Table Of ContentDokumentationsverfahren in der Herzchirurgie 11
A. Krian · H. H. ScheId
Herausgeber
Dokumentations
verfahren
in der
Herzchirurgie 11
Unter Mitarbeit von
M. Jeibmann und N. Roeder
fii}
Springer-Verlag Berlin Heidelberg GmbH
Anschriften der Herausgeber:
Prof. Dr. med. A. Krian
Herzzentrum KWK Duisburg
Klinik für Thorax- und Kardiovaskularchirurgie
Gerrickstr. 21
47137 Duisburg
Prof. Dr. med. H. H. Scheid
Klinik- und Poliklinik für Thorax-, Herz- und Gefäßchirurgie
Westfälische Wilhelms-Universität
Albert-Schweitzer-Str. 33
48149 Münster
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme
Dokumentationsverfahren in der Herzchirurgie / A. Krian; H. H. Scheid, Hrsg. -
Darmstadt: Steinkopff.
NE: Krian, Arno [Hrsg.1
2. Unter Mitarb. von M. Jeibmann und N. Roeder. - 1997
ISBN 978-3-642-53773-8 ISBN 978-3-642-53772-1 (eBook)
DOI 10.1007/978-3-642-53772-1
NE: Jeibmann, Michael
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ber 1965 in der Fassung vom 24. Juni 1985 zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungsptlichtig. Zu
widerhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechtsgesetzes.
© 1997 by Springer-Verlag Berlin Heidelberg
Ursprünglich erschienen bei Dr. Dietrich Steinkopff Verlag, GmbH & Co. KG, Darmstadt 1997
Softcover reprint of the hardcover I st edition 1997
Verlagsredaktion: Beate Rühlemann - Herstellung: Heinz 1. Schäfer
Umschlaggestaltung: Erich Kirchner, Heidelberg
Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in dieser Veröffent
lichung berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, daß solche Namen im
Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von
jedermann benutzt werden dürften.
Satz: H. Vilhard, Brombachtal
Gedruckt auf säurefreiem Papier
Vorwort
Mit dem Workshop zu "Dokumentationsverfahren in der Herzchirurgie", der im Fe
bruar 1995 in Münster stattfand, wurden von Veranstaltern und allen Beteiligten die
aktuellen Probleme der allgemeinen Dokumentationspflicht sowie der Qualitätssiche
rung vor dem Hintergrund gesetzlicher Vorschriften, aber auch des generellen Infor
mationsbedarfs thematisiert.
Die eindrucksvolle Beteiligung eines Großteils der deutschen Herzzentren, die in
tensive Diskussion und die zahlreichen unbeantworteten Fragen ließen bereits damals
den Wunsch nach einer Fortsetzung und Vertiefung dieser Arbeit aufkommen, der
konsequenterweise mit einem 2. Workshop im Februar 1996, diesmal in Duisburg,
realisiert wurde.
Nicht zuletzt durch die Rahmenbedingungen des sog. Gesundheitsstrukturgesetzes
erhielten die diesmal gewählten Schwerpunktthemen "patientenorientierte Lei
stungsdokumentation" und, ,Qualitäts sicherung" kontinuierlich zunehmende Aktua
lität: Sukzessive mußten alle im Krankenhaus tätigen Berufsgruppen die Notwendig
keit eines generellen Umdenkens hinsichtlich der Behandlungsdokumentation und
der Leistungsabrechnung akzeptieren.
Dem entsprachen - durchaus im Sinne eines Spannungsfeldes - die inhaltlich
breit gefächerten Beiträge und die sich daraus entwickelnden Diskussionen. Sie
reichten von Analysen sowie Kalkulationsgrundlagen der neuen Entgeltformen und
ihrer Auswirkungen auf das Entgeltsystem über die praktischen Voraussetzungen zur
Leistungserfassung durch die heute vorhandenen Klinikinformationssysteme bis hin
zur Methodenkritik der angewandten Techniken und Verfahren. Es wurde erneut evi
dent, daß eine umfassende - interne wie externe - Qualitätssicherung nur auf der
Basis ausgereifter Modelle der Risikostratifikation praktikabel ist, die ihrerseits die
allgemeine Verfügbarkeit effektiver Datenbanksysteme voraussetzt.
Vor diesem Hintergrund ist die intensive Beteiligung namhafter Vertreter spezifi
scher Institute, der Spitzenverbände der Krankenkassen und zahlreicher deutscher
Herzzentren als besonders hilfreich zu werten: So konnten neben den geschilderten
allgemeinen Fragen auch spezielle Neuentwicklungen aus dem Bereich der EDV und
Informatik vorgestellt und diskutiert werden.
Allen Teilnehmern - den Referenten und Diskutanten - danken wir für die origi
nellen Beiträge sowie auch für die zusätzlichen Bemühungen zur schriftlichen Publi
kation.
Ganz besonders würdigen wir das außerordentliche Engagement der Mitarbeiter
beider Kliniken - namentlich der Herren Dres. Jeibmann und Roeder. Wir danken
dem Steinkopff Verlag - hier besonders den Damen Ibkendanz und Rühlemann -
für die Kooperation bei der Fertigstellung des Bandes und wiederum und ausdrück
lich der Industrie, ohne deren Support so wesentliche wissenschaftliche Arbeits
tagungen und Publikationen nicht realisierbar sind.
Duisburg - Münster, Dezember 1996 Professor Dr. med. A. Krian
Professor Dr. med. H. H. ScheId
Inhaltsverzeichnis
Vorwort........................................................ V
Entgeltformen in der Herzchirurgie
Die neuen Entgeltformen der stationären Versorgung und ihre Bedeutung
für die Krankenversorgung
Arnold, M., v. Stillfried, D. ....................................... .
Fallpauschalen und Sonderentgelte ab 1996 qualitätsgesichert
Fack-Asmuth, W. G. .............................................. 13
Externe Qualitätssicherung und Zertifizierung von Krankenhäusern aus
der Sicht der Krankenkassen
Scheinert, H. D. ................................................. 21
Neue Entgeltformen im Krankenhaus und deren Kalkulationsgrundlage
Baugut, G. ...................................................... 27
Patientenorientierte Leistungsdokumentation in den Kliniken
EDV-Umfrage der Deutschen Fachgesellschaft für Thorax-, Herz- und
Gefäßchirurgie - Erste Ergebnisse
Roeder, N., Herold, u., Irrgang, E., Jeibmann, M., Lohmann, E., Skupin, M.,
ScheId, H. H. ................................................... 37
Referenzdatenmodell
Jeibmann, M., Herold, u., Irrgang, E., Lohmann, E., Roeder, N., Skupin, M.,
ScheId, H. H. ................................................... 45
Differenzierte Leistungsdokumentation nach QUADRA als Grundlage für
die Abrechnung nach Sonderentgelten und Fallpauschalen
Roeder, N., Hammel, D., Fugmann, M., Raasch, B., ScheId, H. H. ...... 49
Anforderungen an ein Programm zur Qualitätssicherung und Leistungs
dokumentation aus der Sicht des Klinikers
Spitzenpfeil, E. A., Doetsch, N. .................................... 59
Klinikmanagement und interne Qualitätssicherung durch EDV-basierte
Dokumentationssysteme
Haisch, G., Isgro, F., Saggau, W. ................................... 65
Einzelplatzsystem zur Erfassung der Daten für die Qualitätssicherung in
der Herzchirurgie
Keilich, M., Hannes, w., Stegmann, Th. ..... . . ...... ....... ...... . . . 71
Freie Vorträge
Qualitätssicherung innerhalb eines Klinikinformationssystems:
Gesteigerte Effizienz und verbesserte Datenvalidität durch Datenpooling
Herold, u., Thomas, G., Schweiger, P., Thiele, R., Tochtermann, u., Vahl, C. F.,
HagI, S. ........................................................ 75
VIII Inhaltsverzeichnis
Patientenorientierte Dokumentation in der Herztransplantation:
Erfahrungen im Interdisziplinären Herzinsuffizienz- und Transplanta
tionsprogramm Münster
Deng, M. C., Roeder, N., Drees, G., Rahmei, A., Günther, F., Kerber, S.,
Gradaus, R., Hammel, D., Weyand, M., Breithardt, G., ScheId, H. H. . . . . 81
Maßnahmen zur Verhütung des Mißbrauches von Datenbanken in der
Herzchirurgie
Schweiger, P., Herold, U, Thomas, G., Tochtermann, U, Albers, 1., Vahl, C F.,
Hagl, S. ........................................................ 89
VIDE - Integration der digitalen Bildverarbeitung in ein kardio
chirurgisches Abteilungsinformations- und Kommunikationssystem
Krian, Th., Jeibmann, M., MüHer, H., Krian, A..... . . .... . . .... . ..... 95
Poster
Qualitätssicherung in der Praxis: Low-flow, Low-pressure-Perfusion bei
extrakorporaler Zirkulation (EKZ) und perioperative Nierenfunktion
Albers, 1., Tanzeem, A., Thomas, G., Herold, U, Vahl, C. F., Hagl, S. ... 103
Risikostratifikation anhand präoperativer Parameter in der Erwachsenen
Herzchirurgie
Haehnel, 1. C, Weipert, J., Barankay, A., Wottke, M., Meisner, H. . . . . . .. 113
Integration der EDV in klinische Arbeitsprozesse: Umdenken bei der
Patientendokumentation
van Landeghem, Th., Egbers, H.-J., Havemann, D.... . . ..... . . ..... .... 123
Präoperative Risikoabschätzung bei Patienten vor koronarer Bypass
operation durch Berechnung des Überlebens operierter Patienten mit dem
gleichen Risikoprofil
Schmitz, C, NoHert, G., Welz, A., Reichart, B. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 129
Zeitgemäße Datenbankanwendungen zur Qualitätssicherung in der Herz
chirurgie: Probleme und Anforderungen
Thomas, G., Herold, U, Vahl, C-F., Schweiger, P., Thiele, R., Hagl, S. 133
Software-Demonstrationen
Das ASKTHIS-Abteilungs-Informations- und -Kommunikationssystem
Benninghoff, A., Radu, M., Beyer, H., Fiegen, U, Schmidt, G., de Bra, D.,
Krian, Th., Jeibmann, M. ......................................... 143
Datenverarbeitung in der Herzchirurgie und Kardiologie in den SKO
Claus, M., Siclari, F., Siefker, J. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 149
Multimediale Herzchirurgie - ein System zur Unterstützung der Lehre
Hülsken, G., Roeder, N., ScheId, H. H. ............................. 157
Autorenverzeichnis
J. Albers Prof. Dipl.-Kfm. W. G. Fack-Asmuth
Klinik für Herzchirurgie Deutsches Krankenhausinstitut e.Y.
Ruprecht-Karls-Univ. Heidelberg Tersteegenstr. 3
Im Neuenheimer Feld 110 40474 Düsseldorf
69120 Heidelberg
Dr. J. C. Haehnel
Klinik für Herz- und Gefäßchirurgie
Prof. Dr. Dr. h.c. M. Arnold
Deutsches Herzzentrum München
Institut für Gesundheitssystem
Klinik an der Techn. Univ.
Forschung
Lothstraße 11
Keplerstraße 15
80335 München
72074 Tübingen
G. Haisch
Dr. rer. pol. G. Baugut Herzzentrum Ludwigshafen
DKI Deutsches Krankenhaus Klinik für Herzchirurgie
management Bremserstr. 79
Beratungs- u. Forschungsgesellschaft 67063 Ludwigshafen
mbH
Am Bonneshof 6
Dr. med. U. Herold
49474 Düsseldorf
Chirurgische Klinik
Abteilung für Herzchirurgie
Im N euenheimer Feld 110
A. Benninghoff
69120 Heidelberg
Herzzentrum KWK Duisburg
Klinik für Thorax- und
Kardiovaskularchirurgie G. Hülsken
Gerrickstraße 21 Klinik u. Poliklinik für
47137 Duisburg Thorax-, Herz- und Gefäßchirurgie
Westfälische Wilhelms-U niv.
Albert-Schweitzer-Sr. 33
Dipl. Inform. M. Claus 48129 Münster
Städtische Kliniken Oldenburg
Herzchirurgie
Dr. med. M. Jeibmann
Dr. Eden-Str. 10
Herzzentrum KWK Duisburg
26133 Oldenburg
Klinik für Thorax-und
Kardiovaskularchirurgie
Gerrickstr. 21
Priv.-Doz. Dr. med. M. C. Deng
47137 Duisburg
Klinik und Poliklinik für Thorax-,
Herz- und Gefäßchirurgie
Westfälische Wilhelms-U niv. M. Keilich
Albert-Schweitzer-Str. 33 Schönbergstr. 1
48129 Münster 79115 Freiburg
x Autorenverzeichnis
Dipl. Inform. Th. Krian Dr. C. Schmitz
Herzzentrum KWK Duisburg Herzchirurgische Klinik
Klinik für Thorax-und Klinikum Großhadern
Kardiovaskularchirurgie Ludwig-Maximilians-U niv.
Gerrickstraße 21 81366 München
47137 Duisburg
Dr. P. Schweiger
Dr. med. N. Roeder Chirurgische Klinik
Klinik u. Poliklinik für Thorax-, Abt. Herzchirurgie
Herz- und Gefäßchirurgie Im Neuenheimer Feld 110
Westfalische Wilhelms-U niv. 69120 Heidelberg
Albert-Schweitzer-Str. 33
48149 Münster
G. Thomas
Chirurgische Klinik
Dr. med. E. Spitzenpfeil Abt. Herzchirurgie
Dresdener Straße 12 Im Neuenheimer Feld 110
90765 Fürth 69120 Heidelberg
Dr. H. D. Scheinert Th. van Landeghem
VdAK Siegburg Klinik für Unfallchirurgie
c/o Landesvertretung Hamburg der Christian-Albrechts-Univ.
Große Bleichen 12 Arnold-Heller-Str. 7
20354 Hamburg 24105 Kiel
Die neuen Entgeltfonnen der stationären Versorgung
und ihre Bedeutung für die Krankenversorgung
M. Arnold, D. von Stillfried
Institut für Gesundheitsystem-Forschung, Eberhardt-Karls-Universität, Tübingen
Einleitung
Es ist ein für das Verständnis der sozialen Wirklichkeit verhängnisvoller Irrtum zu
glauben, daß die Ziele des Handeins von Funktionsträgern eines Systems identisch
wären mit den Ergebnissen, die von diesem System erwartet werden.
Beispielsweise soll in Deutschland mit dem Unterhalt des medizinischen Versor
gungssystems allen Kranken - unabhängig von Einkommen, Geschlecht, Wohnort,
Alter und der Art der Erkrankung - eine ausreichende Behandlung nach dem jeweili
gen Stand der Wissenschaft und unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebotes ge
währleistet werden. Die Ziele der Funktionsträger unterscheiden sich davon in Ab
hängigkeit von der Stelle im System, an der sie tätig sind, ob in der Politik, in der Mi
nisterial-oder Kassenbürokratie, in der Verwaltung von einzelnen Einrichtungen, in
der Leistungserbringung oder schließlich auch in der Forschung, die sich das System
zum Gegenstand nimmt. Es geht ihnen meist um Macht, Ansehen, Einkommen, Ge
winn, Karriere, Drittmittel, Forschungsthemen und erst sekundär ergeben sich durch
die Bündelung von hierdurch motivierten Aktivitäten günstigenfalls die der Zweck be
stimmung des Systems entsprechenden Strukturen, Kapazitäten und Leistungen, die
den Patienten zugute kommen.
Eine durchgehende Rationalität kann es unter diesen Umständen im System nicht
geben und es ist praktisch unmöglich, die gewünschten Ergebnisse durch Ausformung
des Systems aus einem Guß herbeizuführen. Was wir vorfinden, ist das Ergebnis eines
Ausgleichs verschiedener, oft widersprüchlicher Interessen und es hängt vom Stand
punkt und Blickwinkel des Beobachters ab, wie er die Verhältnisse einschätzt.
Der hier eingenommene Standpunkt ist bestimmt von der Skepsis bezüglich der
Möglichkeiten einer rationalen, d.h. einer in sich schlüssigen und intersubjektiv zu
stimmungsfahigen Gestaltung der sozialen Wirklichkeit. Was für den Markt als Gan
zes gilt, daß es nämlich über das Fassungsvermögen eines einzelnen oder auch einer
Planungsgruppe hinausgeht, die Bedürfnisse von Millionen Konsumenten zu antizi
pieren und darauf eine sog. Bedarfsplanung zu gründen und die Produktion zu steuern
- wie das in den sozialistischen Zentralverwaltungswirtschaften angestrebt wurde -,
gilt auch für das medizinische Versorgungssystem. Ein Wirtschaftssektor von dieser
Größe ist nicht so in den Griff zu bekommen, daß die idealtypische Effizienz des Lei
stungsgeschehens mit bürokratischen Mitteln und Planung erreicht wird. Man muß
zur Begründung gar nicht erst die aus den Besonderheiten der Güterverteilung in die
sem Sektor folgenden unvermeidlichen Steuerungsmängel und die Unsicherheiten der
Medizin anführen.
Dies im wesentlichen macht verständlich, daß nach aller Erfahrung auch gut ge
meinte Reformen auf diesem Gebiet sich im Laufe der Zeit regelhaft als Fehlschlag
erweisen, daß trotz oder gerade wegen der inzwischen extrem hohen Regulierungs
dichte die individuellen Suchprozesse nach Möglichkeiten der Nutzenmaximierung
2 M. Arnold und D. von Stillfried
nach kurzer Zeit wieder politisch unerwünschte Ergebnisse hervorbringen, und das
ganze Gestaltungsbemühen sich als ein Spiel mit Versuch und Irrtum erweist. Kosten
dämpfungsgesetze können deshalb immer nur kurz nach ihrem Inkrafttreten erfolg
reich sein, und zwar so lange, bis sich die verschiedenen Subjekte an die veränderten
Verhältnisse gewöhnt und neue, einzelwirtschaftlich rationale Verhaltensweisen ent
wickelt haben.
Von der damit umrissenen, eher pessimistischen Position ausgehend sollen im fol
genden dem gestellten Thema entsprechend die Auswirkungen der neuen Entgeltfor
men auf das Versorgungssystem abgeschätzt werden. Dabei stützt sich die Bewertung
auf Globaldaten, d.h. sie bleibt auf der Makroebene und ermöglicht somit keine Aus
sagen über die betriebswirtschaftliche Effizienz einzelner Einrichtungen.
Ausgangspunkte
Aus der nationalen Diskussion und durch schnell aufeinanderfolgende Reformen, die
teilweise anspruchsvolle Namen haben - wie Z.B. das Gesundheitsreform- und das
Gesundheitsstrukturgesetz - und die auch durchaus einschneidende, d. h. strukturver
bessernde Änderungen bezwecken, dann jedoch ausschließlich an ihrer Auswirkung
auf die Ausgabenentwicklung und die Beitragssatzhöhe gemessen werden, entsteht
der Eindruck, daß die medizinische Versorgung in Deutschland sehr kostspielig ist
und wir bei wichtigen Kenndaten an der Spitze liegen. Das ist falsch; ganz im Gegen
teil nimmt Deutschland fast injeder Beziehung - u.a. bei der Gesundheitsquote, den
Pro-Kopf-Ausgaben, dem Anteil der Krankenhausausgaben an den Gesamtausgaben
für Gesundheit, dem Arzneimittelverbrauch, den relativen Kostenanstiegen - eine
MittelsteIlung in der Reihe vergleichbarer Länder ein. Wie auch in anderen Industrie
ländern folgt der Reformbedarf in Deutschland - abgesehen von dem Unbehagen, das
Wirtschaftswissenschaftler und die Ministerialbürokratie angesichts der unstrittig
vorhandenen Steuerungsmängel empfinden - in erster Linie aus der Art der Finanzie
rung des medizinischen Versorgungssystems und aus dem Umstand, daß dessen Fi
nanzierungsgrundlage bei gleichzeitig steigenden Erwartungen an die Leistungsfähig
keit des Systems mehr oder weniger kontinuierlich abnimmt. Anders gesagt, die Auf
rechterhaltung des gewohnten Versorgungsstandards fordert zunehmend finanzielle
Opfer zu Lasten anderer Lebensbereiche oder öffentlicher Aufgaben. Zu dieser Pro
blemlage trägt maßgeblich die wachsende Zahl von Rentnern bei, durch deren An
wachsen gleichzeitig die Leistungsansprüche steigen und die Basis der Beitragsszah
ler verringert wird. Zusätzlich wird dieser Finanzierungsengpaß durch den Anstieg
der Langzeitarbeitslosen, eine wachsende Teilzeitbeschäftigung und eine sinkende
Lohnquote verschärft. Dies zusammen führt zu in der Tendenz steigenden Sozialab
gaben, insbesondere in der GKV Deren Ausgaben stiegen bisher stets schneller als
die Einkommen der Beitragszahler, d.h. die Beitragssätze haben sich erhöht, obwohl
die Gesundheitsausgaben insgesamt sich seit ca. 15 Jahren parallel zum BSP entwik
kelt haben. Dies relativiert die Aussagekraft der Gesundheitsquote, deren Konstanz
von Kritikern der Kostendämpfungsbemühungen - also vornehmlich Ärzten - gerne
als Beweis angeführt wird, es sei gar kein Handlungsbedarf gegeben. Vielmehr sind
trotz konstanter Gesundheitsquote innovative gesetzgeberische Anstrengungen gebo
ten, um den hohen Leistungsanspruch in der Versorgung aufrechtzuerhalten, ohne
den Mittelbedarf so ansteigen zu lassen, daß die Erfüllung anderer öffentlicher Aufga
ben darunter leidet.