Table Of ContentABHANDLUNGEN ZUR MITTELSTANDSFORSCHUNG
HERAUSGEGEBEN VOM INSTITUT FüR MITTELSTANDSFORSCHUNG
ABHANDLUNGEN ZUR MITTELSTANDSFORSCHUNG
HERAUSGEGEBEN VOM INSTITUT FüR MITTELSTANDSFORSCHUNG
Nt. 30
Eigentumsbildung und Altersvorsorge
bei Angehörigen des
selbständigen Mittelstandes
J. Christoph Levetkus und Klaus Wieken
In die Schriftreihe aufgenommen von Professor Dr. Günter Schmölders
Direktor der Finanzwirtschaftlichen Abteilung
des Instituts für Mittelstandsforschung, Köln
Eigentumsbildung und Altersvorsorge
bei Angehörigen des
selbständigen Mittelstandes
von
J.
Christoph Leverkus und Klaus Wieken
SPRINGER FACHMEDIEN WIESBADEN GMBH
1967
ISBN 978-3-322-98238-4 ISBN 978-3-322-98929-1 (eBook)
DOI 10.1007/978-3-322-98929-1
Die Schriftenreihe enthält außer eigenen Veröffentlichungen des Instituts auch namentlich gezeichnete
Abhandlungen, die als wissenschaftliche Arbeiten inhaltlich von ihren Verfassern vertreten werden.
Verlags-Nr. 033530
Alle Rechte vorbehalten
© 1967 by Springer Fachmedien Wiesbaden
Ursprünglich erschienen bei Westdeutscher Verlag Köln und Opladen 1967
Gesamtherstellung: Dr. Friedrich Middelhauve GmbH, Opladen
Geleitwort
Die eigentumspolitische Diskussion hat sich in der Bundesrepublik an der Beob
achtung entzündet, daß die Vermögensbildung "der Arbeitnehmer" nach wie vor
hinter der der Unternehmer zurückbleibt; "die Armen werden zwar nicht mehr
ärmer, aber die Reichen immer reicher", so heißt es 1.
Solche Pauschalurteile über ganze Bevölkerungsgruppen werden jedoch der Wirk
lichkeit nicht gerecht. Nicht die gesamte Arbeitnehmerschaft, sondern nur ein Teil
dieser Gruppe läßt in seiner Vermögensbildung zu wünschen übrig 2, und ebenso
wenig kann davon die Rede sein, daß alle Unternehmer nennenswerte Vermögens
zuwächse erzielten. Ein Teil der Selbständigen ist im Gegenteil gar nicht in der
Lage, eine hinreichende Eigentumsbildung zu betreiben.
Man erliegt leicht der Täuschung, bei den Begriffen "selbständig" oder "Mittel
stand" an den überbeschäftigten Bauunternehmer oder die florierende Rechts
anwaltspraxis zu denken. Die Wirklichkeit sieht anders aus. Nur ein Viertel aller
Selbständigen hat mehr als drei Beschäftigte, über ein Drittel aller Selbständigen
hat Nettoeinkünfte von weniger als 800 DM im Monat, und fast ein Drittel aller
Selbständigen erklärte unseren Interviewern, sie würden ihre Selbständigkeit gerne
aufgeben, wenn sie sie gegen eine gleichwertige Angestellten-Position vertauschen
könnten.
Für den Selbständigen ist Eigentum nicht eine Quelle zusätzlicher Einkünfte und
zusätzlichen Rückhalts für das Alter, sondern die Einkommensgrundlage und die
Alterssicherung schlechthin. Im Bereich des selbständigen Mittelstandes, vor allem im
Handel und Handwerk, gibt es aber eine große Anzahl kleiner Selbständiger, deren
Vermögen nur im Verein mit ihrer Arbeitsleistung ausreicht, um ihnen ein bescheide
nes Auskommen zu sichern, während sie der Zeit, in der sie nicht mehr erwerbsfähig
sind, ohne ausreichenden Rückhalt gegenüberstehen. Demgegenüber liegt der Kapi
talwert der Sozialversicherungsbeiträge, die während eines normalen Berufslebens
für einen Arbeitnehmer eingezahlt werden, immerhin zwischen vierzig- und sechzig
tausend DM 3; zahlreiche Angehörige des selbständigen Mittelstandes sehen sich bei
Beginn der Invalidität schlechter gestellt.
1 Vgl. Stopp, K., Vermögensbildung in Arbeitnehmerhand, Göppingen 1960, S. 11.
2 Forschungsstelle für empirische Sozialökonomik, Möglichkeiten und Grenzen einer aus
dem Arbeitsverhältnis abgeleiteten Vermögensbildung der Arbeitnehmer, als Manuskript
vervielfältigt, Köln 1961, S. 161.
3 Vgl. Höfjner, Joseph, Eigentumsstreuung als Ziel der Sozialpolitik, in: Eigentum und
Eigentümer in unserer Gesellschaftsordnung, Veröffentlichungen der Walter Raymond
Stiftung, Bd. 1, Köln und Opladen 1960, S. 37.
6 Geleitwort
Bisher gab es über die private Eigentumsbildung der Selbständigen und vor allem
über ihre Alterssicherung kaum ausreichend differenzierte Unterlagen. Die ent
scheidenden Fragen, die sich der Mittelstandspolitik hier stellen, sind aber nur auf
Grund eines präzisen Abbildes der sozialen Wirklichkeit zu beantworten: Reicht die
Eigentumsbildung, die der selbständige Mittelstand aus eigener Kraft betreibt, zur
Sicherung des Alters aus? Hat die bisherige Eigentumspolitik den wirtschaftlich
schwächeren Gruppen des Mittelstandes nachhaltig geholfen? Sind diese Gruppen
überhaupt in der Lage, mit den Formen der eigenverantwortlichen Altersvorsorge
in für sie vorteilhafter Weise umzugehen? Glauben die Angehörigen dieser Grup
pen, auch fernerhin ohne gesetzliche Rentenversicherung auskommen zu können?
Inwieweit würde die Einführung einer Pflichtversicherung für alle Selbständigen im
Mittelstand akzeptiert werden?
Die hier vorgelegte Untersuchung ist dem Versuch gewidmet, diese und eine große
Zahl von spezielleren Problemen durch Vorlage gesicherten empirischen Materials
lösbar zu machen; sie wurde in unserer Forschungsstelle für empirische Sozialökono
mik mit dankenswerter finanzieller Unterstützung des Ministers für Wirtschaft,
Mittelstand und Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen durchgeführt. Grundlage
der Studie war eine repräsentative Befragung von Selbständigen und Wertpapier
besitzern im Jahre 1963, die in Zusammenarbeit mit dem DIVO-Institut in Frank
furt am Main erfolgte. Die Methode der Repräsentativbefragung erlaubte es, die für
die Lösung der Probleme wichtige eigene Einstellung der Selbständigen zur Eigen
tumsbildung und Alterssicherung mit in die Analyse einzubeziehen.
Dr. J. Christoph Leverkus zeichnet für das 1. 3. und 4. Kapitel, Dipl.-Kfm.
Klaus Wieken für das 2. und 5. Kapitel verantwortlich; beiden Mitarbeitern gebührt
für ihre Leistung Dank und Anerkennung.
Günter Schmölders
Inhalt
Geleitwort. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5
überblick über die wichtigsten Ergebnisse .............................. 9
1. Kapitel: Allgemeine wirtschaftliche Situation und Lebenslage der Selbstän-
digen .................................................. 17
1. Die wirtschaftliche Entwicklung in den letzten fünf Jahren .............. 17
2. Einkommen und Umsatz ............ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 21
a) Umsatz ..................................................... 21
b) Einkommen ................................................. 25
3. Freizeit und Urlaub ............................................ 31
4. Die Bejahung der Selbständigkeit .................................. 38
2. Kapitel: Die Eigentumsbildung der Selbständigen .................... 44
1. Das Konsumvermögen der Selbständigen ............................ 45
2. Das Haus- und Grundeigentum... . . . . . . .. .. .. .. . . .. . . .. .. . . . . .. ... 51
3. Das Sparen auf Konten .......................................... 54
4. Der Besitz von Wertpapieren. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 57
5. Ansprüche auf Versicherungsleistungen .............................. 60
6. Die Eigentumsbildung der Selbständigen im Vergleich mit anderen Berufs-
gruppen ....................................................... 62
3. Kapitel: Bedeutung und Erfolg der staatlichen Maßnahmen zur Förderung
der Eigentumsbildung .................................... 65
1. Kenntnis und Inanspruchnahme der Vergünstigungen des Sparprämien-
gesetzes ....................................................... 65
a) Informiertheit und Kenntnisse .................................. 66
b) Die tatsächliche Inanspruchnahme. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 70
2. Die Auswirkungen der Privatisierung von Bundesvermögen ............ 75
3. Die Förderung des Versicherungssparens durch § 10 EStG .............. 89
4. Die Förderung des Bausparens .................................... 95
5. Die bisherige Eigentumspolitik im Urteil der Selbständigen ............. 106
8 Inhalt
4. Kapitel: Möglichkeiten und Probleme eigenverantwortlicher Altersvorsorge 113
1. Das Geschäft, der Betrieb oder die Praxis als Basis der Alterssicherung .... 114
2. Die Vorsorgemöglichkeiten im Urteil der Selbständigen ................ 118
a) Die Präferenzen .............................................. 118
b) Das Profil der Anlageformen ................................... 123
3. Das Problem der Geldwertstabilität ................................ 131
a) Wachsendes Geldwertmißtrauen ................................. 131
b) Geldwertmißtrauen und Anlageentscheidung ...................... 133
c) Geldentwertung und private Altersvorsorge ...................... 140
4. Die Eignung der Aktie für die Altersvorsorge ........................ 142
a) Spekulations-oder Kapitalanlage ................................ 143
b) Die Neigung zum Aktienkauf auf Kredit .......................... 148
c) Das Verhalten bei Börsenkursschwankungen ...................... 151
d) Die Erfahrungen mit Aktien und die Bereitschaft zur Neuanlage ...... 158
5. Kapitel: Das Problem einer gesetzlich geregelten Altersversorgung für Selb-
ständige ................................................ 167
1. Die bisherige Alterssicherung der Selbständigen ...................... 168
2. Der Ruf nach Staatshilfe .......................................... 182
3. Die Einstellungen der Selbständigen zu einer Pflichtversicherung ........ 185
4. Das "beste" Rentensystem ........................................ 189
Zur Methode der Untersuchung ...................................... 194
Überblick über die wichtigsten Ergebnisse
Die folgenden, thesenartig zusammengefaßten Ergebnisse sollen einen ersten
überblick über die wichtigsten Resultate der Untersuchung vermitteln. Es handelt
sich dabei jedoch nur um eine Auswahl; Einzelheiten, weitere Ergebnisse und Folge
rungen sind unter den einzelnen Abschnitten nachzulesen.
A. Zur allgemeinen wirtschaftlichen Situation und Lebenslage
der Selbständigen
1. Etwas weniger als. die Hälfte der Selbständigen ist der Ansicht, ihre wirtschaft
liche Situation sei heute besser als vor 5 Jahren; 36 Ofo empfinden eine Stagnation
und 16 Ofo eine Verschlechterung ihrer wirtschaftlichen Lage (S. 18 H.).
2. Innerhalb der verschiedenen Gruppen des selbständigen Mittelstandes beurteilen
die zahlenmäßig stärksten Gruppen, der Einzelhandel und das Handwerk, ihre
wirtschaftliche Entwicklung in den letzten 5 Jahren im Durchschnitt am ungünstig
sten. Besonders positiv fallen die Beurteilungen des Großhandels und der freien
Berufe aus (S. 19 H.).
3. Auch wenn der Kleinstbetrieb in bestimmten Standorten und Branchen durchaus
noch Chancen hat, zeigt die Durchschnittsbetrachtung, daß die Selbständigen ihre
persönliche wirtschaftliche Entwicklung um so negativer beurteilen, je kleiner ihr
Gewerbebetrieb ist. Unter den wirtschaftlich gefährdeten Kleinstbetrieben hat vor
allem die kleine Einzelhandlung mit Schwierigkeiten zu kämpfen (S. 20 f.).
4. Das vergleichsweise hohe durchschnittliche Nettoeinkommen der Selbständigen
(über 1200 DM monatlich) kann nicht darüber hinwegtäuschen, daß etwa 20 Ofo der
Einkommen unter 600 DM im Monat liegen. Nicht alle Selbständigen erreichen
demnach das Einkommen eines gut verdienenden Facharbeiters (S. 25 H.).
5. Bei der Beurteilung der von uns ermittelten Einkommenswerte, die in Anbe
tracht des Stichprobenumfanges nur Richtwerte darstellen können, wurde eine hin
reichend aufgegliederte amtliche Einkommensstatistik sehr vermißt (S. 25). Der
analytische Wert der personalen Einkommensverteilung hat sich im Laufe der
Untersuchung als so bedeutsam herausgestellt, daß im Interesse der Mittelstandsfor
schung und Mittelstandspolitik eine regelmäßige, detailliert aufgegliederte amtliche
Einkommensstatistik dringend notwendig erscheint.
6. Die Lebenslage der meisten Selbständigen ist durch lange Arbeitszeiten und ge
ringe Urlaubsmöglichkeiten gekennzeichnet. über die Hälfte aller Selbständigen
10 Vberblick über die wichtigsten Ergebnisse
haben zwei Jahre lang keine Urlaubsreise gemacht (S. 31 H.). Das Maß an Freizeit
wird im Gegensatz zu anderen Berufsgruppen sehr häufig als ungenügend bezeich
net. Je stärker die Arbeitszeitverkürzung fortschreitet, je besser die allgemeinen
Urlaubsbedingungen der Arbeitnehmer werden, um so größere soziale Spannungen
sind aus dieser Situation insbesondere bei den gering verdienenden Selbständigen
zu erwarten.
7. Die Idee der selbständigen Berufstätigkeit hat an Glanz eingebüßt. Ein knappes
Drittel der heute Selbständigen wäre nicht abgeneigt, in ein Beschäftigungsverhält
nis als Angestellter überzuwechseln (S. 38 H., S. 41).
B. Zum Umfang der Eigentumsbildung
1. In ihrer Eigentumsbildung stehen die Selbständigen insgesamt auf einem wesent
lich höheren Niveau als der Durchschnitt der Bevölkerung (S. 44 H.). 66 Ofo der
Selbständigen besitzen ein eigenes Haus (in der Gesamtbevölkerung nur etwa 30 Ofo),
60 Ofo der Selbständigen haben eine Lebensversicherung abgeschlossen (Gesamt
bevölkerung 29 Ofo), 19 Ofo besitzen Aktien einschließlich Volksaktien (Gesamt
bevölkerung 5 Ofo), 6 Ofo besitzen Investmentzertifikate (Gesamtbevölkerung 1 Ofo),
und 12 Ofo besitzen festverzinsliche Wertpapiere (Gesamtbevölkerung 1 Ofo).
2. Der wertmäßig bedeutendste Posten des Privatvermögens der Selbständigen ist
der Hausbesitz. Hausbesitz findet sich bei Selbständigen in erheblichem Umfange
auch in unteren Einkommensschichten. Besonders hoch ist der Anteil der Haus
besitzer in Orten mit weniger als 50 000 Einwohnern. In diesen Orten besitzen be
reits bei einem Nettomonatseinkommen unter 800 DM 67 Ofo der Selbständigen ein
eigenes Haus (S. 53). Hausbesitz ist damit ein wesentliches Charakteristikum des
selbständigen Mittelstandes.
C. Zur Wirkung und Resonanz der eigentumspolitischen
Förderungsmaßnahmen
1. Im ganzen betrachtet, sind die staatlichen Maßnahmen zur Förderung der Eigen
tumsbildung in relativ großem Umfang dem selbständigen Mittelstand zugute
gekommen. Die Vergünstigungen des Sparprämien gesetzes haben 26 Ofo der Selb
ständigen in Anspruch genommen (S. 65 H.), Volksaktien besitzen 12 Ofo (S. 75 H.),
Sonderausgaben für Versicherungen gemäß § 10 EStG machen 68 Ofo der Selbstän
digen geltend (S. 89 H.), und einen Bausparvertrag haben 30 Ofo der Selbständigen
abgeschlossen (S. 95 H.).
2. Die Sonderausgabenvergünstigung für Versicherungsbeiträge hat unter allen
eigentumspolitischen Förderungsmaßnahmen die höchste Breitenwirkung. Die Mög
lichkeit, Sonderausgaben steuermindernd abzusetzen, ist besonders gleichmäßig von
den Gruppen des selbständigen Mittelstandes ausgenutzt worden. Auch in den im
ganzen gesehen ökonomisch schwächeren Gruppen (Einzelhandel und Handwerk)
liegt die Ausnutzungsquote nur geringfügig unter dem Durchschnitt.