Table Of ContentOrth: Die Wertanalyse
Dr. Heinrich Orth
Die Wertanalyse
als Methode industrieller
Kostensenkung und Produktgestaltung
Betriebwirtschaftlicher Verlag Dr. Th. Gabler GmbH, Wiesbaden
ISBN 978-3-663-00364-9 ISBN 978-3-663-02277-0 (eBook)
DOI 10.1007/978-3-663-02277-0
Verlags-Nr. 3493
Copyright by Betriebswirtschaftlicher Verlag Dr. Th. Gabler GmbH, Wiesbaden 1968
Softcover reprint of the hardcover 1st edition 1968
Geleitwort
Jeder Versuch einer Kostensenkung in der Erzeugung von Massengütern ist
nur erfolgversprechend, wenn Techniker und Kaufleute dabei zusammen
arbeiten. In 'erhöhtem Maße 'gilt dies, wenn damit zugleich eine Wertsteige
rung der Produkte und ihrer Bestandteile erreicht werden soll (Gebrauchs
wert und Verkaufswert, verbesserte Qualität und Funktionsfähigkeit). Nun
bewegen sich aber die Gedanken des Kaufmanns und des Ingenieurs infolge
ihrer verschiedenen Aufgaben und ihrer auf diese ausgerichteten Vorbildung
meist in anderen Bahnen. So gehen beide oft aneinander vorbei, d. h. sie
vertreten oft unvereinbare Standpunkte. Jede Methode, dem abzuhelfen -
oder besser: die verschiedenen Gesichtspunkte einer gemeinsamen Zielset
zung bei sachlicher und vertrauensvoller Zusammenarbeit zu unterwerfen
- verdient deshalb stärkste Beachtung.
Als vor vier Jahren Herr Dipl.-Ing. Heinrich F. Orth dem Inhaber des Lehr
stuhles für Betriebswirtschaftslehre und Betriebssoziologie an der Technischen
Hochschule in Graz die Absicht einer Dissertation über "Die Wertanalyse als
Methode industrieller Produktgestaltung" vortrug, war dieser leicht dafür
zu gewinnen. Einerseits paßte das vorgeschlagene Thema ausgezeichnet in
den Aufgabenkreis von Forschung und Lehre im Hinblick auf die in Graz
im Rahmen der Maschinenbaufakultät eingerichtete Studienrichtung für
Wirtschaftsingenieure. Gerade deren Absolventen haben nicht selten mit
verwandten Aufgaben zu tun. Andererseits war der Doktorand durch längere
Zeit bei den Grazer Werken der größten österreichischen Fahrzeugindustrie
als Unternehmensberater mit einschlägigen Aufgaben befaßt. Dies alles ergab
eine gute Basis für nützliche und erfolgversprechende Arbeit - und dieser
Zusammenklang der Aufgaben und Neigungen hat sich dann im Laufe der
Zeit noch verstärkt.
Die Dissertation erscheint nun in verkürzter und gestraffter Form als Buch.
Es erschien den Beteiligten richtig, die "Wiegendrucke" der neuen Methode
nicht allzusehr heranzuziehen. Es handelt sich dabei ja um nichts grund
sätzlich Neues. Die Wertanalyse ist vielmehr nur eine besondere Form der
allgemeinen Kostenanalyse. Für die Wissenschaft und für die Fachwelt ist
in erster Linie das Wie, Wo und Warum der praktischen Anwendung beacht
lich - und gerade darin sollte wohl auch der Wert der vorliegenden Ver
öffentlichung liegen.
Im Rahmen eines Seminars für Einkaufsleiter in Heidelberg (Juli 1959) hat
H. T. Lewis dargelegt, daß der eigentliche Angelpunkt der Wertanalyse im
"schöpferischen Skeptizismus" lliege. Alles BesteheIl!de muß immer wieder
in seinem Wert und in den dafür aufzuwendenden Kosten zerpflückt und
angezweifelt werden. Niemals darf auch ein einmal erzielter Erfolg als end
gültig betrachtet werden. So ist die Wertanalyse viel mehr eine Gesinnung
- ein nie ruhendes Anliegen - als eine betriebswirtschaftliche Methode. Es
genügt nicht, einen Betrieb - etwa mit Hilfe eines Unternehmensberaters -
einmal "durchforsten" zu l!assen. Wertanalyse muß vielmehr dauernld mit
zähem Fleiß und mit viel Phantasie an der Arbeit sein. Betriebe, die auf
Mengenkonjunktur ausgerichtet sind und gleichzeitig Preisverbilligung an
streben, werden daher für diese Aufgabe eine eigene Stabsstelle einrichten.
Dort sollen in unablässigem Bemühen, d. h. in nie endender Arbeit, ständig
neue Verbesserungen erreicht werden. Erfahrene Praktiker rechnen im
Durchschnitt mit einer Verbilligung laller Teile um etwa 15-20°/0. Dabei
sind diese Erfolge häufig auch mit Funktionsverbesserungen verbunden.
Diese Stabsstelle muß systematisch neue Ideen sammeln und dafür auch das
betriebliche Vorschlagswesen aufbieten. Alle Istzustände sind zu überprüfen.
Der vielberufenen Betriebsblindheit muß der Star gestochen werden! Ge
wohnheit und Tradition in Ehren! Die Kosten dürfen jedoch niemals als
feststehend und unabänderlich betrachtet werden. Aus vielen gesammelten
Unterlagen ist eine möglichst vorteilhafte Auswahl zu treffen. Ihre Bearbei
tung ergibt häufig mehrere gute Alternativlösungen, die miteinander ver
glichen werden un:d aus denen dlann die beste hevausgesucht wird. Das im
Herbst 1967 erschienene Handbuch "Industrielle Produktion" berichtet (S.538),
daß die Radio Corporation of America dafür ein formalisiertes Bewertungs
verfahren entwickelt habe, das im Prinzip mit dem Rangreihenverfahren
der analytischen Arbeitsbewertung übereinstimmt (ein Beispiel aus dem
Fertigungsbereich wird dort dargestellt).
Im Regelfall ist Wertanalyse Teamarbeit. Herr Dr. Orth hat - sehr zu
Recht - dargelegt, wieviel Psychologie dazu gehört, ein solches Team zu
leiten. Ihm werden immer Fachleute mehrerer Sparten und verschiedener
Aufgabenbereiche angehören, von denen jeder seine eigenen gewohnten
Gesichtspunkte mitbringt und gewahrt wissen will. Das Team wird seiner
Aufgabe nur gerecht werden können, wenn es in erster Linie der gemein
samen Richtschnur zu folgen gewillt ist. Seine Autorität liegt wesentlich in
seiner Unparteilichkeit und Unabhängigkeit. Daher soll die Stabsstelle
"Wertanalyse" auch der Unternehmensleitung direkt eingegliedert und
unterstellt sein. Wird sie der Fertigung oder dem Einkauf angegliedert, dann
ist ein erfolgreiches Arbeiten von Anfang an sehr fraglich. Das Teamdenken
muß absoluten Vorrang vor jedem Ressortdenken haben.
Die Wertanalyse steht sachlich mit vielen anderen betrieblichen Aufgaben
kreisen und Einrichtungen in Verbindung. Sie darf diesen Zusammenhang
- und damit ihre Stellung im ganzen - niemals außer acht lassen. Dies
beginnt schon bei der Produktgestaltung und bei der Beachtung der Kunden
wünsche nach den Ergebnissen der Marktanalyse. Es setzt sich fort im
Kontakt mit der Einkaufsabteilung bei der Materialbeschaffung und Quali
tätskontrolle. Sehr wichtig ist engste Zusammenarbeit mit dem Konstruktions
büro und mit den Werkstätten. Deren technologische Arbeitsmethoden sind
einerseits (einschließlich der Arbeits- und Werksnormen) Ausgangspunkt der
Wertanalyse; andererseits müssen diese durch sie oft in einschneidender
Weise beeinflußt oder geändert werden.
So kann man zusammenfassend sagen, daß die Wertanalyse berufen ist, eine
"dienende Schlüsselstellung" einzunehmen.
Die Veröffentlichung Herrn Dr. Orths ist wohl geeignet, der Fachwelt wert
volle und manchmal auch neue Anregungen zu geben.
Dipl.-Ing. Dr. rer. pol. Max Pietsch
o. ö. Professor
Vorwort
In meiner nahezu vierzigjährigen Tätigkeit als Unternehmensberater habe
ich mich im letzten Jahrzehnt mit der Methode der Wertanalyse beschäftigt,
die als Ganzheitsmethode zur Untersuchung der Produktgestaltung mein
Interesse erregte. Bei ihr schienen sich wissenschaftliche Methoden und prak
tische Erfahrung sehr gut verbinden zu lassen.
Die Untersuchung der Probleme, die der Wertanalyse gestellt werden, sind
Forschungsaufgaben, bei denen nicht nur technische und wirtschaftliche, son
dern auch psychologische Faktoren berücksichtigt werden müssen. Auch
schien es mir von großer Bedeutung für die auf Leistung ausgerichtete Kon
struktionsarbeit, daß ihr durch die Wertanalyse die Berücksichtigung der
wirtschaftlichen Seite erleichtert würde. Es war mir aber auch von vorn
herein klar, daß nur durch ein Studium am Objekt und in Team-Arbeit, d. h.
unter Teilnahme der Fachkräfte eines Unternehmens, das Ziel erreicht wer
den könnte.
Die Gelegenheit, die Wertanalyse in Industriebetrieben einzuführen, gab mir
mein früherer Bedaux-Manager-Kollege Mr. Colwell J. Carney, Präsident
der Mead Carney Int. Inc., durch die Erteilung entsprechender Aufträge und
Erfahrungsaustausch. Ihm bin ich daher sehr dankbar, mir dieses Tätigkeits
feld eröffnet zu haben.
Die Ergebnisse haben gezeigt, daß auch in Europa der Gedanke der Wert
analyse zum Nutzen der Unternehmen eingesetzt werden kann.
Dieser Erfolg der Wertanalyse hat mich auf den Gedanken gebracht, die
Methode der Wertanalyse und die mit ihr zusammenhängenden Fragen wis
senschaftlich zu untersuchen und in einer Dissertation als Beitrag zum be
triebswissenschaftlichen Fortschritt darzustellen, und zwar unter dem Titel
"Die Wertanalyse als Methode industrieller Produktgestaltung insbesondere
an Fahrzeugen".
Es war mir eine Freude, diese Arbeit der Fakultät für Maschinenwesen und
Elektrotechnik der Technischen Hochschule Graz vorlegen zu dürfen, einer
Hochschule, deren Lehrstuhl für Betriebswirtschaftslehre zu dieser Fakultät
gehört. Diese Verbundenheit entspricht auch dem Geist der Wertanalyse.
Graz war auch jene Stadt, in der ich die Wertanalyse in Gemeinschaft mit
österreichischen Fachleuten in den letzten Jahren wiederum anwenden
durfte.
Dankbar gedenke ich der Referenten meiner Dissertation, des Herrn o. Hoch
schulprofessors Dipl.-Ing. Dr. rer. pol. Max Pietsch, Vorstand der Lehrkanzel
und des Instituts für Betriebswirtschaftslehre und Betriebssoziologie, und des
Herrn o. Hochschulprofessors Dipl.-Ing. Dr. tec.'1n. Anton Pischinger, Vorstand
der Lehrkanzel und des Instituts für Verbrennungskraftmaschinen und Ther
modynamik, die meine Arbeit mit großem Interesse und wohlwollender Un
terstützung gefördert haben.
Von dieser Seite kam auch die Anregung, meine Arbeit in geänderter Form
als Buch erscheinen zu lassen. Herr Professor Dr. Pietsch hat freundlicher
weise dem Buch ein Geleitwort mit auf den Weg gegeben, wofür ich ihm
herzlichst danke.
Die vorliegende Schrift soll vor allem den Mitgliedern von Wertanalyse
Teams und solchen, die Wertanalyse betreiben wollen, zeigen, wie diese Me
thode im deutschsprachigen Gebiet eingeführt werden kann.
Im 1. Kapitel werden die Herkunft der Wertanalyse und die Gründe für ihre
Entstehung dargelegt. Das 2. Kapitel bringt eine ausführliche Darstellung
dieser Methode. Dabei wird eine Systematik (21) der zu untersuchenden Fak
toren entwickelt, die zu den methodischen Untersuchungshilfen, den Fragen
(22), führt. Auf Grund des Arbeitsplanes für ein stufenweises Vorgehen bei
der Untersuchung (23) wird die praktische Durchführung gezeigt. Ein folgen
der Abschnitt (24) bringt Beispiele, in welcher Weise die Wertanalyse als
ständige Einrichtung in ein Unternehmen organisch eingefügt wird.
Die 50 Beispiele im 3. Kapitel veranschaulichen mit ihrer Darstellung der Zu
stände vor und nach der Wertanalyse, welche Wirkung durch die Methode
erzielt werden kann. Die beigefügten 60 Abbildungen und Beschreibungen
des Vorgehens zeigen, wie mit kleinen Änderungen oft erhebliche Kosten
senkungen vorgenommen wurden.
Die gesamte Wirtschaftlichkeit einer Produktuntersuchung durch die Wert
analyse, d. h. das Verhältnis von Aufwand zu Gewinn, wird in einem wei
teren Abschnitt (34) gezeigt.
Mag man auch die Ergebnisse bei den Beispielen (32) als Einzelfälle betrach
ten, so muß man doch die im 4. Kapitel erfolgten Angaben über die Ein
sparungen im US-Verteidigungsministerium (DOD), zu denen die höchsten
Stellen der USA ihre Mitwirkung nicht versagen, als weitere Beweise für die
Richtigkeit der Wertanalyse ansehen.
Das 5. Kapitel bringt unter dem ersten Abschnitt (51) "Die Wertanalyse in
Forschung und Entwicklung" auch einen Hinweis auf die besondere Wichtig
keit der Entwicklung neuer Ideen. Nun ist die Zeit bereits gekommen, wo man
unter der Bezeichnung "Innovation" diesen Hinweis verwirklicht sehen will.
Im gleichen Kapitel wird untersucht, inwiefern die Gedanken der Wert
analyse in der (52) Theorie der Rationalisierung von Gottl-Ottlilienfeld vor
kommen.
Mit einem Abschnitt (61) über die Ausbildung für die Wertanalyse und über
die Stellung der Wertanalyse in der Dezimalklassifikation der Bibliotheken
(62) schließt das 6. Kapitel ab.
Ein ausführliches Literaturverzeichnis mit Angabe der benützten Quellen (L),
teilweise mit kurzer Inhaltsangabe, sowie mit dem Hinweis, in welcher
Sprache die zitierte Schrift erschienen ist, wurde angefügt. Die aus der eng
lischen Literatur entnommenen Zitate wurden von mir übersetzt.
Da ich die Wertanalyse in den letzten Jahren in Werken zur Herstellung von
Automobilen, Mopeds, Traktoren und Fahrrädern einführte, war es nahe
liegend, die Beispiele (32) hauptsächlich aus diesen Sektoren zu wählen.
Diese Beispiele, an denen die Kostensenkungsmaßnahmen in den ver
schiedenen Bereichen gezeigt werden, tragen wesentlich zum Verständnis der
Wertanalyse bei. Darum bin ich der Generaldirektion der Werke für die Er
laubnis, ausgewählte Untersuchungsbeispiele zur Veranschaulichung bei die
ser Arbeit zu verwenden, sehr dankbar.
Insbesondere bin ich Herrn Generaldirektor Dipl.-Ing. Karl Rabus, St. Pölten,
zu tiefem Dank verpflichtet für das lebhafte Interesse und die große Unter
stützung, die er der Wertanalyse-Arbeit zuteil werden ließ, nicht zuletzt auch
für seine persönliche Anteilnahme am Zustandekommen der Dissertation und
damit auch dieses Buches.
Dankbar gedenke ich auch aller, insbesondere der Team-Mitglieder, die mir
bei der Einführung der Wertanalyse so tatkräftig geholfen haben, beson
ders aber des Herrn Werksdirektors Alfred Baumgartner, Steyr, und des
Herrn Direktors Dipl.-Ing. Erich Latal, Graz. Herrn Direktor Baumgartner
und Herrn Direktor Röhrer, Graz, habe ich auch für statistische Angaben zu
danken.
Erfreulicherweise fand ich in meinen jungen Kollegen, dem Herrn Ober-Ing.
K. H. Demmer und den Diplom-Ingenieuren Johannes Winzor und H. Mo
sich, begeisterte Mitarbeiter, die weiterhin an leitender Stelle das Gedanken
gut der Wertanalyse pflegen und auswerten. Auch ihnen danke ich für die
Jahre gemeinsamer Arbeit, deren Ergebnisse teilweise auch in dieser Schrift
zu finden sind.
Herrn o. Professor Dr. rer. nato Hermann Böhrs, Inhaber des Lehrstuhls für
Betriebswirtschaftslehre der Fakultät für Natur- und Geisteswissenschaften
an der Technischen Hochschule Hannover, verdanke ich die freundliche Er-
laubnis, Teile seiner Vorlesungen zu zitieren. Außerdem habe ich ihm für
wertvolle Anregungen und Empfehlungen für die Drucklegung dieses Buches
recht herzlich zu danken.
Für die stete und unermüdliche Hilfsbereitschaft beim Schreiben meiner
Manuskripte danke ich meiner lieben Tochter, Frau Margarete Oettinger,
Stockholm, allerherzlichst.
Es müßte nicht ein Buch der Wertanalyse sein, wenn ich nicht die Bitte aus
sprechen würde, mir im Sinne dieser Methode Anregungen und Vorschläge
zukommen zu lassen, die den Inhalt verbessern und damit seinen Wert stei
gern könnten.
Heinrich F. Orth