Table Of ContentEINFÜHRUNG IN DIE
MECHANIK, AKUSTIK
UND WÄRMELEHRE
~voN
ROBERT WICHARD POHl
0. Ö. PROFESSOR DER PHYSIK AN DER
UNIVERBITA T GöTTINGEN
NEUNTE
VERBESSERTE UND ERB:ANZT-E AUFLAGE
MIT 547 ABBILDUNGEN
DARUNTER 8 ENTLEHNTEN
Springer-Verlag
Berlin Heidelberg GmbH
1947
ALLE RECHTE, INSBESONDERE DAS DER UBEBSETZUNG
IN FREMDE SPRACHEN, VORBEHALTEN.
© SPRINGER-VERLAG BERLIN HEIDELBERG 1930, 1931, 1941, 1942, AND 1944
URSPRÜNGLICH ERSCHIENEN BEI SPRINGER-VERLAG OHG, IN BERLIN 1944
SOFTCOVER REPRINT OF THE HARDCOVER 1ST EDITION 1944
ISBN 978-3-662-27332-6 ISBN 978-3-662-28819-1 (eBook)
DOI 10.1007/978-3-662-28819-1
'1.1947
Drllck von Hubert & Co. in Göttingen
MEINER LIEBEN FRAU
TUSSA POHL
GEB. MADELUNG
Aus dem Vorwort zur ersten Auflage.
Dies Buch enthält den ersten Teil meiner Vorlesung über Experimental
physik. Die Darstellung befleißigt sich großer Einfachheit. Diese Einfach
heit soll das Buch 1mßer für Studierende und Lehrer auch für weitere
physikalisch interessierte Kreise brauchbar machen.
Der Inhalt weicht nicht unerheblich vom herkömmlichen Bestande
unserer. "Lehrbucher" ab. Gß,r manches ist fortgelassen worden, und zwar
nicht nur die Unterteilung des Meters in 1000 Millimeter, die Kolbenpumpe,
das :Aussehen eines Grammophons und ähnliches mehr. Auch weiter
gehende Streichungen waren unerläßlioh. Nur so konnte Platz für wichtigere
Dinge gewonnen werden, etwa für das unentbehrliche Hilfsmittel des Impuls
vektors oder für den allgemeinen Formalismus der Wellenausbreitung.
Die grundlegenden Experimente stehen im Vordergrund der Dar-stellung.
Sie sollen vor allem der Klärung der Begriffe dienen und einen Uberblick
über die Größenordnu:r;tgen vermitteln. Quantitative Einzelheiten treten
zurück.
Im
Eine ganze Reihe von Versuchen e:t;'fordert einen größeren Platz.
Göttinger Hörsaal steht eine glatte Parkettfläche von 12 x 15 m 2 zur Ver
fügung. Das lästige Hindernis in älteren Hörsälen, der große, unbeweglich
eingebaute Experimentiertisch, ist schon seit Jahren beseitig~ .. Statt seiner
werden je nacp. Bedarf kleine Tische aufgestellt, aber ebensowenig wie
die Möbel eines Wohnraumes in .~en Fußbode:n_,.eingemauert. Durch diese
handlichen Tische gewinnt die Ubersichtlichkeit und. Zugänglichkeit der
einzelnen Versuchsanordnungen erheblich. Die meisten Tische sind um
ihre vertikale Achse schwenkbar und rasch in der Höhe verst~llbar. Man
kann· so die störenden perspektivischen Überschneidungen verschiedener
Anordnungen verhindern. Man kann die jeweils benutzte Anordnung hervor
heben und sie durch Schwenken für jeden Hörer in bequemer Aufsicht
sichtbar machen ..
Die benutzten Apparate sind einfach und wenig zahlreich. Manche
von ihnen werden hier zum ersten Male beschrieben. Sie können, ebenso
wie die übrigen Hilfsmittel der Vorlesung, von der Firma Spindler&Hoyer
G.m. b.H. in Göttingen bezogelf werden.
Der Mehrzahl der Abbildungen liegen photographische Aufnahmen
zugrunde. Sie sind von Herrn Mechanikermeister W. Sperber hergestellt
worden. Viele Bilder sind wieder als Schattenrisse gebracht. Diese Bild
form eignet sich gut für den Buchdruck, ferner gibt sie meist Anhalts
punkte für die benutzten Abmessungen. Endlich erweist ein Schattenriß
die Brauchbarkeit eines Versuches auch in großen Sälen. Denn diese ver
langen in erster Linie klare Umrisse, nirgends unterbrochen durch neben
sächliches Beiwerk, wie Stativmaterial und dgl.
VI Aus d!lm Vorwort zur dritten und vierten Auflage.
Aus dem Vorwort zur dritten und vierten Auflage .
•D ies Buch ist zwei Jahre lang vergriffen gewesen. Es ist gegenüber
der letzten Auflage erheblich verändert worden. Die Wärmelehre fehlte
bisher ganz; durch ihre Hinzunahme erklärt sich allein die Vermehrung
des Umfänges. In der Mechanik. sind die grundlegenden Abschnitte, neu
verfaßt und die Kapiteleinteilung geändert wordent In der Wärmelehre
werden die in der physikalischen Chemie behandelten Dinge zurück
gestellt und statt dessen einiges aus der Technik herangezogen. Ein
Enthalpie-Entropie-Diagramm muß heute auch einem Physiker bekannt"
sein. Die Zustand$größe Entropie wird als Maß der Nichtumkehrbarkeit
eingeführt und nicht im Anschluß an umkehrbare V-orgänge hergeleitet. -
Die G!eichungen der Wärmelehre werden dimensionsrichtig geschrieben;
das geschieht j~ leider keineswegs allgemein. Die Namen der meisten Ein
heiten, z. B. Kilokalorie, werden ausgeschrieben. Jedes Streben nach
Kürze des Textes ist zwar löblich. Das Ziel.läßt sich aber mit wirk
sameren Mitteln erreichen als durch die Benutzung nur Eingeweihten
verständlicher Buchstaben (z. B. As statt Amperesekunden).
Die Benutzung des gleichen Wortes Kilogramm für zwei völlig wesens
verschiedene Dinge, nämlich für die Einheit der Kraft und für die Einheit
der Masse, wird von allen S~iten als unzulässig anerkannt. In den früheren
Auflagen habe ich stets kg-Kraft und kg-Masse unterschieden. Inzwischen
hat jedoch die Physika.lisch-Technische Reichsanstalt die Unterscheidung
Kilopond =-Krafteinheit und Kilogramm = Masseneinheit im eigenen Be
triebe eingeführt und zur allgemeinen Annahme in Vorschlag gebracht.
Ich bin diesem Vorschlag gefolgt und habe im Unterricht die besten Er
fahrungen damit gemacht. Deswegen wird jetzt auch. in diesem Buche die
praktische Krafteinheit nicht mehr kg-Kraft, sondern Kilopond genannt.
Vorwort zur. neunten Auflage.
Die Bogen I bis 15 sind ~reits 1944 gedruckt worden. Die Bogen 16
bis 21 ~~nd zuerst 1946 als Sonderdruck erschienen. Die jetzige Fassung
bringt Anderungen vor allem in den §§ 143, 146, 169, 185, 188.
Göttingen, Dezember 1946.
R. W. POHL
Inhaltsverzeichnis.
A. Mechanik.
Seite
I. Einführung, Längen- und Zeitmessung .. 1
II. Darstellung von Bewegungen, Kinematik . . 11
III. Grundlagen der Dynamik . . . . . . . . 19
IV. Einfache Schwiugungen, Zentralbewegungen und Gravitation . 32
V. Hilfsbegtiffe, Arbeit, Energie, Impuls 47
VI. Drehbewegungen fester Körper . . 62
VII. ]3eschleunigte Bezugssysteme . . . . 87
VIII. Eü1ige Eigenschaften fester Körper . 103
IX. Über Tuhende Flüssigkeiten und Gase ·ns-
X. ;Bewegungen in Flüssigkeiten und G;asen: . 141
B. Akustik.
XI. Schwin~ngslehre . . 164
XII. Wellen und Strahlung 203
C. Wärmelehre.
XIII. Grundbegriffe . _. . . . . . . . . . 240
XIV. I. Hauptsatz""und Zustandsgleichungen ... . 250
XV. Wärme als. ungeordnete Bewegung .... . 264
XVI. Transportvorgänge, insbesondere Diffusion und Wärmeleitung 281
XVII. Zustandsänderungen von Gasen. und Dämpfen . . 291
XVIII. Die Zustandsgröße Entropie . . . . . . .• . . . . . 309
XIX. P~wandlung von Wärme in Arbeit. II. Hauptsatz 325
Verpesserungen .. . . . . . . . . . 337
Sachverzeichnis . . . . . . ·. . . . 339
Einheiten und wichtige Konstanten .. ·346
Oft gebrauchte Gleichungen . 347
Winkelmessung. Nepenbegriffe . . . 348
Über die Verwendung von Frakturbuchstaben
in den Gleichungen.
Viele physikalisc4e Größen sind ihrer Natur nach Vektoren. Der
Vektorcharakter soll oft besonders betont werden: Dann wenden wir für
·die Größen sowohl in den Zeichnungen als auch . in den Gleichungen
Frakturbuchstaben an. Das geschieht z. B. immer bei der Kraft und bei
den Feldvektoren der ;Elektrizitätelehre, gelegentlich bei Geschwindigkeit,
Beschleunigung •Usw. ' • ·
Trotz des -häufigen Gebrauches von Frakturbuchstaben sollen. die
Gleichungen dieses Buches, und zwar aller drei Bände, .normalerweise als
Betragsgleichungen gelesen werden. Dabei sind nur zwei Punkte zu be
+-
achtelt: oder - -Zeichen zwischen Frakturbuchstabe'n bedeuten die
geometrische Summe gerp.äß S. 13; auf ·entgegengesetzte Richtungen V!Jn
Vektoren wird auch in Betragsgleichungen du:rch - -Zeichen verwiesen.
Als Beispiel sei genannt die Gleichung für die zum Kreismittelpunkt hin
gerichtete Radialbeschleunigung b, = -u2jr. Sie ist zur Einführung weniger
bedenklich als die Vektorgleichung mit dem Betrage des Radius im Nenner
und seinem Einheitsvektor im Zähler.
Viele Gleichungen werden auch den an die Vektorschreibweise ge
wöhnten fortgeschrittenen Leser zufriedenstellen. So ist z. B. das äußere
Vektorprodukt stillschweigeng. durch ein schräges Kreuz eingeführt worden.
Dadurch umfassen die Gleichungen mehr als nill.r die im Text behandelten
Sonderfälle. . Der mit der Vektorschreibweise noch nicht Vertraute~ wird
das Kreuz nur als ·"Malzeichen" lesen und nicht weiter beachten ..
Jede das Gesamtgebiet der Physik umfassende Darstellung hat mit
einer äußeren Schwierigkeit zu kämpfen, nämlich der geringen'Zahl der
verfügbaren Buchstaben. In den drei Bänden dies~r Einführung ist der
Bedeutungswechsel der einzelnen Buchstaben weitgehend einget~chränkt.
Das ließ sich aber nur durch einen Verzicht erreichen: es. konnte nicht
der Betrag jedes Vektors einheitlich durch einen Antiqu.abuchstaben wieder
gegeben werden. Doch ist das.)iein Unglück. Jede allzu weit getriebene
Einheitlichkeit erschwert die Ubersicht: man denke an die Anwendung
eines Frakturbuchstabens für die Erdbeschleunigung oder die Winkel
geschwindigkeit.
A. Mechanik.
I. Einführung, Längen- und Zeitmessung.
§ 1. Einführung. Die physikalischen Erkenntnisse lassen sich nicht wie
die Perlen einer Kette in einer einzigen Reihe anordnen, sie fügen sich zu einem
ausgedehnten Netzwerk zusammen. Die Einteilung des Stoffes und die Reihen
folge seiner Darstellung läßt sich daher in mannigfacher Weise verändern. -
Die hergebrachte Einteilung der Physik unterscheidet Mechanik, Akustik, Wärme
lehre, Optik und Elektrizitätslehre. In jedem dieser Gebiete ist man in den
Bereich der Moleküle und der Atome vorgedrungen. Dabei ließen sich die her
kömmlichen Grenzen nicht innehalten; die aufverschiedenen Gebieten gewonnenen
Erkenntnisse greifen ineinander. Trotz- :<
dem braucht man im allgemeinen die
Atomphysik nicht als ein sechstes, selb
ständiges Teilgebiet abzusondern.
Die Physik ist eine Erfahrungswissen
schaft. Ihre Grundlage bilden Beobach
tungen, und zwar gelegentlich zufällige,
meist aber planvoll angestellte. - Beob
achten will gelernt sein, der Ungeübte
kann leicht getäuscht werden. Wir geben
einige Beispiele :
a) Diefarbigen Schatten. InAbb.1
sehen wir eine weiße Wand W, eine Gas
ghihlichtlampe und eine elektrische Glüh Abb. I. F:trbige Schatten.
lampe. P ist ein beliebiger undurchsich
tiger Körper, etwa eine PapptafeL- Zunächst wird nur die elektrische Lampe
eingeschaltet. Sie beleuchtet die weiße Wand mit Ausnahme des Schatten
bereiches SI. Dieser wird irgendwie markiert, etwa mit einem angehefteten
PapierschnitzeL - Darauf wird allein die Gaslampe angezündet. Wieder erscheint
die Wand weiß, diesmal einschließlich des markierten Bereiches SI. Ein
schwarzer Schatten der Papptafelliegt jetzt bei 52• -Nun kommt der eigentliche
Versuch: Während die Gaslampe brennt, wird die elektrische Lampe eingeschaltet.
Dadurch ändert sich im Bereiche SI physikalisch oder objektiv nicht das ge
ringste. Trotzdem hat sich für unser Auge das Bild von Grund auf gewandelt.
Wir sehen bei SI einen lebhaft olivgrünen Schatten. Er unterscheidet sich stark
von dem (jetzt rotbraunen!) Schatten 52• Dabei gelangt von SI nach wie vor nur
Licht der Gaslampe in unser Auge. Der Bereich SI ist lediglich durch einen
hellen Rahmen eingefaßt worden, herrührend vom Lichte der elektrischen
Lampe. Dieser Rahmen allein vermag die Farbe des Bereiches SI so auffallend
zu ändern!
Der Versuch ist für jeden Anfänger lehrreich: Farben sind kein Gegenstand
der Physik, sondern der Psychologie bzw. der Physiologie! Nichtbeachtung dieser
Tatsache hat vielerlei unnütze Arbeit verursacht.
Pohl, Mechamk. 7 Auf!.
2 Einfuhrung, Langen- und Ze1tmessung.
z b) Die scheinbare Gestalt des Himmelsgewöl
bes. Auf freiem Felde stehend sehen wir das Himmels
H~
gewölbe als flache Glocke, im Schnitt etwa nach Art der
Abb 2 Gestalt der Htmmels· Abb. 2. Das ist eine alltägliche, von Wetterlage und
kuppe! !ur etnen Beobachter
aullwem Feld Tageszeit weitgehend unabhängige Beobachtung. Man
lasse eine Reihe verschiedener Beobachter mit einem Arm
z oder Spazierstock auf einen Punkt P am Himmelsgewölbe
JS:j_ zeigen, der ihnen gleich weit vom Zenit Z wie vom Hori
zont H entfernt erscheint. Die Beobachter sollen den
Himmelsbogen zu halbieren suchen. Mit überraschender
Übereinstimmung heben alle Beobachter den Arm oder
Abb J. Gestalt der Htmmels· Stock nur um einen Winkel a zwischen 20 und 30 ° über
akmup pFeu!ß !eutrn eesm heonh eBne oTbuarcmhetesr die Waagerechte. Nie findet sich der Winkel 45 °. Kein
Mensch sieht den Himmel als Halbkugel.
Abb 4. Bet schneller Drehung dieser Dann stellen wir dieselben Beobachter mit dem
Schetbe entsteht das m Ahh 6 photo· Rucken an einen hochragenden Turm, etwa einer
graphterte Btld.
funkentelegraphischen Sendestation. Jetzt geben die
Messungen ein ganz anderes Bild. Arm oder Stock
werden um etwa 50 o ilber die Waagerechte erhoben.
Der Himmel erscheint nach Einschaltung der lot
rechten Leitlinie wie ein Spitzgewölbe nach oben
ausgezogen, etwa nach Art der Abb. ). Die Einschal
tung der Leitlinie hat also das Bild ganz wesent
lich umgestaltet. Die ganze Erscheinung gehört
wiederum nicht ins Gebiet der Physik, sondern
der Psychologie.
c) Die Machsehen Streifen. In Abb. 4 ist
auf eine dunkle Pappscheibe ein Stern aus weißem
Papier geklebt. Diese Scheibe wird von Tages-oder
Lampenlicht beleuchtet und von einem beliebigen
Motor in rasche Drehung versetzt. Dadurch werden
dem Auge drei verschiedene Kreiszonen dargeboten.
Die innere sendet je Flacheneinheit am meisten,
die äußere am wenigsten Licht in unser Auge; die
Mittelzone ergibt einen kontinuierlichen Übergang.
Das wird in Abb. 5 zeichnerisch dargestellt.
Abb 5 Zur Entstehung der Mach· Wir sehen aber-undzwarsowohl aufderrotie
sehen Streifen.
renden Scheibe wie auf ihrem Lichtbild, Abb. 6-
eine ganz andere als die wirklich vorhandene Ver
teilung. Wir sehen den inneren hellen Kreis außen
von einem noch helleren Saum eingefaßt. Wir sehen
den dunklen Ring innen von einem noch dunkleren
Saum begrenzt. Nach dem zwingenden Eindruck
scheint von dem hellen Saum je Flacheneinheit am
meisten, von dem dunklen Saum am wenigsten
Licht in unser Auge zu gelangen. Jeder Unbefangene
muß irrtümlicherweise in den Ringen die größte
bzw. die kleinste Reflexion des Lichts annehmen.
Die in Abb. 5 skizzierte Lichtverteilung tritt
bei vielen Anordnungen und Versuchen auf. Daher
Abb. 6. Mach sehe Streifen an den haben die "Mach sehen Streifen tt bei physikalischen
Grenzen von uWned1 ßS cuhnwda rGzr. au und Grau B eo b ac h tungen manch er1 e 1· Un h e1" 1 angen·c h tet.