Table Of ContentFrank Schmidt
Dynamische
Meteorologie
Eine spektrale Werkstatt
Dynamische Meteorologie
Frank Schmidt
Dynamische Meteorologie
Eine spektrale Werkstatt
Frank Schmidt
München, Deutschland
ISBN 978-3-662-50528-1 ISBN 978-3-662-50529-8 (eBook)
DOI 10.1007/978-3-662-50529-8
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Planung: Merlet Behncke-Braunbeck
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Vorwort
Entstanden aus einem viersemestrigen Vorlesungszyklus des Autors über Theore-
tische Meteorologie und einer Reihe von Vorträgen, konzentriert sich der Text auf
die großräumige Dynamik der trockenen Atmosphäre und eine spektrale
Handhabung der Feldstrukturen.
Fast axiomatisch postuliert sind die dynamischen Grundlagen, aus denen unter
genereller Verwendung der Höhe als vertikaler Koordinate eine Familie konsistenter
Modelle verschiedener Größenordnungen (Skalen) der auftretenden Bewegungen
hergeleitet wird. Mit einerseits dem Ausschluss von Strahlungsphysik, Wolkenpro-
zessen und Feuchte und nur der Behandlung des dynamischen Kerngebietes ergibt
sich der freie Raum zu einer spielerischen Verfolgung alternativer Wege, so dass
gängige Modellvorstellungen in Frage gestellt und variiert und das Experimentieren
und Entwickeln eigener Ideen angeregt werden. Andererseits sind die Untersuchungs-
methoden spektral. Das meint das Studium der Eigenschwingungen von Atmosphäre
bzw. Modellen, ihre Anregungen und Resonanzen, Instabilitäten und dynamischen
Wechselwirkungen, abhängig von Schichtungen, Definitionsbereichen, Randstruk-
turen, Skalenbereichen und Auflösungen, und das Arbeiten damit: wie in einer
Werkstatt. Mit dem Ziel der Prognose rücken auch Zeitdiskretisierungen in den
Fokus, eine optimale Analyse und (nichtlineare) dynamische Balancierungen.
Ergeben sich durch den Export sphärischer Symmetrie auf den Torus Möglichkeiten
größerer Effizienz? Generell darf bei Untersuchungen als Etappenschritt die Mathe-
matik auch über die Physik hinausgehen, d. h. jenseits des physikalisch Gültigen
agieren.
Im Buch gliedern sich diese Inhalte in acht Kapitel. Nach Formulierung grundlegen-
der Gleichungen in Form von Bilanzen für die Zustandseigenschaften der Atmo-
sphäre (Kapitel 1), Transformation auf geeignete räumliche Koordinaten (Kapitel 3)
und einem ersten Umschauen in der Werkstatt nach ihren Hilfsmitteln und Perspek-
tiven (Kapitel 2) werden für verschiedene Größenordnungen der Bewegung Modell-
rahmen definiert und zur Orientierung erste klassische Lösungen präsentiert (Kapitel
4). Kugelflächenfunktionen, Basis für die Eigenschwingungen über der Sphäre,
werden elementar, didaktisch einleuchtend und geometrisch anschaulich, als Poly-
nome der sphärischen Koordinaten identifiziert, deren Rekursionen die Operationen
der Differentialgleichungen definieren (Kapitel 5). Das Nachdenken über Wellen
mit neuen Fragestellungen und unerwarteten Aussagen wie für Leewellen und
barokline Instabilität von Rossbywellen erscheint in Kapitel 6. Nach Beschäftigung
mit prognoserelevanten Strukturen (Kapitel 7) wird abschließend eine datengestützte
Übersicht zur Allgemeinen Atmosphärischen Zirkulation in den Rahmen der hier
bisher entwickelten Dynamik eingefügt. Genaueres zu den Inhalten wird den
V I Vorwort
einzelnen Kapiteln kursiv vorangestellt. Eingrenzungen des Themenbereichs werden
zumeist benannt und durch Ausblicke auf die Literatur entschärft.
Als Lehr- und Übungsbuch wendet sich der Text an Bachelor der Mathematik oder
Physik, die einen Steilkurs zur Dynamik der Atmosphäre suchen, und gleichermaßen
an Forschende mit dem Wunsch transparenter Strukturierung ihrer Ergebnisse,
ebenso wie an Dozenten.
Zum Studium des Gesamtkörpers etablierter Sachverhalte wird unter anderen auf
Fortak (1967), Pedlosky (1979), Pichler (1984), Etling (1996), Lange (2002) und
schließlich Ehrendorfer (2012) verwiesen. Die Verwandtschaft des vorliegenden
Textes zur Fortak'schen Diktion ist unverkennbar. Verschiedene Analysen messen
sich an solchen Pedloskys. Bei Lange kann man Erwägungen zur Physik nachvollzie-
hen, die hier zugunsten mathematischer Argumentation unterblieben.
Während bis auf einen Anhang weniger Seiten bei Lange eine spektrale Darstellung
der Dynamik in den deutschsprachigen Lehrbüchern vollständig fehlt, entwickeln
wir komplementär gerade diese. Ehrendorfer präsentiert im kürzlich erschienenen
Buch vollständig und in sich abgeschlossen erprobtes Wissen existierender spek-
traler Modelle, von den spektral formulierten Grundgleichungen bis zur expliziten
Erstellung und Kodierung eines globalen Modells. Wir entfalten darüber hinaus die
mögliche Umgebung.
Und während das in der spektralen Literatur eigentlich ausschließlich verwendete
Galjorkin- (englisch transskribiert Galerkin-) Verfahren, falls unachtsam angewen-
det, auch leicht über (z. B. sphärische) Unsymmetrien hinwegintegriert und bei
komplexeren Operationen unanschaulich bleibt, definieren im vorliegenden Text
Rekursionen der elementar als Polynome der sphärischen Koordinaten identifizierten
Kugelflächenfunktionen die einzelnen Operationen der Differentialgleichungen
besonders anschaulich. Sphärische Symmetrie wird nach Konstruktion (per defini-
tionem) respektiert. Diese elementare von Robert (1966) angestoßene Betrachtungs-
weise wurde seither kaum aufgegriffen.
Kenntnisse der Infinitesimalrechnung, linearen Algebra mit Vektoranalysis und
Matrizenkalkül, der Funktional- und komplexen Analysis werden vorausgesetzt --
Bedingungen, die Bachelor der Mathematik oder Physik und natürlich Forschende
und Dozenten erfüllen. Aussagen zur Integration beziehen sich standardmäßig bzw.
ohne Beschränkung der Allgemeinheit ("o. B. d. A.") auf das Lebesgue'sche Integral
(z. B. Hirzebruch und Scharlau, 1971); benötigte Sätze der Mathematik sind anschau-
lich genug, dass sie eingesetzt und nicht jeweils beispielweise hergeleitet werden
müssen.
Besondere Strukturen, Gleichungen oder Prozesse, die noch Gegenstand späterer
Erörterungen sein werden, werden unter Identifikation von Kapitel n und Abschnitt
1
n .n als n .n .n durchnummeriert. Unter diesem Nummerntripel werden sie auch
1 2 1 2 3
aufgerufen, innerhalb des aktuellen Abschnitts n .n auch einfach n . Gleichun-
1 2 3
gen, als System n .n .n notiert, werden einzeln als n .n .n a , n .n .n b ,... oder
1 2 3 1 2 3 1 2 3
innerhalbH von ALbschnitt n1.n2 also einfach n3 a , n3 b ,... zitiert. Zur hin-
reichenden Orientierung werden Kapitel und Abschnitt durch jeweilHigeL Kopfzeilen
H L H L H L
H L H L
Vorwort V I I
ausgewiesen. Der Hinweis n ,n ,n v+… steht für die Multiplikation der
1 2 3
angegebenen Gleichung mit dem Feld v usw.
Einen geeigneten individuellen Pfad zu seinem Problem mag sich Student wie
H L
Forschender suchen und wird dabei auf weitere überraschende Antworten stoßen.
Anregungen und Mittel dazu sind gegeben in dieser Anstiftung zur dynamischen
Meteorologie.
Danken möchte ich vor allem meiner Frau Ursula, die meine Eigenbrötelei liebevoll
ertragen hat, meinen Söhnen für ihre positive Einstellung, meinen Kollegen Uwe
Harlander, Hans Herzog und H. J. Lange für Diskussionen und kritische Anmerkun-
gen zum Text, Christian Hackenberg, Heinz Lößlein, Roger K. Smith und Matthias
Wiegner für Hilfe bei der Software und meinen Lektorinnen Merlet Behncke-Braun-
beck und Stella Schmoll für ihre besondere konstruktive Begleitung, schließlich
auch Frau Heike Pressler für ihr sorgfältig-unermüdliches Editieren.
Inhaltsverzeichnis
Vorwort V
Inhaltsverzeichnis IX
1. Grundlegende Gleichungen und ihre Bilanzstruktur 1
1.1 Trockene und erste Hinweise zur feuchten Dynamik 1
1.2 Weiteres zur feuchten Dynamik 10
2. Übersicht über Größenordnungen, Wechselwirkungen
und die Sondierung dynamischer Strukturen 13
2.1 Skalenübersicht 13
2.2 Zur Nichtlinearität 14
2.3 Skalenanalyse 19
3. Koordinaten 23
3.1 Erdbezogene Koordinaten 23
3.2 Ortsbezogene Koordinaten 28
3.3 Unterlagenabhängige Koordinaten 34
3.4 Allgemeine Anmerkung zu den Polarkoordinaten 43
4. Spezielle Modelle der Atmosphäre in mittleren Breiten 45
4.1 Größenordnungen 45
4.2 Statische Atmosphäre 46
4.3 Die dynamische Komponente der Atmosphäre 50
4.4 Das primitive Modell 56
4.5 Primitives Schichtenmodell 58
4.6 Geostrophische Dynamik 62
4.7 Quasigeostrophische Struktur 64
4.8 Quasigeostrophisches Schichtenmodell 69
4.9 Boussinesq-Gleichungen 76
4.10 Zur Turbulenz bei Parametrisierung der zweiten Momente
und die Grenzschicht 78
4.11 Klassische Dynamik 82
4.12 Zu den Grenzen der Dynamik mittlerer Breiten 92
5. Globale Strukturen und spektrale Dynamik 97
5.1 Herleitung globaler Gleichungen 97
X Inhaltsverzeichnis
5.2 Die Operatoren ∆ , J und G 101
hor
5.3 Sphärisches Spektrum 104
5.4 Zur Struktur der Kugelflächenfunktionen 110
5.5 Torusdynamik und Einbettung der Sphäre in den Torus 112
6. Wellen und Instabilitäten 123
6.1 Störung des Grundzustands der Ruhe 124
6.2 Zur vertikalen Struktur 127
6.3 Schwingungen des Flachwassers nahe dem Ruhezustand 145
6.4 Numerische Präsentation der Störung nicht-statischer Grundzustände
auf der Sphäre 159
6.5 Divergenzfreie Störungen auf der Sphäre und in mittleren Breiten
mit Identifizierung barotroper Instabilität 182
6.6 Leewellen: Grenzen spektraler Behandlung? 189
6.7 Barokline Instabilität 211
6.8 Bemerkungen zu Schallwellen 222
6.9 Eigenschwingungen bei beliebig ortsabhängigem und dabei
langsamem Grundzustand 225
7. Numerische Ansätze zur Lösung prognostischer
Gleichungen 233
7.1 Diskretisierung der Zeit 234
7.2 Randbedingungen 256
7.3 Optimale Analyse 260
7.4 Konstruktive Auswahl von Eigenschwingungen,
insbesondere Normalmodeninitialisierung 278
7.5 Formulierung effizienter Prognoseschemata 293
7.6 Amputierte Dimensionen 302
8. Zur allgemeinen atmosphärischen Zirkulation 307
8.1 Zonal gemittelte quasigeostrophische Gleichungen 307
8.2 Eine globale Energetik 311
8.3 Abschließende Bemerkungen 315
Literaturhinweise 317
Sachverzeichnis 323
1. Grundlegende Gleichungen und ihre Bilanzstruktur
Die zeitliche Änderung am Eigenschaftsinhalt eines Volumens G ist gegeben durch
die Netto-Summe aller Transporte nach G und die Eigenschaftsquellen innerhalb
von G. In ihrer differentiellen Struktur sind lokale zeitliche Änderung, Transport-
und Quellterm identifizierbar.
Die den physikalischen Zustand definierenden hydro-thermodynamischen Gleichun-
gen für ein ideales Gasgemisch sind diese lokalen Bilanzgleichungen für die Eigen-
schaften Masse (als "Kontinuitätsgleichung"), spezifischer Impuls, Gesamtenergie,
innere Energie (als Rest der gesamten minus der aus dem Impuls abgeleiteten
mechanischen Energie) und spezifische Entropie sowie die Gibbs'sche Fundamental-
form der Thermodynamik. Sie sind die Basis der hier präsentierten theoretischen
Meteorologie. Spezifisch meint dabei jeweils massenspezifisch. Bilanzgleichungen
ohne Quellen heißen auch "Erhaltungssätze".
Es finden sich einige Hinweise zur feuchten Dynamik mit den entsprechend erweiter-
ten und ergänzten Differentialgleichungen.
1.1 Trockene und erste Hinweise zur feuchten Dynamik
Wetter ist eine kurzfristige Äußerung der Erdatmosphäre an einem bestimmten Ort.
Diese Atmosphäre liegt als so dünne Luftschicht auf der Erdoberfläche, dass die
höchsten Berge gerade mit einbezogen sind. Sie wird beschrieben durch eine Familie
von Eigenschaften. Jede dieser Eigenschaften erscheint mathematisch als reellwer-
tige Funktion der Atmosphäre, geschrieben
f:S2× + 2(cid:124) ,
wobei S2 für die 2-Sphäre steht und + 2 für Höhe Z≥0 und Zeit t≥0.
Indem wir die Erde mit ihrer Atmosphäre im Raum eingebettet denken und die
H L
Eigenschaft f fortgesetzt, können wir auch einfach schreiben
f : 4 (cid:124) H L (1.1.1)
(t, x, y, z) # f (t, x, y, z)
unter Bezeichnung kartesischer Koordinaten eines Inertialsystems. Generell ist zu
unterscheiden zwischen der kartesischen Koordinate z und der lokalen Höhe Z.
Für mengenartige (oder "extensive") Eigenschaften wie Masse oder Impuls oder
Energie usw. ist es sinnvoll zu fragen, wie viel davon in einem 'Volumen' (d. h. einer
offenen Untermenge des Raumes) G⊂3 enthalten sei. Mathematisch gesehen,
Integrierbarkeit (z. B. im Lebesgue'schen Sinne) vorausgesetzt, ist es die Frage nach
dem Integral
© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2016
F. Schmidt, Dynamische Meteorologie,
DOI 10.1007/978-3-662-50529-8_1