Table Of ContentSWP-Studie
Stiftung Wissenschaft und Politik
Deutsches Institut für Internationale
Politik und Sicherheit
Michael Paul
Eine »Große Sandmauer«
im Südchinesischen Meer?
Politische, seerechtliche und
militärische Aspekte des Inselstreits
S 9
Mai 2016
Berlin
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ISSN 1611-6372
Inhalt
5 Problemstellung und Schlussfolgerungen
7 Die Territorialkonflikte im
Südchinesischen Meer
13 Die Spratly-Inseln und die »Große Sandmauer«
14 Erfolgreiche Salamitaktik?
17 Die USS Lassen und die Freiheit der See
19 Politische und militärische Implikationen der
chinesischen Außenposten
23 Bilanz und Ausblick
25 Abkürzungsverzeichnis
Dr. Michael Paul ist Senior Fellow in der
Forschungsgruppe Sicherheitspolitik
Problemstellung und Schlussfolgerungen
Eine »Große Sandmauer« im Südchinesischen Meer?
Politische, seerechtliche und militärische Aspekte
des Inselstreits
Der Ausbau chinesischer Außenposten im Südchinesi-
schen Meer hat in Art, Umfang und Geschwindigkeit
neue Maßstäbe gesetzt. Zwar haben auch Anrainer-
staaten wie Vietnam in der Vergangenheit ihre Stütz-
punkte erweitert, allerdings über viele Jahre und nicht
binnen weniger Monate. Allein von September 2013
bis Juni 2014 sollen mehr als zehn Millionen Kubik-
meter Sand und Zement auf fünf Riffe im Gebiet der
Spratly-Inseln verbracht worden sein. Unter anderem
wurden Sand und Gestein mit Hilfe einer speziellen
Schiffskonstruktion vom Meeresboden gesaugt und
auf Korallenriffs oder hinter künstlich errichteten
Stützmauern aufgeschüttet. Bis März 2015 wurde so
eine Gesamtfläche von etwa 14,5 Quadratkilometern
geschaffen, die der Kommandeur der US-Pazifikflotte
ironisch als »Große Sandmauer« bezeichnete. Ein
Aufklärungsflug im Mai 2015 zeigte, dass ein Außen-
posten mit einer Betonpiste von über drei Kilometern
Länge ausgestattet und ein Tiefseehafen eingerichtet
worden waren, was neben ziviler auf militärische
Bedeutung hinweist. Zwar beteuerte Beijing, die Arbei-
ten seien beendet, doch wurden danach weitere Lande-
bahnen gebaut. Dadurch sah sich das Weiße Haus im
Januar 2016 veranlasst, Chinas Aktivitäten ein weite-
res Mal zu kritisieren: Sie würden Spannungen hervor-
rufen und die regionale Stabilität untergraben. Wenig
später wurde bekannt, dass China zwei Raketenbatte-
rien auf der Woody-Insel stationiert hat, die auch
Taiwan und Vietnam beanspruchen. Allen gegenteili-
gen Bekundungen aus Beijing zum Trotz zeichnet sich
damit eine Militarisierung in diesen umstrittenen
Gewässern ab, deren reiche Ressourcen und Energie-
lagerstätten schon in den 1980er Jahren als potentielle
Konfliktursachen galten.
Das Südchinesische Meer ist eine wichtige Transit-
strecke für internationale Handels- und Rohstoff-
transporte. Deshalb haben die Entwicklungen dort
erheblichen Einfluss nicht nur auf weit entfernte Han-
delsnationen wie Deutschland, sondern auch auf An-
rainerstaaten der angrenzenden Seegebiete. Japan und
Südkorea wären unmittelbar von einer Beeinträchti-
gung des Schiffsverkehrs betroffen. Territorialstreitig-
keiten im Südchinesischen Meer wirken sich direkt
auf das Ostchinesische Meer aus, in dem der chinesisch-
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Eine »Große Sandmauer« im Südchinesischen Meer?
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Problemstellung und Schlussfolgerungen
japanische Inselstreit anhält. Japan hat angekündigt, damit im regionalen und internationalen Rahmen
künftig seine Marine einzusetzen, um chinesischen verbunden?
Schiffen die Durchfahrt in den Territorialgewässern
der umstrittenen Senkaku/Diaoyu-Inseln zu verweh-
ren. China wiederum hat für seine Küstenwache
(China Coast Guard, CCG) das zweite, weltweit größte
Küstenschutzschiff (CCG-3901) fertiggestellt. Diese
Schiffe demonstrieren maritimen Herrschaftsanspruch
allein schon durch ihre Größe, in der sie selbst US-
Lenkwaffenzerstörer der Arleigh-Burke-Klasse (wie die
USS Lassen) übertreffen. Während CCG-2901 im Ost-
chinesischen Meer patrouilliert, soll das neue Schiff
nun im Südchinesischen Meer die maritimen Ansprü-
che Chinas durchsetzen. Speziell die Flottenrüstung
hat China in die Lage versetzt, seinen Territorialan-
sprüchen unter Umständen gewaltsam Geltung zu
verschaffen und andere Länder vor Gegenwehr ab-
zuschrecken. Damit droht sich die Lage in Ostasien zu
verschärfen, obwohl sämtliche Staaten der Region auf
stabile und sichere Seeverbindungen angewiesen sind
und jede Intervention – ob durch Milizen, Streitkräfte
oder Piraterie – die maritime Sicherheit und die wirt-
schaftliche Wohlfahrt aller in Mitleidenschaft zieht.
Aus dieser Perspektive bildet das Südchinesische
Meer ein aktuelles regionales, möglicherweise in
Zukunft sogar global wirksames Konfliktgebiet, denn
hier prallen nahezu unvereinbare Interessen aufein-
ander: einerseits die innenpolitisch sakrosankten
Herrschaftsansprüche der Volksrepublik China, die
auf »unanfechtbare Souveränität« über Inseln und
Gewässer im Südchinesischen Meer pocht, anderer-
seits die außenpolitisch ebenso zentrale maritime
Herrschaftsausübung der USA als Grundlage ihrer
Weltmachtrolle. Im Kern handelt es sich um einen
Regionalkonflikt um Seewege und Ressourcen, an
dem maßgeblich Staaten der ASEAN (Association of
Southeast Asian Nations) und China beteiligt sind,
der aber auch globale Auswirkungen hat. Erstens
betrifft er einen »Superhighway der Meere«, auf dem
fast ein Drittel des weltweiten Seehandels abgewickelt
wird. Zweitens ist er durch die jahrzehntelange
Schutzmachtrolle der USA in diesem Gebiet unmittel-
bar mit der aufkommenden sino-amerikanischen
Großmachtrivalität verknüpft. Drittens schließlich
beinhaltet er einen seerechtlichen Ordnungskonflikt,
der ein Grundprinzip der liberalen Weltordnung in
Frage stellt – »Freiheit der See« versus exklusive See-
räume. Worin liegen also die Ursachen für diesen
Konflikt? Wie ist sein bisheriger und sein weiterer
Verlauf einzuschätzen? Welche Implikationen und
möglichen Wege zur Einhegung dieses Konflikts sind
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Eine »Große Sandmauer« im Südchinesischen Meer?
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Die Territorialkonflikte im Südchinesischen Meer
Die Territorialkonflikte im Südchinesischen Meer
Aufgrund der für Segelschiffe günstigen Monsunwinde Malakka, das Eingangsportal zum Südchinesischen
war das Südchinesische Meer1 schon in der Antike Meer, werden mehr als ein Drittel des global verfüg-
eine wichtige Handelsroute. Für Asien hat es ähnlich baren Rohöls (täglich etwa 15,2 Millionen Barrel) und
hohe Bedeutung wie das Mittelmeer für Europa und über die Hälfte verflüssigten Erdgases (Liquefied Natu-
auch hier muss die Herrschaft über das Meer als Kon- ral Gas, LNG) zu den Staaten der ostasiatischen Wachs-
trolle der wichtigsten Seewege verstanden werden.2 tumsregion transportiert.5 Diese beziehen ihr Rohöl
Als pazifisches Randmeer hat das Südchinesische Meer großteils über das Südchinesische Meer – China zu
den Austausch von Waren zwischen den südostasiati- etwa 80 Prozent, Südkorea zu 66 Prozent und Japan
schen Küstenstaaten schon in Zeiten erlaubt, in denen zu fast 60 Prozent. Darüber hinaus stammen rund
er über die meist von Dschungel bedeckten Landwege zehn Prozent des weltweiten Fangs von Speisefisch aus
nicht möglich war. Das Meer wurde so zum gemein- den reichen Fischgründen des Südchinesischen Meeres.
samen Dreh- und Angelpunkt einer Region, die sich Nicht zuletzt wird es aufgrund seiner großen unter-
durch große Vielfalt auszeichnet – politisch, wirtschaft- seeischen Gas- und Ölvorkommen als »neuer Persischer
lich, kulturell und religiös. Golf« gesehen: Die U.S. Energy Information Agency,
Im 21. Jahrhundert bildet das Südchinesische Meer eine für statistische Analysen zuständige Behörde des
den Hauptverkehrsweg für die prosperierenden ost- US-Energieministeriums, veröffentlichte 2013 Schät-
asiatischen Wirtschaftssysteme. Wer dieses Meer zungen, denen zufolge unter dem Südchinesischen
beherrscht, kontrolliert einen entscheidenden Teil der Meer 11 Milliarden Barrel Öl und 190 Milliarden Kubik-
Weltwirtschaft. Mehr als 60 000 Schiffe mit Handels- meter Gas lagern sollen. Der staatliche Ölkonzern
ware im Wert von über 5,3 Billionen US-Dollar (davon China National Offshore Oil Corporation (CNOOC)
1,2 Billionen aus dem US-Handel sowie ein beträcht- vermutet sogar weit größere Vorkommen, nämlich
licher Teil aus dem europäischen und dem deutschen 125 Milliarden Barrel Öl.6 Angesichts des wachsenden
Außenhandel) passieren jährlich das Südchinesische Ressourcenbedarfs wurde mit dem Hinweis auf diese
Meer. Das entspricht fast einem Drittel des Welt- Rohstoffe schon in der Vergangenheit das Risiko eines
handelsvolumens. Zudem gewährleistet dieser »Super- Regionalkonflikts begründet.7
highway der Meere«3 die Versorgung nord- und südost-
asiatischer Staaten mit Energie und Rohstoffen und
ist nur zeitweise nutzbar. Vgl. Euan Graham, »Maritime Secu-
ist dabei nahezu unersetzlich.4 Durch die Straße von rity and Threats to Energy Transportation in Southeast Asia«,
in: RUSI Journal, 160 (2015) 2, S. 27.
1 Die Bezeichnung »Südchinesisches Meer« (South China Sea) 5 Ein Teil des Rohöls, 1,4 Mio. Barrel pro Tag (MMbbl/d), ist
hat sich im englischsprachigen Raum und damit als inter- für Singapur und Malaysia bestimmt, wo es raffiniert und
national üblicher Begriff etabliert. Die Anrainer bezeichnen weiterverschifft wird. Der Großteil (12,8 MMbbl/d) geht nach
dieses Meer neutral nach der jeweiligen Himmelsrichtung, China (4,5 MMbbl/d) und Japan (3,2 MMbbl/d), den beiden
in der es sich von ihrem Heimatland aus gesehen befindet. größten Energiekonsumenten in Asien, sowie über das Ost-
Chinesen sprechen vom »Südmeer« (Nanhai) und Vietname- chinesische Meer nach Südkorea. U.S. Energy Information
sen vom »Ostmeer« (Bien Dong). Nur die Philippinen verwen- Agency (EIA), South China Sea, 7.2.2013, <www.eia.gov/beta/
den seit 2012 den Begriff »Westphilippinisches Meer«. Vgl. international/analysis_includes/regions_of_interest/South_
Sarah Raine/Christian Le Mière, Regional Disorder. The South China_Sea/south_china_sea.pdf>.
China Sea Disputes, London: International Institute for Strategic 6 Ebd.
Studies (IISS), 2013, S. 13; Gerhard Will, Tough Crossing: Europa 7 U.S. Department of Defense (DoD), The Asia-Pacific Maritime
und die Konflikte in der Südchinesischen See, Berlin: Stiftung Strategy: Achieving U.S. National Security Objectives in a Changing
Wissenschaft und Politik, Juni 2014 (SWP-Studie 10/2014), S. 7. Environment, Washington, DC, 27.7.2015, S. 5; EIA, South China
2 Vgl. David Abulafia, Das Mittelmeer. Eine Biographie, Frankfurt Sea [wie Fn. 5]; Amos A. Jordan/William J. Taylor Jr., American
a.M.: S. Fischer Verlag, 2013, S. 813. National Security. Policy and Process, Baltimore/London: Johns
3 Arne Perras, »Pazifikraum. Ritt auf dem Tiger«, in: Süddeut- Hopkins University Press, 1981, S. 376; Robert D. Kaplan,
sche Zeitung, 29.4.2016, S. 4. Asia’s Cauldron. The South China Sea and the End of a Stable Pacific,
4 Alternative Routen bedeuten lange Umwege und weitaus New York: Random House, 2014, S. 10, 170f; Graham, »Mari-
höhere Kosten. Der arktische Seeweg nach Nordostasien etwa time Security and Threats to Energy Transportation in South-
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Eine »Große Sandmauer« im Südchinesischen Meer?
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Die Territorialkonflikte im Südchinesischen Meer
Die herausragende Bedeutung als Seeweg und Res- (Artikel 55 und 57 SRÜ). Die AWZ bleibt ein Teil der
sourcenspeicher macht das Südchinesische Meer und hohen See, doch dem Küstenstaat stehen die Ausbeu-
seine vier Inselgruppen (Pratas, Paracel, Spratly, Scar- tung der natürlichen Ressourcen in der Zone ein-
borough) zum Objekt sich überschneidender regio- schließlich der Fischerei und einzelne Hoheitsrechte
naler Gebietsansprüche von China und Taiwan, den zu (Artikel 56 SRÜ). China beansprucht im Südchine-
Philippinen, Malaysia, Brunei und Vietnam. In einigen sischen Meer ein Gebiet, das mehr als 1000 Kilometer
Fällen hat es deswegen bereits militärische Auseinan- von seiner Küste entfernt liegt. Zur Begründung beruft
dersetzungen und nationalistische Ausschreitungen sich der chinesische Präsident auf die Geschichte.9
gegeben. Außer Brunei haben alle Staaten, die Gebiets- Neben dem Hinweis auf die Nutzung der maritimen
ansprüche erheben, auf Inseln und Korallenriffen Seidenstraße in der Kaiserzeit verweist die chinesische
diverse Gebäude errichtet und zum Teil militärisch Seite auf die Potsdamer Erklärung vom 26. Juli 1945,
gesichert. Im Falle Vietnams betrifft dies 26 Inseln und welche die Bedingungen für die Kapitulation Japans
Riffe, bei den Philippinen zehn, bei China acht, Malay- beinhaltet, darunter die Rückgabe seit 1914 eroberter
sia sieben und Taiwan zwei. Häufig handelt es sich um Gebiete und Inseln im Südchinesischen Meer.10 Außer-
Riffe oder Felsen, die bei Flut unter Wasser liegen und dem hat die Regierung der nationalchinesischen
für menschliche Besiedlung nicht geeignet sind, außer Kuomintang 1947 eine Landkarte mit all jenen Inseln
sie wurden künstlich befestigt. Nur die von Taiwan herausgegeben, auf die Anspruch erhoben wird – ein-
besetzte größte natürliche Insel der Spratly-Gruppe, schließlich der damit verbundenen Rechte zu Fische-
Itu Aba (Taiping), verfügt gemäß der Definition im rei, Navigation und Ausbeutung dort verfügbarer Res-
Seerechtsübereinkommen (SRÜ) der Vereinten Natio- sourcen. Gemäß dieser Karte würden bis zu 90 Prozent
nen (VN) von 1982 über alle Eigenschaften einer »Insel« des Südchinesischen Meeres, zwischen zwei und drei
als »eine natürlich entstandene Landfläche, die vom Millionen Quadratkilometer, unter die Jurisdiktion
Wasser umgeben ist und bei Flut über den Wasser- der Volksrepublik fallen.11
spiegel hinausragt« (Artikel 121, Absatz 1 SRÜ). Sie ist Die Ständige Vertretung der Volksrepublik China
ein Streitpunkt zwischen China, Taiwan, Vietnam bei den Vereinten Nationen hat dementsprechend im
und den Philippinen, vor allem seit unter den Spratly- Mai 2009 zwei Verbalnoten an das VN-Generalsekreta-
Inseln große Ölreserven vermutet werden.8 Denn mit riat gesandt. Sie enthielten eine grob der Version von
dem Status einer Insel ist der Anspruch auf entspre- 1947 folgende Landkarte mit einer U-förmigen Neun-
chende große Seegebiete und die Ausbeutung der dort Striche-Linie (Nine-Dash Line, NDL) und die Erklärung,
vorhandenen Ressourcen verbunden.
Laut dem Seerechtsübereinkommen können Staaten
9 »Islands in the South China Sea since ancient times are
ein Gebiet als ausschließliche Wirtschaftszone (AWZ)
China’s territory.« The White House, Remarks by President Obama
beanspruchen, das sich seewärts der Küste bis zu einer
and President Xi of the People’s Republic of China in Joint Press Con-
Breite von 200 Seemeilen (370 Kilometer) erstreckt, ference, Washington, DC, 25.9.2015, <www.whitehouse.gov/
jeweils von der Basislinie entlang der Küste gemessen the-press-office/2015/09/25/remarks-president-obama-and-
president-xi-peoples-republic-china-joint>.
east Asia« [wie Fn. 4], S. 20–31; Ronald O’Rourke, Maritime 10 So der chinesische Ministerpräsident Li Keqiang 2013 bei
Territorial and Exclusive Economic Zone (EEZ) Disputes Involving seinem Besuch in Berlin. Botschaft der Volksrepublik China
China: Issues for Congress, Washington, DC: Congressional in der Bundesrepublik Deutschland, Li Keqiang im Potsdamer
Research Service (CRS), 22.12.2015 (R42784), S. 2; Raine/Le Schloss Cecilienhof, Berlin, 26.5.2013, <www.china-botschaft.de/
Mière, Regional Disorder [wie Fn. 1], S. 12, 29, 75f; Will Rogers, det/zt/premier/t1043961.htm>. Vgl. Zhiguo Gao/Bing Bing Jia,
»The Role of Natural Resources in the South China Sea«, in: »The Nine-Dash Line in the South China Sea: History, Status,
Patrick M. Cronin (Hg.), Cooperation from Strength. The United and Implications«, in: The American Journal of International Law,
States, China and the South China Sea, Washington, DC: Center 107 (2013) 1, S. 101f; Rana Mitter, »The End of the Second
for a New American Security (CNAS), Januar 2012, S. 87, 90; World War and the Shaping of Geopolitics in East Asia«, in:
Mamdouh G. Salameh, »China, Oil and the Risk of Regional RUSI Journal, 160 (2015) 4, S. 14–17.
Conflict«, in: Survival, 37 (Winter 1995–1996) 4, S. 133–146. 11 Vgl. Markus Ackeret, »Angewandte chinesische Geografie«,
8 Vgl. Richard Cronin/Zachary Dubel, Maritime Security in East in: Neue Zürcher Zeitung, 27.11.2012, S. 5; DoD, Annual Report to
Asia: Boundary Disputes, Resources, and the Future of Regional Stabil- Congress. Military and Security Developments Involving the People’s
ity, Washington, DC: Stimson, Februar 2013, S. 14f; M. Taylor Republic of China 2013, Washington, DC, 2013, S. 3f; Gao/Jia,
Fravel, »Maritime Security in the South China Sea and the »The Nine-Dash Line« [wie Fn. 10], S. 103, 108; James Kraska,
Competition over Maritime Rights«, in: Cronin (Hg.), Coopera- »The Nine Ironies of the South China Sea Mess«, in: The Diplo-
tion from Strength [wie Fn. 7], S. 34; Kaplan, Asia’s Cauldron [wie mat, 17.9.2015; Raine/Le Mière, Regional Disorder [wie Fn. 1],
Fn. 7], S. 13, 88. S. 31.
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Die Territorialkonflikte im Südchinesischen Meer
Karte 1
Asien
Quelle: Can&Able.
China besitze »unanfechtbare Souveränität« über die einzureichen waren.13 Beijing hat jedoch zum Ein-
anhand der NDL eingegrenzten Inseln und deren Ge- druck einer robusten Diplomatie seit 2009 beigetragen:
wässer.12 Vietnam und Malaysia sowie die Philippinen Chinesische Schiffe hatten im März 2009 die USNS
haben jeweils konkurrierende eigene Ansprüche er- Impeccable vor der Inselprovinz Hainan am Weiter-
hoben und den VN ebenfalls Verbalnoten übermittelt. fahren gehindert und aufgefordert, die ausschließ-
Auslöser der diplomatischen Aktivitäten war dabei liche Wirtschaftszone zu verlassen. Im selben Jahr
nicht China, sondern eine problematische Stichtags- hatte Beijing auf ausländische Ölfirmen eingewirkt,
regelung, der zufolge bis Mai 2009 Vorlagen über die Exploration in strittigen Gebieten zu beenden.14
Kontinentalsockelgebiete bei den Vereinten Nationen China ergänzte in einer neuerlichen Verbalnote
vom April 2011, die chinesische Souveränität und die
davon abgeleiteten Ansprüche seien historisch und
12 »China has indisputable sovereignty over the islands in
the South China Sea and the adjacent waters, and enjoys
sovereign rights and jurisdiction over the relevant waters as 13 Nämlich bei der Kommission zur Begrenzung des
well as the seabed and subsoil thereof (see attached map).« Festlandsockels (Commission on the Limits of the Continental
Permanent Mission of the People’s Republic of China, Notes Shelf, CLCS).
Verbales CML/17/2009 and CML/18/2009, 7.5.2009, <www.un.org/ 14 Vgl. Raine/Le Mière, Regional Disorder [wie Fn. 1], S. 34, 48;
Depts/los/clcs_new/submissions_files/mysvnm33_09/chn_ David E. Sanger, Confront and Conceal. Obama’s Secret Wars and
2009re_mys_vnm_e.pdf>, <www.un.org/Depts/los/clcs_new/ Surprising Use of American Power, New York: Broadway Paper-
submissions_files/vnm37_09/chn_2009re_vnm.pdf>. backs, 2012, S. 392.
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Die Territorialkonflikte im Südchinesischen Meer
rechtlich wohlbegründet.15 Die Beweisführung für Außerdem fehlen geographische Daten, die den Raum
solche historischen Ansprüche liegt allerdings in der klar definieren. Erschwerend kommt hinzu, dass chi-
Regel bei demjenigen, der sie erhebt, und ist außer- nesische Karten seit 2014 einen vertikalen »Strich«
ordentlich schwierig. Deshalb geht China einen ande- östlich von Taiwan enthalten, womit die Inselrepublik
ren Weg und konzentriert sich darauf, das Anwen- praktisch durch einen Federstrich mit der Volksrepub-
dungsgebiet chinesischer Gesetze (beispielsweise in lik China vereinigt wird.20
einem Gesetz zum Schutz mariner Umwelt) über see- Diese ohnehin komplizierte seerechtliche Lage
rechtlich definierte Bereiche wie Küstenmeer (Artikel wurde politisch noch diffiziler, als US-Außenministe-
3 SRÜ), AWZ (Artikel 55 SRÜ) oder Festlandsockel rin Clinton im Juli 2010 auf der ASEAN-Jahreskonfe-
(Artikel 76 SRÜ) hinaus auf »jede anderen Seegebiete renz in Hanoi die freie Schifffahrt im Südchinesischen
unter Rechtsprechung der Volksrepublik China« zu Meer zum nationalen Interesse der USA erklärte und
erweitern.16 China versucht also, offene Rechtsräume betonte, dass das Völkerrecht respektiert werden
durch nationale Gesetze zu schließen, doch eine solche müsse.21 Rechtlich bleibt nämlich zwischen den USA
»Lückenfüllung« ist völkerrechtlich fragwürdig.17 und China insbesondere strittig, ob militärische
Letztlich bleibt unklar, was die NDL-Karte konkret Aktivitäten von Drittstaaten wie im Falle des Küsten-
bedeutet. Diese Ambiguität scheint aber beabsichtigt, meers (im Rahmen des »Rechts der friedlichen Durch-
denn sie verschafft China eine gewisse Flexibilität bei fahrt« gemäß Artikel 17 SRÜ) auch in einer ausschließ-
den Ansprüchen, die es erhoben hat, und erschwert es lichen Wirtschaftszone verboten sind. Die Volksrepu-
anderen Parteien, diesen zu widersprechen. blik China fordert von den USA, solche Operationen
Die USA mahnen, Territorialkonflikte im Südchine- in ihrer AWZ einzustellen, und es kam wiederholt zu
sischen Meer friedlich auszutragen, beziehen aber Zwischenfällen im Luftraum und auf See. Die USA ver-
keine Position zu den unterschiedlichen Ansprüchen treten eine weite Auslegung, laut der in einer AWZ
der Anrainerstaaten. Allerdings hat das US-Außen- dieselben Rechte wie auf hoher See gelten,22 während
ministerium die chinesischen Gebietsansprüche ein-
gehend geprüft und moniert, dass in den Verbalnoten
›nine-dash line‹ by China to claim maritime rights not based
nicht präzisiert wurde, ob sie sich nur auf den Besitz
on claimed land features would be inconsistent with inter-
von Inseln (die nicht einzeln genannt werden) oder
national law. The international community would welcome
maritime Räume beziehen.18 US-Diplomaten haben
China to clarify or adjust its nine-dash line claim to bring it
China daher aufgefordert, seine Position unmissver- in accordance with the international law of the sea.« Assistant
ständlich darzulegen und dem Seerecht anzupassen.19 Secretary of State for East Asian and Pacific Danny Russel im
Februar 2014 in einer Anhörung, zitiert nach Jeffrey A. Bader,
The U.S. and China’s Nine-Dash Line: Ending the Ambiguity, Wash-
15 »China’s sovereignty and related rights and jurisdiction ington, DC: Brookings, 6.2.2014.
in the South China Sea are supported by abundant historical 20 Ishaan Tharoor, »Could This Map of China Start a War?«,
and legal evidence.« Permanent Mission of the People’s Repub- in: Washington Post, 27.6.2014; Harry Kazianis, »China’s 10 Red
lic of China, Note Verbale CML/8/2011, 14.4.2011, <www.un.org/ Lines in the South China Sea«, in: The Diplomat, 1.7.2014;
Depts/los/clcs_new/submissions_files/mysvnm33_09/chn_201 O’Rourke, Maritime and EEZ Disputes [wie Fn. 7], S. 23; DoS,
1_re_phl_e.pdf>. Limits in the Seas. China [wie Fn. 17], S. 3, 6.
16 »This law shall apply to the internal water, territorial sea, 21 Mark Landler, »Offering to Aid Talks, U.S. Challenges
contiguous zone, exclusive economic zone and continental China on Disputed Islands«, in: New York Times, 23.7.2010.
shelf of the People’s Republic of China and any other sea 22 »Robert Scher, then-Deputy Assistant Secretary of Defense,
areas under the jurisdiction of the People’s Republic of China.« Asian and Pacific Security Affairs … stated that ›we reject any
The Marine Environmental Protection Law of the People’s Republic nation’s attempt to place limits on the exercise of high seas
of China, <www.cecc.gov/resources/legal-provisions/marine- freedoms within an exclusive economic zones [sic!] ... Custom-
environmental-protection-law-of-the-peoples-republic-of-china>. ary international law, as reflected in articles 58 and 87 of
17 Vgl. U.S. Department of State (DoS), Limits in the Seas. China: the 1982 United Nations Convention on the Law of the Sea,
Maritime Claims in the South China Sea, Washington, DC, 5.12.2014, guarantees to all nations the right to exercise within the EEZ,
S. 10, 17; Gao/Jia, »The Nine-Dash Line« [wie Fn. 10], S. 123. high seas freedoms of navigation and overflight, as well as
18 »China has not clarified through legislation, proclama- the traditional uses of the ocean related to those freedoms. It
tion, or other official statements the legal basis or nature of has been the position of the United States since 1982 when
its claim associated with the dashed-line map.« DoS, Limits in the Convention was established, that the navigational rights
the Seas. China [wie Fn. 17], S. 1. Vgl. ebd., S. 11–15; O’Rourke, and freedoms applicable within the EEZ are qualitatively and
Maritime and EEZ Disputes [wie Fn. 7], S. 23. quantitatively the same as those rights and freedoms appli-
19 »Under international law, maritime claims in the South cable on the high seas.‹« O’Rourke, Maritime and EEZ Disputes
China Sea must be derived from land features. Any use of the [wie Fn. 7], S. 30.
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