Table Of ContentDie Straßen 
der Tiere 
Herausgegeben von Heini Hediger 
Mit Beiträgen von 
J. Dobberstein, J. F. Eisenberg, . 
H. Hediger, H. Heusser, W. Kühme, 
H. Kummer, F. Kurt, J. Lecomte, 
W. Luther, D. Müller-Schwarze, 
H. Roer, H. Schaefer, G. H. Schmidt, 
F. Schneider, A. Seilacher, J. Szijj, 
W. Ullrich, F. Walther, H. Wermuth 
Mit 194 Abbildungen 
SPRINGER FACHMEDlEN WIESBADEN GMBH
DIE WISSENSCHAFT 
Sammlung von Einzeldarstellungen aus allen Gebieten der Naturwissenschaft 
Band 125 
Herausgegeben von Prof. Dr. Wilhelm Westphal und Hans Rotta 
Wissenschaftlicher Beirat 
Prof. Dr. G. Angenheister 1 Prof. Dr. E. Bünning 1 Prof. Dr. E. Fels 1 Prof. Dr. G. Heberer 1 
Prof. Dr. R. Huisgen 1 Prof. Dr. H. Kroepelin 1 Prof. Dr. W. Quade 1 Prof. Dr. F. Seell 
Prof. Dr. W. Simon 1 Prof. Dr. W. Ulrich 1 Prof. Dr. A. Unsöld 1 Prof. Dr. O. Westphal 
Den Beitrag Eisenberg, Nagetier-Territorien und -Wechsel, übersetzte Dr. Paul Ley 
hausen, den Beitrag Lecomte, Bienenstraßen, Dr. med. Heinz Degen. 
ISBN 978-3-663-00331-1  ISBN 978-3-663-02244-2 (eBook) 
DOI 10.1007/978-3-663-02244-2 
1967 
Alle Rechte vorbehalten 
© 1967 by Springer Facbmedien Wiesbaden 
UrsprIlnglich erschienen bei Friedr. Vieweg & Sohn Verlagsgesellschaft mbH, BraunschweigIWiesbaden 1967 
Softcover reprint of the hardcover 1st edition  1967 
Schutzumschlagentwurf: G. Heintze, Braunschweig 
Bestell-Nr. 7125
Inhalt 
H. Hediger, Einleitung  1 
H. Hediger, Tierstraßen im Zoo  4 
F. Walther, Tierstraßen in Afrika  19 
F. Walther, Huftierterritorien und ihre Markierung  26 
W. Kühme, Wegegewohnheiten bei Löwen  46 
W. Ullrich, Nashornstraßen in Assam  56 
F. Kurt, H. Kummer, Die Wohnräume der Primaten und ihre Wechsel  68 
J. F. Eisenberg, Nagetier-Territorien und -Wechsel  83 
H. Roer, Wanderungen der Fledermäuse  102 
D. Müller-Schwarze, Tierstraßen in der Antarktis  120 
J. Szijj, "Zugstraßen" der Vögel  134 
H. Wermuth, Reptilien-Straßen  148 
H. Heusser, Amphibien-Straßen  162 
W. Luther, Die Wanderwege der Fische  169 
H. Roer, Wanderflüge der Insekten  186 
G. H. Schmidt, Ameisen-und Termitenstraßen  207 
J. Lecomte, Bienenstraßen  251 
F. Schneider, Schwärmbahnen der Maikäfer  256 
H. Schaefer, Tierstraßen der Vergangenheit  279 
A. Seilacher, Vorzeitliche Mäanderspuren  294 
J. Dobberstein, Die Seuchenzüge einst und jetzt  307
Einleitung 
Von Prof. Dr. Heini Hediger, Zürich 
Direktor des Zoologischen Gartens 
Wer vom Zoo aus Einblick nimmt in die rapide Entwicklung und in den gegen 
wärtigen Stand der Verhaltensforschung, muß den Eindruck gewinnen, daß oft am 
Einfachen und Naheliegenden vorbeigesehen wird und daß eher entfernte und 
komplizierte Probleme die Priorität in der Bearbeitung erhalten. Das scheint einem 
elementaren Wesenszug menschlicher Forschung überhaupt zu entsprechen. 
Noch bevor wir die höchsten Gebirge und die tiefsten Tiefen unseres Planeten, das 
Innerste von Kontinenten und Inseln (z. B. Brasilien, Neuguinea) oder die Pole 
einigermaßen kennengelernt haben, werden schon Vorstöße in den Weltraum und 
auf andere Planeten unternommen, und zwar mit gewaltigem Aufwand. 
Beschämend einfache Fragen der Primitiv-Zoologie unserer Erde sind hingegen 
heute noch unbeantwortet. So ist z.  B.  das Breitmaul-Nashorn (Ceratotherium 
simum) noch in keinem Zoo der Welt gezüchtet worden; dabei handelt es sich um 
eines der allergrößten Landtiere unserer Erde. Wir wissen heute noch nicht, ob es 
mit anderen Nashorn-Arten bastardiert werden kann, ob afrikanischer und indi 
scher Elefant, Gorilla und Schimpanse sich bastardieren lassen, ob die Giraffe 
schwimmen kann usw. Wenige Menschen haben eine Ahnung davon, daß der 
Blauwal (BaZaenoptera muscuZus) mit seinen 30 m Körperlänge und 120 Tonnen 
Gewicht der größte Zeitgenosse auf unserem Erdball ist - dreißig bis vierzig mal 
die Masse eines Elefanten - und gleichzeitig das größte Geschöpf, das  jemals 
unseren Planeten bewohnt hat. Viel mehr Beachtung findet die Frage nach den 
Lebewesen auf anderen Himmelskörpern. 
Das ist symptomatisch für den Menschen und die von ihm betriebene Forschung. 
Wie lange hat es gedauert, bis man nicht nur nach der morphologischen Erschei 
nung, der anatomischen Konstruktion, der physiologischen und ökologischen Lei 
stung der Tiere, namentlich der auffälligsten Großtiere gefragt hat, sondern auch 
nach ihrem Verhalten und ihrer Psychologie? 
Meines Wissens war es 1948 das damalige Institut des Parcs Nationaux du Congo 
BeIge, das auf Grund der Initiative seines Präsidenten, Prof. Dr. Victor van Strae 
Zen, die erste Expedition zur Erforschung des Psychologie der dortigen Großtiere 
ausgeschickt hat (Hediger 1951 [5]). Später hat der Direktor des Frankfurter Zoos, 
Prof.  Dr.  B.  Grzimek, eine  großzügige  Organisation mit entsprechender Ziel 
setzung ins Leben gerufen. Für die Amerikaner stand das Verhalten freilebender 
Primaten im Vordergrund (z. B. C. R. Carpenter 1964 [2], G. Schaller 1963 [11]). 
Die Untersuchung des ursprünglichen Verhaltens im natürlichen Freileben, das den 
allein geltenden Maßstab für die Beurteilung jeglichen tierlichen Verhaltens dar 
stellt, hinkt allgemein hinter Laboratoriums- und Gefangenschafts-Untersuchun 
gen nach, die der populärsten Großt iere hinter derjenigen von kleinen oder winzi 
gen Arten, die der primären Wildtiere hinter derjenigen der sekundären Haustiere. 
Die Priorität war fast immer seltsam verteilt; sie folgte in gewissem Sinne der ver 
kehrten Reihenfolge, nicht der eigentlich logisch - und biologisch - zu fordernden 
1  Hediger, Straße der Tiere
2 
vom  Einfachen  zum  Komplexen,  vom  Naheliegenden  zum  Entfernteren.  Das 
kommt u.  a.  auch  zum Ausdruck im sogenannten Morganschen Kanon, einer 
Regel, die von C. L. Morgan vor mehr als 70 Jahren für die Verhaltensforschung 
aufgestellt worden ist. 
Diese Regel besagt nach]. A. Bierens de Haan (1940 [1, S. 16 f.]), "daß wir eine 
tierische Handlung niemals als die Folge eines höheren psychischen Prozesses auf 
fassen dürfen, wenn es möglich ist, sie als  Folge  eines Prozesses aufzufassen, 
welcher in der Reihe der psychischen Entwicklung tiefer steht." - Dieser Morgan 
sche Kanon hat in der Tierpsychologie bzw. in der vergleichenden Verhaltens 
forschung (Ethologie) allgemeine Beachtung gefunden und ist auch als Prinzip der 
Sparsamkeit bei der Erklärung tierlichen Verhaltens allgemein anerkannt. 
Das Prinzip der Sparsamkeit sollte jedoch nicht erst bei der Erklärung und Deu 
tung tierlichen Verhaltens berücksichtigt werden, sondern bereits bei der Frage 
stellung, wie ich das 1961 [6, S. 39] vorgeschlagen habe. Es sollten also mit ande 
ren Worten vor den komplexen, weit abliegenden Fragen zunächst die einfachsten, 
im buchstäblichen Sinne nächstliegenden Fragen des tierlichen Verhaltens unter 
sucht werden. 
Zu diesen gehört gewiß die überaus simpel erscheinende Frage, wie sich die Tiere, 
und zwar die auffälligsten unter ihnen - etwa die Tiere im Zoo, das Jagdwild, die 
uns umgebenden Vögel und Insekten, die uns als Nahrung dienenden Fische u. a. -
von einem Ort zum anderen bewegen, vom Schlafplatz zur Futterstelle, von der 
Tränke zum Kotplatz, vom Sommeraufenthalt zum Winterquartier, von der Ge 
burtsstätte zum Aufenthaltsort der Reife, usw. 
An die Mitarbeiter dieses Bandes, die sich in verdankenswerter Weise zur Ver 
fügung stellten, erging der Vorschlag, im vorliegenden Buch einmal zusammen 
zutragen, was bis heute über die einfachsten - aber noch wenig beachteten -
Grundlagen jeder geordneten Ortsveränderung innerhalb und außerhalb von Tier 
Territorien bekannt ist. Es geht also um eine Darstellung der elementaren Erschei 
nungen, die bei geregelten Ortsveränderungen von Tieren auf der Oberfläche 
unseres Planeten sichtbar, riechbar oder sonst feststellbar eine Rolle spielen. Bei 
Tieren, die - wie Vögel oder Insekten - sich durch die Luft bewegen, interessiert 
hier sozusagen die Projektion solcher Ortsveränderungen auf die Erde, also Start 
und Ziel und Landmarken - weniger die Probleme der Navigation und der erd 
unabhängigen Orientierung. Wir möchten uns bewußt an das Prinzip der Einfach 
heit in der Fragestellung halten und an die Grundpfeiler, buchstäblich an das Zu 
grundeliegende. 
Noch ist in weiten Kreisen die Meinung verbreitet, daß sich das sogenannte frei 
lebende Tier nach Belieben und völlig frei bewegt. Ja, es ist sogar als ein ent 
scheidendes Kriterium zwischen Tier und Mensch das Fehlen bzw. Vorkommen 
von Straßen ins Feld geführt worden (Hediger 1961 [6, S. 43]). 
Auch deswegen scheint es mir an der Zeit, die Aufmerksamkeit einmal auf das 
Vorhandensein, die Systeme und Strukturen von Tier-Straßen zu lenken. 
Natürlich gibt es beträchtliche Unterschiede zwischen den Straßen der Tiere und 
der Menschen, wenn wir dabei etwa an einen Hippopotamus-Wechsel in Afrika 
und an die Hauptstraße einer modernen Großstadt denken; der Tierwechsel ist 
eine biologische, die Menschenstraße eine technische Einrichtung. Tiere benützen 
weder Fahrzeuge noch optische Instrumente, welche den topographischen Gegeben 
heiten des Geländes entsprechend eine möglichst "gerade", d. h. in unseren Tagen 
eine möglichst rasche Orts veränderung mit schnellen Transportmitteln gestatten.
3 
Betrachten wir aber den einfachen Menschen, wie er - in schwindender Zahl -
etwa noch bei Naturvölkern anzutreffen ist, weder an Fahrzeuge noch an Termine 
gebunden, dann stellt sich heraus, daß seine Wechsel denselben Gesetzmäßigkeiten 
gehorchen wie die tierlichen, und daß auch der Mensch im unwegsamen Gelände 
gerne dem Gesetz der Bequemlichkeit folgt, d. h. in diesem Falle dem Gesetz der 
Unspezifität der Wechsel: er benützt mit Vorliebe vorhandene Wechsel größerer 
Lebewesen, in Afrika z. B. die von flußpferden oder anderen Groß tieren. 
In seiner Bison-Monographie beschreibt M. S.  Garretsan  (1938,  [4, S.57]) die 
Wechsel dieser größten Landtiere der Neuen Welt. Sie hatten eine Breite von etwa 
30 cm, da die Bisone bei deren Benützung in Einerkolonne gingen. 
Im Laufe des generationenlangen Gebrauchs wurden sie stellenweise 15 cm und 
noch tiefer in den harten Steinboden eingetreten. Immer führten sie an den gün 
stigsten und bequemsten Stellen bei minimaler Neigung durch Schluchten und über 
Berge, so daß viele von ihnen vom Menschen als Straßen, ja sogar als Bahnlinien 
ausgebaut worden sind. So folgte die Baltimore & Ohio Railroad - nach Garret 
san - einem Bisonpfad über die Berge bis zum Ohio River, ebenso die Union' 
Pacific das Tal des Platte aufwärts von Omaha bis in die Rocky Mountains. -
Entsprechendes wird übrigens auch von vielen Verkehrswegen in Europa, z. B. von 
Alpenübergängen, berichtet, nur läßt sich das heute kaum mehr kontrollieren. In 
Afrika hingegen kann jeder, der abseits der Touristenströme im ursprünglichen 
Gelände zu arbeiten hat, sich heute noch davon überzeugen, wie willkommen die 
Wechsel von Großtieren dem zu Fuß gehenden Menschen sein können. 
l'
Tierstraßen im Zoo 
Von Prof. Dr. Heini Hediger, Zürich 
Direktor des Zoologischen Gartens 
So sehr man es als Zoo direktor bedauern muß, dazu verurteilt zu sein, immer nur 
an den Gehegen vorbeieilen zu müssen und nirgends tiefer eindringen zu können 
ins tierliche Verhalten durch gründliche, mit System geplanten und ausgeführten 
Untersuchungen, so ist es andererseits doch nicht ganz zu leugnen, daß dieses 
oberflächliche,  aber ständig  wiederholte  Hasten  entlang  den Gehegereihen im 
Laufe der Jahre auch seine positiven, auf andere Weise kaum zu erreichenden Wir 
kungen haben kann, gewissermaßen im Sinne einer Reizsummation.  . 
Im Laufe der stets wiederholten Gänge durch einen mit Tieren angefüllten, sehr 
beschränkten Raum-Ausschnitt, den Zoo, kann es unter Umständen dazu kommen, 
daß an sich unterschwellige Reize schließlich in die bewußte Wahrnehmung ein 
dringen und dann in den Lichtkegel gerichteter Aufmerksamkeit geraten. 
So erging es mir etwa mit den zuweilen kaum zu erkennenden Wechseln verschie 
dener Tiere im Zoo, die sich schließlich mit den höchst auffällig ausgetretenen 
Pfaden, stereotypen Bahnen, zu einem eindrücklichen Bild zusammenschlossen. 
Wer einmal seinen Blick für Wechsel geschärft hat, wird sie auch im Freien überall 
sehen, selbst wenn sie zunächst nur an einigen verschobenen Blättern auf dem 
Waldboden zu erkennen sind, oder an abgestreiften Tauperlen im Gras, an fein 
sten Krallenspuren oder Verfärbungen an der Rinde eines Baumes oder an winzi 
gen, an einem Hang hinuntergerollten Erdkrümchen. 
Die Fläche eines Zoo-Geheges ist keineswegs homogen, so wenig wie das Terri 
torium eines freilebenden Tieres, sondern sie ist voller Besonderheiten - und be 
stünden diese auch nur aus einem haselnußgroßen Stein oder einer Brennessel 
staude oder einem tiefhängenden Ast -, durch die sich das Tier seinen Weg bahnt. 
Und wenn einmal diese - für viele Menschen unsichtbare - Bahn gebaut ist, hält 
das Tier, unter Umständen sogar viele nachfolgende Generationen, an ihr fest, auch 
dann, wenn der primär umgangene Stein längst weggeräumt, die Brennesselstaude 
verwelkt und verwittert und der herabhängende Ast abgebrochen ist. Tiere sind 
unerhört konservativ - auch in ihren Gängen durch das Territorium, sei es das 
natürliche im Freien oder das künstliche im Zoo. 
An anderer Stelle (1951 [5]) habe ich geschildert, wie im Kongo eine auf einem 
vielbegangenen Flußpferdwechsel angelegte Fanggrube - gewiß eine traumatisie 
rende Erscheinung in einem Hippopotamus-Territorium - nach dem Verbot dieser 
Wilderer-Praktik von den konservativen Geschöpfen nur sozusagen um Haares 
breite umgangen wurde. 
Es hatte sich ferner gezeigt, daß z. B. ein Zebra-Wechsel im Freien sowohl wie im 
Zoo dieselbe einheitliche d. h. spezifische Breite von 30 cm aufweist (Abb. I, 2). 
So wie im Freien die Wechsel innerhalb des Territoriums von Fixpunkt zu Fix 
punkt führen, so tun sie das auch in den künstlichen Zooterritorien, d. h. in den 
Gehegen.
Tierstraßen im Zoo  5 
Im Zoo können - auf der tausend- oder zehntausendmal verkleinerten Fläche -
einzelne Teile des tierlichen Straßensystems durch übermäßig häufige Begehung 
hypertrophieren (Abb. 3), es kann geradezu zur Bewegungsstereotypie kommen, 
in dem Maße sogar, daß z. B. ein Eisbär auf seinen stereotypen Rundgängen seine 
Pfoten jedesmal auf den Zentimeter genau an derselben Stelle aufsetzt (1961 [6, 
S. 336]), Abb. 4. 
Abb.l 
Chapman-Zebra im Zoo 
auf dem von ihm 
angelegten 30 cm 
breiten Wechsel. 
Abb.2 
Vergleichende Messun 
gen von Zebra 
Wechseln im Zoo und 
im natürlichen Biotop 
in Afrika haben eine 
einheitliche Breite von 
30 cm ergeben. 
Wenn das Territorium eines Tier-Individuums bzw. einer strukturierten Gruppe 
von Individuen charakterisiert wurde als ein System von Fixpunkten, an denen zu 
bestimmten  Zeiten  bestimmte  Tätigkeiten  ausgeführt  werden,  und  die  durch 
Wechsel, d.  h. Tierstraßen von spezifischer Bauart miteinander verbunden sind, 
so  lassen  sich  einige  Formen  von  Bewegungsstereotypien  charakterisieren  als 
Hypertrophieen umschriebener Territoriumsteile  (Hediger  1961  [6]).  Solche  in 
rascher Folge vom Tier immer wieder begangenen Gehege-Teile können der Be-
6  Hediger 
obachtung kaum entgehen (Abb. 5). Ihre übertriebene Begehung steht zuweilen 
an der Grenze des Normalverhaltens und streift das Gebiet des Pathologischen. 
Das macht sie auffälliger, aber gewiß nicht weniger interessant, kennen wir doch 
auch von menschlichen Geisteskranken Verhaltensweisen, welche direkt an diese 
Phänomene anschließen (M. Meyer-HolzapfeI1964 [9, S. 278]). 
Abb.3 
Dieser Lama-Wechsel 
im Zoo läßt sich auf 
fassen als Ausdruck 
einer Bewegungs 
stereotypie, d. h. als ein 
hypertrophierter Teil 
des Wechsel-Systems. 
Abb.4 
Bei seinen stereotypen 
Gängen auf einem 
hypertrophierten 
\A' echsel setzt der Eisbär 
jedesmal seine Pfoten 
genau an denselben 
Stellen auf und macht 
damit bereits den 
Eindruck des 
Pathologischen. 
Als pathologisch möchte man vielleicht derart stereotype Kreisgänge betrachten, 
die sich im Laufe von Stunden oder gar Tagen im Gelände deutlich, oft sogar auf 
fällig abzeichnen. Doch können auch völlig normale Verhaltensweisen zur Bildung 
derartiger "Hexenringe" (Fairy rings) führen (Abb.6). 
In seinem schon erwähnten Buch über den amerikanischen Bison berichtet M. S. 
Garretson (1938 [4, S. 39]) von tausenden von Manege-artigen Ringen, welche da 
mals die Pioniere in der Prärie angetroffen haben, jeweilen im Frühjahr, wenn die 
Bisonkälbchen zur Welt kamen. Begreiflicherweise vermochten die frühen Siedler 
diese merkwürdige Erscheinung nicht zu deuten.
Tierstraßen im Zoo  7 
Später ließ sich feststellen, daß die Bisonstiere die gebärenden Kühe - auch noch 
eine Weile nach der Geburt - dauernd umkreisen, offenbar um die Wölfe abzu 
wehren, die es ganz besonders auf die neugeborenen Kälber abgesehen haben. Mit 
ihren seitlich eingesetzten Augen vermögen die Bullen durch ihren permanenten 
Kreisgang die gefährlichen Raubtiere offenbar am ehesten wahrzunehmen und 
Abb.5 
Auffällige Wechsel 
Bildung im Gehege 
nordamerkanischer 
Baumstachler (Urson) 
entstanden durch 
dauernd wiederholte 
stereotype Gänge 
(Photo R. Honegger). 
Abb.6 
Bei der Reh-Brunst im 
Freien entstandener 
Hexenring, durch 
Bestreuen von Mehl 
deutlich hervorgehoben 
(Photo Dr. E. Inhelder). 
dabei gleichzeitig Kuh und Kalb im Auge zu behalten. Der frontale und caudale 
blinde Winkel entfällt sozusagen bei dieser Art von optischer Kontrolle, welche 
den ganzen Horizont bestreicht, und die zur Bildung der eigentümlichen Kreis 
spuren führt. 
Ganz anders bedingt sind die in europäischen Reh-Revieren gelegentlich zu be 
obachtenden  Hexenringe.  Meinem  ehemaligen  Mitarbeiter  Dr.  Ernst  lnhelder 
(Zürich) verdanke ich das hier wiedergegebene Photo (Abb. 6) eines Reh-Hexen 
ringes, das er am 28. Juli 1958 im Kt. Thurgau aufgenommen hat. Zur Verdeut 
lichung wurde die leicht ovale, nahezu kreisförmige Spur mit Mehl bestreut. -
Bekanntlich  kommen  diese  Kreisgänge  beim  Reh  während  einer  bestimmten 
Brunstphase zustande. 
In der neuesten Ausgabe (1960 [10, 5.109]), heißt es in dem klassischen Werk 
von Ferdinand von Raesfeld über "Das Rehwild": "Diese erste Phase der Brunst