Table Of ContentDIE VORBEREITUNG
zu
CHIRURGISCHEN EINGRIFFEN
VON
DR. MED. JOH. VOLKMANN
PRlVA.TDOZBNT· OBBRARZT DER CHIRURGISCHEN
UNIVERSITA . TSKLINIK ZU HALLE A. D. S.
MIT 12 ABBILDUNGEN
BERLIN
VERLAG VON JULIUS SPRINGER
1926
ISBN-13:978-3-642-90503-2 e-ISBN-13:978-3-642-92360-9
DOl: 10.1007/978-3-642-92360-9
ALLE RECHTE, INSBESONDERE DAS DER UBERSETZUNG
IN FREMDE SPRACHEN, VORBEHALTEN.
COPYRIGHT 1926 BY JULIUS SPRINGER IN BERLIN.
HERRN
PROFESSOR DR. FR. VOELCKER
GEWIDMET
Vorwort.
Wenn der junge, chirurgisch tatige Arzt zum ersten Mal in die
Lage versetzt wird, selbstandig handeln und die notigen Anordnungen
fUr die Vorbereitung zu einem operativen Eingriff treffen zu miissen,
so merkt er - und das wird den meisten ahnlich ergangen sein wie
mir - gar bald, daB er in vielen Punkten versagen muB, weil ihm
die Erfahrung fehIt und gerade die hierfiir wichtigsten Kenntnisse
auf der Universitat nicht iibermittelt worden sind. Trifft dies schon
im Frieden bei sonst gut geleiteten Krankenhausern zu, wie viel
mehr dann erst im Kriege unter weniger geordneten Verhaltnissen!
Mancher hat da bitter den Mangel eines N achschlagewerkes empfunden,
in dem er sich fUr solche Notlagen Rat und Hilfe hatte holen konnen.
So ist mir schon wahrend meiner letzten Studiensemester, als ich bei
HEINRICH BRAUN in Zwickau Famulus war, der Gedanke aufgetaucht,
die bestehende Liicke auszufiillen. Zu leicht vergiBt ja der erfahrene
Arzt spater, daB auch er einmal Anfanger war, und kann oder will
sich oft nur schwer in seine friihere Lage zuriickversetzen. Wer aber
als akademischer Lehrer immer wieder mit Studenten, Medizinalprak
tikanten und jiingeren Assistenten zu tun hat, empfindet taglich von
neuem diese Schwierigkeiten. Zwar steht mancher Chirurg auf dem
Standpunkt, daB man dies alles im Laufe der Zeit von allein lernt.
Ja, aber muB man denn alIe Fehler wirklich zum Schaden seiner Kranken
erst selbst gemacht haben? Kann man nicht doch vieles auch aus
der Erfahrung anderer Ie men ? Und dann solIte man nicht nur wissen,
was man tun muB, sondern auch wie man es tun muB.
Aus diesen Gedankengangen heraus soUte zu den Biichern von
REICHEL (Lehrbuch der Nachbehandlung nach Operationen) und BEH
RENDT (Die Nachbehandlung nach chirurgischen Eingriffen) gewisser
maBen die Erganzung geschaffen werden. Ein gleiches Werk gibt es in
Deutschland bisher nicht, vom Ausland ist es mir wenigstens nicht
bekannt. KUHLS » Handbuch der N arkose und die V orbereitung zu
chirurgischen Eingriffen « bringt trotz der zweiten Halfte seines Titels
nur einiges von dem, was mir von Wichtigkeit schien. Dasselbe gilt
von dem Werk des Franzosen Dupuy DE FRENELLE: Pour diminuer
»
Ie risque operatoire«, der zum Teil klinische Untersuchungsverfahren
VI Vorwort.
in den Vordergrund stellt, was nicht meine Absicht war. ZANDERS
)} Vorbereitung, Durchfiihrung, Nachbehandlung chirurgischer Eingriffe«
erschien erst nach AbschluB dieses Buches. Manches findet auch der
Arzt bei FRANZISKA BERTHOLD )} Der chirurgische Operationssaal «.
Andererseits habe ich absichtlich Dinge weggelassen, die meist nicht
Sache des Arztes und schon in anderen Schriften zusammenfassend
dargestellt sind. Dagegen muBten die Beziehungen zur Anzeigen
und Diagnosenstellung sowie die Differentialdiagnose bisweilen ge
streift werden. Ich wollte nicht nur ein technisches Hilfsbuch bringen,
sondern Moglichkeiten und Unterlagen zur Weiterarbeit auf den ein
zelnen zum Teil noch nicht fest gegriindeten Gebieten geben. Denn
wie das GRASER am 1. 7.1922 in der Eroffnungsansprache zur bayrischen
Chirurgentagung ganz richtig hervorhob, wird sich ein groBer Teil
unserer arztlichen Tatigkeit darauf einstellen miissert, nicht nur wenig
widerstandsfahige und heruntergekommene Menschen durchzubringen,
sondern sie auch erst operationsfahig und messerreif zu machen.
Manche Veroffentlichungen der letzten Zeit, besonders auBerhalb Deutsch
lands, deuten diese Wegrichtung an.
So habe ich schon seit vielen Jahren einen groBen Wert auf die
Vorbereitung zu chirurgischen Eingriffen gelegt. Zusammenhangende
Arbeiten iiber dieses Gebiet gibt es nur verhiiltnismii.6ig wenige, viel
mehr stecken die Hinweise auf diese Fragen in allen moglichen Auf
satzen verborgen. Deshalb sah ich meine Hauptaufgabe darin, dieses
vergrabene und oft wenig beachtete Schrifttum ans Tageslicht zu fOrdern.
DaB dabei noch einiges iibersehen wurde, muB zugegeben werden und
ist wohl bei der Schwierigkeit des Suchens entschuldbar. In den Schriften
nachweisen zu den einzelnen Abschnitten wurden vor allem groBere
zusammenfassende und leicht erreichbare Arbeiten beriicksichtigt und
bei denen, die keine bezeichnende Vberschrift fiihren, Stichworte in
Klammern hinzugefiigt. Die Zahl der durchgesehenen Aufsatze ist
bei weitem groBer als die der namentlich angefiihrten. Inbesondere
konnte ich dank des Entgegenkommens der SPRINGERSchen Zentral
blatt-Organisation fast die gesamte auslandische Literatur im Urtext
nachlesen, wenn auch hier iiberall das deutsche Referat angegeben wurde.
1m allgemeinen Teil sind die einzelnen Abschnitte der Reihe
nach etwa so angeordnet, wie sich der Gang der Vorbereitung bei
einem Patienten abwickelt, wahrend in dem besonderen Teil einige
wichtige Abschnitte fiir ganze Organerkrankungen eingehend besprochen,
andere nur durch kurze Bemerkungen, Stichworte und Hinweise be
handelt wurden. Es war bisweilen schwierig, den sproden Stoff in
eine passende Form zu bringen. Manche Anregung habe ich noch aus
dem Werk von MAKKAS und STICH: )Fehler und Gefahren bei chirur
gischen Operationen « geschopft, das wahrend der Abfassung des vor-
Vorwort. VII
Iiegenden Buches erschien. Hier ist eine solche Fiille von beachtens
werten Bemerkungen aus einer groBen Erfahrung heraus angehauft,
wie man sie in keinem Lehr- oder Handbuch wiederfindet.
Ob nun der Versuch, Fragen der verschiedensten Gebiete zu einem
Ganzen zusammenzufassen und von einem einheitIichen Gesichtspunkte
zu betrachten, gelungen ist, und ob in den einzelnen Abschnitten der
» Vorbereitung zu chirurgischen Eingriffen « bewuBt die richtige Aus
wahl dessen, was notig war, getroffen wurde, muB die praktische Be
nutzung lehren. DaB fast iiberall eigene Erfahrung zugrunde liegt,
ist wohl selbstverstandlich, bedingt aber auch zum Teil die personIiche
Auslese des al~ gut Erprobten. Ich bin mir dabei bewuBt, daB bei der
Neuartigkeit des Gedankens manches vielleicht vom Gesichtspunkt des
einzelnen Kritikers aus beanstandet werden kann. Entsprechende Vor
schlage zur Anderung und Verbesserung sollen mh· stets willkommen sein.
So moge das Biichlein einstweilen seinen Weg nehmen: zu Nutz
und Frommen unserer Kranken!
Halle, im August 1926
JOB. VOLKMANN
Inhaltsverzeichnis.
Saite
Einleitung •....... 1
Erster Teil.
Allgemeine Vorbereitungen zu chirurgischen Eingriffen.
1. Konstitution und allgemeine Untersuchung . 2
2. Allgemeine V orbereitung ..•.••... 4
a) Priifung und Unterstiitzung des Kreislaufes 4
Schock und Kollaps . . . . . • . . . 13
b) Kraftigung der Atmungsorgane 15
c) Erhaltung und Hebung der Korperkriifte 16
d) Verhiitung der ortlichen und allgemeinen Infektion 16
3. Abfiihren •............. 22
4. Baden, feuchte Verbande und Umschlage 24
5. Haarschneiden, Rasieren, Enthaaren 26
6. Harnverhaltung und Blasenentleerung 28
7. Punktionen, Injektionen, Infusionen, Einlaufe 31
8. Operationssaal . . . . . . . . . . • 41
9. Instrumente, Wasche, Verbandmaterial 44
10. Nahtmaterial . . 46
11. Lagerung. . . . 47
12. Keimfreimachung 49
a) Operationsfeld 49
b) Hande . 55
13. Abdeckung . . . 59
14. Betaubung . . . 60
a) Allgemeine Betrachtungen iiber die Wahl des Betaubungsverfahrens 60
b) Allgemeinuntersuchung . . . . . • . . 60
c) Allgemeine Anzeigen und Gegenanzeigen ........... ' 61
d) Eigentliche Vorbereitung . . • . . . . . .. '" . . .' 64
a) Betaubung durch Einatmung S. 64. - ~) Betaubung durch Ein·
spritzung S.95. - r) Betaubung durch Gefrierung S. 107.
15. Verhiitung von Lungenkomplikationen . . 107
16. Verhiitung von Thrombose und Embolie 115
17. Blutleere und Blutersparnis . . . . . .. 119
a) Mechanische Verfahren der Blutstillung 119
a) Eine allgemeine Anderung der Blutverteilung S.120. - :g) Ortliche
Anderungen in der Blutverteilung S. 120.
b) Physikalische Verfahren der Blutstillung . . . . . . . . . . . . 122
Inhaltsverzeichnis IX
Seite
c) Chemise he Mittel zur Blutstillung . . . . . . . . . . . . • . . 123
a) Allgemein wirkende chemisehe Mittel S. 123. - (J) Ortlieh wirkende
ehemisehe Mittel S. 127.
18. Ruhende Infektion 128
a) Allgemeine Reaktionen . 129
b) Ortliche Reaktionen 129
19. Verhiitung dea Wundliegens 131
a) Lagerung der Kranken 132
b) Behandlung der Haut 133
e) Wundversorgung . . . 133
20. Diabetes, Aeidosen und Alkalosen 134
a) Diabetes. . . • . . . • • . . 134
b) Vor· und naehoperative Acidosen 137
e) Alkalosen . . . • . . . . • • . 139
21. Vorbereitung zu Krebsoperationen . 140
a) Hebung des Ernahrungszustandes 141
b) Rontgenvorbestrahlung • . . . • 141
e) Anlegung einer Fistel. . . . . . 142
22. Vorbereitung zu Arbeiten mit Rontgenstrahlen und VerhiitungsmaBregeln 142
a) Vorbereitung des Kranken .••.......... 143
b) Vorbereitung des Arztes. • . . . . . . . . . . . . • 144
23. Vorbereitung zur Anlegung von Gips· und Zugverbanden. 145
a) Gipsverbande 145
b) Zugverbande . . • . • 147
Zweiter Teil.
Die besondere V orbereitnng zu einzelnen chirnrgischen Eingriffen.
A. Vorbereitung zu Eingriffen an den GefaBen, Weiehteilen,
Knoehen und Gelenken, insbesondere den GliedmaBen •. 150
1. GefaBoperationen . . • • . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150
a) Vermeidung der Thrombenbildung S. 150. - b) Aneurysmen S. 150.
2. Transplantationen und orthopadisehe Eingriffe. • • . • . • • 151
a) Vorbereitung des Empfangers S.152. - b) Vorbereitung des
Transplantats S. 152.
3. Stumpfvorbereitung . . . . . • . . . . . • . . . . . . • . . • 1114
4. Hiiftgelenkausrenkungen . . . . . . • . . . • . . . . . . . • . 155
a) Unblutige Einrenkungen S. 155. - b) Blutige Einrenkungen. 156
B. Vorbereitung zu Eingriffen an Kopf und Wirbelsaule 157
1. Gehirnoperationen. . . . . • 157
2. Riickenmark und Wirbelsaule 161
3. Hasenseharte • • 163
4. Gaumenspalte. . 164
5. Kieferoperationen 166
6. Speieheldriisen . 167
C. Vorbereitung zu Eingriffen am Hals . 169
1. Operationen an der Sehilddriise . . . . 169
a) Kolloidstrumen S. 170. - b) Basedowkropfe S.171.
x
Inhaltsverzeichnis.
Seite
2. Halsdriisenausraumung. . . . . . . . . . 175
3. Luftrohrenschnitt . . . . . . . . . . . . 175
D. Vorbereitung zu Eingriffen am Brustkorb . 177
1. Osophago-, Broncho-, Gastroskopie . . . . . . 177
2. Speiserohre. . . . . . • . . . . . . . . . . 178
a) Krebs S. 178. - b) Divertikel S. 178. - c) Fremdkorper S.178.
3. Brustdrii13e . . . . . . . • . . . . • . . . . . . . . . . . . . 179
a) Gutartige Erkrankungen S. 179. --b) Bosartige Erkrankungen S.179.
4. Lungen ..........•..... 180
5. Operation en am Herzen . . . . . . . . . . . 183
E. Vorbereitungen zu Eingriffen im Bauch. . 183
1. Allgemeine Vorbereitung zu Bauchoperationen . 183
2. Magen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189
a) Einfache l\lagenoperationen S. 189. - b) Blutende Magengeschwiire
oder Krebse S. 191. - c) Gutartige Pylorus stenose mit starker
Retention S. 191. - d) Bosartige Stenosen mit starker Retention
S. 192. - e) Perforiertes Magengeschwiir S. 193.
3. Blinddarmentziindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196
a) Akute Blinddarmentziindung S. 196. - b) Subakute Blinddarm
entziindung S. 196. - c) Chronische Blinddarmentziindung S. 197.
d) Appendizitischer AbszeB S. 197.
4. Diinn- und Dickdarm, Mastdarm; DarmverschluB . . . . . . . . 197
5. Eingriffe am After (Analfissur, Mastdarmfistel, Hamorrhoiden); Spaltung
eines Douglasabszesses . 200
6. Hernien . . . . . . . . . . 201
7. Milzoperationen . . . . . . . 203
8. Leber- und Gallenkrankheiten 205
F. Vorbereitung zu Eingriffen an den Urogenitalorganen 208
1. Cystoskopie und Pyelographie 208
2. Nieren . . . . 212
3. Blase 216
4. Vorsteherdriise 219
a) BOTTINIsche Operation S. 219. - b) AbszeBspaltung S. 219.
c) Prostatektomie S. 219
5. Harnrohre . . . • . . • . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229
6. Gynakologische Eingriffe. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229
a) Eingriffe yom Bauche aus S. 229. - b) Eingriffe von der Scheide
aus S.229
Sachverzeichnis ..... . ............ 231
Einleitnng.
Nicht quid pro quo,
Nicht weill fiir schwartz,
Darreychen soIl ein weiser Artzt.
Sonder erfaren sein der ding!
Will anderst er das jm geling.
HANS VON GERSDORF.
Wenn auf den folgenden Seiten eine Reihe von Vorschlagen gegeben
wen. .. tln soIl, wie man am besten Kranke fur einen operativen Eingriff
vorbereitet, so ist es selbstverstandlich, daB in vielen Fallen, zumal in
der dringlichen 0hirurgie und in manchen Kliniken, es gar nicht durch
fuhrbar ist, alle fur diesen Zweck zur Verfiigung stehenden Mittel zu
erschOpfen. Oft ist das auch nicht einmal notig, wollten wir nicht Zeit
und Vermogen unserer Patienten unnutz in Anspruch nehmen. Es
sollen aber doch die Aussichten und Vorteile einer Vorbereitung
gezeigt werden. In den Zeitschriften der letzten Jahre werden ofters
derartige Fragen behandelt, was eine steigende Anteilnahme anzu
deuten schemt. Um vor manchem Fehlschlag arztlicher Bemiih~ngen
zu schutzen, ware es auch erwiinscht, m umfassendem MaBe wenigstens
ffir einige Krankheiten gewisse mehr oder weniger allgemeingiiltige
RegeIn aufzustellen und damit Anhaltspunkte zu schaffen, wann das
eine oder andere Leiden am besten operiert wird und welche Voraus
setzungen ffir emen Eingriff erfullt sem mussen. Solche Normen fur
einige chirurgische Sauglingserkrankungen zu geben, hat GoSSMANN
versucht. Wenn derartige Grundsatze auch den praktischen Arzten
bekannt waren, wiirde mancher Patient, der z. B. bei einer Gaumen
spalte noch nicht zur Operation geeignet ist, nicht unnotig dem Kran
kenhaus zugeschickt, wahrend andere wieder nicht zu spat k~men.
Damit blieben den AngehOrigen unnotige· Ausgaben und falsche Hoff
nungen, dem Arzte manche berechtigten Vorwiirfe erspart.
Bei jedem Fall, der operiert werden solI, muB man sich nun die drei
Fragen vorlegen: Welche Gefahren bergen der Kranke, die Krankheit
mit ihrem Verlauf und die Operation selbst in sich? Danach richtet
der 0hirtirg sem HandeIn ein. Wenn er nicht alle Gefahren beseitigen
kann, die auf der Unzulanglichkeit alles menschlichen Tuns beruhen,
so ist er doch verpflichtet, sie durch entsprechende MaBnahmen auf em
MmdestmaB herabzusetzen, falls er nicht einen anderen weniger scha
digenden Eingriff vorziehen oder auch ohne Operation durch konser
vative MaBnahmen sein Ziel erreichen kann. Die beiden letzten Punkte
kommen fur dieses Buch nicht in Betracht.
Volkmann, Vorbereitung. 1