Table Of ContentALDOUS HUXLEY • EILAND
digitally remastered
and brought to you
by
BOOKZ 'R' US and others ;)
german department
2002
im Auftrag
des Ministers für
Bildung u. Erziehung
Klappentext:
Das »Personal« dieses Romans ist alles andere als ein idyllisches Häuflein
»guter Wilder«. Ein Reporter, der im Auftrag eines Londoner Konzernlords sich
in einem Archipel an der Peripherie des britischen Kolonialreichs nach
möglichen Ölkonzessionen umsieht, strandet als Schiffbrüchiger am
Dschungelufer der Insel Pala. Die Familie des Arztes Dr. MacPhail pflegt den
Verletzten und weist ihn in die geistige Welt der Inselbewohner ein. Bald ist er
ein so gelehriger Schüler, daß ihm die ehrgeizige Rani, Regentin für ihr ein
wenig zu hübsches Söhnchen, das in der Schweiz zu einem jungen Snob
herangezüchtet wurde, als eine Gefahr für Pala erscheint. Auch von der westlich
»zivilisierten« Nachbarinsel drohen schädliche Einflüsse. Wie sich das kleine
Utopia zu behaupten sucht, schildert Huxley mit liebevollem Humor und
ernsthaftem Engagement für sein positives Modell.
Huxleys letzter Roman Eiland gehört einer sehr seltenen literarischen Gattung
an: Es ist der Roman einer positiven Utopie. Während die großen gesellschafts-
utopischen Romane dieses Jahrhunderts, unter denen Huxleys eigene Schöne
Neue Welt neben Orwells 1984 und Samjatins Wir wohl der bedeutendste ist,
vornehmlich beängstigende technisch-totalitäre Welten schildern, will dieser
Roman das Bild einer menschenfreundlichen Gemeinschaft entwerfen. Auf dem
blühenden tropischen Eiland, dem utopischen Nirgendwo, leben Menschen, die
sich nicht nur zu den Prinzipien des Guten und der Freiheit bekennen, sondern
sie auch anzuwenden wissen. Die Voraussetzung dafür ist die Verbindung von
abendländisch-rationalen Erkenntnissen und meditativer Praxis der Lehren des
tantrischen Buddhismus. Ratio und Mystik vereinigen sich mit den
bewußtseinserweiternden Erfahrungen des Drogengenusses zu einer praktischen
Philosophie, die die Entfaltung des Einzelnen bei größter Rücksichtsnahme auf
den anderen lenkt. Eiland: ein philosophischer Roman, aber zugleich ein
Gesellschaftsroman von bestechender Eleganz, unterhaltend und pointiert, bei
allem Bekenntnis voll irdischer Distanz, brillant in der Verbindung des
Sprachschatzes jahrtausendealter östlicher Lebenslehren mit dem
Konversationsstil des urbanen Literaten.
Aldous Huxley, geboren 1894 in Surrey. Er wurde in Eton erzogen und ging
dann, nach einer schweren Augenkrankheit, nach Oxford, wo er sich mit einer
Arbeit über englische Literatur habilitierte. Von 1919 an arbeitete er als
Journalist und Kritiker und veröffentlichte erste literarische Werke. Seit 1938
lebte er in Kalifornien. 1963 starb er in Hollywood.
ALDOUS HUXLEY
EILAND
ROMAN
R. PIPER & CO VERLAG
MÜNCHEN
Aus dem Englischen von Marlys Herlitschka Die Originalausgabe erschien unter dem Titel »Island«
bei Chatto & Windus, London.
ISBN 3-492-01993-5
© Laura Huxley, 1962
Deutsche Ausgabe:
© R. Piper & Co. Verlag, München 1973
Gesetzt aus Adobe InDesign 2.0 ;-) Gesamtherstellung: Hieronymus Mühlberger, Augsburg Printed in
Germany
FÜR LAURA
Wann immer wir uns ein Ideal formen, soll es ganz unserm Wunschbild
entsprechen, doch hüten wir uns vor dem Unerfüllbaren.
ARISTOTELES
INHALT
ALDOUS HUXLEY • EILAND
Klappentext:
ALDOUS HUXLEY
EILAND
FÜR LAURA
Back-Cover:
ERSTES KAPITEL
ZWEITES KAPITEL
DRITTES KAPITEL
VIERTES KAPITEL
FÜNFTES KAPITEL
SECHSTES KAPITEL
SIEBTES KAPITEL
ACHTES KAPITEL
NEUNTES KAPITEL
ZEHNTES KAPITEL
ELFTES KAPITEL
ZWÖLFTES KAPITEL
DREIZEHNTES KAPITEL
VIERZEHNTES KAPITEL
FÜNFZEHNTES KAPITEL
Back-Cover:
»Stell dir vor«, sagte Will, »ich hab noch nie ein Kind auf die Welt kommen
sehn.«
»Nein?« Ihre Stimme klang verwundert. »Nicht einmal, als du zur Schule
gegangen bist?«
Will hatte eine Vision seines Schuldirektors in voller Amtstracht, wie er mit
dreihundert schwarzberockten Jungens eine Runde durch die Gebärklinik
machte. »Nicht einmal, als ich zur Schule ging«, wiederholte er bestätigend.
»Du hast nie jemand sterben sehn und hast auch nie gesehn, wie ein Kind auf die
Welt kommt. Wie hast du dann alles kennengelernt, was man kennen soll?«
»Bei uns in der Schule haben wir nie etwas kennengelernt«, sagte er. »Die haben
uns nur mit Wörtern bekannt gemacht.«
Die Kleine sah kopfschüttelnd zu ihm auf, hob die kleine braune Hand und tippte
sich bedeutungsvoll an die Stirn. »Verrückt«, sagte sie. »Oder hast du bloß ganz
besonders dumme Lehrer gehabt?«
ERSTES KAPITEL
»Gib acht«, rief eine Stimme, und es klang, als hätte eine Oboe plötzlich zu
sprechen begonnen. »Gib acht«, wiederholte sie in demselben nasal eintönigen
Ton. »Gib acht.«
Wie ein Leichnam in dem Haufen dürrer Blätter liegend, mit verfilztem Haar,
das Gesicht grotesk verschmiert und abgeschürft, die Kleider zerfetzt und
schlammverkrustet, fuhr Will Farnaby aus dem Schlaf hoch. Molly hatte
gerufen. Er mußte aufstehn. Sich ankleiden. Durfte nicht zu spät ins Büro
kommen.
»Dank dir, Liebste«, sagte er und setzte sich auf. Ein schneidender Schmerz
durchzuckte sein rechtes Knie, und im Rücken, in den Armen, hinter der Stirn
verspürte er noch andere Schmerzgefühle.
»Gib acht«, sagte die Stimme beharrlich, ohne daß sich ihr Ton im geringsten
verändert hätte. Auf den einen Ellbogen gestützt, blickte Will umher; verwirrt
sah er statt der grauen Tapete und gelben Vorhänge seines Londoner
Schlafzimmers eine Lichtung zwischen Bäumen und die langen Schatten und
schrägen Sonnenstrahlen eines frühen Morgens im Wald.
»Gib acht.«
Was sollte dieses »Gib acht«?
»Gib acht, gib acht«, beharrte die Stimme - auf dieselbe seltsame, sinnlose
Weise. »Molly?« sagte er fragend. »Molly?«
Der Name schien ein Fenster in seinem Kopf zu öffnen. Plötzlich, mit diesem
gräßlich vertrauten Schuldgefühl in der Magengrube, roch er wieder Formalin,
sah er die kleine energische Krankenschwester ihm eilig durch den grünen
Korridor vorangehn, hörte er das trockene Rascheln ihrer gestärkten Tracht.
»Nummer fünfundfünfzig«, sagte sie, blieb stehn und öffnete eine weiße Tür. Er
trat ein und sah Molly auf einem hohenweißen Bett liegen, das halbe Gesicht
bedeckt von einem Verband, den Mund weit offen, mit klaffendem Unterkiefer.
»Molly«, hatte er gerufen, »Molly . . .« Die Stimme brach ihm, und er weinte
jetzt, er flehte: »Mein Liebes!« Es kam keine Antwort. Durch den klaffenden
Mund drangen geräuschvoll die kurzen, stoßweisen Atemzüge. »Mein Liebstes,
mein Liebstes . . .« Und mit einemmal wurde die Hand, die er hielt, für einen
Augenblick lebendig. Lag dann wieder still.
»Ich bin's«, sagte er, »ich - Will.«
Abermals bewegten sich die Finger. Langsam, mit einer offenbar ungeheuren
Anstrengung schlössen sie sich um die seinen, drückten sie und erschlafften