Table Of ContentWerner J. Patzelt . Roland Schirmer (Hrsg.)
Die Volkskammer der DDR
Werner ]. Patzelt . Roland Schirmer (Hrsg.)
Die Volkskammer
derDDR
Sozialistischer Parlamentarismus
in Theorie und Praxis
Westdeutscher Verlag
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme
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1. Auflage Marz 2002
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© Westdeutscher Verlag GmbH, Wiesbaden 2002
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Umschlaggestaltung: Horst Dieter Burkle, Darmstadt
Gedruckt auf saurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier
ISBN-13: 978-3-531-13609-7 e-ISBN-13: 978-3-322-89022-1
DOl: 10.1007/978-3-322-89022-1
Die Volkskammer der DDR.
Sozialistischer Parlamentarismus in Theorie und Praxis
Werner J. Patzelt / Roland Schirmer, Hrsg.
Vorwort der Herausgeber 9
Teil I: Die Volkskammer als Forschungsgegenstand
1. Werner J. Patzelt:
Die Volkskammer als Gegenstand vergleichender
Parlamentarismusforschung 13
2. Roland Schirmer:
Die Volkskammer der DDR. Eine Einftihrung 26
3. Werner J. Patz eit:
Die Volkskammer und ihre Geltungsgeschichte 42
Teil II: Die Volkskammer im Blick von au6en
4. Heinrich Oberreuter:
Idee, Norm und Realitat sozialistischer Vertretungskorperschafien 75
5. Lothar de Maiziere:
Die Volkskammer der DDR - trug sie diesen Namen zu Recht? 87
6. Roland Schirmer:
Die Volkskammer - ein ,stummes' Parlament? Die Volkskammer
und ihre Abgeordneten im politischen System der DDR 94
Teil III: Die Volkskammer im Blick von inneD
7. Werner Kalweit:
Zur Konzeption und Praxis der Volkskammer 1949-1989 182
8. Gregor Schirmer:
Die Volkskammer und die politische Ftihrung der SED 187
6 Inhalt
9. Herbert Kelle:
Zeuge der Arbeit der Volkskammer tiber fast drei Jahrzehnte 195
10. Gunter Hartmann:
Fraktionen: pariamentarische Rudimente oder Gremien
mit Bedeutung? 206
11. Karl Heinz Schulmeister:
Ausschussarbeit am Beispiel des Kulturausschusses 215
12. Gerd Delenschke:
Abgeordnete als Interessenvertreter der Btirger und
ihres Wahlkreises 227
13. Ludwig Elm:
Personliche Erfahrungen im Vergleich: die Volkskammer
und der Bundestag 232
Teil IV: Die Volkskammer im Perspektivenvergleich
14. Werner J. Patzelt:
Wie war die Volkskammer wirklich? Akteurs-und
Analytikerperspektiven im Vergleich 247
Teil V: Anhang und Dokumentation
Rechtsquellen zur Volkskammer der DDR 1949-1989
1. Einschlagige Auszi.ige aus den Verfassungen der DDR
Die Verfassung der DDR von 1949 301
Die Verfassung der DDR von 1968 317
Die Verfassung der DDR Yon 1974 329
2. Gesetz tiber die Wahlen zu den Volksvertretungen in der Deutschen
Demokratischen Republik - Wahlgesetz - vom 24. Juni 1976 in der
Fassung des Gesetzes zur Anderung des Wahlgesetzes vom
28. Juni 1979 338
3. Geschaftsordnungen der Volkskammer der DDR
3.1. Geschaftsordnung der Provisorischen Volkskammer der Deutschen
Demokratischen Republik vom 7. Dezember 1949 350
(nhalt 7
3.2. Geschaftsordnung der Volkskammer der Deutschen Demokratischen
Republik vom 19. November 1954 367
3.3. Geschaftsordnung der Volkskammer der Deutschen Demokratischen
Republik vom 7. Oktober 1974 376
Quantitative und qualitative Angaben zur Volkskammer
der DDR 1949-1989
1. Dauer der Wahlperioden 386
2. Wahlergebnisse 1950-1986 387
3. Die Mitglieder der Volkskammer 389
4. Fraktionen 393
5. Ausschiisse 397
6. Plenarsitzungen 401
7. Gesetzgebung 403
8. Wah lkreisarbeit 414
9. Eingaben 416
10. Sekretariat der Volkskammer 417
11. Prasidium der Volkskammer 418
12. Staatsrat 418
13. Offentlichkeitsarbeit 419
14. Selbstdarstellung 422
Auswahlbibliografie
1. DDR-Literatur 442
2. Sonstige Literatur 462
Quellennachweis der Bilder 470
Abkilrzungsverzeichnis 472
Verzeichnis der Autoren 473
Vorwort der Herausgeber
Wie war die sozialistische Volkskammer der.DDR wirklich? Dieser Frage widmete
sich im Mai 2000 eine Tagung, welche die beiden Herausgeber in Dresden gemein
sam mit der Sachsischen Landeszentrale fur politische Bildung durchfUhrten. 1m
Rahmen des Dresdner Sonderforschungsbereichs ,Institutionalitat undGeschicht
lichkeit' aus den Forschungsarbeiten des Teilprojekts K zu den instrumentellen und
symbolischen Funktionen von Vertretungskorperschaften hervorgegangen, brachte
diese Tagung ehemalige Abgeordnete und Mitarbeiter der sozialistischen Volks
kammer mit politikwissenschaftlichen Analytikem dieser Institution zusammen. Das
erlaubte es, traditionelle westdeutsche Analysen der Volkskammer mit einer detail
lierten Interviewstudie zur Tatigkeit der Volkskammer sowie mit systematischen
Darstellungen all dessen aus der Perspektive ehemaliger Abgeordneter zu verbinden.
Die liberarbeiteten, zum Teil erheblich erweiterten Beitrage zu dieser Tagung,
vermehrt urn Anhange mit weiterfiihrenden Informationen, werden in diesem Band
der zeitgeschichtlich oder politikwissenschaftlich an der sozialistischen Volkskam
mer interessierten OffentIichkeit tibergeben. Unterschiedliche Positionen nebenein
anderstellend und vergleichend, erlaubt es dieses Buch, die Sicht der Volkskammer
von innen erstmals systematisch auf jene von auBen zu beziehen und den Anspruch
der Volkskammer auf bislang breitester Datengrundlage mit ihrer Funktionswirk
lichkeit zu konfrontieren. So wird sehr erhellender Konsens zwischen Personen
sichtbar, die vor fUnfzehn Jahren einander nicht nur im Urteil tiber die Volkskammer
als scharfe Gegner gegentibergestanden hatten. Insofem tragt dieser Band mehr als
nur ein Scherflein zur gesamtdeutsch gemeinsamen Aufarbeitung des SED-Staates
bei. Zumindest im Rtickblick fordert er viel Einvemehmen tiber Tatsachen und Zu
sammenhange zutage, deren klare Benennung auch in Westdeutschland lange Zeit
den Vorwurf einbrachte, das politische System der DDR miBzuverstehen oder falsch
zu beurteilen.
Fast noch lehrreicher ist aber der Dissens zwischen den Autoren. Untiberseh
bar, im Rahmen gemeinsamer Lebenserfahrungen aber noch leicht zu tiberbrticken,
ist er bereits unter den ehemaligen Abgeordneten und Mitarbeitem der Volkskam
mer. Bis zur Unvereinbarkeit des Urteils steigert er sich zwischen den westdeut
schen und den meisten ostdeutschen Autoren. Auch in den Beitragen der beiden
Herausgeber wird deutIich, dass selbst langjahrige gemeinsame Arbeit am gleichen
Thema mcht yom Konsens tiber die Fakten zum Einverstandnis tiber deren Werden
und Bewertung fuhren muB. Wohl oft verdanken sich einvemehmliche zeitge
schichtIiche und politikwissenschaftliche Urteile ohnehin nur dem Umstand, dass
Zeitzeugen nicht langer widersprechen und die Wtirdigung von Gemengelagen dort
anmahnen konnen, wo dem Beobachter fUr das rechte Verstandnis des Ganzen die
Differenzierung im Detail entbehrlich scheint. In diesem Band findet sich beides:
10 Werner J. PatzeltiRoland Schirmer
klare Urteile tiber das Ganze und sorgfaltige Beachtung dessen, ,wie es wirklich
gewesen ist' - zumindest in der Erinnerung und Deutung derer, die berichtet haben.
Die Herausgeber danken dem Direktor der Sachsischen Landeszentrale fUr po
litische Bildung, Dr. Wolf-Dieter Legall, fUr die Ausrichtungjener Tagung, und dem
Sprecher des Sonderforschungsbereichs 537 ,Institutionalitat und Geschichtlichkeit',
Prof. Dr. Gert Melville, sowohl fUr die Mitfinanzierung der Tagung als auch fUr die
Vermittlung eines Druckkostenzuschusses, ohne den dieser Band nicht hatte er
scheinen konnen. IDem Buch wtinschen sie, dass seine Beitrage eine Institution in
Erinnerung halten, die tiber vier Jahrzehnte eben auch eine Auspragung des deut
schen Parlamentarismus war. Selbst wer nicht viel auf sie gab, kann die Lehren
schatzen, welche aus ihrer Geschichte zu ziehen sind.
Dresden, im Sommer 2001
Wemer J. Patzelt
Roland Schirmer
1 FUr die Formatierungsarbeiten an diesem Band danken wir Marcus Oertel und Uwe Martschink.
Teil I: Die Volkskammer als Forschungsgegenstand
Volkskammer als Gegenstand vergleichender Parlamentarismusforschung 13
Kapitell:
Die Volkskammer als Gegenstand vergleichender
Parlamentarismusforschung
Werner J Patzelt
Zwar ist es vorbei mit der Volkskammer. Sie blieb ein Seitenzweig, eine Ausnahme
in der Entwicklung des deutschen Parlamentarismus. Aber sie ist Teil von dessen
Geschichte. Und sie ist ein LehrstUck tiber Versuch und Irrtum, tiber den Unter
schied zwischen Absicht und Folgen. Auch darum lohnt sich die Beschaftigung mit
ihr.
1. Methodische und analytische Zugange
1m Grunde ist Forschung zur Volkskammer jetzt erst in fruchtbarer Weise moglich.
In der DDR war Apologetik verlangt, in Westdeutschland fehlte der Zugang zum
Gegenstand. Nicht, dass man den Charakter und Eigenart der Volkskammer hatte
verkennen mUssen. In Ost wie West kamen viele se.it lahrzehnten zu Einsichten, die
zu andern es auch nach friedlicher Revolution und Wiedervereinigung keinen Anlass
gab. Doch sehr stark pragte trotzdemdas Bild, dass in der DDR die Volkskammer
als zukunftsweisende Errungenschaft, als dem Bundestag durchaus nicht unterlegen
galt, im entspannungspolitisch veranderten Westen aber als - alIen falls immanenter
Kritik auszusetzendes - legitimes Kind eines alternativen, vielleicht gar besseren
Systementwurfs. Mittlerweile sind die jeweils innenpolitischen Rticksichtnahmen
soleh weltanschauIicher GroBdiskurse entbehrlich geworden, weitgehend auch ge
schwunden. Die DDR und ihre Volkskammer liegen als abgeschlossene Auspragun
gen deutscher Systembaukunst vor aller Augen, der Analyse bestens zuganglich
durch offenen Archivzugang und die Moglichkeit, sine ira et studio solehe Gespra
che mit den Akteuren der Zeitgeschichte tiber vergangene Wirklichkeit und die
eigene Rolle darin zu ftihren, welehe die historische Wahrheit ausloten.
Keinen Grund gibt es, derlei nur der Zeitgeschichtsschreibung zu tiberlassen.
W 0 das Raderwerk des SED-Staates interessiert, wo die institutionellen Mechanis
men jenes staatsbildnerischen Gesamtkunstwe,rks in Frage stehen, dUrfte der syste
matische Zugriff entlang politikwissenschaftlicher Kategorien sogar besonders
ntitzlich sein. Er fordert von der AuBenperspektive her zutage, wie es unterhalb ihrer
dem naiven Beobachter sich bietenden Oberflache mit der Volkskammer und ihrer
Rolle im politischen System der DDR wirklich stand. Und dennoch trifft jeder Blick
von der AuBenperspektive her, wie tief auch immer er reicht, stets erneut auf Ober-