Table Of ContentEinfiihrung in die
Quantentheorie
Von
Franz Schneider
Associate Professor of Physics
Haile Sellassie I University
Addis Ababa
Mit 17 Textabbildungen
1967
Springer-Ver lag
Wien . New York
ISBN-13: 978-3-211-80832-0 e-ISBN-13: 978-3-7091-7957-4
DOl: 10.1007/978-3-7091-7957-4
Alle Rechte,
insbesondere das der Ubersetzung in fremde Sprachen, vorhehalten
Ohne schriftliche Genehmigung des Verlages
ist es auch nieht gestattet, dieses Buch oder Teile daraus
auf photomechanischem Wege (Photokopie, Mikrokopie)
oder sonstwie zu vervielfaltigen
© 1967 by Springer-Verlagj Wien
Library of Congress Catalog Card Number 66-28782
Titel-Nr. 9175
Meinen Lehrern und Vorbildern
gewidmet
Vorwort
Dieses Buch soIl in die Quantentheorie einfuhren. Ich habe deshalb
auf eine verstandliche Darstellung groBeren Wert gelegt als auf mathe
matische Strenge und die physikalische Bedeutung der Theorie nach
Moglichkeit in den V ordergrund gestellt. Bei der Auswahl des Stoffes
habe ich mich auf Problemkreise beschrankt, die von grundsatzlicher
Bedeutung sind, und an ihnen die Methoden und Gedankengange der
Quantentheorie erlautert.
In Kapitel 1 werden einige Experimente erortert, bei denen die
Gegensatze zwischen Quantentheorie und klassischer Physik klar hervor
treten. Dann wird in der Form von axiomatischen Postulaten eine vor
laufige Arbeitsanleitung fur die Quantisierung eines Systems im Schro
dingerbild gegeben und an Hand von Beispielen in der Differential
darstellung erklart. Kapitel 3 enthalt die konventionelle Theorie des
Wasserstoffatoms. 1m nachsten Kapitel wird der mathematische For
malismus ausgebaut. Bei der Quantisierung des harmonischen Oszillators
werden Differential- und Matrixdarstellung einander gegenubergestellt
und anschlieBend die elegantere, aber abstraktere Methode der Operator
gleichungen eingefiihrt. In den folgenden Kapiteln werden Formalismus
und Themenkreis der nichtrelativistischen Theorie weiter ausgebaut,
wahrend die beiden letzten eine kurze Einfuhrung in die relativistische
Quantenmechanik und die Quantenfeldtheorie enthalten.
1m Text sind an passenden Stellen Aufgaben eingeschaltet, die ich
als wesentlichen Bestandteil des Buches ansehe. Hinweise fur die Losung
und die Ergebnisse sind in einem eigenen Kapitel zusammengefaBt.
Auf eine zweckmaBige Wahl der Bezeichnungen wurde in diesem
Buch besonderer Wert gelegt. Fur skalare GroBen einschlieBlich der
Komponenten von Vektoren werden Latein-, fur Vektoren Fraktur
buchstaben verwendet, Vierervektoren sind durch~, Operatoren durch
Fettdruck gekennzeichnet. So bezeichnen zum Beispiel p den Betrag
des Impulses, Px die x-Komponente des Impulses, Px den entsprechenden
Operator, ~ den Impulsvektor und l' den Operator fur den Impuls
vektor. Diese Systematik wurde nur bei griechischen Buchstaben durch
brochen. Die Wahl der Buchstaben erfolgte in Anlehnung an die englische
und deutsche Fachliteratur. Deshalb wurden in den beiden Ietzten
VI Vorwort
Kapiteln die Buchstaben iX, (J und y fUr die Diracschen Matrizen ver
wendet. Zustandsvektoren werden durch 1p, P, cp oder I), Diracspinoren
durch P und die Operatoren des Fermionenfeldes durch'F dargestellt.
Dieselbe GroBe wurde immer mit dem gleichen Buchstaben bezeichnet.
Jeden Buchstaben nur fur eine einzige GroBe zu reservieren, ist un
moglich, doch geht die Bedeutung der Zeichen immer aus dem Text
hervor. Kommt ein Buchstabe mit mehreren Indizes vor, dann werden
diese notigenfalls durch Beistriche getrennt, um Verwechslungen aus
zuschlieBen. Komplexe, beziehungsweise hermitische Konjugation wird
* t
durch bzw. bezeichnet.
Zum besseren Verstandnis habe ich oft Ausdrucke und Bilder ver
wendet, die in der klassischen Physik genau definiert werden konnen,
die aber streng genommen nicht in die Quantentheorie ubernommen
werden durfen, zum Beispiel "Bahn", "Massenpunkt" u. a. Sie sind nur
als anschauliche Modelle anzusehen, die ich aber in einer EinfUhrung fUr
wertvoll halte. Unter "Messungen" sind solche mit idealen Geraten, also
ohne MeBfehler verstanden.
Vom Leser wird erwartet, daB er die Elemente der Differential- und
Vektorrechnung beherrscht und die wichtigsten Methoden zur Losung
gewohnlicher Differentialgleichungen kennt. Vorkenntnisse auf den
Gebieten der Matrizenrechnung und der partiellen Differentialgleichungen
sind vorteilhaft, aber nicht unbedingt erforderIich, da das Notige daruber
an den entsprechenden Stellen im Text gebracht wird. Die klassische
Physik und die Bohr-Sommerfeldsche Theorie des Wasserstoffatoms
werden als bekannt vorausgesetzt.
Meinem Vater bin ich fUr seine Mithilfe bei der Fertigstellung des
Manuskriptes zu Dank verpflichtet.
Salzburg, im August 1966
Franz Schneider
Inhaltsverzeichnis
Seite
1. Die Unzuliinglichkeit der klassischen Physik im atomaren Bereich 1
1.1 Elektromagnetische Wellen und Photonen 1
1.2 Materieteilchen und Materiewellen. . 4
1.3 Anforderungen an die Quantentheorie 5
2. Die Grundpostulate der Quantentheorie 9
2.1 Definitionen . . . . . . . . . 9
2.2 Die Postulate im Schrodingerbild 12
2.3 Anwendungsbeispiele . . . . . 15
3. Die Quantentheorie des Wassersto.llatoms 18
3.1 Die Wellengleichung. . . . . . 18
3.2 Die winkelabhangige Gleichung . 20
3.3 Die radialen Funktionen. . . . 22
3.4 Losungen der Wellengleichung . 24
3.5 Erwartungswerte und Unscharfen . 26
4. Zustandsvektoren und ihre Vberlagerung . 30
4.1 Eigenfunktionen . . . . . . . 30
4.2 Die Deltafunktion. . . . . . . . . . 31
4.3 Vo llstandige Orthogonalsysteme. . . . 33
4.4 Vertauschbare Operatoren und ihre Eigenzustande 39
4.5 Die Unscharferelationen . . . . 43
4.6 Die Wahrscheinlichkeitsfunktion 45
4.7 Matrixoperatoren . . . . . . . 51
5. Der harmonische Oszillator in verschiedenen Dllrstellungen 57
5.1 Das mathematische Pendel und seine Quantisierung . 57
5.2 Differentialoperatoren . . . . . . . . . . . . 59
5.3 Der harmonische Oszillator in Matrixdarstellung 62
5.4 Unitare Transformationen 67
5.5 Operatorgleichungen. . . . . . . . . . 68
6. Zeitabhiingigkeit und klassischer Grenzfall . 73
6.1 Die zeitliche Anderung eines Zustandes 73
6.2 Die Postulate der Quantentheorie. . . 77
6.3 Anwendungen . . . . . . . . . . . 79
6.4 Beziehungen zur klassischen Mechanik . 82
VIII Inhaltsverzeichnis
Seite
7. Niiherungsmethoden 83
7.1 Storungsrechnung fiir stationiire Zustiinde 84
7.2 Zeitabhiingige Storungstheorie 86
7.3 Der S·Operator 88
8. Freie Teilchen. . 91
8.1 Ebene Wellen. 91
8.2 Reflexion freier Teilchen an einer Potentialschwelle 93
8.3 Wellenpakete. . . . . . . . . . . . . . . . . 95
9. Geladene Teilchen in elektrischen und magnetischen Feldern . 99
9.1 Der Hamiltonoperator . 99
9.2 Bewegungsgleichungen. 101
10. Zweiteilchensysteme . . 103
10.1 Relativkoordinaten. 103
10.2 Das Deuteron . . . 106
11. Drehimpulse und Atomspektren . 110
11.1 Eigenwerte und Eigenfunktionen von Drehimpulsoperatoren. 110
11.2 Die Zusammensetzung von Drehimpulsen . . . . . . 116
11.3 Der Spin des Elektrons und das Antisymmetrieprinzip 121
11.4 Die Spektren der Atome 125
12. Streutheorie. . . . . . . . 131
12.1 Streuung in der klassischen Physik. 131
12.2 Streuexperimente und Streutheorie . 135
12.3 Streuung in einem Coulombfeld 140
12.4 Die Methode der Partialwellen . 142
12.5 Neutron·Proton·Streuung . 146
12.6 Die Bornsche Niiherung. . . . 150
13. Relativistische Wellengleichungen . 153
13.1 Die Klein·Gordongleichung 153
13.2 Die Diracgleichung. . . . . . 155
13.3 Freie Fermionen. . . . . . . 157
13.4 Die Foldy.Wouthuysen-Transformation 161
13.5 Die Wechselwirkung zwischen Spin und Bahndrehimpuls 163
13.6 Fermionen in magnetischen Feldern 165
14. Quantenfeldtheorie. . . . . . 167
14.1 Die Teilchenzahldarstellung 168
14.2 Das skalare Bosonenfeld . 172
14.3 Bosonen mit Wechselwirkungcn 180
14.4 Das Photonenfeld . 190
14.5 Das Fermionenfeld. . . 196
15. Losungen zu den Aufgaben . 202
Literaturhinweise. . . . . . 214
Namen- und Sachverzeichnis 215
1. Die Unzulanglichkeit der klassischen Physik
im atomaren Bereich
Gegen Ende des 19. Jahrhunderts wurde allgemein angenommen, daB
aIle physikalischen Erscheinungen durch die Gesetze der klassischen Me
chanik und Elektrodynamik beschrieben werden konnen. Dann wurden
jedoch verschiedene neue Experimente durchgefUhrt, deren Ergebnisse
absolut nicht in den Rahmen der klassischen Theorien paBten. Sie
fiihrten zur Entwicklung eines neuen Teilgebietes der Physik, namlich
der Quantentheorie, die heute die Grundlage fUr die Beschreibung von
atomaren Systemen und Elementarteilchen bildet.
Durch die Quantentheorie wird eine neue Art des physikalischen
Denkens eingefUhrt. Dazu geniigen die in der klassischen Physik ver
wendeten Begriffe, wie z. B. Ort, Geschwindigkeit, Teilchen, Welle, nicht.
Vollig neue Ideen sind notwendig, die wir uns nur widerwillig zu eigen
machen, da sie unseren Sinnen fremd sind und in unserer taglichen Er
fahrung keine Rolle spielen. Andererseits sind viele Begriffe der klassi
schen Physik - etwa "Bahn" - in der Quantentheorie bedeutungslos.
Solch umwalzende Neuerungen sind nur gerechtfertigt, wenn es Vor
gange gibt, die durch die klassische Physik wirklich nicht beschrieben
werden konnen. DaB dies tatsachlich der Fall ist, geht aus zahlreichen
Experimenten hervor. Wir wollen einige davon besprechen.
1.1 Elektromagnetische Wellen und Photonen
Stellen wir uns einen Teilchenstrahl vor, der auf eine Blende mit zwei
parallelen Schlitzen A und B faUt, hinter der sich ein Schirm befindet.
Urn eine gegenseitige Beeinflussung der Teilchen auszuschlieBen, kann
man den Teilchenstrahl so schwach machen, daB stets nur ein Teilchen
auf einmal eintrifft. Dann miiBte die Bahn der Teilchen, die Schlitz A
passieren, dieselbe sein, wenn B geoffnet, und wenn B geschlossen ist.
Umgekehrt gilt natiirlich das gleiche.
Fiihrt man ein ahnliches Experiment mit Licht beliebiger Intensitat
durch, dann erhalt man jedoch auf dem Schirm unterschiedliche Beu
gungsbilder, wenn die beiden Schlitze fUr einen bestimmten Zeitraum
gleichzeitig, und wenn sie nacheinander geoffn et sind. Dieses Ergebnis
scheint eine korpuskulare Natur des Lichtes auszuschlieBen.
Schneider, Quantentheorie 1
2 1. Die Unzulanglichkeit der klassischen Physik im atomaren Bereich
Auf Grund von solchen und anderen Experimenten, die die Inter
ferenz, Beugung und Polarisierbarkeit von Lichtstrahlen zeigten, war
die WeUentheorie des Lichtes aufgestellt worden, da es unmoglich schien,
sich "Lichtkorpuskel" vorzustellen, die interferieren und sich gegen
seitig ausloschen konnen. Man kennt abel' heute auch Erscheinungen,
die mit del' Wellennatur des Lichtes nicht in Einklang zu bringen sind,
z. B. die spektrale Verteilung del' Strahlung eines gliihenden Korpers.
Nach del' klassischen Physik soUte ein Temperaturstrahler elektro
magnetische Wellen aller Frequenzen emittieren; die Intensitat diesel'
Strahlung soUte mit del' Frequenz zunehmen. In Wirklichkeit hat das
Strahlungsspektrum bei einer bestimmten Frequenz, die von del' Tem
peratur des Strahlers abhangt, ein Maximum, wahrend die Intensitat
del' Strahlung fiir hohere Frequenzen abnimmt und schlieBlich gegen
Null geht.
Um diesel' Tatsache gerecht zu werden, griff PLANCK 1900 auf das
Korpuskelbild zuriick: Lichtstrahlung besteht aus diskreten "Licht
quanten", den Photonen; jedes Photon besitzt ein Energiequantum hv.
Macht man diese Annahme, dann ergibt die Theorie dieselbe Strahlungs
kurve wie das Experiment. SpateI' gelang BOHR eine erste Erklarung
del' Atomspektren unter Mitverwendung del' Planckschen Hypothese.
Ein anderes Beispiel, in dem del' Quantencharakter del' elektro
magnetischen Wellen sichtbar wird, ist del' photoelektrische Effekt.
Fallen Lichtstrahlen geniigend kurzer Wellenlange auf die Oberflache
einer MetaUplatte, so werden von diesel' Elektronen emittiert, deren
Anzahl von del' Intensitat des auftreffenden Lichtes abhangt. Die maxi
male kinetische Energie del' Elektronen ist proportional zur Frequenz
des Lichtes. Nach del' Wellentheorie sollte die Energie del' auftreffenden
Lichtstrahlen iiber das ganze Gebiet del' einfallenden Lichtwelle gleich
maBig verteilt sein. Wenn nun Licht geringer Intensitat auf die Platte
gestrahlt wird, miiBte man daher erwarten, daB sich dessen Energie auf
alle Elektronen verteilt, so daB ein Elektron erst fUr einige Zeit Energie
speichern muB, bevor es durch die Oberflache austreten kann. Tatsach
lich werden jedoch s%rt nach Beginn del' Bestrahlung Photoelektronen
emittiert, wenn Licht geniigend hoher Frequenz einfaUt, wahrend Licht
mit einer niedrigeren als del' spezifischen Schwellenfrequenz des ver
wendeten Metalls keine Elektronen auslosen kann, auch wenn die Platte
unendlich lange bestrahlt wird. Diese Tatsachen widersprechen del'
Wellennatur des Lichtes.
EINSTEIN konnte den Photoeffekt 1905 mit Hilfe del' Planckschen
Hypothese erklaren: Fallt Licht auf die Metallplatte, dann wird jeweils
ein Lichtquant von einem Elektron absorbiert. Daher treten bei Be
strahlung sofort Photoelektronen auf, wenn die Energie eines Photons
ausreicht, ein Elektron aus del' Platte zu losen. Bezeichnet man mit ef/J
1.1 Elektromagnetische Wellen und Photonen 3
die Energie, die ein Elektron benotigt, um durch die Oberflache aus
zutreten, dann ist die maximale kinetische Energie der ausgelosten
Elektronen
Tm = hv - eW.
Natiirlich konnen austretende Elektronen auch einen Teil ihrer Energie
bei ZusammenstoBen mit anderen Elektronen verlieren, bevor sie die
Platte verlassen, so daB ihre kinetische Energie kleiner ist als T m' Offen
sichtlich wird EINSTEINS Erklarung allen experimentellen Tatsachen
gerecht.
1m Jahre 1923 fand COMPTON, daB die Wellenlange von Rontgen
strahlen groBer wird, wenn diese an Materie gestreut werden. Einer be
stimmten Ablenkung entspricht dabei stets eine Zunahme der Wellen
lange um einen bestimmten Betrag. Auch dieser Effekt kann erklart
werden, wenn man fur die Rontgenstrahlen das Teilchenbild verwendet.
Setzt man fur die Energie E des ein
fallenden Rontgenquants oder Photons
den Wert hv ein, dann ist dessen relati
vistische Masse
ft = Ejc2 = hvjc2
und sein 1mpuls
p = ftc = hv(c. Abb. 1. Comptoneifekt
Die Streuung solI an einem Elektron erfolgen, das vor dem StoB ruht,
so daB seine relativistische Energie moc2 ist, wenn man die Bindungs
energie vernachlassigt. Bezeichnet man die Frequenz des gestreuten
Photons mit v', die Masse und die Geschwindigkeit des Elektrons nach
dem StoB mit m und·v, dann ergeben der Energie- und der Impulssatz
fur elastische Streuung
(1}
hvlc + 0 = (hv'(c) cos e + mv cos W, (2)
o
= (hv'lc) sin e - mv sin W. (3)
Aus (2) und (3) erhalt man
+
m2v2 = h2(V2 v'2 - 2vv' cos e)jc2, (4)
aus (1) folgt
+
m2c2 = (hvlc - hv' (c moc)2. (5)
m miVi -
Wegen = v2jc2 ist
1*