Table Of ContentEinfu¨hrung in die
Statistik der Finanzm¨arkte
0
0
8
0
0
6
0
0
4
0
0
2
1976 1980 1984 1988 1992 1996
Ju¨rgen Franke
Wolfgang H¨ardle
Christian Hafner
28. Mai 2001
Ju¨rgen Franke
Universit¨at Kaiserslautern
Fachbereich Mathematik
Postfach 3049
67653 Kaiserslautern
[email protected]
Wolfgang H¨ardle
Humboldt-Universit¨at zu Berlin
Wirtschaftswissenschaftliche Fakult¨at
Institut fu¨r Statistik und O¨konometrie
Spandauer Str. 1
10178 Berlin
[email protected]
Christian Hafner
R&D Energy Markets
Electrabel
Traverse d’Esope 6
B-1348 Louvain-la-Neuve
Vorwort
Bis vor etwa zwanzig Jahren war die sogenannte Finanzmathematik im Vergleich zu ande-
ren Anwendungsfeldern der Mathematik ein wenig anspruchsvolles Gebiet. Dies ¨anderte sich
schlagartig im Zuge der bahnbrechenden Arbeiten von Black, Scholes und Merton, fu¨r die sie
1997 den Nobelpreis fu¨r Wirtschaftswissenschaften bekommen haben, und der Bedeutung,
die derivative Finanzinstrumente seither in den Finanzm¨arkten gewonnen haben. Die Bewer-
tung solcher komplexer Anlageformen und die Einsch¨atzung der damit verbundenen Risiken
erfordern in einem durch die Globalisierung und die damit einhergehenden Verflechtungen
nationaler M¨arkte immer komplizierter gewordenen Umfeld anspruchsvolle mathematische
und statistische Modelle und Methoden.
Betont wurde die Notwendigkeit zur Weiterentwicklung und Verbesserung der mathema-
tischenGrundlageneinesobjektivenRisikomanagementsdurchTurbulenzenderFinanzm¨ark-
te in den neunziger Jahren - von den großen Pleiten im Derivatehandel wie Metallgesellschaft
oder Orange County u¨ber die Asienkrise bis zum Fall des Long-Term Capital Management
Funds. Dadurch sahen sich die Gesetzgeber zu Gegenmaßnahmen veranlasst. In Kontinen-
taleuropa wird diese noch lange nicht abgeschlossene Entwicklung im wesentlichen durch die
Basler Bankenaufsicht (Basel Committee on Banking Supervision) beeinflusst, deren Emp-
fehlungen EU-weit als Grundlage fu¨r Gesetzgebungsinitiativen dienen, mit denen Finanz-
institutionen zu einem dezidierten, alle Gesch¨aftsbereiche umfassenden Risikomanagement
verpflichtet werden. Daraus resultiert ein explodierender Bedarf an Fachleuten im Financial
Engineering, die intern Risiken kontrollieren und profitable Investitionm¨oglichkeiten ent-
decken k¨onnen und die außerdem Sorge tragen, dass den gesetzlichen Vorschriften genu¨ge
getan wird. Interne Modelle, die vom Bundesaufsichtsamt fu¨r Kreditwesen in Kooperation
mit den Landes¨amtern begutachtet werden, tragen dazu bei, ein auf das jeweilige Institut
zugeschnittenes kostenoptimales Risikomanagement zu erm¨oglichen.
In Zukunft werden die hierfu¨r entwickelten Ans¨atze auch fu¨r andere Firmen als Banken
und ¨ahnliche Finanzinstitutionen relevant, da das Gesetz zur Kontrolle und Tranzparenz
im Unternehmensbereich (KonTraG) unter anderem alle Aktiengesellschaften zu einem dezi-
dierten Risikomanagement verpflichtet, was auf jeden Fall auch ein Finanzrisikomanagement
beinhaltet.
Der vorliegende Text soll die n¨otigen mathematischen und statistischen Grundlagen fu¨r
eine T¨atigkeit im Financial Engineering vermitteln. Unser Ziel ist es dabei, eine u¨berschau-
bare Einfu¨hrung in wichtige Ideen aus den verschiedensten Bereichen der Finanzmathematik
und Finanzstatistik zu geben. Wir streben keine umfassende Abdeckung aller in der Praxis
relevanten Details an, und wir umgehen auch bewusst die technischen Feinheiten der moder-
nen,aufdemMethodenapparatderstochastischenAnalysisaufbauendenFinanzmathematik.
Fu¨r beide Zwecke gibt es bereits eine Vielzahl von Bu¨chern. Wir wollen stattdessen Studie-
v
renden der Mathematik, der Statistik und der Wirtschaftswissenschaften bzw. entsprechend
vorgebildeten, interessierten Studierenden anderer Fachrichtungen einen ersten Einstieg in
die Modellierung und mathematische Analyse von Finanzdaten geben. Gleichzeitig richtet
sich das Buch an Praktiker, die ihr im Beruf erworbenes Wissen vertiefen oder verbreitern
wollen. Neben einer Einfu¨hrung in die klassische Theorie der Bewertung von Derivaten legen
wir dabei besonderen Wert auf die statistischen Aspekte beim Einsatz finanzmathematischer
Verfahren, d.h. die Auswahl geeigneter Modelle, sowie ihre Anpassung und Validierung an-
hand von Daten.
Das vorliegende Buch besteht aus drei Teilen. Die ersten beiden sind so organisiert, dass sie
unabh¨angig voneinander gelesen werden und als Stoff fu¨r je eine Lehrveranstaltung im Ge-
samtumfang von ca. 30 Stunden (2 Semesterwochenstunden) dienen k¨onnen. Dabei nehmen
wir bewusst ein gewisses Maß an Redundanz in Kauf, wenn dasselbe Thema, wenn auch
unter unterschiedlichen Gesichtspunkten, in beiden Teilen angesprochen wird. Der dritte
Teil stellt ausgew¨ahlte Anwendungen auf aktuelle Probleme aus der Praxis vor. Sowohl die
Bewertung von Optionen wie auch die Statistische Modellierung von Finanzzeitreihen sind
mehrfach Thema von Seminaren und Vorlesungen im Schwerpunkt Financial Mathematics
des internationalen Studienprogramms Mathematics International der Universit¨at Kaisers-
lautern (www.mathematik.uni-kl.de) sowie im VWL, BWL und Statistik Studiengang an
der Humboldt-Universit¨at zu Berlin (ise.wiwi.hu-berlin.de) gewesen. Gleichzeitig waren sie
Grundlage von Weiterbildungskursen, die die Autoren im In- und Ausland fu¨r Praktiker aus
Banken gehalten haben.
Der erste Teil Bewertung von Optionen behandelt die klassische Preistheorie fu¨r derivati-
ve Finanzinstrumente. Neben der Black-Scholes-Gleichung fu¨r gew¨ohnliche europ¨aische und
amerikanische Optionen und ihre numerische L¨osung u¨ber die Approximation durch Bino-
mialprozesse nach Cox, Ross und Rubinstein werden auch einige g¨angige exotische Optio-
nen und ihre Bewertung angesprochen. Stochastische Modelle fu¨r die Zinsentwicklung und
die Preisbestimmung von Zinsderivaten schließen diesen Abschnitt ab. Das n¨otige Hand-
werkszeug aus der stochastischen Analysis, insbesondere der Wiener-Prozess, stochastische
Differentialgleichungen und die Itˆo-Formel, werden heuristisch motiviert und nicht rigoros
hergeleitet. Auch auf fortgeschrittene Methoden der modernen Finanzmathematik wie die
Martingaltheorie und die daraus resultierende elegante Charakterisierung von Arbitragefrei-
heit in vollst¨andigen M¨arkten verzichten wir, um den Text auch fu¨r Nichtmathematiker bzw.
Mathematiker ohne entsprechende vertiefte Kenntnisse der Theorie stochastischer Prozesse
verst¨andlich zu machen.
Der zweite Teil Statistische Modellierung von Finanzzeitreihen stellt die nunmehr klassi-
sche auf Engle, Bollerslev u.a. zuru¨ckgehende Finanzzeitreihenanalyse vor. Ausgehend von
den traditionellen linearen Prozessen, insbesondere der ARMA- und ARIMA-Prozesse, die
seit langem ein popul¨ares Handwerkszeug der O¨konometrie bei der Modellierung von Wirt-
schaftsdaten sind, wird motiviert, warum Finanzzeitreihen in der Regel nicht auf diese Weise
beschrieben werden k¨onnen. Als alternative, mit den ARMA-Prozessen konzeptionell ver-
wandte Modellklasse werden Zeitreihenmodelle mit stochastischer Volatilit¨at betrachtet: ne-
ben den gebr¨auchlichen ARCH- und GARCH-Prozessen auch aktuelle Verallgemeinerungen,
die eine asymmetrische Verteilung der Renditen zulassen. Als Unterstu¨tzung bei der explo-
rativen Datenanalyse und beim Auffinden und Validieren einfacher parametrischer Modelle
gilt unser besonderes Augenmerk nichtparametrischen Modellen fu¨r Finanzzeitreihen und
ihre Anpassung an Daten mit Hilfe von Kernsch¨atzern und anderen Gl¨attungsverfahren.
Im dritten Teil Spezifische Finanzanwendungen werden aktuelle praktische Fragen wie
flexible Optionsbewertung, Risikoquantifizierung, Generierung von Handelssignalen sowie
Kreditscoring und Rating angesprochen. Dabei werden zum einen die in den ersten beiden
Teilen vorgestellten Konzepte eingesetzt, um L¨osungsvorschl¨age zu entwickeln, zum anderen
aber auch spezifische Erweiterungen und Alternativen zu nichtparametrischen Zeitreihenmo-
delle wie semiparametrische Ans¨atze und neuronale Netze betrachtet.
Der vorliegende Text ist als e-book konzipiert. Das Buch befindet sich als HTML- und
PDF-file auch auf beiliegender CD. Alle Beispiele, Tabellen und Graphen k¨onnen interaktiv
reproduziert und eventuell ver¨andert werden. Eine Netzversion befindet sich auf dem e-book
Serverwww.quantlet.com.AuchaufdiesemServerk¨onnendieBeispieleinteraktivausgefu¨hrt
werden.
Das vorliegende Buch w¨are nicht m¨oglich ohne die kooperativen Vorschl¨age von P. Cizek, M.
Fengler, Z. Hlavka, E. Kreutzberger, S. Klinke, D. Mercurio und D. Peithmann. Der erste
Teil des Buches ist aus einem Weiterbildungskurs hervorgegangen, der gemeinsam mit G.
Maercker, K. Schindler und N. Siedow entwickelt worden ist. Wir danken all diesen Kolle-
ginnen und Kollegen. Ganz besonderen Dank m¨ochten wir aussprechen an T. Kleinow, der
den Text in allen Phasen begleitet hat, die e-book Plattform geschaffen und betreut hat und
der mit zahlreichen Kommentaren die Pr¨asentation des Buches mitbeeinflusst hat.
Fu¨r die Redaktion des Textes danken wir Beate Siegler und Anja Ossetrova.
Kaiserslautern, Berlin und Louvain-la-Neuve, Mai 2001
Inhaltsverzeichnis
I. Bewertung von Optionen 1
1. Finanzderivate 3
1.1. Literaturhinweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10
2. Grundlagen des Optionsmanagements 11
2.1. Arbitragebeziehungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11
2.2. Portefeuille-Versicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22
2.3. Literaturhinweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28
3. Grundlegende Begriffe der Wahrscheinlichkeitstheorie 29
3.1. Reellwertige Zufallsgr¨oßen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29
3.2. Erwartungswert und Varianz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31
3.3. Schiefe und Kurtosis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33
3.4. Zufallsvektoren, Abh¨angigkeit, Korrelation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33
3.5. Bedingte Wahrscheinlichkeiten und Erwartungswerte . . . . . . . . . . . . . 35
3.6. Literaturhinweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36
4. Stochastische Prozesse in diskreter Zeit 37
4.1. Binomialprozesse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37
4.2. Trinomialprozesse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40
4.3. Allgemeine Irrfahrten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41
4.4. Geometrische Irrfahrten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43
4.5. Binomialmodelle mit zustandsabh¨angigen Zuw¨achsen . . . . . . . . . . . . . 44
5. Stochastische Integrale und Differentialgleichungen 47
5.1. Der Wiener-Prozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47
5.2. Stochastische Integration . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50
5.3. Stochastische Differentialgleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52
5.4. Der Aktienkurs als stochastischer Prozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54
5.5. Itˆos Lemma . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56
5.6. Literaturhinweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57
ix
6. Black-Scholes-Optionsmodell 59
6.1. Die Black-Scholes-Differentialgleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59
6.2. Die Black-Scholes-Formel fu¨r europ¨aische Optionen . . . . . . . . . . . . . . 65
6.3. Risikomanagement mit Hedge-Strategien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69
6.3.1. Delta-Hedgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72
6.3.2. Gamma und Theta . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75
6.3.3. Rho und Vega . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77
6.3.4. Historische und implizierte Volatilit¨at . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78
6.4. Literaturhinweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81
7. Das Binomialmodell fu¨r europ¨aische Optionen 83
7.1. Der Cox-Ross-Rubinstein-Ansatz zur Optionsbewertung . . . . . . . . . . . . 84
7.2. Diskrete Dividendenertr¨age . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87
7.2.1. Dividenden als Prozentsatz des Aktienkurses . . . . . . . . . . . . . . 87
7.2.2. Dividenden als feste Betr¨age . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89
7.3. Literaturhinweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91
8. Amerikanische Optionen 93
8.1. Arbitragebeziehungen fu¨r amerikanische Optionen . . . . . . . . . . . . . . . 93
8.2. Das Trinomialmodell fu¨r amerikanische Optionen . . . . . . . . . . . . . . . 100
8.3. Literaturhinweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103
9. Exotische Optionen und Zinsderivate 105
9.1. Beispiele fu¨r exotische Optionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105
9.1.1. Zusammengesetzte Optionen, Optionen auf Optionen . . . . . . . . . 105
9.1.2. Chooser Optionen oder “Wie es euch gef¨allt”-Optionen . . . . . . . . 106
9.1.3. Barrier-Optionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106
9.1.4. Asiatische Optionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107
9.1.5. Lookback-Optionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109
9.2. Modelle fu¨r den Zinssatz und Zinsderivate . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110
9.2.1. Wert eines Bonds bei bekannten zeitabh¨angigem Zinssatz . . . . . . . 110
9.2.2. Stochastische Zinsmodelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111
9.2.3. Die Bondbewertungs-Gleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111
9.2.4. L¨osung der Zerobond-Bewertungsgleichung . . . . . . . . . . . . . . . 113
9.2.5. Bewertung von Bond-Optionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114
9.3. Literaturhinweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114
II. Statistische Modellierung von Finanzzeitreihen 115
10.Einfu¨hrung: Definitionen und Konzepte 117
10.1.Einige Definitionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118
10.2.Statistische Analyse deutscher Aktienrenditen . . . . . . . . . . . . . . . . . 124
10.3.Erwartungsbildung und Markteffizienz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125
10.4.O¨konomische Modelle: Ein kurzer U¨berblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131