Table Of ContentMutzlLudwig-Mayerhofer/KoenenlEder/Bonß
Diskontinuierliche Erwerbsverläufe
Biographie und Gesellschaft
Herausgegeben von
Werner Fuchs-Heinritz, Martin Kohli, Fritz Schütze
Band 21
Gerd MutzIW olfgang Ludwig-MayerhoferlElmar J.
Koenen/Klaus Eder/Wo lfgang Bonß
Unter Mitarbeit von
Irene Kühnlein, Angelika Poferl und F.A. van Santen
Diskontinuierliche
Erwerbsverläufe
Analysen zur postindustriellen Arbeitslosigkeit
Leske + Budrich, Opladen 1995
ISBN 978-3-322-97302-3 ISBN 978-3-322-97301-6 (eBook)
DOI 10.1007/978-3-322-97301-6
© 1995 by Leske +Budrich, Opladen
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Inhaltsverzeichnis
Vorwort .......................................... 9
I Theoretische und methodische Grundlagen ............. 15
1 Arbeitslosigkeit als Gegenstand der Soziologie ......... 15
2 Zur Kritik der Arbeitslosigkeitsforschung ............ , 18
3 Die Daten unserer Untersuchung ................... 35
3.1 Vorüberlegungen .......................... 35
3.2 Grundgesamtheit ........................... 37
3.3 Datenerhebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 39
3.3.1 Datenerhebung aus den Arbeitsamtsunterlagen ..... 39
3.3.2 Feldprotokolle und erwerbsbiographische Interviews als
Datenquelle ............................. 42
3.4 Zur praktischen Vorgehensweise bei der
Stichprobengewinnung ....................... 44
11 Analysen zu Struktur und Verlauf von Arbeitslosigkeit ..... 49
I Methodische Vorüberlegungen .................... 49
1.1 Zur Analyse von Erwerbsverläufen . . . . . . . . . . . . . .. 49
1.2 Arbeitsamtsunterlagen als Datenquelle und ihre Grenzen 53
2 Datenerhebung I: Beschäftigungschancen im Kontext von
Erwerbsverlauf und Beruf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 58
2.1 Zur beruflichen Zusammensetzung der Stichprobe . . .. 58
2.2 Zum Erwerbsverlauf vor der Index-Arbeitslosigkeit ... 64
3 Die Index-Arbeitslosigkeit und ihre Folgen:
Beschäftigungschancen nach einem halben Jahr. . . . . . . .. 79
3.1 Wer findet wann wieder Arbeit? - Bivariate
Untersuchungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 81
3.2 Multivariate Analysen zur (Wieder-)Beschäftigung ... 94
4 Datenerhebung 11: Die zeitliche Erweiterung der Analyse .. 99
4.1 Beschäftigungsaufnahme nach mehr als sechs Monaten 100
4.2 Austritt aus dem Arbeitsmarkt ............... . .. 109
5
4.3 Erneute Arbeitslosigkeit ...................... 114
4.4 Zwischenfazit zur quantitativen Auswertung ........ 125
5 Der soziale Raum diskontinuierlicher Erwerbsverlaufs-
bahnen: Stabile und instabile Erwerbsverläufe . . . . . . . . .. 127
5.1 Diskontinuität in normalen Erwerbsverläufen . . . . . . .. 131
5.1.1 Diskontinuität und das Modell des männlichen
Normalerwerbsverlaufs ..................... 133
5.1.2 Diskontinuität zu Beginn des Erwerbsverlaufs . . . . .. 136
5.2 Diskontinuität in normalisiert instabilen
Erwerbsverläufen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 140
5.2.1 Saisonbedingte normalisierte Diskontinuität ....... 141
5.2.2 Normalisierte Diskontinuität bei weiblichen
Erwerbspersonen im Dienstleistungsgewerbe ...... 141
5.2.3 Normalisierte Diskontinuität in der verlängerten
Adoleszenzphase . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 142
5.2.4 Institutionalisierte permanente Diskontinuität. . . . . .. 143
5.3 Gebrochene Erwerbsverläufe ................... 144
5.3.1 Einschneidende Diskontinuität und gebrochene
Erwerbsverläufe bei weiblichen Erwerbspersonen ... 145
5.3.2 Einschneidende Diskontinuität und gebrochene
Erwerbsverläufe bei männlichen Erwerbspersonen . .. 147
5.4 Zusammenfassung .......................... 150
III Zur biographischen Normalisierung diskontinuierlicher
Erwerbsverläufe. Eine Analyse erwerbsbiographischer
Deutungsmuster und Handlungsorientierungen ........... 155
1 Aufbau und Struktur des qualitativen Datensatzes ....... 155
1.1 Die Auswahl der Interviewkandidaten ............ 156
1.2 Das Interview-Setting . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 160
1.2.1 Leitfadengestützte oder narrative Interviews? Zur
vermeintlichen Produktion natürlicher Daten ...... 160
1.2.2 Die Interviewsituation: In der »guten Stube«, im
Betrieb und in der Verbandszentrale ............ 163
1.3 Auswahl der Interviews zur Transkription und
Feinanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 165
1.4 Auswahl der Einstiegsfälle .................... 174
2 Fallrekonstruktionen zur Bedeutung von Arbeitslosigkeit in
Erwerbsbiographien ............................ 176
2.1 "Aber daß se si drum kümmern um die Arbeitslosn" -
oder: die enttäuschte Sozialstaatsillusion . . . . . . . . . .. 176
6
2.1.1 "Und dann habn die für mi gsagt: »Ja, arbeitslos«" .. 176
2.1.2 ,,Des kann bloß der Herrgott gmacht habn, daß du
irgendwei a Arbeit kriegt hast etz" ............. 183
2.1.3 Herr Auweiher über die Arbeitsverwaltung:
"Könnt s mi doch da drin alle kreizweis und -
Buckl oba rutschn" ........................ 189
2.1.4 ,,»Mei« hab i gsagt, »arbeitn moußt überall, aber
der Schotter«" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 192
Exkurs: ,,1 bin am Band" .................... 195
2.1.5 Arbeitslosigkeit und Nicht-Arbeit .............. 197
2.2 "I woaß halt net was" - keine erwerbs biographische
Handlungsorientierung ....................... 203
2.2.1 Ein mißlicher Einstieg: Verhandlungen zum
Interaktionstyp Interview .................... 203
2.2.2 "Haben Sie eigentlich viel, viele solcher solcher
Patienten da schon?" .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 205
2.2.3 Eine besondere Variante diskontinuierlicher
Erwerbsbiographie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 209
2.2.4 Frau Reiss strukturiert ihre Erwerbsbiographie:
"I glaub i hol mein Ordner" ................. 213
2.2.5 Frau Arvic-Weber und Frau Reiss im Fallvergleich .. 220
2.3 "Und bin dann permanent in der Firma halt
aufgestiegen" - die modellbezogene Marktorientierung 222
2.3.1 Das »Interview mit der Interviewerin« zur Klärung
der Geschäftsgrundlage ..................... 224
2.3.2 Arbeitslosigkeit: als strukturelles und persönliches
Ereignis "einfach zu erkläm" ................. 228
2.3.3 Arbeit in der Arbeitslosigkeit ................. 230
2.3.4 Ausbildung und Arbeit: Das Modell einer
gelungenen Erwerbsbiographie ................ 234
2.3.5 Herr Konrad in geschäftiger Auseinandersetzung
mit dem Modell .......................... 238
2.4 Fallstrukturhypothesen zum Zusammenhang von
Arbeitslosigkeit und Erwerbsbiographie ........... 239
2.4.1 Muster biographischer Konstruktionen und
erwerbs biographische Orientierung ............. 240
2.4.2 Arbeitsbezogene Deutungsmuster: Besonderung und
Normalisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 242
2.4.3 Verwendung biographisch erworbenen Wissens .... 244
7
3 Vom Idealtypus zum Realtypus: Eine Typologie erwerbs-
biographischer Orientierungs- und Handlungsmuster ..... 248
3.1 Keine erwerbsbiographische Orientierung .......... 251
3.1.1 Sozialstrukturelle Verankerung und periphere
Milieulagerung ........................... 251
3.1.2 Allerweltsbiographien in kollektiven Wir-
Zusammenhängen ......................... 256
3.1.3 Der Zwang zur Erwerbsarbeit und Arbeitslosigkeit
als ein überraschendes und irritierendes Ereignis . . .. 259
3.2 Projektbezogene Sozialstaatsorientierung .......... 264
3.2.1 Sozialstrukturelle Verankerung und
Handlungsbedingungen im Zentrum des Milieus . . .. 266
3.2.2 Besondere Erwerbsbiographien im Spannungs-
verhältnis zwischen Wir- und Ich-Zusammenhängen . 269
3.2.3 Arbeit als gesellschaftliche Notwendigkeit und
angestrengte Normalisierung der Diskontinuität 273
3.3 Modellbezogene Markt- und Familienorientierung 277
3.3.1 Sozialstrukturelle Verankerung und die prekäre
Lage an der Peripherie des Milieus ............. 279
3.3.2 Die verwissenschaftlichte erwerbsbiographische
Konstruktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 282
3.3.3 Arbeit als selbstverständliche Normalität und
ambivalentes Diskontinuitätsmanagement ........ 286
IV Statt einer Zusammenfassung: Zum soziologischen, aber
auch politischen und kulturellen Gehalt der Untersuchung 291
1 Industrielle Arbeitslosigkeit als Leitbild der »traditionellen
Moderne« ................................... 291
2 Postindustrielle Arbeitslosigkeit und ihre Normalisierung
im Erwerbsverlaufsregime . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 295
3 Die Allgegenwart postindustrieller Arbeitslosigkeit ...... 305
Literaturverzeichnis ................................. 307
8
Vorwort
Arbeitslosigkeit ist ein administrativ gut beobachtetes Phänomen. Die
Bundesanstalt für Arbeit und die ihr nachgeordneten Stellen liefern ein
Zahlenmaterial, das - auch wenn man über seine Qualität und Brauch
barkeit streiten kann - für außeradministrative Analysen in mancher Hin
sicht rahmensetzend ist. Nicht-administrative Projekte müssen daher
andere Akzente setzen. Ihre Chancen liegen weniger in der aktuell-de
skriptiven Bestandsaufnahme der Arbeitslosigkeit, sondern in ihrer lang
fristig-explikativen Analyse. Denn »externe« Untersuchungen können auf
keinen Fall aktueller oder flächendeckend repräsentativer sein als die
Nürnberger Erhebungen. Wohl aber können sie theoriegeleitet arbeiten,
vor diesem Hintergrund einzelfallbezogen differenziertere Daten erheben
und Arbeitslosigkeit als soziologisches Phänomen zu begreifen ver
suchen.
Eben dies war auch der Ausgangspunkt des vorliegenden Projekts, das
ursprünglich den Titel "Arbeitslosigkeit in der Dienstleistungsgesell
schaft" trug. Schon diese Formulierung verweist auf ein theoretisches
Interesse, nämlich auf die Frage, ob Arbeitslosigkeit in »postindustriellen
Gesellschaften« eine neue Gestalt und Bedeutung erhält. Oder, wie es im
Projektantrag hieß: Gibt es eine "Veränderung in der gesellschaftlichen
Organisation von Arbeit und Nicht-Arbeit, die in der Entwicklungs
dynamik der Produktionsstruktur angelegt ist und soziale wie kulturelle
Umorientierungen nach sich zieht?" (Eder & Bonß 1985, 2). Zur
Beantwortung dieser Frage haben wir in einem süddeutschen Arbeits
amtsbezirk eine mehrstufige Regionalstudie mit quantitativen und
qualitativen Teilen durchgeführt, deren erste Vorarbeiten bis in das Jahr
1985 zurückreichen. Von ihrem Design und Status her gesehen waren
diese Studien grundsätzlich weniger hypothesentestend als hypo
thesengenerierend angelegt.l Dies schon deshalb, weil die theoretische
Zu dieser Differenz und zur Kritik an der Fetischisierung der HypothesenüberpTÜfung in
der Soziologie vgl. Glaser & Strauss (1965, 91) sowie allgemein zusammenfassend
Lamnek (1988, insbesondere 124). Anzumerken ist hier allerdings, daß entgegen der
seit Glaser & Strauss formulierten Position auch quantitative Analysen durchaus in
9
Leitfrage viel zu komplex war. um im konventionellen Sinne »überprüft«
werden zu können. Darüber hinaus konnten der empirischen Arbeit
theoriebildende bzw. -verändernde Aufgaben am ehesten dann zu
wachsen. wenn die theoretischen Begriffe nicht abschließend. sondern als
.. sensitizing concepts" (Blumer 1954. [)enzin 1970). also offen und über
die empirische Forschung veränderbar. fonnuliert wurden.
Als ein bis heute durchaus nicht veralteter Vorläufer eines solchen
theorieorientierten Verständnisses empirischer Arbeit kann Max Hork
heimer gelten. der der Sozialforschung die Aufgabe zuwies, die theoreti
schen Thesen .. anhand der feinsten wissenschaftlichen Methoden zu
verfolgen, die Fragen im Verlauf der Arbeit am Gegenstand umzufor
men, zu präzisieren, neue Methoden zu ersinnen und doch das All
gemeine nicht aus den Augen zu verlieren" (Horkheimer 1931, 41).
Hiennit sprach er sich nicht nur für eine Verbindung von quantitativer
und qualitativer Forschung aus, sondern votierte auch für ein bewußtes
»Lernen im Feld«, das freilich in der Praxis nicht immer einfach ist.
Denn der Weg von der theoretischen Konzeption zur empirischen Arbeit
und wieder zurück zur theoretisch fruchtbaren Analyse ist lang, und oft
stellt man erst hinterher fest, daß zum Teil noch ganz andere Daten
hätten erhoben werden müssen. Auf der anderen Seite fUhrt aber gerade
die Sperrigkeit der Empirie auch dazu, theoretische Perspektiven
zurechtzurücken, und zwar nicht unbedingt zum Schaden der Theorie.
Oft genug ist die "im Verlauf der Arbeit am Gegenstand" sichtbar
werdende Sperrigkeit vielmehr ein Zeichen dafür, daß die Empirie gar
nicht enthält, was die Theorie in ihr vennutet; sie hält dafUr andere
Überraschungen bereit und zwingt nicht selten zu einer Umformung der
Fragen und zu theoretischen Akzentverschiebungen, die weder beliebig
noch zufallig sind.
Von solchen Umakzentuierungen ist auch unsere Untersuchung nicht
verschont geblieben. Ursprünglich konzipiert als eine Analyse der
sozialstrukturellen und kulturellen Aspekte von Arbeitslosigkeit in der
Dienstleistungsgesellschaft, entwickelte sich die Studie in eine Richtung,
die sich im Rückblick als theoretisch und methodisch fruchtbar erwiesen
hat. Daß es Dienstleistungsarbeitslosigkeit gibt, ist offensichtlich. Doch
das interessante Phänomen ist. wie dieser Typus von Arbeitslosigkeit mit
der Produktionsarbeitslosigkeit zusammenhängt und welches die spezifi
schen Charakteristika der entstehenden postindustriellen Arbeitslosigkeit
sind. Zugleich bot sich vom Material her eine stärkere Betonung des
einen hypothcsengenerierenden Kontc)(t eiJlgebettet werden können.
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