Table Of ContentHeidelberger Taschenbücher Band 9
Die Welt
der Elementarteilchen
Kenneth W. Ford
Mit 47 Abbildungen
Springer-Verlag Berlin Heidelberg N ew Y ork 1966
Titel der englischen Originalausgabe: The World of Elementary Particles. Blaisdell Publishing
Company, New York . Toronto· London.
übersetzer: Dr. Friedhold Baumann, Physikalisches Institut der Technischen Hochschule
Karlsruhe.
Alle Rechte vorbehalten. Ohne ausdrückliche Genehmigung des Verlages ist es auch nicht ge
stattet, dieses Bum oder Teile daraus auf photomechanischem Wege (Photokopie, Mikrokopie)
oder auf andere Art zu vervielfältigen. © der deutschen Ausgabe Springer-Verlag Berlin .
Heidelberg 1966.
ISBN 978-3-540-03558-9 ISBN 978-3-642-94960-9 (eBook)
DOI 10.1007/978-3-642-94960-9
Für Paul und Sarah
Vorwort
Dieses Buch handelt von Ideen, nicht von experimentellen oder
theoretischen Methoden. Es ist ein Versuch zu zeigen, wie sich, nach den
Entdeckungen dieses Jahrhunderts insbesondere im Bereich des sehr
Kleinen, die Welt in den Augen des modernen Physikers darstellt.
Natürlich werden einige wichtige Experimente beschrieben, aber im
großen und ganzen wird darauf verzichtet, die komplizierten Metho
den zu erörtern, die heute zur Untersuchung des Subatomaren ange
wandt werden, um dafür um so ausführlicher auf die Struktur der
Theorien und auf die Vorstellungen eingehen zu können, die die
Grundlage unseres Verständnisses der Vorgänge bilden, die gegenwärtig
die Front der physikalischen Forschung darstellen. Es bedürfte eines
eigenen Buches, um den komplizierten und großartigen Geräten gerecht
zu werden, die die Natur zwingen, unsere Fragen über die Welt der
Elementarteilchen zu beantworten - ein Buch, das geschrieben werden
sollte.
Ich bitte den Leser dieses Buches zweierlei im Auge zu behalten .
. Erstens, die Physik ist eine experimentelle Wissenschaft. Jede Theorie,
jeder Begriff und jede Vorstellung über die Natur beruht letzten Endes
auf experimentellen Tatbeständen, darauf, was in der Natur geschieht.
Alle Abstraktionen und gedanklichen Konstruktionen haben kein ande
res Ziel, als experimentelle Fakten in einfacher und übersichtlicher
Weise zu beschreiben.
Der zweite Punkt ist der, daß jede "Erklärung" von Fakten der
Natur notwendigerweise vorläufigen Charakter trägt. Erfolgreiche
Theorien erweisen sich jedoch selten als falsch; vielmehr wird nur ihr
Gültigkeitsbereich begrenzt, und sie selber werden durch allgemeinere
Theorien ersetzt. Aus diesem Grund werden wahrscheinlich verhältnis
mäßig wenige Aussagen über Tatsachen in diesem Buch sich später als
falsch erweisen. Aber die Vorstellung von der Welt, das Bild vom
Naturgeschehen auf seiner untersten Stufe, zu dem uns die heutige
Theorie geführt hat, kann durch eine zukünftige Theorie radikal ge
ändert werden. Es wäre nicht überraschend, wenn dies in den nächsten
Jahrzehnten geschehen sollte. Dieses Buch ist ein Bericht über Fort
schritte und keine Verkündung unumstößlicher Wahrheiten über die
Natur.
Viele meiner Lehrer und Kollegen haben zu diesem Buch beigetragen.
Besonders fühle ich mich zu Dank gegenüber JOHN A. WHEELER ver
pflichtet, unter dessen Anleitung ich begann, in die Welt der Elementar-
VIII Vorwort
teilchen einzudringen, sowie gegenüber BRENTON STEARNS und BERNARD
FELD, die das Manuskript sorgfältig gelesen haben und viele wertvolle
Vorschläge machten. Ich danke ebenfalls SILVAN SCHWEBER und STEPHAN
BERKO für hilfreiche Hinweise. Zahlreiche Kollegen, darunter SAUL
BARSHAY, NORMAN GLENDENNING, CYRUS GORDON, FREDERICK REINES,
ARTHUR ROSENFELD, CALDWELL TITCOMB und DAVID WILKINSON, stellten
großzügigerweise Tatsachenmaterial zur Verfügung.
Die in diesem Buch veröffentlichten Abbildungen wurden freund
licherweise von den folgenden Damen und Herren oder Laboratorien
zur Verfügung gestellt:
Figur 1.1 (links), Alan Thorndike, Brookhaven National Laboratory.
Figur 1.1 (rechts), Irwin Pless, Massachusetts Institute of Technology.
Figur 1.2 (links), Carl D. Anderson, California Institute of Technology.
Figur 1.2 (rechts), Herbert Bridge, Massachusetts Institute of Technology.
Figur 1.4, Joanne B. Ford, mit Erlaubnis des Brookhaven National Labo-
ra tory.
Figur 1.7, Lawrence Radiation Laboratory, University of California.
Figur 1.8, Lawrence Radiation Laboratory, University of California.
Figur 3.2, Irwin Pless, Massachusetts Institute of Technology.
Figur 3.4, M. Francon, Institute d'Optique, Paris.
Figur 4.3, Lawrence Radiation Laboratory, University of California.
Figur 5.3, Jack Steinberger, Columbia University.
Figur 6.2, Irwin Pless, Massachusetts Institute of Technology.
Figur 6.3, Irwin Pless, Massachusetts Institute of Technology.
Figur 6.4, Lawrence Radiation Laboratory, University of California.
Figur 1.2 (links) erschien zuerst in Physical Review, Band 43, 1933,
Seite 492; Figur 5.3 (oben rechts) erschien zuerst in Physical Review
Letters, Band 9, 1962, Seite 40.
Die Zahlenangaben über die Lebenserwartung in der Fußnote auf
Seite 55 stellte die John Hancock Mutual Life Insurance Company zur
Verfügung.
Ich danke den Bewohnern des Hauses 94D Cromwell Road in
London, in dem der größte Teil des Buches geschrieben wurde, für die
angenehme Arbeitsatmosphäre. Meiner Frau Joanne danke ich beson
ders für die Ermunterung zu diesem Buch und für die Durchsicht des
Manuskripts.
KENNETH W. FORD
Inhaltsverzeichnis
1. Der Elementarteilchen-Zoo
2. Das Kleine und das Große 28
3. Die großen Ideen der Physik dieses Jahrhunderts. 48
4. Erhaltungssätze . 80
5. Photonen und Neutrinos 110
6. Von "Strange Particles" und anderen Teilchen. 146
7. Felder und Teilchen, Kräfte und Wechselwirkungen 181
8. Neue Invarianzprinzipien 206
Literaturhinweise 231
Namen- und Sachverzeichnis. 237
Fig.l.l. Nachweisgeräte für Teilchen und Teilchenspuren. Die Aufnahme auf
der linken Seite zeigt eine 40 ern-Nebelkammer, die sich in einem starken
Elektromagneten im Brookhaven National Laboratory, New York, befindet.
Auf der rechten Seite ist die 38 ern-Blasenkammer der Forschergruppe in Cam
bridge, Massachusetts, abgebildet. Die kleineren Photographien in diesen Ab
bildungen zeigen die Spuren, die hombesmleunigte Elementarteilmen in den
Namweisgeräten hinterlassen. Auf der linken Seite stößt im Punkt A eines der
vielen Protonen, die durch die Nebelkammer hindurchfliegen, auf einen Atom
kern und erzeugt zwei neue Teilmen (Pionen). Die Spuren, die auf der oberen
Photographie zu sehen sind, stammen von einem Pionenstrahl; diese Auf
nahme ist in Fig.6.3 vergrößert dargestellt und wird später bespromen.
Auf ihrem Weg durm die Materie stoßen elektrism geladene Teilchen, zum
Beispiel Protonen oder Pionen, mit hoher Gesmwindigkeit auf Atome und
hinterlassen längs ihres Weges elektrism geladene Atome, die Ionen genannt
werden. In der mit Gas gefüllten Nebelkammer wirken diese Ionen als Kon
densationskerne für das dampfförmige Füllgas. Eine Linie von Flüssigkeits
tröpfchen markiert die Flugbahn des Teilmens durch das Gas. (Der sichtbare
Dunst einer gewöhnlichen Wolke am Himmel besteht teilweise aus Tröpfmen,
die sich um Ionen gebildet haben.) In der mit Flüssigkeit gefüllten Blasen
kammer wird andererseits die Bahn eines Teilmens durm eine Reihe von Gas
bläschen aufgezeichnet. Die Ionen, die das Teilchen auf seinem Weg hinter
läßt, wirken als Verdampfungszentren für die überhitzte Flüssigkeit der Blasen
kammer. Die Photographie wird unmittelbar nam Entstehen der Gasbläschen
aufgenommen, also noch bevor die Bläsmen sich in der Flüssigkeit ausbreiten
können
Kapitel I
Der Elementarteilchen-Zoo
Von einem Düsenflugzeug, das hoch über uns hinfliegt, sehen
wir nichts als eine weiße Spur, die es am Himmel hinterläßt; das Flug
zeug selbst ist viel zu klein, um für unser Auge sichtbar zu sein. Ganz
ähnlich verhält es sich mit den kleinsten Objekten, die der Mensch
kennt, mit jenen Stückchen Materie und Energie, die man Elementar
teilchen nennt. Ein einzelnes Elementarteilchen ist 10 Millionen mal
kleiner als das kleinste Gebilde, das man in einem Mikroskop gerade
noch sehen kann. Fliegt ein solches Teilchen aber durch eine Nebel
kammer oder durch eine moderne Blasenkammer, so hinterläßt es eine
auch für das unbewaffnete Auge gut sichtbare Spur. Diese Spur kann
man photographieren und dann in Ruhe ausmessen (Fig. 1.1). Eine ähn
liche Spur hinterläßt ein Elementarteilchen auch in photographischen
Platten, wenn es diese auf seinem Weg durchdringt. Schließlich können
Elementarteilchen auch mit Hilfe elektronischer Zähler nachgewiesen
werden.
Der Physiker sieht sich der Aufgabe gegenüber, aus den Spuren
oder aus den Zählraten elektronischer Geräte auf die Natur der
Elementarteilchen zurückzuschließen. Dabei greift er zu den verschie
densten Hilfsmitteln: Er baut riesige Beschleuniger, ersinnt kompli
zierte und außerordentlich raffiniert angelegte Experimente und stützt
sich nicht zuletzt auf theoretische und mathematische Überlegungen.
In den letzten Jahren haben wir eine Menge über Elementarteilchen
gelernt, jedenfalls genug, um einen gewissen Einblick in das Ordnungs
schema zu bekommen, das dieser submikroskopischen Welt zugrunde
liegt. Wir kennen verschiedene Arten von Elementarteilchen und unter
scheiden sie durch ihre inneren Eigenschaften wie auch durch die
Wechselwirkung, die sie auf andere Teilchen ausüben. Allerdings
bleiben gerade jene Fragen, die uns am meisten interessieren, weiterhin
unbeantwortet. Keine Theorie gibt bisher eine Antwort auf die großen
"Warums": Warum gibt es so viele verschiedene Elementarteilchen?
(Wir haben allen Grund anzunehmen, daß noch gar nicht alle entdeckt
sind.) Warum haben die Elementarteilchen gerade diese und nicht
andere Massen? Warum werden sie unter bestimmten Bedingungen
geboren? Warum leben sie gerade so lange? Warum wechselwirken sie
gerade so und nicht anders und schließlich: Warum sterben sie? (Die
Ford, Elementarteilchen