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Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme
Reinhardt, Max:
Drei Don-Carios-ParodienfMax Reinhardt. Hrsg. von Peter
Loeffier. - Basel: Birkhäuser, 1992
NE: Loeffier, Peter [Hrsg.]
Das Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere
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tungsgesellschaft Worb>, München, wahrgenommen.
© Springer Basel AG 1992
Ursprünglich erschienen bei Birkhäuser Verlag Basel 1992
Umschlaggestaltung: Nach einern Plakat von Emil Oriik (1901)
Typographie: Albert Gomm
ISBN 978-3-7643-2708-8 ISBN 978-3-0348-6409-1 (eBook)
DOI 10.1007/978-3-0348-6409-1
I nhal tsverzeichnis
Vorwort 5
Max Reinhard t:
Don Carlos an der Jahrhundertwende
Drei Parodien
I. Don Carlos 19
11. Karle 51
111. Carleas und Elisande 77
Dank 91
Für
Helene Thimig
in Dankbarkeit
Vorwort
Neigt sich ein Jahrhundert dem Ende zu, so ist der Historiker
versucht, Bilanz zu ziehen. Auch wenn ihm bewußt ist, daß die sich
vorwärtsdrängende Geschichte nicht in numerischen Eingrenzun
gen gefaßt werden kann, so erlaubt es der hundertjährige Über
blick doch, Leitlinien zu erkennen, die falschen Propheten von den
wahren Revolutionären zu scheiden, und hinter all den Ausfor
mungen menschlichen Tuns die zentralen Triebkräfte freizulegen.
Auch der Theaterhistoriker fragt so im Rückblick auf ein J ahrhun
dert nach den Triebkräften, nach jenen wenigen Figuren, die ge
staltend den Lauf der Dinge bestimmten. Wer kann, jenseits aller
persönlichen und ideologischen Präferenz, zu den Wesentlichen ge
zählt werden, deren Kraft auch über das Jahrhundert hinaus zu
wirken verspricht?
Max Reinhardt, darüber scheinen sich selbst seine Kritiker einig,
gehört zu diesen Wesentlichen. Heute erkennen wir, daß er, wie
nur wenige neben ihm, das Alphabet des Theaters, jener wunder
lichsten aller Künste, um einige Buchstaben bereichert hat.
Die Forschung hat sich in den letzten ftinfzig Jahren, seit Rein
hardts Tod, gründlich um die Beschreibung und Entzifferung die
ses Alphabetes bemüht. Die Aufgabe war nicht leicht, denn Rein
hardts Hinterlassenschaft war von proteischer Vielfalt. Doch dem
Drang der Forscher, das Flüchtige des Theaters zu fassen, verdan
ken wir heute ein unvergleichlich reiches Corpus an Studienmate
rial, das uns einen genauen Einblick in die Werkstatt des Zauberers
gewährt. Die gesammelten Reden und Aufsätze, der umfängliche
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Briefwechsel, die Erinnerungen von Mitarbeitern und Freunden,
photographische Bildbände zu einzelnen Inszenierungen und be
sonders die faksimilierten Regiebücher: Sie alle bezeugen auf
immer wieder bestürzende Art die scheinbar unbegrenzte Phanta
sie und szenische Intelligenz Max Reinhardts.
Trotz dieser systematischen Aufarbeitung bleiben einzelne Lücken
noch ungeschlossen. Dabei fällt besonders schmerzlich auf, wie
stiefmütterlich Reinhardts Frühwerk von der Forschung behandelt
wurde. Der Glanz der Glanzzeiten erwies sich wohl als zu verlok
kend, so daß die kleinen Anfänge zu oft zum Schattendasein verur
teilt blieben.
Im Schatten von Reinhardts Glanz als Regisseur steht denn auch
seine literarische Arbeit. Er selber hat im Rückblick auf sein Leben
immer wieder bedauert, daß ihm das Getriebe des Tagesgesche
hens nicht mehr Zeit für das geschriebene Wort gegönnt hat. Rein
hardt liebte das Wort, liebte das Spiel mit dem Wort, und als ihn
im Sommer 1901 ein junger Verleger aus Berlin einlud, eine
Gruppe von dramatischen Texten in einem handlich ausgestatteten
Bändchen zu publizieren, griff Reinhardt, ohne auch nur zu zö
gern, zu und unterschrieb den Autorenvertrag.
Der junge Mann, der Max Reinhardt zu seiner allerersten Veröf
fentlichung anregte, war Ludwig Loeffier. Im September 1873 ge
boren, also bis auf den Monat gleichaltrig mit Reinhardt, hatte
Loeffier nach dem Studium der Germanistik beschlossen, einen
kleinen Verlag zu gründen, der sich der Musik und der neueren
Literatur widmen sollte. Der überraschende Erfolg des Verlages
schon im ersten Jahr der Gründung ermutigte Loeffier, vermehrt
Texte bisher unbekannter Autoren zu drucken. Einer dieser Auto
ren war Max Reinhardt.
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Als Reinhardt seine Don-Carlos-Parodien entwarf, war er Schauspie
ler am «Deutschen Theater» in Berlin, der besten Bühne im
deutschsprachigen Raum. Er empfand dies als Ehre und Verpflich
tung, und doch regte sich bei ihm schon bald die Ungeduld, ja der
Unmut. Zu starr und schwerfällig erschien ihm das Räderwerk
dieser großen Staatsbühne. Wonach er in jugendlicher U nbe
schwertheit drängte, war eine theatralische Kleinform, die sich
frech und ungebärdig gab, und die Witz und Intelligenz spielerisch
verband. Dazu sollten zunächst die mitternächtlichen Späße die
nen, die Reinhardt mit andern jungen Kollegen vom «Deutschen
Theater» ersann.
***
Reinhardt stammte aus einer Familie des Bürgerstandes, und wie
so mancher Bürgersohn der Zeit hatte er sich schon früh einer
Boheme angeschlossen, die sich als spielerische Kampfansage gegen
tradierte Kunst- und Lebensformen des Bürgertums verstand. Hier
in der Boheme hatte er Ludwig Loefller kennengelernt, und hier, in
den rauchgeschwärzten Lokalen rund um den Potsdamer Platz,
wurde der Keim für das Kleintheater «Schall und Rauch» gelegt.
Vorbild für die deutsche Boheme und deren literarische Ausfor
mung, das Kabarett, war der Montmartre in Paris. Besonders das
schon zur Legende gewordene «Chat Noir», das seit dem Beginn
der achtziger Jahre die besten kabarettistischen Talente verband,
wurde oft schamlos kopiert.
Die originelleren Geister der Berliner Boheme wollten sich jedoch
mit einer bloßen Nachäffung fremder Muster nicht begnügen, und
so wagten einzelne den Versuch, eine deutsche Form des Kabaretts
zu finden. Diesem Drang nach einer Emanzipation vom französi-
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schen Diktat war der Erfolg schon bald beschieden. Zunächst war
es Otto Julius Bierbaum, der mit einer Fülle kurzer Texte den
Spielern der vielen sich nun etablierenden Kleinbühnen reiches
Material bot. Sein Beispiel wurde andern zum Ansporn. Bis weit in
die deutsche Provinz hinein wurde jetzt die Kleinkunst des Kaba
retts gepflegt. Da maßen sich mindere Autoren mit mächtigen, und
unter den Mächtigen gab es einige, die weit über den flüchtigen
Alltag hinaus bleibende literarische Werte schufen. Zu ihnen ge
hört etwa Frank Wedekind, dessen Texte fUr die «Elf Scharfrichter»
etwas vom Besten sind, was die leichte Muse in Deutschland her
vorgebracht hat. Und zu ihnen gehören, wie die drei Texte dieses
Bändchens bezeugen sollen, auch Max Reinhardts Arbeiten fUr
«Schall und Rauch».
***
Der erste Abend dieser zunächst ganz ungezwungen sich treffenden
Schauspieler fand am 23. Januar 1901 im Künstlerhaus am Pots
damer Platz statt. Das Programm enthielt ein sehr vielfältiges An
gebot: Neben Liedern, Gedichten und dramatischen Monologen
aus der Feder der Freundes- und Kollegenschar bildete Max Rein
hardts Don Carlos an der Jahrhundertwende den gewichtigen Mittelteil
der Veranstaltung. Der Erfolg vor einem kleinen, im Grunde noch
privaten Kreis von Freunden und Mitarbeitern war so durchschla
gend, daß sich Reinhardt schleunigst um größere Räumlichkeiten
bemühen mußte. Zunächst gastierte man im Foyer des «Deutschen
Theaters», das Reinhardts Mentor Otto Brahm großzügig zur Ver
fUgung gestellt hatte. Doch auf die Dauer mußte eine eigene, kleine
Bühne fUr diese Kleinkunst gefunden werden. Der «Arnim'sche
Festsaal», Unter den Linden 44, bot sich als geeignete Spie1stätte
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an. Peter Behrens übernahm einen bühnengerechten Umbau, Emil
Orlik erarbeitete die farbliche Ausgestaltung und schon am 9. Ok
tober des gleichen Jahres konnte die eigenständige Bühne «Schall
und Rauch» unter Max Reinhardts künstlerischer Oberleitung
eröffnet werden, wobei wiederum die Don-Carlos-Parodien das Kern
stück bildeten.
Warum Schiller? Warum der Don Carlos? Die Antwort hierzu fiel
Reinhardt leicht, ja drängte sich geradezu auf. Schon während
seiner Schulzeit hatte er mit wachsendem Unmut und dann mit
offener Verachtung die Besitznahme Schillers durch den Ungeist
der Oberlehrer beobachtet. Für ihn hatten die Forderungen Schil
lers nichts, aber auch gar nichts gemein mit der spießigen Wirklich
keit des gehobenen Bürgertums. Für Reinhardt war das gesamte
Schaffen Schillers, also auch das klassische Spätwerk, von einem
radikalen Ruf nach persönlicher und politischer Freiheit beseelt,
der sich nicht mit der verflachenden Anpassung an die Belange
eines bildungsbeflissenen Bürgertums vertrug. Den wahren, leiden
schaftlichen, kämpferischen Schiller galt es gegen den Schiller der
hoheitsvollen Pose, der verstaubten Anthologien, der jämmerlichen
Gipsbüsten zu verteidigen.
Und warum der Don Carlos? Mehr als jedes andere Werk Schillers
war gerade dieses Stück im Klassenzimmer, in der guten bürger
lichen Stube und auf den unzähligen Bühnen der Provinz verküm
mert. Heftige Leidenschaft wurde durch hohles Pathos verspielt;
die kühn und komplex gebauten Monologe verarmten zu rhetori
schen" Versatzstücken, die man mechanisch auswendig lernte und
dann ebenso mechanisch vortrug. Schillers stereometrisches, auf
eine gestaffelte Tiefenwirkung zielendes Geschichtsbild verkam zu
einer fahlen Historienmalerei, ganz ohne Widerspruch, ganz ohne
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