Table Of ContentISAAC ASIMOV, RICHARD BERNARD,
ROBERT SILVERBERG, CHARLES A.
STEARNS, JOHN WYNDHAM
Ein anderes
Zeitalter
und weitere SF-Storys
ERICH PABEL VERLAG • RASTATT (BADEN)
Inhaltsverzeichnis
John Wyndham
Ein anderes Zeitalter
(Time Stops Today)
Übersetzt von Leni Sobez
Isaac Asimov
Tatsachen ohne Zusammenhang
(No Connection)
Übersetzt von Axel Melhardt
Richard Bernard
Die Geheimwaffe
Robert Silverberg
Der Drachenvogel
(Lair of the Dragonbird)
Übersetzt von Robert Arol
Charles A. Stearns
Die Goldenen
(The Golden Ones)
Übersetzt von Leni Sobez
als erstes, recht viel Spaß bei der Lektüre unseres heutigen
Storybandes: John Wyndham bietet Ihnen eine Zeitverset
zungsgeschichte; Isaac Asimov führt Sie in die ferne Zu
kunft der Erde und ihrer Bewohner; Richard Bernard denkt
sich einen Trick aus, die überraschenden Invasoren loszu
werden; Robert Silverberg versucht den geheimnisumwit
terten Drachenvogel zu retten; und Charles A. Stearns ent
larvt einen bestellten Attentäter. Mit dieser Auswahl bieten
wir unseren Kurzgeschichtenliebhabern einen besonders
schmackhaften Cocktail. In den nächsten Wochen kommen
dann wieder die Freunde von Space Operas voll auf ihre
Kosten. Hier unsere Vorschau:
UZu 535: DIE REBELLEN VON MALVUS von Peter Dan
ner. Der Wissenschaftliche Rat setzt James Trevor ohne des
sen Wissen ein Gerät ein, das seine Gedanken lenken soll.
Als Trevor schließlich diese Überwachung bemerkt, gelingt
es ihm, sich davon zu befreien. Allerdings wird dabei sein
Gehirn angegriffen und er entwickelt einen tödlichen Haß
gegen Terra – einen Haß, der der Erde gefährlich wird …
UZu 536: UNSICHTBARE FÄDEN (Bit of Tapestry) von
Cleve Cartmill. Webb Curtain muß sterben. Der Große Plan
des Monitors verlangt es. Doch alle noch so klug inszenier
ten Anschläge gegen Curtain mißlangen bisher. Die drei rät
selhaften Schwestern haben ihre Hand im Spiel. Wird es
ihnen auf die Dauer gelingen, dem Monitor einen Strich
durch die Rechnung zu machen und Webb Curtain vor sei
nem vorgesehenen grausamen Schicksal zu bewahren?
UZu 537: MENSCHHEIT IN KETTEN von Claus Hart
mann. Bryce Bennet schließt sich einer Untergrundbewe
gung gegen die verhaßten sirianischen Invasoren an. Er hat
nicht viel Glück, denn kurz darauf wird er gefangengenom
men und hingerichtet. Als er wieder erwacht, erinnert er sich
genau seiner letzten Minuten. Trotzdem lebt er noch – oder
wieder? Aber der Mann mit Bennets Gedächtnis gleicht dem
Hingerichteten äußerlich überhaupt nicht. Was ist passiert?
UZu 538: SPRUNG IN DIE ZEIT (The Coils of Time) von
A. Bertram Chandler. Der Raumfahrer Christopher Wilkin
son wollte nichts anderes, als sein tödlich verunglücktes
Mädchen wiederfinden. Nur darum stellte er sich den Zeit
reiseversuchen Dr. Henshaws zur Verfügung. Doch die Ver
setzung führt ihn nicht in die Vergangenheit, sondern auf die
Parallelvenus. Auf dieser Welt scheint alles gegen ihn zu
sein. Er wird zur berüchtigten Berühmtheit – gnadenlos ge
jagt von verschiedenen Interessengruppen …
Diese spannenden und mitreißenden Romane erwarten Sie
also in den nächsten Wochen. Versäumen Sie nicht, sie
sich rechtzeitig zu besorgen.
Mit herzlichen Grüßen
Ihre Utopia-Redaktion
Ein anderes Zeitalter
John Wyndham
1. Kapitel
Wenn man morgens aufwacht, so sollte man, wenigstens
meiner Meinung nach, ganz sanft in das Bewußtsein zu
rückgleiten, denn sonst hat man nur allzu leicht das Gefühl,
als sei irgendein Teil seines Selbst nicht mehr rechtzeitig
zurückgekommen.
Und wenn es außerdem noch etwas gibt, was mir gar
nicht behagt, dann ist es der scharfe Ellbogen einer Frau,
der sich einem in die Rippen bohrt; um ganz genau zu sein,
es ist mir gleichgültig, wessen Ellbogen es ist, am wenig
sten paßt es mir aber, wenn es zufällig der meiner Frau ist
Schließlich gehört es zu den Aufgaben einer Frau, zu be
greifen, daß sie das nicht tun darf.
Was ich diesmal dazu sagte, kam direkt aus meinem Un
terbewußtsein,.
„Na, weißt du!“ fauchte Sylvia. „Natürlich, ich bin ja nur
deine Frau, George, aber, na schön – trotzdem.“
Mein Zeitbewußtsein kehrte mit Verzögerung zurück.
„Tut mir leid“, brummte ich, „aber verdammt noch mal!
Was ist denn eigentlich los?“
„Das weiß ich auch nicht“, gab Sylvia zu, „aber irgend-
wie habe ich ein ganz komisches Gefühl. Irgend etwas ist
nicht in Ordnung.“
„Mein Gott!“ stöhnte ich und knipste das Licht an.
Selbstverständlich sah alles genauso aus wie sonst. „Ah
nungen?“ fragte ich; es mochte etwas spöttisch geklungen
haben.
„Du brauchst mich gar nicht so anzufauchen, George.
Wie war’s damals, an dem Sonntag, als ich ahnte, daß wir
einen Autounfall haben würden?“
„Welcher Sonntag? Sonntage gibt’s viele.“
„Na ja, der natürlich, an dem wir dann wirklich einen Un
fall hatten; damals hatte ich dasselbe Gefühl wie eben jetzt.“
Ruckartig setzte ich mich im Bett auf. Die Uhr war ein
Hochzeitsgeschenk; nach einiger Zeit kam ich zu der Ver
mutung, daß ihre Zeiger auf 3 Uhr 15 standen. Ich lauschte,
hörte aber nichts, absolut nichts. Aber schließlich weiß
man ja, wie das mit Ahnungen so geht.
„Ich schau doch lieber nach. Wo, meinst du denn, könnte
es gewesen sein?“ fragte ich.
„Was gewesen sein?“
„Was du gehört hast.“
„Aber ich habe doch gar nichts gehört. Es ist doch nur so
ein komisches Gefühl, daß irgend etwas nicht stimmt.“
Erleichtert ließ ich mich in die Kissen zurückfallen,
„Und was soll ich dagegen tun?“
„Was kann man da schon tun? Es ist doch nur so ein Ge
fühl.“
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„Warum, beim Himmel, läßt du mich dann nicht …?“
begann ich. Im gleichen Moment ging das Licht aus.
„Da hast du’s!“ rief Sylvia triumphierend. „Ich wußte es
doch!“
„Na schön. Dann ist’s jetzt vorbei!“ Ich zog die Bettdek
ke herauf,.
„Willst du denn nicht nachschauen?“ fragte sie.
„Eine durchgeschlagene Sicherung kann bis morgen früh
warten“, erklärte ich.
„Aber vielleicht ist es keine Sicherung.“
„Ach, zum Teufel damit“, knurrte ich und kuschelte
mich tiefer in die Kissen.
„Eigentlich hätte ich gedacht, daß du gern wissen möch
test, was los ist“, maulte sie.
„Interessiert mich nicht, Ich möchte nur schlafen, sonst
nichts.“
*
Als ich wieder erwachte, war es strahlend heller Tag. Die
Sonne schien herein und tauchte die gegenüberliegende
Wand in blasses Gold. Ich räkelte mich behaglich und griff
nach einer Zigarette. Als ich sie anzündete, fiel mir das
Licht ein. Ich knipste ein paarmal das Licht an und aus, das
heißt, ich versuchte es; erfolglos. Auf der hübschen Elek
trouhr war es immer noch 3 Uhr 15, aber meine Armband
uhr zeigte 7 Uhr. Ich legte mich zurück und genoß die er
sten Züge meiner Zigarette.
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Sylvia schlief noch. Ich gab der Versuchung nach, zur
Abwechslung einmal meinen Ellenbogen in ihre Rippen zu
bohren; sie sieht so dekorativ und sanft aus, wenn sie
schläft. „Ugh-uh-uh“, machte sie und zog die Steppdecke
über die Ohren, denn sie gehörte nicht zu den Menschen,
die den jungen Morgen mit einem Jubelruf begrüßen.
Fast im gleichen Augenblick kam es mir vor, als sei et
was nicht ganz in Ordnung. Ich lauschte. Aber die gewohn
ten Motorengeräusche, das Summen des Verkehrs auf der
Hauptstraße, das Zuschlagen einer Wagentür in unserer
Straße, das Klirren von Milchflaschen, die übrigen Anzei
chen von Leben ringsum, sie fehlten; nicht einmal Vogel
gezwitscher hörte ich. Über der ganzen Nachbarschaft lag
eine geradezu unheimliche Stille, ein verdächtiger Frieden.
Je angestrengter ich lauschte, desto unnatürlicher kam mir
das Ganze vor. Schließlich sprang ich aus dem Bett und
ging zum Fenster. „Teufel!“ knurrte Sylvia hinter mir her
und zog die Bettdecke enger um sich.
Ich glaube, ich blieb einige Minuten am Fenster stehen,
bevor ich mich umwandte. „Sylvia“, sagte ich, „hör mal.
Etwas ganz Komisches ist passiert.“
„Ugh“, antwortete sie. Das war deutlich untertrieben,
aber ich überhörte es. „Komm doch und sieh selbst. Wenn
du’s nicht auch siehst, muß ich verrückt sein.“
Der Ton, in dem ich das sagte, mußte sie aufgeweckt ha
ben. Sie schlug die Augen auf. „Was ist es denn?“
„Komm her und schau selbst“, wiederholte ich.
Sie gähnte, schob die Decke zurück und sich selbst aus
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dem Bett. Sie schlüpfte in Pantoffel, die aus einem mir un
verständlichen weiblichen Grund mit Federn besetzt waren,
zog einen Morgenrock an und stelzte durch das Zimmer.
„W-was?“ begann sie, schloß den Mund und starrte hinaus.
*
Wir wohnen in einem Vorort. Es ist ein hübscher Vorort,
und auch die Leute hier sind reizend. Ein Häuschen gleicht
so ziemlich dem anderen, jedes hat eine Garage und einen
Garten. Sie sind nicht groß, weder die Häuschen, noch die
Gärten, aber immerhin groß genug, daß die Ehepaare damit
beschäftigt sind. Das unsere liegt an einem Hügel, und von
den Schlafzimmerfenstern aus sieht man auf eine Reihe
ähnlicher Häuschen, und die Straße, an der sie liegen, läuft
mit der unseren parallel; ihre Gärten grenzen an die unse
ren. Zwischen den Gärten steht ein hoher Holzzaun, der
von Grundstück zu Grundstück weiterläuft.
An schönen Tagen können wir sogar bis zu den niederen
Hügeln hinübersehen, an deren Hängen in hübschen,
baumbestandenen Gärten ähnliche Häuschen stehen wie
die unseren; meistens aber trennt eine dicke, rauchige Ne
belschicht diese beiden Wohnbezirke. Der Blick auf hohe
Kamine, städtische Lagerhäuser und die nackten Rück
wände einiger Kinos ist vielleicht nicht besonders aufre
gend, aber er vermittelt uns ein Gefühl der Weite, und wir
sehen ein ganz schönes Stück Himmel. Das Unangenehme
an diesem Morgen war der Umstand, daß dieser Himmel so
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