Table Of ContentFORSCHUNGSBERICHTE DES LANDES NORDRHEIN-WESTFALEN
Nr. 2385
Herausgegeben im Auftrage des Ministerprasidenten Heinz Kuhn
yom Minister fur Wissenschaft und Forschung Johannes Rau
Professor Dr. rer. nat. Rudolf E. Adler
Geologisches Institut der
Technischen UniversiHit Clausthal
Ein Beitrag zur Angewandten Tektonik
im Ruhrkarbon
Westdeutscher Verlag 1974
© 1974 by Westdeutscher Verlag GmbH. Opladen
Gesamtherstellung: Westdeutscher Verlag
ISBN-13: 978-3-531-02385-4 e-ISBN-13: 978-3-322-88062-8
DOl: 10.1007/978-3-322-88062-8
Vorwort
In der Kleintektonik von Kohle und Nebengestein haben sich aIle
Deformationen, die das Ruhrkarbon im Verlauf seiner Gebirgsbil
dung erfahren hat, und deren GesetzmaBigkeiten abgebildet. Durch
eine systematische Analyse der Kleintektonik von Teilbereichen
des Ruhrkarbons war es daher moglich, deren lokalen und aus die
sem auch regionalen Grundbauplan fUr die Falten-, GroB- und
Kleinstorungs- sowie Kluft- und Schlechtentektonik zu ermitteln. -
Neu entwickelte moderne Aufnahme- und Auswertungsverfahren haben
die groBzahlstatistische Kluft- und Schlechten- sowie Falten-
und Storungsanalyse optimiert und rationalisiert und so beschleu
nigt, daB sie heute auch zur unmittelbaren Losung tektonischer
Probleme des praktischen Bergbaus eingesetzt werden kann. Dadurch
war es moglich, auch spezielle primar- und sekundartektonische
sowie gebirgsmechanisch bedingte Deformationserscheinungen zu
analysieren und deren GesetzmaBigkeiten als weitere Grundlage fUr
eine gezielte praktische Arbeit festzulegen. Ausgehend von diesen
Grundlagen konnte eine Reihe von tektonischen Problemen des Berg
baus gelost werden. Die fUr den Bergbau besonders wichtigen Ar
beiten auf dem Gebiet der tektonischen Vorfelderkundung weisen
durch ihre ersten klaren Ergebnisse den Weg fUr eine zukUnftige,
gezielte Forschung auf diesem Gebiet.
FUr die Forderung der vorliegenden Arbeit sei der Deutschen For
schungsgemeinschaft, dem Minister fUr Wissenschaft und Forschung,
des Landes Nordrhein-Westfalen und der Ruhrkohle AG mit deren
Tektonischem Arbeitskreis gedankt sowie fUr ihre aktive Mitarbeit
den Herren Dipl.-Math. R. Dann, Essen, Betriebsdirektor Dr.
D. Ermert, Waltrop, Dipl.-Geol. Dr. R. Haydn, Zentralstelle fUr
Geophotogrammetrie und Fernerkundung MUnchen, Betriebsdirektror
Dr. H.-L. Jacob, Recklinghausen, Markscheider Dr. A. Paffrath,
Westerholt und Markscheider Dr. K.H. RUller, BAG Oberhausen.
3
Inhalt
1. Aufgaben der modernen Tektonik im Steinkohlenbergbau 7
2. Grundlagenforschung zur tektonischen Arbeitsmethodik 8
2.1 Tektonische Erhebung unter Verwendung von KompaB
und Photogrammetrie •••.....••.••••..•.•.....•.... 11
2.1.1 Statistisch reprasentative Datenzahl ..•.•..•..... 11
2.1. 2 MeBfeldraster .••....•.•.•...•••....••.••........• 12
2.1. 3 Bruchflacheneinmessung nach DIN 21900 in 400g ••.• 14
2.1. 4 Flachen- und Linearansprache und Gewichtung .•.... 14
2.1.5 Erhebungsfaktoren zur Kennzeichnung von Aufnahme
und MeBfeld •.•.•.•.•.....•••••.•••.•.••.......•.. 15
2.1.6 Formblatt zur statistisch-tektonischen Datener-
hebung .......•.......•...•..•.•........••••••...• 16
2.1.7 Computergerechte Schreibweise von Flachen und
Linearen ...••.•.•..........•.......•...••......•. 22
2.1. 8 Statistisch-tektonische Datenerhebung mittels
terrestrischer Photogrammetrie ..•......•...•.•... 22
2.1. 9 Orientierung photogrammetrischer untertageauf-
nahmen •.•...•..••••.••.•...•••............•..••.. 24
2.1.10 Photogrammetrisch-tektonische Aufnahme von Gestein
und Kohle •.••••..•.••••.•••••.•.•..•.••••.•...••. 26
2.2 Tektonische Aufbereitung mit elektronischer Datenbe
arbei tung und Darstellung ..•.••••..........•....• 28
2.2.1 Datenansprache, -ordnung und Bereitstellung nach
Ordnungsprinzipien •..•••.•....••....•.....•...... 29
2.2.2 Datenarchi v •••••.•.....•..•.•.....•...•....•...•. 30
2.2.3 Erstellung von Polpunktgefugediagrammen ..••....•. 31
2.2.4 Erstellung von Isoliniengefugediagrammen .....•... 32
2.2.5 Gefugerotation .••.•....•••.....••..•.........•... 33
2.2.6 Schni ttliniendiagramme .••.••••.•..........•..••.• 33
2.2.7 Maximaberechnung ••••.....••••••••.••....••...••.• 34
2.2.8 Mittleres Trennflachengewicht, Gewichtsverhaltnis
und 5ffnungszahl ..•..•••...•..••••...•••..•.•••.. 34
2.2.9 Deformationskontrolle •.•••••.••••••••••..••.••••• 35
2.2.10 Computer und Tektogramme .•.•.•••.•.••••..••.•.••. 36
2.3 Tektonische Strukturanalyse und Formungssynthese
mit Darstellung der Ergebnisse ••.•••.•..••..•.•.• 37
2.3.1 Gefugediagramme und deren Ausdeutung ••.•••..••••• 38
2.3.2 Formblatt zur gefugetektonischen Strukturanalyse . 40
2.3.3 Gefugebeschreibung ••••.••..•.••.•••..•.••••..•..• 41
2.3.4 Gefugezahl (Z) •.••••..••..•...••.•.••.••••.••.••. 41
2.3.5 Geokennzahl (K) .••.••••..•••••.•.•.•..•..•.....•• 42
2.3.6 Gefugekennzahl (G) •••.•.••..••.•••..•.••..•.••..• 45
2.3.7 Deformationszahl (F) .••••..•.••....•••..••.•••••. 48
2.3.8 Faltenachsenplane •••••••.••••••••.•.••••..••...•• 49
2.3.9 Storungsdi agramme ••.••••••••.•..••.••.•••..•..••. 50
2.3.10 Tektogramme im Steinkohlenbergbau und ihre Ele-
mente ••••••.•••.••...•...••......•..•••.......... 50
4
3. Generelle Zlige der tektonischen Deformation des Ruhr-
karbons ..•....•..•.••..••...•.•...•..•...•.....•..•....• 52
3.1 Germanotpyes Schollengebirge •...•....•..•..•..•.. 53
3.2 Alpinotypes Fal tengebirge •..•..........•...•....• 53
3.3 Zerblocktes Bruchfaltengebirge ..•......•.•......• 54
3.4 Allgemeingliltigkeit der dreiphasigen Formung ....• 55
4. Tektonische Spezialformung im Ruhrkarbon ..•....•........ 57
4.1 Faziell bedingte Grundgefligeliberpragung .•.•...•.. 58
4.2 ~chwac~e- und Storungszonen bedingte Grundgeflige-
uberpragung .......................•.............. 58
4.3 Grundgefligeliberpragung durch LineamenteinfluB .... 59
4.4 Grundgefligeliberpragung durch Entspannungstektonik
an der Karbonoberflache .......................... 61
4.5 Gebirgsmechanisch bedingte Grundgefligeliberpragung 61
5. Grundgefligepragung im nordlichen Ruhrkarbon ............. 62
5.1 Westrandbereich des Ruhrkohlentroges ............. 62
5.2 Lippe-GroBmulde. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . • . . . . . . . . . •. 63
5.3 Emscher-GroBmulde ................................ 64
5.4 Vestischer Hauptsattel .............•............. 65
5.5 Ablauf der tektonischen Grundgefligepragung im nord-
lichen Ruhrkarbon ................................ 66
6. Ergebnisse regionaltektonischer Arbeiten ................ 68
6.1 Regionaltektonische Untersuchungen im Gelsenkir
chener Hauptsattel bei Waltrop ................••. 69
6.2 Regionaltektonische Untersuchungen im Bereich der
BAG Oberhausen .......................•.......•... 71
6.3 Regionaltektonische Untersuchungen im Zentrum der
Emscher-GroBmulde bei Gelsenkirchen-Horst .•...... 74
6.4 Regionaltektonische Untersuchungen im Bereich von
Westerholt ........ ~ ......... '" •.......•......•.. 75
6.5 Regionaltektonische Untersuchungen im ostlichen
Vestischen Hauptsattel bei Recklinghausen ........ 75
7. Montantektonik im Steinkohlenbergbau .................... 77
8. Generelle Zlige der Tektogenese des Ruhrkarbons ........•. 80
8.1 Frlihe B1-Scherung ..............•................• 81
8. 2 Ubergangs tek tonik B 1 /B2 .....•.......•....•......• 82
8.3 Gro6faltung B2-F1 ....•..........•................ 82
8.4 Spezialfaltung B2-F2 ..•....•............•........ 83
8.5 Schichtlagebezogene Gefligepragung bei flacher Lage-
rung B-SS ...............•••...•...........•...... 84
8.6 Ubergangstektonik bei mittelsteiler Lagerung
B2-F/B2-SS .....•........•........................ 85
8.7 Schichtlagebezogene Gefligepragung bei steiler
Lagerung B2-SS ..........................•.......• 86
8.8 Rlickdehnungstektonik B2-F ...............•........ 86
8.9 Heraushebungstektonik B-F ..•.........•........... 86
9. Intensitatsstufen der tektonischen Deformation im nordli-
chen Ruhrkarbon .............•.......•.........•.•....•.. 87
9.1 Erste Intensitatsstufe, Typ Niederrhein ••.•....•. 88
9.2 Zweite Intensitatsstufe, Typ Lippe-GroBmulde .••.. 88
5
9.3 Dritte Intensitatsstufe, Typ westlichster Vesti-
scher GroBsattel ................................. 89
9.4 Vierte Intensitatsstufe, Typ Emscher-GroBmulde ... 89
9.5 Funfte Intensitatsstufe, Typ Hauptfaltengew61be-
struktur. .•....•.................................. 90
9.6 Sechste Intensitatsstufe, Typ GroBfaltenflanken-
struktur ..•...................................... 90
9.7 Siebente Intensitatsstufe, Typ Spezialfaltenkern-
struktur .•....................................... 91
9.8 Achte Intensitatsstufe, Typ Spezialfaltenflanken-
struktur ......................................... 91
10. Ausblick ............................................... 92
Li teraturverzeichnis ..•.................................... 94
Anhang
a) Abbildungen ............................................. 98
b) Tabellen ................................................ 121
6
1. Aufgaben der modernen Tektonik im Steinkohlenbergbau
"Die Kleinsttektonik in Gestalt zahlreicher meBbarer Trennfli:i
chen bis hinunter in den Millimeterbereich gehorcht, wie wir in
zwischen wissen, statistischen Gesetzen, die fUr groBere tekto
nische Bereiche ermittelt werden konnen. Sind sie bekannt, dUrf
te daraus das tektonische Kraftespiel in einzelnen Schollen ab
zuleiten sein. - 1m Ubrigen hat die Kenntnis dieser Kleinsttek
tonik fUr die Bergtechnik besondere Bedeutung, da sie EinfluB
hat: auf die Standfestigkeit von Strecken, auf Hangend- und
Liegendverhalten im Streb sowie auf die Wirksamkeit von Schneid
und Schalwerkzeugen in Vortrieb und Gewinnung" (Karl Heinz Hawner
1972) .
Diese AusfUhrungen machen deutlich, wie sehr heute auch die Berg
baupraxis an groBzahlstatistischen tektonischen untersuchungen
interessiert ist, die als einzige Auskunft Uber die Kluft-,
Schlechten-, Falten- und Storungsbildung und -ausbildung und
deren vielfaltige VerknUpfungen und GesetzmaBigkeiten in den ein
zelnen Teilschollen des Ruhrkarbons geben konnen. Gleichzeitig
zeigen sie aber auch, daB auf dem Gebiet der Montantektonik Grund
lagenforschung und angewandte Forschung lUckenlose Glieder einer
Reihe sind und eine moderne Montantektonik heute untrennbar mit
Gebirgsmechanik und allen Zweigen der Bergbauforschung verbunden
ist. Daher muB eine moderne montantektonische Forschung, soll sie
Wissenschaft und Praxis in gleicher Weise dienen, in erster Linie
Gemeinschaftsforschung sein (vgl. Bericht der Senatskommission
fUr geologische Gemeinschaftsforschung der Deutschen Forschungs
gemeinschaft 1970). Urn eine Bearbeitung der tektonischen Probleme
des Steinkohlenbergbaus an der Ruhr unter dies en Gesichtspunkten
zu gewahrleisten, fanden sich Anfang der siebziger Jahre Berg
leute, Geologen, Markscheider und Mathematiker aus Wissenschaft
und Praxis zu einer ersten gezielten montantektonischen Gemein
schaftsforschung im Bereich des Ruhrkarbons zusammen (Abb. 1).
Aufgabe dieser montantektonischen Forschung ist die Strukturana
lyse des tektonischen Baues der einzelnen Teilschollen des Ruhr
karbons und eine daraus resultierende tektonische Projektion, da
fUr jede erfolgreiche bergmannische und markscheiderische Bewer
tung einer Lagerstatte und fUr aile sich daraus ergebenden Pla
nungs- und Gewinnungsarbeiten eine moglichst detaillierte Kennt
nis des strukturellen GroB- und Feinbaues des erschlossenen sowie
vor allem auch des noch nicht erschlossenen Gebirgskorpers uner
laBliche Voraussetzung ist. FUr den Erfolg derartiger Analysen
und Projektionen ist von entscheidender Bedeutung, daB gleichzei
tig mit dem strukturellen Bau des aufgeschlossenen Gebirges auch
seine Genese, die GesetzmaBigkeiten seiner Formung, die Gesetze,
die seine tektonische Deformation bedingt haben, und deren spe
zielle lokale und regionale Geltungsbedingungen moglichst weit
gehend geklart werden konnen. Damit ist jede montantektonische
Forschung, selbst wenn sie speziell auf die Gewinnung von prak
tisch-tektonischen Arbeitsergebnissen ausgerichtet ist, gleich
zeitig auch tektonische Grundlagenforschung auf breitester Basis
( 16, 17, 22, 24, 25, 26).
7
Als solche hat jede montantektonische Forschung funf Grundaufga
ben zu erfullen. Diese sind untrennbar miteinander verbunden und
ergeben sich jeweils ebenso auseinander, wie sie auch einander
bedingen (40):
1) Klarung der lokalen und regionalen Lagerungsverhaltnisse so
wie des strukturellen Aufbaues der Gesteine und Gesteinsverbande
innerhalb eines betrachteten Gebirgskorpers und exakte Vermessung,
Einmessung und Zulage aller zu ermittelnden tektonischen und tek
tonisch bedeutsamen Einzel- und Gruppenphanomene sowie Ableitung
der sich daraus ergebenden tektonischen GesetzmaBigkeiten,
2) Klarung der physikalisch-mechanischen Eigenschaften und des
daraus resultierenden physikalisch-mechanischen Verhaltens des
betrachteten Gebirgskorpers und seiner Gesteine, Gesteinsverban
de und Bauelemente gegenuber endogenen, exogenen und technischen
Krafteinwirkungen und Formungsakten,
3) Genetische und mechanische sowie physikalisch-chemische Erkla
rung der rezenten und historischen Formungszustande und -vorgange
sowie Ableitung der sich daraus ergebenden Formungsgeschichte
des betrachteten Gebirgskorpers,
4) Ableitung der allgemein gultigen Gesetze der tektonischen For
mung und ihrer speziellen Geltungsbedingungen innerhalb der ein
zelnen Teilbereiche und Gesteine des betrachteten Gebirgskorpers
sowie die
5) Projektion des strukturellen Baues seiner noch nicht der un
mittelbaren Beobachtung zuganglichen Teilbereiche aus den aus den
Aufschlussen zu ermittelnden tektonischen Gegebenheiten.
2. Grundlagenforschung zur tektonischen Arbeitsmethodik
Sollen die Ergebnisse montantektonischer Untersuchungen nicht nur
als Grundlage fur groBraumige und langfristige Planungen im Berg
bau dienen, sondern sollen dem bergmannischen Praktiker zugleich
auch bei allen kurzfristig zu treffenden Entscheidungen in zuneh
mendem MaBe die hierfur erforderlichen tektonischen Informationen
rechtzeitig zur Verfugung stehen, mussen neben der langfristigen
tektonischen Grundlagenforschung jederzeit rationell und schnell
und dennoch optimal auch gezielte tektonische Spezialuntersuchun
gen durchzufUhren sein. Urn dies zu erreichen, waren sowohl die
tektonische Aufnahme- als auch die Bearbeitungs- und Darstellungs
technik sowie die montantektonische, praxisorientierte Objektan
sprache ganz erheblich zu verbessern.
Aufgrund der Vielzahl von Parametern, die bei allen tektonischen
und gebirgsmechanischen Formungs- und Verformungsvorgangen deren
komplexen Ablauf und die Entstehung der auf vielfaltige Weise an
einander gebundenen und miteinander verbundenen FlieB-, Bruch
und Biegestrukturen bestimmen, kann jede einzelne Deformationser
scheinung, fur sich allein betrachtet, zunachst nur als ein re
sultierendes Zufallsergebnis aus der Summe aller EinfluBfaktoren
angesehen werden, die zu ihrer Entstehung beigetragen haben. Die
Ermittlung der fur den praktischen Bergbau so entscheidenden spe
ziellen GesetzmaBigkeiten, denen die lokale und regionale Defor
mation von Teilbereichen bei der tektonischen und gebirgsmechani
schen Formung und Verformung folgt und deren Kenntnis die Grund
lage jeder tektonischen Projektion bildet, sowie die Ableitung
8
der Grundgesetze der tektonischen Formung und Verformung, ihrer
zahlreichen Variationen, Abhangigkeiten und spezifischen Geltungs
bedingungen ist nur auf mathematisch-statistischem, mechanisch
gefugetektonischem Wege moglich.
Mechanische Experimente und mathematische Simulationen vermitteln
dabei die Modellvorstellungen, von denen die groBzahlstatistische
gefugetektonische Strukturanalyse von Gebirgskorpern ausgeht.
Eine weitere Arbeitsgrundlage fur diese ist die groBzahlstatisti
sche, synoptische Darstellung im flachentreuen Gefugediagramm.
Dieses erlaubt eine gleichzeitige, raumliche Betrachtung aller
abgebildeten Formelemente. Geht diese Betrachtung zunachst von
homogenen, das heiBt in Bezug auf Schichtlage, Petrographie und
Fazies einheitlich aufgebauten Gebirgskorperteilbereichen mit
gleichem Verformungsgrad, in gleicher tektonischer Position und
bei gleicher tektonischer Situation aus, ist bei der gefugetek
tonischen Strukturanalyse sowohl eine symmetrologische als auch -
unter Berlicksichtigung der abgeleiteten Modellvorstellungen -
eine genetische Ordnung, Zuordnung und dadurch zugleich auch An
sprache aller zu einem Gefligediagramm vereinigten Formelemente
maglich, gleich ob deren Entstehung rein tektonisch, gebirgsme
chanisch oder nichttektonisch bedingt ist. Damit flihrt die gefli
getektonische Strukturanalyse zugleich auch zu konkreten Aussagen
liber den strukturellen GroB- und Feinbau der definierten lokalen
und regionalen Homogenbereiche, die flir die Losung von Bergbau
fragen oft von entscheidender Bedeutung sein konnen. Daher schien
es erforderlich, flir die Ergebnisse derartiger groBzahlstatisti
scher gefligetektonischer Strukturanalysen von Gebirgskorpern und
deren Teilbereichen auch auf besonderen tektonischen Karten und
Tektogrammen eine bergbaugerechte Darstellungsform zu finden.
Wie aus diesen Ausflihrungen bereits hervorgeht, erfolgt jede tek
tonische Formung streng material-, situations- und damit zugleich
auch ortsbezogen. Aus diesem Grunde mlissen auch aIle tektonischen
Erhebungen und Bearbeitungen gleichfalls streng material-, situ
ations- und ortsbezogen durchgeflihrt werden. Damit muB auch jede
tektonische Strukturanalyse und Formungssynthese - solI sie er
folgreich sein - stets von der Ermittlung der speziellen tektoni
schen Deformation der kleinsten, noch in Bezug auf Schichtlage,
Petrographie und Fazies sowie tektonische Position, Situation und
Formung homogen bzw. gleichartig aufgebauten Teilbereiche eines
Gebirgskorpers, wie er etwa durch das Ruhrkarbon reprasentiert
wird, ausgehen.
Daher ist es zunachst Aufgabe einer speziellen geologisch-tekto
nischen Kartierung, durch eine exakte Ansprache, Vermessung, Ein
messung und zulage aller petrographischen, faziellen und strati
graphischen Einheiten sowie aller tektonischen, gebirgsmechanisch
bedingten und tektonisch, gebirgsmechanisch sowie technisch be
deutsamen Einzelphanomene innerhalb eines zu betrachtenden Ge
birgskorpers dessen Homogenbereiche lokal und regional festzule
gen, abzugrenzen und in ihrem strukturellen GroBbau zu definie
reno Ausgehend von dieser Basis ist eine streng nach Homogenbe
reichen gegliederte, lokalisierte, statistische oder zumindest
statistisch-reprasentative Erhebung aller tektonischen, gebirgs
mechanisch bedingten und tektonisch, gebirgsmechanisch sowie tech
nisch bedeutsamen Gruppenphanomene und deren spezifischer Cha
rakteristika sowie aller weiteren tektonisch, gebirgsmechanisch
und technisch bedeutsamen Daten und Informationen als Ausgangs
material flir die gefligetektonische Strukturanalyse und Formungs
synthese Hauptaufgabe jeder geologisch-tektonischen Spezialkar
tierung.
9
Statistisch-tektonische untersuchungen erhalten im Rahmen geolo
gisch-tektonischer Kartierungen gerade deshalb eine so groBe Be
deutung, weil erst durch die Erfassung einer statistisch-repra
sentativen Datenzahl fUr die einzelnen tektonischen Gruppenphano
mene zu erkennen ist, ob ein Zusammentreten von KlUften oder
Kleinstorungen zu einem Maximum nur eine Zufalligkeit darstellt,
oder ob dieser Erscheinung eine tiefere tektonische GesetzmaBig
keit geometrischer oder genetischer Art zu Grunde liegt. Da au
Berdem die einzelnen, genetisch verschiedenen tektonischen Trenn
flachen auch nur sehr selten annahernd gleichmaBig und mit einem
relativ gleichen Gewicht in einem Gebirgskorper verteilt sind,
im Regelfall ihre Raumverteilung und ihr Gewicht vielmehr gesetz
maBigen Variationen unterworfen sind, kann nur eine rastermaBige,
groBzahlstatistische Datenerhebung AufschluB Uber die Verteilung
der einzelnen tektonischen Trennflachen im Raum und ihre geneti
sche Zusammengehorigkeit sowie Uber den Verlauf, den Abstand und
die Ausgestaltung und Verbreitung von Zonen mit besonders inten
siver tektonischer Deformation wie z. B. Schwache-, Storungs- und
Beanspruchungszonen geben, die gerade ftir die Beurteilung von 10-
kalen und regionalen Formungsvorgangen von groBer Bedeutung sind.
Erst die Ergebnisse der gefUgetektonischen Strukturanalysen aller
homogenen Teilbereiche eines Gebirgskorpers auf der Grundlage
derartiger gefUgetektonischer Spezialkartierungen, die deren tek
tonischen GroB- und Feinbau in allen Einzelheiten deutlich werden
lassen, schaffen die Voraussetzungen, um induktiv vergleichend
aufbauend Uber die synoptische Betrachtung von mOglichst vielen
Teilbereichen aufgrund der all diesen Teilbereichen gemeinsamen
und hornogen verteilten GefUgemerkmale zur Ableitung des tektoni
schen Deformationsbildes der Ubergeordneten GroBbereiche zu ge
langen. Weitere Formungsvergleiche erlauben es dann, bis zur Ab
leitung der Grundgesetze der tektonischen Formung vorzustoBen,
Aussagen tiber deren spezielle Geltungsbedingungen im jeweiligen
Betrachtungsbereich zu machen und Unterlagen tiber deren Variatio
nen in Raum und Zeit zu gewinnen, die auf die mannigfaltigen Ani
sotropien und Inhomogenitaten von Material und Formung und deren
vielfaltige Abhangigkeiten zurtickzufUhren sind.
Zur Gewinnung wirklich exakter qualitativer und - soweit meglich -
auch quantitativer tektonischer Arbeitsergebnisse und - auf ob
jektive tektonische MeBergebnisse gestUtzt - zur Ableitung von
vergleichbaren Kennziffern fUr die tektonische Deformation von
definierten Gebirgskorperteilbereichen (18), die heute fUr die
Bergbaupraxis von groBer Bedeutung sind, ist eine derart aufwen
dige Arbeitsweise unerlaBlich. Nur sie kann die Grundfaktoren
jeder Gebirgsbildung, die naturgemaB auch fUr die tektonische
Forrnung des Ruhrkarbons GUltigkeit haben, in ausreichender Weise
berUcksichtigen:
1. Vor Einsetzen des Tangentialdruckes, der aIle gebirgsbildenden
Vorgange in einem Geosynklinalraurn auslost, sind im Geosynklinal
sediment noch keine Flachen, die bereits zukUnftige Gebirgskor
perteilbereiche abgrenzen und damit deren spezielle Formung be
einflussen konnten, wie etwa ein Storungsraster, vorhanden. Ledig
lich Lineamentstrukturen aus dem Untergrund konnen bereits bis
zu einem gewissen Grade im SedimentgefUge der Geosynklinale ab
gebildet sein.
2. Der Tangentialdruck ist niemals Uber einen gesamten Geosynkli
nalraum nach Hetrag und Richtung gleichmaBig verteilt, auch wenn
es sich bei diesem um eine weitgehend selbstandige sedimentologi
sche und zugleich auch tektonische Spezialeinheit innerhalb der
10