Table Of ContentSAMMLUNG GÖSCHEN BAND 1197/1197a
EINFUHRUNG
IN DIE KONFESSIONSKUNDE
DER ORTHODOXEN KIRCHEN
DR. KONRAD ONASCH
Professor an der Universität Halle a. S.
WALTER DE GRUYTER & CO.
vormals G. J. Göschen'ache Verlagshandlung, J. Guttentag,
Verlagsbuchhandlung • Georg Reimer • Karl J. Trübner • Veit & Comp.
BERLIN 1962
©
Copyright 1962 by Walter de Gruyter & Co., vormals G. J. Göschen'sche
Verlagshandlung — J. Guttentag, Verlagsbuchhandlung — Georg Keimer —
Karl J. Trübner — Veit <S Comp., Berlin W 30. - Alle Rechte der Her-
stellung von Photokopien und Mikrofilmen von der Verlagshandlung vor-
behalten. — Archiv-Nr. 7230627. - Satz u. Druck: Walter de Gruyter & Co.,
Berlin W 30. - Printed in Germany.
Inhaltsverzeichnis
Seite
Vorwort 6
Einführung 7-15
I. Geschichte der orthodoxen Kirchen
A. Geschichte der byzantinisch-slavischen Orthodoxie ... 15-61
1. Die byzantinische Kirche 15-43
a) Von der alten Kirche zur Kirche von Byzanz 15-23
b) Die byzantinische Reichskirche 23-36
c) Die byzantinische Slavenmission 37-38
d) Das west-östliche Schisma 38-42
e) Der Untergang des Reiches 42-43
2. Die griechische Kirche 43—47
3. Die slavischen Kirchen 47-61
a) Bulgarien 47-49
b) Serbien (Jugoslavien) 49-51
c) Rußland 51-61
B. Übersichten und konfessionelle Statistiken 61-82
1. Die großen christlichen Weltkoniessionen 61
2. Die orthodoxen Kirchen 61—77
a) Der Patriarchat von Konstantinopel 61-63
b) Der Patriarchat von Moskau 63-68
Die russisch-orthodoxe Emigrantenkirche 68-69
c) Der serbische Patriarchat 69
d) Der bulgarische Patriarchat 69
e) Der rumänische Patriarchat 70-71
f) Autokephale Kirche von Albanien 71-72
g) Der Patriarchat von Alexandrien 72-73
h) Der Patriarchat von Antiochien 73-75
i) Der Patriarchat von Jerusalem 75-77
3. Die mit Rom unierten orthodoxen Kirchen 77-82
a) Die ruthenische Kirche 78-80
b) Die griechische und türkische Kirchc 80
c) Die italo-griechische Kirche 80-81
d) Die unierten Mclkiten 81-82
II. Liturgie, Stundengebet, Kirchenjahr
Seite
A. Die Meßliturgie 83-126
1. Der Kirchenbau 83-86
2. Die kirchliche Kunst 86-92
3. Kultusgewänder 92-95
4. Kultusbücher 96-102
5. Der Altar und seine Ausstattung 102-104
6. Die Meßliturgie 104-126
B. Die Festliturgie 127-130
C. Stundengottesdienste und Stundengebete 130-139
D. Das Kirchenjahr 139-156
1. Der bewegliche Festzyklus 139-148
2. Der unbewegliche Festzyklus 148-156
III. Die Ordnung in Tradition, kanonischem Recht und Hierarchie
Sakramente
A. Dogma und Tradition 157-165
B. Das kanonische Recht 165-170
C. Kirche und Staat 170-175
D. Die Autokephalie 175-181
E. Hierarchie 181-192
F. Die Sakramente 192-204
1. Die Taufe 193-197
2. Die Myronsalbung 197-198
3. Eucharistie (IX, A, 6) 198
4. Buße 198-199
5. Kirchliche Eheschließung 199-202
6. Priesterweihe (III, E) 202
7. Die heilige Ölung 202-204
IV. Mönchtum, Mission und Frömmigkeit
A. Das Mönchtum 204-212
B. Die Mission 212-217
C. Die Frömmigkeit 217-227
V. Die Theologie
Seite
A. Die Quellen 228-231
B. Vergottung und Erlösung 231-237
C. Die Lehre vom Menschen (Anthropologie) 237-240
D. Die Lehre von Christus (Christologie) 240-246
E. Die Lehre von der Kirche (Ekklesiologie) 246-254
F. Die letzten Dinge (Eschatologie) 254-257
Zusammenfassung 257-266
Literaturverzeichnis 267-271
Register 272-291
Vorwort
Seitdem N. VON ARSENIEW 1926 im Göschenband
Nr. 918 zahlreichen Lesern zum ersten Male einen Ein-
blick in das geistige und geistliche Leben der Ostkirche
schenkte, ist eine lange Zeit verflossen. Nicht nur der
äußere und innere Bestand der orthodoxen Kirchen hat
sich verändert, auch die Forschungsgebiete, welche die
Konfessionskunde der Orthodoxie für ihre Arbeit ständig
heranziehen muß, haben neue wichtige Ergebnisse vorge-
tragen. Verlag und Verfasser haben es deshalb für not-
wendig erachtet, jetzt eine Einführung in die Konfes-
sionskunde der orthodoxen Kirchen herauszugeben, die
in gewünschter Kürze einen Überblick über die wichtig-
sten Tatsachen nach dem heutigen Stande der Wissen-
schaft verschaffen soll. Die Statistik der russisch-ortho-
doxen Kirche auf S. 63—64 ist nur folgenden offiziellen
Dokumenten entnommen worden: „Die russisch-ortho-
doxe Kirche", Moskau 1958, „Zurnal Moskovskoj Patri-
ar chii" und Schreiben des Patriarchen Aleksij an den
Generalsekretär des ökumenischen Rates der Kirchen
vom 11. April 1961. Bei der Bearbeitung der Register
haben mir freundlicherweise Frl. Dipl.theol. E.-M. Bach-
mann und Herr Dipl. theol. J. Ziemer geholfen.
Halle (Saale), im Oktober 1961
KONBAD ONASCH
Einleitung
Die Konfessionskunde der orthodoxen Kirchen ist als
Wissenschaft Tatsachenforschung. Es ist nicht ganz un-
wichtig, dieses ausdrücklich festzustellen. Tatsachen-
forschung ist niemals zweckbestimmt. Ihr einziger Zweck
besteht darin, durch die der wissenschaftlichen For-
schung von sich aus gegebenen Probleme und ihre Lö-
sung Stück um Stück der Wahrheit einer geschichtlichen
Erscheinung nahezukommen. Man kann Konfessions-
kunde auch anders treiben. So ist die römisch-katholi-
sche, von wenigen Ausnahmen abgesehen, auf wissen-
schaftlich hohem Niveau stehende Ostkirchenforschung
von vorneherein durch die Unionspolitik Roms be-
stimmt. Diese Forschung trägt seit langer Zeit das viel-
schichtige Material zusammen, das die verschiedensten
Organisationen des heiligen Stuhles für ihre praktische
Politik brauchen. Es versteht sich beinahe von selbst,
daß vor allem auf historischem Gebiet dabei oft nicht
den historischen Tatsachen entsprechende Geschichts-
konstruktionen herauskommen. Die Arbeiten A. M. AM-
MAIRNS z. B., die nun ihrerseits auch manche gerechte
Kritik an der Praxis der Unionspolitik im slavischen
Räume vortragen, haben in dieser Hinsicht starke Dis-
kussionen ausgelöst, die wiederum die Forschung weiter-
treiben und der geschichtlichen Wahrheit näherzukom-
men wesentlich helfen werden. Von protestantischer
Seite sind ernsthafte Vorschläge gemacht worden, die
Konfessionskunde zu einer „Oikumenik" auszuweiten
(E. BENZ). Ohne Zweifel ist eine solche Ausweitung ge-
8 Einführung
rade für den praktischen Gebrauch nicht nur in der
Hand der oikumenischen „Spezialisten", sondern auch
für Pfarrer und Studenten zu begrüßen. Die Kirchen
leben nun einmal nicht mehr isoliert in ihren eigenen ab-
geschlossenen Räumen, sondern rücken in der Epoche
einer kollektiv sich organisierenden Menschheit immer
näher zusammen. Trotzdem wird man auch weiterhin
eine Konfessionskunde als Tatsachenforschung von einer
im Grunde doch zweckgebundenen „Oikumenik" zu un-
terscheiden haben. Die „Oikumenik" ordnet das von der
Konfessionskunde wissenschaftlich erarbeitete und bei-
gebrachte Material für ihre bestimmten Zwecke anders
als die reine Tatsachenforschung. Es wird sich dabei
auch nicht vermeiden lassen, daß hier Differenzen ent-
stehen, und daß die „Oikumenik" es sich wird gefallen
lassen müssen, von der Konfessionskunde hin und her
auf Verzeichnungen ihrer praktischen Anwendung auf-
merksam gemacht zu werden. So machen sich in letzter
Zeit Tendenzen bemerkbar, die Ostkirche unter dem
Vorzeichen gewisser ideengeschichtlicher „Geschichts-
bilder" zu sehen (vgl. auch Zusammenfassung, S. 257f.).
Aber schon die Bezeichnung Ostkirche in der Einzahl ist
irreführend, wie wir noch im einzelnen sehen werden.
Von einem summarischen „Geschichtsbild" der Ostkirche
wird man also nicht reden können. Diese ideengeschicht-
liche Wertung möchte die Orthodoxie gerne als eine
„dritte Kraft" zwischen den Konfessionen ansehen. Sie
soll sich etwa in dem besonderen „johanneischen Cha-
rakter", oder in der Integrität des Urchristentums in
den Formen ihrer Liturgie, ihres Dogmas und ihrer
Frömmigkeit Ausdruck verschaffen. Diese Theorie, die
sich einer oikumenischen Theologie vielleicht als ange-
nehme Arbeitshypothese anbieten mag, kann aber vor
der Tatsachenforschung nicht bestehen. Sie zeigt viel-
mehr — wobei wir wieder auf die Einzelheiten unserer
Darstellung verweisen —, daß die orthodoxen Kirchen
eine Geschichte gehabt haben, die sie vom Urchristentum
genau so weit entfernte, wie die anderen Kirchen auch.
Einführung 9
Eine solche ideengeschichtliche Konstruktion birgt des-
halb die Gefahr in sich, einen etwas simplen Mythos von
einer unverändert durch die Zeiten gehenden Orthodoxie
zu entwerfen, dessen theologische und praktische Kon-
sequenzen gefährlich werden können, weil sie an der
tatsächlichen Geschichtlichkeit des orthodoxen Ge-
sprächspartners vorbeigehen. —
Die Konfessionskunde besitzt nun eine ihr innewoh-
nende Problematik, auf die ebenfalls hingewiesen werden
muß. Sie ist ihrem Wesen nach eine historisch-systema-
tische Disziplin. Ein Blick in eine beliebige Konfessions-
kunde sowohl der protestantischen, als auch der katho-
lischen Forschung, zeigt aber, daß die Besinnung auf die
geschichtliche Forschung weithin von der systemati-
schen Darstellung beschattet wird. Geschichtliche Fak-
ten erscheinen sehr oft nur als Orientierungspunkte,
während demgegenüber die Darstellungen der Liturgie
und des Dogmas von erdrückender Prävalenz sind. Hier
besteht die Gefahr, von der wir oben in einem anderen
Zusammenhang bereits sprachen: Das systematische
Element läßt bei dieser Weise, die Geschichte mehr oder
weniger am Rande erscheinen zu lassen, die unrichtige
Meinung aufkommen, als ob es eine Orthodoxie gäbe
und ihr Dogma wandlungslos durch die Jahrtausende
marschiere. Es entsteht damit die gefährliche Fiktion
einer ungeschichtlichen Kirche, deren Beurteilung allzu
schnell in Negativismen ausarten kann (vgl. S. 261). Die
systematisch erarbeiteten Erkenntnisse werden im all-
gemeinen als „Leitmotive" der geschichtlichen For-
schung vorangesetzt. Ohne Zweifel besteht eine echte
Spannung zwischen der systematischen und historischen
Theologie. Wird sie aber zugunsten des einen Elementes
aufgehoben, entstehen falsche und gefährliche Leitbilder.
Es ist sehr bezeichnend, daß es eine historisch-wissen-
schaftliche Darstellung der Ostkirchen in der Konfes-
sionskunde noch immer nicht gibt. Sie hat sich vielmehr
in einigen bedeutenden Darstellungen und Untersuchun-
gen der protestantischen und katholischen Forschung in
10 Einführung
der historischen Disziplin angesiedelt. Die Konfessions-
kunde steht hier vor der Aufgabe, ohne systematische
Leitmotive, vielmehr in echter historischer Forschung
der Geschichte der orthodoxen Kirche zu ihrem Recht
zu verhelfen. —
Es ist bekannt, daß die heutige protestantische Kon-
fessionskunde ein Erbe der Reformation ist. Zunächst
hieß sie „Symbolik", um später auch ,,Polemik" genannt
zu werden. Die Konfessionskunde hat keinen Grund, sich
dieser ihrer Vorgänger zu schämen. Gerade als Tatsachen-
forschung wohnt ihrer Arbeit ein echtes, recht verstan-
denes „polemisches" Element inne. Sie soll ja mit ihren
Ergebnissen der Wahrheitsfindung dienen und wird da-
mit auch Kontroversen auslösen müssen. Dabei wird sie
die rein vergleichende, komparative Methode, die bereits
K. A. VON HASE (vgl. auch Artikel „Konfessionskunde"
von E. WOLF, in: RGG3, 3. Bd., 1959, Sp. 1749—1752)
abgelehnt hatte, um so besser überwinden können, als
sie der historischen Forschung zu ihrem Recht verhilft.
Es wird ihr niemals um eine billige, die konfessionellen
Unterschiede nivellierenden Irenik gehen. Aber sie wird
immer um eine irenische Haltung bemüht sein müssen,
um nicht billig polemisch zu werden. Die vornehme Art
Kontroverstheologie zu treiben, wie sie der Verfasser als
Student bei LEONHARD FENDT lernte, oder die vorbild-
liche Methode, nun einmal geschichtlich gewachsene
konfessionelle Gegensätze darzustellen, ohne den Ge-
sprächspartner mundtot zu machen, wie es im „Ireni-
kon" der Benediktiner von Amay-sur-Meuse (Belgien)
oder in den „Ostkirchlichen Studien" der Augustiner in
Würzburg geschieht, sollte einer Konfessionskunde als
„Polemik" als nachahmenswertes Beispiel dienen. —
Die vorliegende, kurzgefaßte Konfessionskunde der
orthodoxen Kirchen beschränkt sich nur auf die Ost-
kirchen orthodoxer Konfession, also unter Ausschluß der
monophysitischen und nestorianischen Kirchen. Die
Unterschiede zwischen diesen und den orthodoxen Kir-
chen sind tiefer, als heute oft behauptet wird. Da sie im