Table Of ContentDifferential
gleichungen I
Mathematik fUr Physiker
Herausgegeben von
D. Laugwitz, P. Mittelstaedt,
H. Rollnik, G. SUBmann
Meschkowski: Zahlen
Meschkowski: Funktionen
Meschkowski: Elementare Wahrscheinlichkeits
rechnung und Statistik
Lingenberg: Einftihrung in die Lineare Algebra
Erwe : Reelle Analysis
Grabner: DiiTerentialgleichungen, Erster Teil
Grabner: DiiTerentialgleichungen, Zweiter Teil
LiedllRothleitner: Hilbertdiume und Malle
Grabner/Reitberger: Gruppen und
ihre Darstellung
Fuchssteiner ILaugwitz: Funktionalanalysis
Laugwitz: Komplexe Analysis
Laugwitz: Riemannsche Geometrie
GrabnerlWanner: Numerische Mathematik I
GrabnerlWanner: Numerische Mathematik II
Differential
gleichungen I
Erster Teil
Gewohnliche Differentialgleichungen
von
Prof. Dr. Wolfgang Grabner
Universitiit Innsbruck
if
~
Bibliograpbiscbes Iostitut Maanbeim/Wien/Ziiricb
B.I.-Wissenschaftsverlag
CIP-Kurztiteiaufnahme der Deutschen Bibliothek
Griibner, Wolfgang
Differentiaigieichungen. - Mannheim, Wien, Zi.irich:
Bibliographisches Institut.
rei! 1. Gewohnliche Differentiaigieichungen. - 1977.
(Mathematik flir Physiker; 6)
ISBN 978-1-4684-7364-3
ISBN 978-1-4684-7364-3 ISBN 978-1-4684-7362-9 (eBook)
DOl 10.1 007/978-1-4684-7362-9
Aile Rechte, auch die der Ubersetzung in fremde Sprachen,
vorbehaiten. Kein reii dieses Werkes darf ohne schriftliche
Genehmigung des Veriages in irgendeiner Form (Fotokopie,
Mikrofilm oder ein anderes Verfahren), auch nicht flir Zwecke
der U nterriclitsgestaitung, reproduziert oder unter Verwendung
eiektronischer Systeme verarbeitet, vervieifliltigt oder verbreitet
werden.
© Bibliographisches Institut AG, ZUrich 1977
Softcover reprint of the hardcover 1s t edition 1977
VORWORT
Dieses Buch beruht auf 40 lahren intensiven Studiums der Differentialglei
chungen, sowohl yom theoretischen als auch yom praktischen Gesichtspunkt
aus, eines Studiums, das mit meiner Tatigkeit im Rechen-Institut M. Picones
in Rom begann, sodann fortgesetzt wurde in der Gruppe flir Industriemathema
tik der Luftfahrt-Forschungsanstalt in Braunschweig, und endlich mit meinen
Vorlesungen, hauptsachlich an der Universitat Innsbruck, abgeschlossen wurde.
Die Zeit der Weltraumfliige stellte hier neue Aufgaben der Bahnberechnung
von Satelliten, deren Bearbeitung theoretisch eine geschlossene Formel zur
Losung des n-Korper-Problems, praktisch eine neue Methode zur Berechnung
von reguJaren Differentialgleichungssystemen zeitigte, die mit den besten
bekannten Losungsmethoden erfolgreich in Konkurrenz treten konnte, was
vor aHem meinen Mitarbeitern H. Knapp und G. Wanner zu danken war.
Die Vorlesung iiber Differentialgleichungen habe ich seit 1947 in regelmaBi
gen Abstanden an der Universitat Innsbruck gehalten, bei jeder Wiederholung
neu bearbeitet und durch Seminararbeiten vervollstandigt; auch in meiner
flir Physik-Studenten besonders gehaltenen Vorlesung iiber »Die mathemati
schen Methoden der Physik« habe ich in gekiirzter Form immer die »Differen
tialgleichungen« eingeschlossen.
In der vorliegenden Fassung wurde vor allem das zweite Kapitel iiber Diffe
rentialgleichungen mit analytischen Koeffizienten, also speziell der hypergeome
trischen, Besselschen und Kummerschen Differentialgleichungen' neu gefaBt
und einem neuen Ordnungsprinzip, der »Invariante«, unterworfen. Damit ge
lingt es, jede vorgelegte Differentialgleichung rasch einzuordnen und auf eine
dieser Standardformen zu transformieren. Diese Transformationsformeln wur
den neu entwickelt und werden hier zum ersten Mal veroffentlicht.
Fiir alle Satze und Entwicklungen werden strenge Beweise geboten; z. B.
werden theoretische Satze, wie die Konvergenzsatze der hypergeometrischen
Reihen weitergehend, als es gewohnlich in Lehrbiichern geschieht, abgeleitet
und bewiesen. Diese Ausflihrungen, die meistens im Erganzungsparagraphen
enthalten sind, konnen natiirlich beim -ersten Lesen iibergangen werden, urn
einer spateren Vertiefung und Orientierung zu dienen.
Auch wenn moderne Rechenmaschinen flir numerische Aufgaben zur Verfli
gung stehen und man glauben mochte, auf weitlaufige theoretische Uberlegun
gen verzichten zu diirfen, ergeben sich doch oft auch in der Praxis Fragestel-
6 Vorwort
lungen, z. B. solche iiber die StabiliHit von Liisungen, zu deren Beantwortung
man mehr iiber das theoretische Verhalten, besonders auch iiber das asymptoti
sche Verhalten wissen so lite.
Das 3. Kapitel iiber Rand- und Eigenwertprobleme, ist den klassischen,
von Hilbert-Courant so erfolgreich eingeflihrten Methoden der Entwicklung
in Orthogonalreihen gewidmet. Die wichtigsten Entwicklungssatze werden ab
geleitet und bewiesen, und auch einzelne neue Gesichtspunkte, wie die Gewin
nung von orthogonalen Polynomsystemen aus einem Variationsprinzip, werden
besprochen und angewendet.
Die in der Physik beliebte Symbolik der Diracschen Deltafunktion und
der Distributionen kann hier auch ohne die Notwendigkeit einer vorausge
schickten Bande flillenden Axiomatik mit einfachen klassischen Methoden
der Belegfunktionen ausreichend begriindet werden; solche Funktionen, die
nur in einem oder mehreren Punkten unendlich werden und sonst iiberall
null sind, hat man schon seit mehr als hundert Jahren gekannt und benutzt:
In der Potentialtheorie zum Beispiel, urn auch punktfiirmige Ladungen mit
der allgemeinen Theorie beherrschen zu kiinnen, oder auch etwa in der techni
schen Mechanik, urn die Belastung eines Tragers durch eine Einzellast der
allgemeinen Theorie unterzuordnen.
Mein ganz besonderer Dank gilt den Herausgebern dieser Reihe »Mathematik
flir Physiker«: P. Mittelstaedt, H. Rollnik, G. SiiBmann, die das Manuskript
kritisch gelesen, viele Verbesserungen vorgeschlagen und auch neue Zusatze
verfaBt haben, die den Text wesentlich bereichern. Ich hoffe daher, daB dieses
Buch den Wiinschen und Bediirfnissen der modernen Physik entsprechen miige.
Innsbruck, 20. Marz 1977 W. GROBNER
INHALTSVERZEICHNIS
Band 1
KAPITELI
Gewohnliche Differentialgleichungen und Systeme von solchen 11
§ 1. Lineare Differentialgleichungen erster Ordnung 14
§ 2. Lineare Differentialgleichungen zweiter Ordnung 18
§ 3. Existenz- und Eindeutigkeitssatze fUr ein System von
Differentialgleichungen erster Ordnung . . . . . . 25
§ 4. Losung von Differentialgleichungen durch Lie-Reihen 35
§ 5. Aufgaben und Erganzungen ......... . 45
KAPITELII
Lineare Differentialgleichungen mit analytischen Koeffizienten 52
§ 1. Regulare und schwach singulare Stellen. Konstruktion eines
Fundamentalsystems ................ 52
§ 2. Transformationen. Invariante . . . . . . . . . . . . . 57
§ 3. Differentialgleichungen der Fuchsschen Klasse. Riemannsche
Differentialgleichung . . . . . . . . . . 60
§4. Die hypergeometrische Differentialgleichung ....... 65
Benachbarte hypergeometrische Reihen . . . . . . . 70
Analytische Fortsetzung der Losungen. Die Kummerschen Reihen 71
Integraldarstellungen. Orthogonale Polynomsysteme 78
§ 5. Konfluente hypergeometrische Funktionen 80
Die Kummersche Differentialgleichung und ihre Losungen 81
Polynomlosungen. Integraldarstellungen ...... 85
Die Besselsche Differentialgleichung und ihre Losungen 86
Modifizierte Zylinderfunktionen . . . . . . . . . . 91
Whittakersche Funktionen. Coulomb-Funktionen 92
§ 6. Aufgaben und Erganzungen (Verallgemeinerungen der hyper
geometrischen Reihe; Konvergenzkriterien von Raabe,
WeierstraB, Du Bois Reymond, Dedekind; asymptotische
Entwicklungen; Riccatische Differentialgleichung;
adjungierte Differentialgleichung) ......... . 97
8 Inhaltsverzeichnis
KAPITELIII
Rand-und Eigenwertprobleme 107
§ 1. Randwertprobleme bei linearen DifTerentialgleichungen
zweiter Ordnung. Greensche Funktion . . . . . . lOT
§ 2. Homogene Randwertprobleme. Identitat von Picone 111
§ 3. Sturm-Liouvillesche Eigenwertprobleme 115
§4. Orthogonalitat der Eigenfunktionen 118
§ 5. Vollstandigkeit des Systems der Eigenfunktion 120
§ 6. Beispiele . . . . . . . . . . . . . . . . 125
§ 7. Konstruktion von orthogonalen Polynomsystemen mit Hilfe
der Variationsrechnung ......... 131
§ 8. Legendresche Kugelfunktionen ............ 138
a) Herieitung aus den Jacobischen Polynomen ..... 138
b) Als Losungen eines verallgemeinerten Sturm-Liouvilleschen
Eigenwertproblems 141
.c) Rekursionsformeln 143
d) Erzeugende Funktion 144
e) Darstellung durch hypergeometrische Funktionen 145
f) Legendresche Funktionen zweiter Art ..... 146
§ 9. Jacobische Polynome und weitere Orthogonalsysteme
als Losungen von Eigenwertproblemen 149
a) Jacobische Polynome 149
b) TschebyschefTsche Polynome 151
c) Laguerresche Polynome 154
d) Hermitesche Polynome 156
e) Mathieusche Funktionen 162
§ 10. Aufgaben und Erganzungen
(Elastische Linie, Randwertprobleme bei linearen DifTerential
gleichungen hoherer Ordnungen, Greensche Funktion, Diracsche
Deitafunktion) 163
Register 184
INHALTSVERZEICHNIS
Band 2
KAPITELIV
Allgemeine partielle DifJerentialgleichung erster Ordnung 199
§ 1. Die Theorie der allgemeinen partiellen DifTerentialgleichung
erster Ordnung ................... 200
I nhaltsverzeichnis 9
§ 2. Die Hamilton-lacobische Theorie
(Die Keplerbewegung, zwei feste Anziehungszentren) 207
§ 3. Das n-Korperproblem (Planetenbewegung, Storungsrechnung) 218
§ 4. Stabilitatsuntersuchungen ............... 227
§ 5. Aufgaben und Erganzungen
(Harmonischer Oszillator, spharisches Pendel,
Beriicksichtigung der Reibung, diskrete stabile Uisungen) . . . . 234
KAPITELV
Einige partielle Differentialgleichungen zweiter Ordnung der Physik 241
§ 1. Theorie der Charakteristiken und Klassifikation . . . . . . 241
§2. Erste Randwertaufgabe (Dirichletsches Problem) der Potential-
theorie flir das Rechteck ............ 246
§ 3. Ein stationares Warmeleitungsproblem . . . . . . 249
§4. Die erste und zweite Randwertaufgabe flir den Kreis 253
§ 5. Die Randwertaufgaben flir die Ellipse ...... 259
§ 6. Ebene Potentialstromung
(Erste Randwertaufgabe flir die Halbebene; konforme Abbildung
eines Winkelraumes, eines Streifens, eines Dreiecks auf die
Halbebene, der geschlitzten Ebene auf das AuJ3ere des Kreises) 263
§7. Die schwingende Saite. Wellengleichung . . . . . 270
§ 8. Die schwingende Membran
(Die rechteckige, kreisfOrmige, eliptische Membran) 278
§9. Ein instationares Warmeleitungsproblem 284
§ 10. Die Telegrafengleichung ....... 287
§ 11. Kugelfunktionen . . . . . . . 294
§ 12. Die elektromagnetischen Feldgleichungen 302
§ 13. Aufgaben und Erganzungen
(Randwertaufgabe im Rechteck; Koordinatentransformationen des
Laplace-Operators, flir Polarkoordinaten, elliptische Koordinaten,
Kugelkoordinaten, rotationselliptische, parabolische Zylinder
koordinaten; Riemannsche Losung, QuellenmaJ3ige Darstellungen,
gezupfte und geschlagene Saite, der schwingende Stab, die
schwingende' Platte, Schrodinger-Gleichung) ..... 311
Register 340
KAPITEL I
GEWOHNLICHE DIFFERENTIALGLEICHUNGEN UND
SYSTEME VON SOLCHEN
Die moderne Entwicklung der Naturwissenschaften, insbesondere der
Physik, begann mit dem Zeitpunkt, da man gelernt hatte, die Methoden
der Infinitesimalrechnung auf sie anzuwenden. Erste Anfange solcher
Naturbetrachtungen zeigten sich allerdings schon im Altertum in den
Spitzenleistungen eines ARCHIMEDES (-287 bis - 212), aber erst nach
einer langen unfruchtbaren Pause von 2000 Jahren, nach der Erfindung
der Differential- und Integralrechnung durch I. NEWTON (1643-1727)
und G. W. LEIBNIZ (1646-1716), war man in der Aneignung und Be
herrschung des Kalkiils so weit vorgeschritten, daB man mit seiner Rilfe
iiberraschende und umwalzende Erfolge erzielen konnte.
Man ging damals - in der klassischen Physik, wie man heute sagt -
von der Annahme aus, daB die Relationen zwischen physikalischen
GroBen bei beliebig fortschreitender Unterteilung sich ihrem Wesen
nach nicht andern. So dachte man sich etwa aus dem zu untersuchenden
Medium einen beliebig kleinen Wiirfel herausgeschnitten, brachte an
dessen Seiten die wirkenden Krafte, so wie man sie im groBen kannte,
an und bestimmte Deformation und Gleichgewicht. Beim Grenziiber
gang erhielt man die bekannten Differentialgleichungen der klassischen
Physik, das sind vor allem die Differentialgleichungen der deformier
baren Medien, der Elastizitatstheorie, der Rydrodynamik, der Poten
tialtheorie und andere. Wenn es gelang, diese Differentialgleichungen,
beziehungsweise Systeme von Differentialgleichungen, mit Beriicksich
tigung vorgegebener Rand- und Anfangsbedingungen mathematisch zu
losen, so hatte man die (exakte) Beantwortung der gestellten physika
lischen Probleme in Randen. So glaubte man, daB aIle physikalischen
Probleme letzten Endes auf die Losung von Differentialgleichungen
zuriickgefiihrt werden konnten.
Reute weiB man aber, daB die noch im vorigen Jahrhundert unbe
strittene Annahme der vollstandigen Romogenitat der physikalischen
Medien nicht wahr ist, daB vielmehr aIle physika.lischen Eigenschaften
der Stoffe sich wesentlich andern, sobalddie Unterteilung bis zur GroBen-