-543210
Vorwort
Am 13. November 1975, kurz nach seinem 33. Geburtstag, kam Jur
gen ROdig bei einem Verkehrsunfall urns Leben. Er wurde mitten aus
der Arbeit an der bier vorgelegten Einfuhrung in eine analytische
Rechtslehre herausgerissen. Frau Dorlis ROdig, seine Freunde und
der Springer-Verlag kamen bald uberein, das nachgelassene Werk in
seinem Namen herauszugeben. Herr Professor Dr. Dieter NOrr hat
sich dem Vorhaben, das sich aus mancherlei Grunden verzOgerte, in
besonderem MaBe angenommen; ihm sei dafur herzlich gedankt.
Jurgen ROdig war erst kurze Zeit ordentlicher Professor der
Rechte in GieSen, als er den Plan faBte, ein Lehrbuch fUr den schuli
schen Rechtskundeunterricht zu schreiben. Er war von der Bedeu
tung des Rechts fUr ein gedeihliches Zusammenleben und die Entfal
tung des demokratischen Gedankens so uberzeugt, daB er zur Propa
gierung des Rechts selbst einen Beitrag leisten wollte. Er war aber
nicht bereit, diesem Ziel seine wissenschaftlichen Oberzeugungen
und seinen Stil der Darstellung unterzuordnen. ROdig hat seinen Le
sern immer viel abverlangt. Zu keinem Zeitpunkt hatte er die Ab
sicht, ein leicht faBliches Buchlein fur den Rechtskundeunterricht zu
schreiben. Die Arbeit geriet ihm im Laufe der Zeit jedoch derart an
spruchsvoll und damit in gewissem MaBe aus den Hlinden, daB er
sich nach Durchsicht der geschriebenen Partien manches Mal bekum
mert fragte, wohin dieser Weg noch fUhren solie. Dennoch kehrte er
auf ihm nicht urn. Die Arbeit nahm ihn vielmehr von W oche zu Wo
che mehr gefangen. Er wollte die Summe seiner bisherigen Erkennt
nisse ziehen; "sein" System des Rechts entwickeln. Andere Gesichts
punkte - und damit auch die zunachst so aufrichtig gefaBte Absicht,
ein Rechtskundelehrbuch zu schreiben - gerieten mehr und mehr in
den Hintergrund. Wahrend der Arbeit nahm ROdigs Vorstellung
yom Umfang des Werkes und von dem in ibm zu behandelnden Stoff
noch fortlaufend zu. Mit diesem Plan verglichen, macht der vollen
dete Teil wohl nur ein Viertel des Ganzen aus. Der EntschluB, den
vollendeten Teil zu publizieren, mag vor diesem Hintergrund zu
nachst nicht unmittelbar einleuchten. Dreierlei war maBgebend. Zu
nachst der im guten Sinn des W ortes originelle Ansatz mit dem ROdig
das komplexe und nach verbreiteter Auffassung fUr einen Einzelnen
VI Vorwort
kaum zu bewaltigende Thema in Angriff nahm. Die "Aufgabenstel
lung" ist fUr diesen Ansatz wiehtig; auch oder vielmehr gerade dort,
wo sie auf nicht ausgefiihrte Teile Bezug nimmt. Zum zweiten ver
mag die Arbeit bis zu einem gewissen Malle eine analytische Lehre
des Rechts zu ersetzen, an der es nocht fehlt. Als letztes ist die aus
fiihrliehe und abgescWossene Rechtsgeschaftslehre zu nennen, die die
bisherigen Darstellungen zu erganzen vermag. Der Leser wird aber
urn Verstandnis fiir die nieht ganzlich geschlossene Konzeption des
Werkes gebeten. Besonders sein Anfang wird noch ganz von Rodigs
urspriinglicher Absieht bestimmt. Hier etwas zu andern, verbot sieh
aus den nachfolgend dargelegten Griinden.
Rodig machte fUr seine Arbeiten keine schriftlichen Entwiirfe. Er
arbeitete auch niemals einzelne Partien endgiiltig aus, bevor der vor
hergehende Text noch nieht fertiggestellt war. Rodig begann viel
mehr nach einer Phase innerer Oberlegung unmitelbar mit der Rein
schrift und schrieb den begonnenen Text konsequent Seite urn Seite.
Die Rechtslehre verfaI3te er an den W ochenenden zu Hause in Rema
gen. In seiner Professur wurde dann wahrend der W oche das hand
schriftliehe Manuskript mit der Maschine nochmals abgeschrieben.
Wahrend der weiteren Arbeit hat Rodig an den zuvor fertiggestellten
Textteilen niehts mehr geandert. Nach aller Erfahrung ist es auch un
wahrscheinlich, daI3 er dies nach AbschluI3 der gesamten Arbeit getan
hatte. Der vorgelegte Text darf deshalb mit einiger Berechtigung als
druckfertige, autorisierte Endfassung angesehen werden. Eine Bear
beitung des Textes schied noch aus einem anderen Grund aus. Rodig
hat mehrfach und mit groI3er Intensitat das von ihm sogenannte "Be
arbeiter-Unwesen" verurteilt und sieh eine Bearbeitung seiner eige
nen Schriften strikt verbeten. Der verstorbene Autor konne sieh ge
gen willkiirliche oder auch nur unbedachte Eingriffe nicht wehren.
Wenn ein Text ohne Bearbeitung keinen eigenen Wert mehr besitze,
dann miisse er eben unverOffentlicht bzw. ohne Neuauflage bleiben.
Es kann dahinstehen, ob diese Auffassung zu teilen ist oder nieht; fiir
den Umgang mit Rodigs eigenen Schriften ist sie verbindlich.
Fiir die Edition waren die folgenden Riehtlinien bestimmend:
1. Rodig hatte die Absieht, sein Werk "Grundkurs im Recht" zu
nennen. Ais neuer Titel wurde "EinfUhrung in eine analytische
Rechtslehre" gewahlt, da dieser Titel dem Gehalt des vorliegenden
Teils entsprieht, wahrend der Titel "Grundkurs im Recht" ohne
die beabsiehtigten, aber bis auf die Rechtsgeschaftslehre nieht ge
schriebenen Teile iiber das positive Recht keinen hinreiehenden
Sinn gibt.
2. Das nachgelassene Manuskript wurde vollstandig abgedruckt.
Vorlage war seine maschinenschriftliehe Fassung. Orthographie
und Interpunktion sind nur auf ersiehtliehe Schreibfehler hin
Vorwort VII
durchgesehen worden. R6dig pflegte in der Schreibweise einzelner
Begriffe abzuweichen, um damit auf Besonderheiten aufmerksam
zu machen. Diese inhaltlich bestimmten Eigenarten waren beizu
behalten. Die zitierten gesetzlichen Vorschriften sind dem gelten
den Recht angeglichen worden.
3. Auf den ersten 21 Seiten des Manuskripts befinden sich zahlreiche
Ziffern fUr geplante Anmerkungen. Ihr Text hingegen fehlt und es
gibt keine Hinweise, was diese Anmerkungen enthalten sollten.
Der Herausgeber hat darauf verzichtet, durch eigene Anmerkun
gen auf die einschlagige Literatur und die zwischenzeitlich einge
tretene Entwicklung zu verweisen. Bei der Breite des von R6dig
behandelten Themas und der FUlle der dazu ergangenen Literatur
sah er sich zu dieser Leistung, die mehr hatte erbringen mUssen,
als was dem kundigen Leser ohnehin bekannt ist, auJ3erstande.
Auch darf an Stammler erinnert werden, der in seiner "Theorie
der Rechtswissenschaft" ebenfalls auf Anmerkungen verzichtete.
Lediglich die von R6dig selbst im Text der Rechtslehre genannten
Autoren wurden naher nachgewiesen.
4. Die vorangestellte Einleitung versucht, die Rechtslehre in das Ge
samtwerk JUrgen R6digs einzuordnen und eine kurze EinfUhrung
in dieses Gesamtwerk zu geben.
HARALD KINDERMANN
Inhaltsverzeichnis
Einieitung ............................................ 1
1 Aufgabenstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22
1.1 Konzeption ..................................... 25
1.2 Recht als Informationsproblem .................... 30
2 Naive Rechtskunde .................................. 30
2.1 Zum Begriff der Rechtsnorm.
Vorbereitende Uberlegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30
2.1.1 Zur Regelungsfunktion rechtlicher Normen . . . .. . . . . 30
2.1.2 Zum Aufbau rechtlicher Normen ................. 35
2.1.2.1 Individuelle Regelung ......................... 35
2.1.2.2 Tun und Unterlassen .......................... 38
2.1.2.3 Gebot, Erlaubnis und Verbot ................... 39
2.1.2.4 Generalisierung von Normen ................... 41
2.1.2.5 Rechtssatz-Struktur. Zugleich Hinweise
fUr das Lesen von Gesetzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45
2.1.2.6 Tatbestandsprobleme. Insbesondere KausaliUit
im Rechtssinn ................................ 55
2.2 Das Recht der Ersten Hilfe. Eine fUr Naive Rechtskunde
exemplarische Darstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65
2.2.1 Rechtsdidaktische Aspekte. Namentlich
der Gesichtspunkt der Rollensymmetrie rechtlicher
Normen....................................... 65
2.2.2 Positivrechtliche Daten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69
2.2.3 Strukturierung des rechtlichen Stoffes ............. 72
2.2.4 Besondere Einschreitenspflicht im Gegensatz
zur allgemeinen Einschreitenspflicht . . . . . . . . . . . . . . . 78
3 Juristische Dogmatik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89
3.1 Zur Konzeption juristischer Dogmatik iiberhaupt ..... 89
3.2 Einteilung des Rechts ............................. 97
3.2.1 Objektives Recht im Gegensatz zum subjektiven Recht 97
X Inhaltsverzeichnis
3.2.2 Materielles Recht und formelles Recht ............. 108
3.2.3 Privatrecht versus OffentIiches Recht .............. 109
3.3 AbriB der Rechtsgeschaftslehre mit Exkursen
auf dem Gebiet des burgerlichen Rechts . . . . . . . . . . . . . . 131
3.3.1 Konstruktive Grundlagen des Rechtsgeschafts ...... 133
3.3.1.1 Funktionale Einordnung . . . . . . . . . . . . .. . . . . .. . . . 133
3.3.1.2 Elemente des Rechtsgeschafts . . . . . . . . .. . . . . .. . . . 138
3.3.2 Willenserklarung ............................... 148
3.3.2.1 Die Willenserklarung als Bezugspunkt
flir die Anforderungen an die Mitwirkung
des einzelnen Geschaftspartners
bei der Vornahme von Rechtsgeschaften . . . . . .. .. . 148
3.3.2.2 Geschaftsfahigkeit. Insbesondere Abgrenzung
der Geschaftsfahigkeit von der Rechtsfahigkeit .... 155
3.3.2.3 Stu fen der Willensbildung. Willenstheorie versus
Erklarungstheorie ............................ 159
3.3.2.4 Phasen des Erklarungsprozesses . . . . . . . . . . . . . . . . . 172
3.3.3 Vertrag. Insbesondere zur Abgrenzung des fehlenden
Konsenses yom Irrtum .......................... 179
3.3.4 Nichtspezifische Elemente des Rechtsgeschafts.
Insbesondere die Verfligungsbefugnis und verwandte
zivilrechtsdogmatische Kategorien (Erwerb yom
Nichtberechtigten, Abstraktionsgrundsatz usf.) ..... 189
3.3.5 Das Rechtsgeschaft als Bauelement privatrechtIicher
Konstruktionen. Zugleich Hinweise flir das Losen
privatrechtlicher Falle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212
3.4 Makro-Privatrecht ............................... 231
3.4.1 Erganzung des privatrechtlichen Instrumentariums.
Insbesondere zur Theorie der Juristischen Person. . .. 231
Sachverzeichnis ....................................... 247
Einleitung
HARALD KINDERMANN
I Mit Recht erwartet der Leser von einer Einleitung in ein nachgelassenes und
dazu noch unvollstandiges Werk eine Einfuhrung in die Gesamtkonzeption
dieses Werkes, in seine Grundlagen und seinen Zusammenhang mit den vor
hergehenden Werken des Autors. Der Herausgeber gesteht offen, daB er ei
nem solchen Anspruch nicht gerecht zu werden vermag. Es ist ihm ein Trost,
daB Grunsky bei seiner Rezension von Rodigs Habilitationsschrift "Die Theo
rie des gerichtlichen Erkenntnisverfahrens" ahnlich resignierte und sich auBer
stande sah, Rodigs Gedankengange in allen Einzelheiten nachvollziehen zu
konnen. Grunsky verfiel nach seinen Worten auf den Ausweg, dort Schwer
punkte zu bilden, wo er sich ein eigenes Urteil zutraute. 1 Diese sehr subjektive
Einstellung liegt auch dieser Einleitung zugrunde. Sie mag zum einen ertrag
lich sein, weil ROdig selbst die Konzeption seiner Rechtslehre eingehend expli
ziert und dem Leser immer wieder deutlich macht, weshalb er einen Gegen
stand behandelt und weshalb an gerade dieser Stelle. Eine weitere Rechtferti
gung mag sich daraus ergeben, daB der Herausgeber die Entstehung der
Rechtslehre miterleben konnte und in zahlreichen Gesprachen mit Rodig auch
etwas uber die Absichten erfuhr, die dieser schriftlich nicht mehr niederlegen
konnte. Rodig hatte die so sympathische Angewohnheit, mit seinen Mitarbei
tern alle seine wissenschaftlichen Projekte offen und eingehend zu besprechen
und sie dabei, allen offensichtlichen Gegebenheiten zum Trotz, als gleichbe
rechtigte Partner zu behandeln.
Hieraus darf freilich nicht geschlossen werden, daB Rodig und seine Mit
arbeiter ein ,Team' gebildet hatten. Wohl profitierten wir von ihm und seinen
Uberlegungen; er dagegen blieb bei aller Zusammenarbeit merkwfirdig unbe
einfluBt von fremden Gedanken. Uber die einzelnen Teile der Rechtslehre
pflegte er mit seinen Mitarbeitern zu diskutieren, nachdem er sie bereits end
gultig ausformuliert hatte und nicht vorher. Ahnlich verhalt es sich mit den
Arbeiten anderer Autoren. In Remagen, wo er die Rechtslehre schrieb, stand
Rodig nur sehr wenig Literatur zur Verffigung. Die Sentenz aus der Rechtsleh
re: "Historische Hinweise - wie namentlich solche zur Entstehung des BGB
-, die mit der Darstellung der Rechtsgeschaftslehre gern verbunden werden,
sollen den systematischen Schwung nicht hemmen, rechtspolitische Bedenken
ihn nicht unterbrechen durfen" 2, ist dahin zu erganzen, daB bis auf wenige
Ausnahmen auch die Arbeiten anderer Wissenschaftler den Schwung der Ar
beit nicht hatten hemmen durfen. 3 ROdig verlieB sich vielmehr in der Haupt-
2 Einleitung
sache auf seine eigenen, vorhergehenden Arbeiten und auf sein allerdings pha
nomenales Gedachtnis. Aus dieser Arbeitsweise erklart sieh auch, wie im Vor
wort bereits dargestellt, daB die Rechtslehre keine Schrifttumsnachweise ent
halt. DaB das Werk dennoch anderen Autoren viel verdankt, braucht nicht
weiter betont zu werden. Wie es schon in Torquato Tasso heiBt: "Und was
man ist, das blieb man andern schuldig".
Der Versuch, sieh soleh einem Werk subjektiv zu nahern, bringt sowohl
Gefahren als auch Moglichkeiten mit sich. Urn erneut an Grunsky anzuknup
fen: Es bleibt ein den Gefahren von eigenen Millverstandnissen ausgesetztes
Unterfangen, auf eine Arbeit und einen Autor einzugehen, dessen Gedanken
gange einem selbst nieht ganzlich zuganglich sind. Andererseits bringt ein sol
ches Vo rgehen neue Freiheiten mit sieh. Der Leser weill urn den reduzierten.
Anspruch des Autors und erwartet noch weniger als sonst endgultige Aussa
gen. Der Zwang, umjeden Preis "abgewogen" zu sein und dem Werk injeder
Hinsieht gerecht werden zu mussen, entfallt. DafUr darf der Herausgeber auf
der anderen Seite freimutig aussprechen, wo er in der Rechtslehre Gedanken
sieht, die sieher ROdigs innerster Oberzeugung entsprachen, die bei ihm aber
doch einen anderen Stellenwert gehabt haben durften, als er selbst annahm.
Urn gleich ein Beispiel zu bringen: Zu Anfang heillt es, "daB wir in puncto
Rechtstheorie weder soziologische noch kybernetische noch verwandte Ansat
ze ausklammern durfen, mit anderen Worten: interdisziplinar vorgehen mus
sen". 4 Dazu ist zu sagen, daB fUr Rodig allein "die Konfrontierung von juri
stischem mit mathematischem Denken" interessant war 5 und daB er selbst
rechtsgeschiehtlieh und rechtssoziologisch im herkommlichen Sinne - eine
Ausnahme bildet allein die Beschaftigung mit Geiger - nieht gearbeitet hat. 6
Allein aus der AusschlieBlichkeit und damit auch Einseitigkeit seines Denkens
konnte er die Kraft nehmen, auf dem Gebiet der Rechtstheorie eine allgemeine
juristische Regelungstheorie und auf dem Gebiet des positiven Rechts einen
"Grundkurs im Recht" und damit ein System unseres geltenden Rechts in An
griff zu nehmen. Dieser Aspekt des geschlossenen Systems ist zugleieh das er
ste inhaltliche Charakteristikum ROdigschen Denkens, auf das wir einzugehen
haben.
II Das schon geflugelt gewordene Wort von H. 1. Wolff "Rechtwissenschaft
zumindest ist systematisch oder sie ist nicht" war Rodig aus dem Herzen ge
sprochen. 7 An Notwendigkeit und Wert juristischer Systembildung hat er nie
mals einen Zweifel gehabt. "Die rechtliche Organisation eines in hohem MaBe
komplexen Gemeinwesens wie des unsern kann nur noch auf systematische
Weise gelingen. Systematische Methode und nur sie erOffnet den Weg, die
vorhandene Komplexitat auf jenes MaB zu reduzieren, dessen Einhaltung be
reits die begrenzte Kapazitat des menschlichen Geistes gebietet". 8 Sehr zu Un
recht haben nach seiner Auffassung "methodologische Bestrebungen der letz
ten lahrzehnte den systematischen Aspekt der Rechtswissenschaft zu vernied
lichen versucht". 9 Rodig stand von daher in entschiedener Gegnerschaft zur
topischen Methode; vor allem dann, wenn sie lediglich "als Loblied auf ein