Table Of ContentEIN JAHRHUNDERT AUTOMOBILTECHNIK . PERSONENWAGEN
HERAUSGEGEBEN VON OLAF VON FERSEN
EIN JAHRHUNDERT
AUTOMOBILTECHNIK
PERSONENWAGEN
HERAUSGEGEBEN VON OLAF VON FERSEN
Ulrich Miihlhaus
FIIeg. HoUnder 33
2300 Kiel17
T9I. 043.f137654
Abbildung auf dem Schutzumschlag hinten:
Rennmotortechnik für die Großserie : Motoren mit vier Ventilen je
Zylinder waren bisher Rennfahrzeugen und hochkarätigen Sportwagen
vorbehalten. Seit es sich erwiesen hat, daß eine Verdoppelung der Ventil
anzahl außer höherer spezifischer Leistung auch einen vorteilhafteren
Drehmomentverlauf, höhere Wirtschaftlichkeit und besseres Emissions
verhalten erbringt, beginnt der" Vierventiler" sich auch in der Großserie
einen festen Platz zu erobern.
Die Abbildungen auf den Vorsätzen zeigen die "Handschrift"
von vier Konstrukteuren: zwei aus den Kindertagen des Automo
bils und zwei aus der Zeit, die beinahe noch Gegenwart ist. Sie
alle hinterließen in der Automobiltechnik unübersehbare Spuren.
Vorsatz vorn:
Wilhelm Maybach (geb. 1846) war unter den Pionieren des Automobils
der geniale Wegbereiter. An allen frühen Daimler-Konstruktionen war er
maßgeblich beteiligt. Mit dem ersten "Mercedes" (1901) schuf er das
Grundkonzept des Automobils, das bis in die heutige Zeit seine Gültigkeit
als "konventionelle Bauart" bewahrt hat. Im ersten Jahrzehnt des neuen
Jahrhunderts nannten Franzosen ihn den König der Konstrukteure.
Louis Renault (geb. 1877) gründete nicht nur die Automobilfabrik
gleichen Namens, die heute Frankreichs größte ist. Seine Konstruktionen
wiesen auch weit in die Zukunft. Noch vor 1910 befaßte er sich schon mit
Hydrostößeln für seine Motoren, mit Kolben-und Teleskopdämpfern und
mit der Aufladung. Sein erstes Auto hatte bereits ein Getriebe mit
direktem dritten Gang und eine Kardanwelle.
Vorsatz hinten:
Dante Giacosa (geb. 1905) stand 40 Jahre als Planer und Konstrukteur
im Dienst des HAT-Konzerns. Er schuf den berühmten
"Topolino"-Kleinwagen und setzte den Umschwung zum Vorderrad
antrieb durch. Auf sein Konto geht unter anderem auch der kleine Cisita
lia-Rennwagen, mit dem nach dem Zweiten Weltkrieg der Rennsport
wieder einen bescheidenen Anfang machte.
Alexander (Sir Alec) Issigonis (geb. 1906), ein unkonventioneller, genia
ler Autodidakt und" Vater" des legendären Mini, löste mit dem kleinen
Auto eine technische Revolution aus. Das Konzept des Kompaktautos mit
Vorderradantrieb, Quermotor und "einem Rad an jeder Ecke" wurde zum
Vorbild einer neuen Autogeneration, die inzwischen die Welt erobert hat.
CIP-Kurztitelaufnahme der Deutschen Bibliothek
Ein Jahrhundert Automobiltechnik I hrsg. von Olaf von Fersen.
- Düsseldorf : VOI-Verlag
NE: Fersen, Olaf von [Hrsg.]
Personenwagen. - 1986.
ISBN 978-3-642-95773-4 ISBN 978-3-642-95772-7 (eBook)
DOI 10.1007/978-3-642-95772-7
Verlagsredaktion: Helmut Kurt
Umschlag und Vorsätze: Eckhard Waasmann
Gestaltung: Margot Bremer, Günter Schön
Graphische Darstellungen: Ingrid Klömpgen
Karikaturen: Hans Joachim Macheleidt
Lithographie: Wittemann + Küppers, Frankfurt am Main
Satz und Druck: Johannes Weisbecker, Frankfurt am Main
Warenzeichen und Patente sind nicht als solche gekennzeichnet;
hinsichtlich deren Benutzung und des Schutzes gibt das Deut
sche Patentamt Auskunft.
© VDI-Verlag GmbH, Düsseldorf 1986
Softcover reprint ofthe hardcover Ist edition 1986
Alle Rechte, auch das des auszugweisen Nachdruckes, der aus
zugweisen oder vollständigen photomechanischen Wiedergabe
(Photokopie, Mikrokopie) und das der Übersetzung, vorbehalten.
Zum Gelei.
1986 jahrt sich zum 100. Mal jenes denkwtirdige Er Ingenieure, Unternehmen und Lander schmalern,
eignis: Am 3. Juli 1886 fuhr Karl Benz zum ersten die unverzichtbare Beitrage zur Entwicklung des
Mal mit einem benzingetriebenen Patent-Motorwa Automobils geleistet haben.
gen auf den 5trafSen von Mannheim. Dies war die Die Autoren dieses Buches berichten tiber den ge
eigentliche Geburtsstunde des Automobils und der schichtlichen Ursprung und tiber das, was in den
Beginn seiner beispiellosen Geschichte. hundert Jahren aus dem Automobil geworden ist;
5elbstverstandlich hatte die uralte 5ehnsucht des insbesondere beschreiben sie die technische Ent
Menschen, die Geschwindigkeit und die Reichweite wicklung. Und sie zeigen auch, wie es mit dem Au
seiner Aktionen zu vergrofSern, schon Jahrhunderte tomobil weitergehen wird und welche Potentiale zur
frtiher Naturwissenschaftler und Erfinder beschaf weiteren Vervollkommnung noch bestehen.
tigt. Es waren z. B. Modelle entstanden, die die Dabei haben die technischen und wirtschaftlichen
Windkraft ausnutzen solI ten, und die Erfindung der Aufgaben, die das Automobil betreffen, nationale
Dampfmaschine legte es nahe, diese Kraftmaschine Grenzen langst verlassen. Weltweiter wissenschaft
auch ftir den Antrieb eines 5trafSenfahrzeugs zu ver licher Erfahrungsaustausch und eine internationale
wenden. So wurden Dampfwagen konstruiert, die Verflechtung der Automobilindustrie und ihrer Zu
z. T. noch zu Beginn dieses Jahrhunderts betriebsfa lieferer zeigen die kosmopolitsche Bedeutung, die
hig waren. das Automobil erlangt hat.
Dies alles waren zwar Vorlaufer des Benzinmotor Es gibt aber auch noch einen sehr aktuellen Grund,
wagens, aber nicht der Ursprung, auf den die Ent der das Erscheinen dieses Buches notwendig und
wicklung des Automobils geschichtlich nachvoll willkommen macht: Die im politischen und gesell
ziehbar zurtickzuftihren ist. Offenbar war die Erfin schaftlichen Bereich ablaufende kontroverse Aus
dung des Verbrennungsmotors die notwendige Vor einandersetzung urn das Automobil verlangt - solI
aussetzung in bezug auf die Leistung, die ver sie zu sinnvollen Ergebnissen ftihren - nach einer
gleichsweise kleinen Abmessungen und die Mog emotionsfreien, sachlichen Information. Der Verein
lichkeit, den Kraftstoff ftir eine grofSere Reichweite Deutscher Ingenieure (VOl) ftihlt sich dazu ver
mitzuftihren. Diesen Motor, bei dem wie beim Au pflichtet und hofft, mit diesem Buch einen entspre
tomobil viel gedankliche und experimentelle Vorar chenden Beitrag zu leisten.
beit geleistet wurde, hatte Nikolaus August Otto Wir Automobil-Ingenieure sehen mit verstandigem
1876 als erster in Tatigkeit gesetzt und damit die Respekt auf die ingeniosen Leistungen, die in der
Motorentechnik begrtindet. Geschichte des Automobils von unseren vielen tau
Gottlieb Daimler hatte als Direktor der von Otto send Fachkollegen erbracht worden sind. Aber wir
und Langen gegrtindeten Gasmotorenfabrik Deutz erkennen auch die grofSe Verantwortung, die ftir ei
mafSgeblichen Anteil an der technischen Gestaltung ne sinnvolle, den sozialen und okologischen Rah
des Ottomotors. DafS er, nachdem er 1882 in Cann menbedingungen entsprechende Weiterentwicklung
statt mit Wilhelm Maybach als Chefkonstrukteur des Automobils von uns zu tragen ist.
sein eigenes Unternehmen gegrtindet hatte, nur acht Der Gedanke zu diesem Buch entstand bei den vor
Monate spater als Benz (am 4. 3. 1887) seinen bereitenden Dberlegungen der VDI-Gesellschaft
Daimler-Motorwagen herausbrachte, zeugt von der Fahrzeugtechnik zur Feier des 100. Geburtstags des
evolutionaren Kraft des Zusammentreffens dieser Automobils. Allen, die am Zustandekommen dieses
Erfinder-Ideen. Buches mitgewirkt haben, gilt unser herzlicher
Es entspricht den geschichtlichen Gegebenheiten, Dank.
dafS dieses Automobil-Jubilaum in Deutschland ge
feiert wird. Dies ist weder falscher Patriotismus, Karlheinz Radermacher
noch wird man die Pioniertaten der vielen anderen Vorsitzender der VOI-Gesellschaft Fahrzeugtechnik
Vorworl
des Herausgebers
Der Anspruch ware vermessen, in einem Buch von Danken mochten ich an dieser Stelle auch meinem
noch handlichem Format und mit beschrankter An Kollegen Jan P. Norbye fur seine wertvolle Hilfe bei
zahl der Seiten die technische Evolution eines so manchen historischen Recherchen und dem Kunst
komplexen Gebildes, wie es das Automobil ist - ler Thea Page fur seine Zeichnungen.
und dazu noch Uber eine Zeitspanne von 100 Jahren SchlielSlich gilt der Dank auch den Autaren der Ein
- in allen ihren Facetten darzustellen. zelbeitrage - vor allem fUr ihre Bereitschaft, den
Kritische Leser werden LUcken entdecken oder die betrachtlichen Arbeits- und Zeitaufwand der Re
Erwahnung von Marken und Modellen vermissen, cherchen in hundert Jahre Vergangenheit auf sich zu
die ihnen lieb und teuer sind. Gleiches trifft auf die nehmen:
Illustrationen zu. Die Entscheidung, was aufzuneh
men war, fiel oft schwer. Wenn ich hier und dart in
der Bildwahl sportlichen Modellen den Vorzug gab, 1: Ing. (grad.) Erik Eckermann
tat ich es wie manche Illustrierte, die meist zur Freu 2: Dr.-Ing. Hans-Hermann Braess
de ihrer Leser attraktiven Madchen auf den Titelsei 3: Prof. Dipl.-Ing. Mihailo Borisavljevic (Jugoslawien), Jerzy Bor
ten den Vorrang vor DurchschnittsbUrgern unbe kowsky und Jaroslaw Goszcynski (Polen), Kai Lauri Bremer (So
stimmbaren Alters einraumt. Ich bitte deshalb urn wjetunion), Kuno Brunner (Schweiz), Edward Eves (GrofSbritan
nien, Belgien und Holland), Harald Linke (Japan), Bent Macke
Nachsicht.
prang (Skandinavien und Finnland), Hans Otto Neubauer (Bun
Obwohl dieses Buch aus AnlalS eines "deutschen"
desrepublik Deutschland, Osterreich, Tschechoslowakei), Jan
Jubilaums erscheint, stand von vornherein fest, dalS
P. Norbye (USA), Gianni Rogliatti (Italien), Edouard Seidler
es die hundertjahrige Geschichte der Automobil
(Frankreich), Enrique Zorzano (Spanien)
technik international zu schildern hat. Zwei Ab
4: Dipl-Ing. Helmut Hiitten
schnitte mulSten wegen Platzmangels von diesem 5: Ing. (grad.) Walter Uhl
Grundsatz abweichen: Die Rolle des Automobils in 6: Michael Graf Wolff Metternich
der Wirtschaft und die Geschichte des Verbandes 7: Dipl.-Ing. Hans Cronmuller
der Automobilindustrie blieben auf eine nationale 8: Prof. Dr.-Ing. Erwin Ziebart
9: Prof. Dr.-Ing.Jurgen Hellingund
Perspektive beschrankt.
Dr.-Ing. Ulrich Hackenberg
An dieser Stelle steht es dem Herausgeber an, all
10: Jan P. Norbye
denen Dank zu sagen, die beim Zustandekommen
11: Heinz Thomass
von "Ein Jahrhundert Automobiltechnik" selbstlos
12: Ing. Christian Bartsch
mitgeholfen haben. An erster Stelle sind dies die
13: Ing. Walter Schweizer
Abteilung Landverkehr des Deutschen Museums in 14: Dipl.-Ing. Gunter H. Seidel
MUnchen, das Musee National de l' Automobile in 15: Dr. Gerold Lingnau und Wolfgang Peters
MUhlhausen und die Heritage Collection im Londo 16: Adriano Cimarosti
ner Syon Park. Sie boten meinen Mitarbeitern die 17: Dipl.-Ing. H. Dieter Jorissen
Moglichkeit zu vielen schonen Farbaufnahmen, die 18: Prof. Dr.-Ing. Bert Breuer
19: Dr. Max Fehlmann
in diesem Buch wiedergegeben sind. Dank gebUhrt
20: Wolfgang Weger
der Redaktion der Auto Zeitung fUr die Phantom
zeichnungen ihres KUnstlers Bruno Betti sowie den
Presseabteilungen der Automobilhersteller fur In
formationen, Zeichnungen und Fotos aus gehUteten
Archiven. Dietzenbach, im Sommer 1985 Olaf von Fersen
Inhalt
Ulrich Muhlndl
Flieg. Hoillinder 33
2300 Kiel17
Tel. 0431/37654
1 100 Jahre Evolution 10 7 Ohne Strom geht nichts 300
2 Das Auto ist unersetzbar 64 8 Wege der Drehmoment
3 Internationale Szene 76 wandlung 326
Deutschland, Osterreich, Tschechoslowakei 76 9 Fahren - Lenken - Federn 366
Ein Jahrhundert Automobilindustrie
10 Von Klotzen, Trommeln und
in Frankreich 105
Scheiben 398
GrolSbritanniens Automobilindustrie 119
11 Vom Eisenrad zum Breitreifen 428
Auch Holland und Belgien hatten eine
Automobilindustrie 136 12 Das Haus, in dem wir reisen 458
Die italienische Automobilindustrie 139 13 Der lange Weg zum Roboter 504
Japanische Automobil-Historie 149 14 Die Erdolprodukte 546
Das Auto in Jugoslawien 156
15 Das Auto in der Wirtschaft 576
Automobilindustrie in Polen 158
16 Zwischen Materialtest
Schweizer Automobilbau in der
und Schau 598
Rtickblende 161
Die Automobilindustrie in Skandinavien 17 Forschung auf Radern 630
und Finnland 166 18 Blick in die Zukunft 644
Automobile in der Sowjetunion 170 19 Der Staat als Konstrukteur 694
Die Automobilindustrie in Spanien 174
20 Sprecher der Automobilindustrie 704
Die Automobilindustrie der USA 178
4 Motoren - Triebfedern der
Mobilitat 188 Sachwortverzeichnis 716
5 Am Anfang stand der Docht 240 Namenverzeichnis 722
6 Leistung unter Druck 286 Bildquellenverzeichnis 724
Zur Erfindung des Automobils Nr. 549160 von 1895 beschriebenen Auto Buggy
(1884 bis 1887) bauen, um zu beweisen, daß seine Konstruktion
überhaupt fahrfähig war. 1911 erklärte der Supreme
Am 3. Juli 1886 unternahm Karl Benz mit seinem Court in New York das Patent für nichtig.
"Patent-Motorwagen" auf der Ringstraße in Mann Ab 1884 häuften sich die Prioritätsansprüche. In
heim eine Ausfahrt und gilt damit als Erfinder des diesem Jahr wollte Enrieo Bemardi aus [taljen ein
Automobils. Denn erstmals legte ein Straßenfahr dreirädriges Fahrzeug mit Viertakt-Benzinmotor ge
zeug, ang trieben von einem Viertaktmotor, eine baut haben. Verschwi gen wird meist, daß der
Wegstrecke mit eigener Kraft zurück. O,024-PS-Motor bestenfalls einen Kinderkarren be
Der Benz-Wagen ist vorläufiger Endpunkt einer wegen konnte. Schließlich baute auch in Rußland
Entwicklungskette, zu der viele Personen mit zahl "Mitte d r achtziger Jahre der bekannte Luftschiff
reichen Erfindungen beitrugen. Benz baute auf dem kon trukteur O. S. Kostowitsch einen leichten Ben
damals vorhandenen Wissen auf. Weil es ihm ge zin-Transportmotor", was immer man darunter ver
lang, Erkenntnisse und Bauteile zu einem funk stehen mag.
tionsfähigen Straßen fahrzeug zu vereinen, spricht Ganz neu ist der Erfindungsanspruch der Franzo
man von ihm als "Erfinder". sen. Es wird behauptet, ihre Landsleute Edouard
Vor Benz hatte es außer Dampf- und Elektrowagen Delamare-Deboutteville und Uon Paul CharIes Ma
zwar schon Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren landin hätten zwei Jahre vor Benz einen Break mit
gegeben, folglich auch frühere Ansprüche auf die gleich zwei Vi rtakt-Benzinmotoren konstrui rt.
Erst-Erfindung, jedoch keiner der Vorläufer konnte Tatsächlich hatten ie sich ein solches Fahrzeug
die in der Tabelle (S. 12) genannten Kriterien in al 1884 mit F-Patent Nr. 160 207 chützen lassen.
len Punkten erfüllen. Manche Behauptungen erwie Nicht nachweisen allerdings konnten die Franzosen
sen ich sogar schlicht als Unwahrheit. bis heute eine Ausfahrt des Wagens mit eigener
Vor der Anwendung des Vienaktprinzips durch Ni Kraft. Beim Probelauf in der Werkstatt 5011 vielmehr
colaus August Otto 1876 bauten der Walliser lsaac der Break durch die Erschütterungen des schweren
de Rivaz (Patent 1807) und der Luxemburger Jean Doppelmoror zusammengebrochen sein, worauf
Joseph Etienne lenoir im Jahr 1863 Fahrzeuge mit die beiden Franzosen weitere Ver uche im Motor
Verbrennungsmotoren. Als Kraftstoff diente mitge wagenbau aufgaben. Das Kriterium eine sich mit
führtes Gas. eigener Kraft fortbewegenden Fahrzeug ist somit
Lange Zeit hielt ein Teil der Auto-Fachwelt Siegfried nicht erfüllt.
Marcus für den Erfinder des Automobils. weil die Der französische Break mag der rste vierrädrige
Jahresangabe J 877 auf der Hinweistafel des auf der Motonvagen der Welt gewesen sein, der erste
Wiener Gewerbeausstellung 1898 gezeigten Benzin brauchbare war er nicht. Einen solchen konstru
Wagens zu dieser Annahme verleitete. Demnach ierten erst Gottlieb Daimler und Wilh Im Maybach.
wäre Marcus Benz um neun Jahre zuvorgekommen. Ausgehend von dt'm klobigen. etwa 1 500 kg wie
Erst 1908 konnte der österreichische Autohi toriker genden Viertakt-Stationärmotor von Ono war es
Han Seper nachweisen, daß der Marcus-Wagen Maybach gelungen. einen leichten Fahrzeugmotor
aus dem Jahr 1888 tammt. zu konstruieren. 1885 probierte Maybach den
Lediglich aufgrund einer Patentanmeldung au dem "Standuhr" genannten Motor in einem Zweirad aus,
Jahr 1879 behauptete der Amerikaner George Bald dem rsten Motorrad der Welt mit Verbrennung-
win Seiden, er sei der \ ahre Erfinder des Automo motor. 1886/87 in der Daimler-Motorkutsche. Da
bils. Nach jahrelangen Rechtsstreitigkeiten mit einer mit war Maybach der eigentliche Schöpfer des leich
Gruppe von Autoherstellern unter Führung von ten, schnelldrehenden und für Fahrzeuge am besten
Henry Ford mußte Seiden 1904 seinen im US-Patent geeigneten Motors.
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I
Ben;;-Palenl-Molorwagell 7886: Der liegende Motor //Ird der zierliche SlaMrolrrmlrmell verhalfen dem MOlorwagell
weil/er kau/II ZII übertreffenden E/eganz. Weil Bellz eilll! dr~rrlr das Kreise/moment vemrinderte Kipp ieherh!!it
eil/e-Dreirad befiirchtete, ord"ele er das Sel/Ul/Illgrad de Motors waagerecht al/. 7906 stiftete Kar! Bell=' da
Fahrzeug dem Deut chell Musel1m irr MUnelren (1 Zylinder. 984 emJ, 0.88 PS lJZ.w. 0,6 kW).
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Definition des Autos und Erfinder des Automobils.
Das seit 9 bis 10 Jahrzehnten fast ausschließlich verwendete Auto wird wie folgt d fini rt:
Vierrädriges Straßenfahrzeug mit Viertakt-Benzin-Verbrennungsmotor in Hubkolbenbauart mit Fremdzündung,
Antrieb über zwei Räder auf die StraBe zur Beförderung von Personen und leichten Lasten.
Dreirad-Straßenfahrzeug . Zweitakt-Hubkolbenmotor und Selbstzündung (Diesel) sind in der Tabelle berücksich-
tigt. soweit es diese Baumerkmale damals gegeben hat.
ichr berücksichtigt sind Fahrzeuge mit Dampfmaschine und Elektromotor.
Fahrz ug-Herkunft Jahr a b c d e f g h i k I Summe +
Rivaz 1807 ? - - - + - + + - - -
Lenoir 186 + - - + + - + + - - - 5
Delamare-Deboutteville 18 4 + - + - + + - + - - - 5
Bernardi 1884 - - + - ? + ? + - - -
Benz 1886 - + + - + + + + + + + 9
Daimler/Maybach 1887 + - + - + + + + + + + 9
Marcu 1888 + - + - + + ? + - - - 5
Seiden 1904 + - - + + ? ") - - -
Kriterien
a lenkbares Zweispur-Vierrad-Straßenfahrzeug } . R d . b g Ausfahrt mit eigener Kraft
. . mit a antne
b lenkbares Drelspur-Dr Irad-Straßenfahrzeug h Erfinder und Hersteller
c Viertaktmotor I Verkäufer und Lizenzgeber
d Zweitaktmotor k Anstöße zur Motorisierung
e Fremdzündung I kontinuierliche. ununterbrochene
f flüssige Kohlenwasserstoffe als Kraftstoff Weiter ntwicklung
Bedeutung d r Symbole
+ ja; - nein; ? nicht gesichert ") Fahrleug von Seiden (?), Motor von Brayton
Qttos Viertakt-Gasmotor von 1876, der die Motorentechnik der Welt begründete und eine Motorisierung erst
ermöglichte, ging wenig später in einer von Wilhelm Maybach überarbeiteten Form in Serie. Das Bild zeigt den ältesten
noch erhaltenen Motor von 1877, ausgestellt im KHD-Museum (1 Zylinder, 6 10 7 cm 3, 3 PS bzw. 2,2 k W).
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Der amerikanische Rechtsanwalt Seiden meldete 1879 einen Auto Buggy zum Patent an, das ihm wegen geschickt
nachgereichter Änderungsanträge und Kunstpausen erst 1895 erteilt wurde. Mit dieser Taktik reklamierte er nicht
nur die Erfindung des Automobils für sich, sondern erpreßte etwa 30 Autofabrikanten und Importeure mit
Lizenzgebühren. Der erst 1904 auf Gerichtsbeschluß gebaute Buggy mit Frontantrieb steht heute im
Henry-Ford-Museum in Dearborn. Die Jahreszahl 18 77 ist völlig falsch.
Den Deutschen zuvorgekommen? - Anhand eines Patents von 1884 ließen die Chambre Syndicale des Construdeurs
d'Automobiles und der Automobile Club de France 1983/84 den Break von Delamare-Deboutteville nachbauen und
erklärten ihren Landsmann kurzerhand zum" Vater des modemen Automobils". Der Nachbau war auf der Ausstellung
100 Ans d'Automobile Franraise in Paris 1984 zu sehen (2 X 1 Zylinder, 8 128 cm3, 8 PS bzw. 5,9 kW).
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