Table Of ContentHans D. Pflug
Die Spur des Lebens
PaHiontologie - chemisch betrachtet
Evolution Katastrophen N eubeginn
Mit 79 Abbildungen und 15 Tabellen
Springer-Verlag
Berlin Heidelberg New York Tokyo 1984
Prof. Dr. Dr.-Ing. Hans D.Pflug
Geologisch-Palaontologisches Institut
Universitat GieSen
SenckenbergstraSe 3, 6300 GieSen
Titelbild: Acanthocrinus Iingenbachensis, eine Seelilie aus dem
unterdevonischen Hunsriickschiefer.
Rontgenaufnahme von Prof. Dr. Dr. h. c. W. Stiirmer, Erlangen.
elp· Kurztitelaufnahme der Deutschen Bibliothek. Pflug, Hans D.: Die Spur des
Lebens: Palaontologie - chem. betrachtet 1 Hans D. Pflug. - Berlin; Heidelberg;
New York; Tokyo: Springer, 1984.
ISBN-13: 978-3-540-13465-7 e-ISBN-13: 978-3-642-82284-1
DOl: 10.1007/978-3-642-82284-1
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werden diirften.
Satz: G.Appl, Wemding
2152/3140-543210
Vorwort
Palaontologie und Chemie beriihren sich in zahlreichen
Punkten. Manches steht scheinbar beziehungslos nebenein
ander. Ich habe versucht, jene Erkenntnisse auszuwahlen, die
in einem sinnvollen Zusammenhang stehen. Die Biochemie
der vorzeitlichen Lebewesen und deren biochemische Evolu
tion steht im Mittelpunkt. Beachtung verdient aber auch die
Sediment-Chemie, soweit sie etwas iiber Lebensraum und Le
bensmilieu der vorzeitlichen Organismen und deren Bezie
hungen zur Umwelt aussagt. Mit der biologischen Evolution
eng verbunden, ist die Chemie der irdischen Stoffkreislaufe,
in die aIle Lebewesen eingebunden sind und in die sie standig
hineinwirken.
Ein anderes Gebiet ist die Chemie der Fossilisation, d. h.
der Umwandlungsprozesse der biologischen Substanzen im
Sediment. Dieses Forschungsgebiet ist zur Domane einer
Nachbarwissenschaft, der organischen Geochemie geworden.
Auch die Forschungsrichtung, die der Vorgeschichte des Le
bens im Labor nachspiirt, hat sich zur Eigenstandigkeit neben
der Palaontologie entwickelt. Uber diese ist schon oft in ver
standlicher Weise geschrieben worden, so daB ich mich dazu
kurz fassen kann [13, 20, 21, 39, 51, 143, 145].
In der Geschichte des Lebens gibt es einige besonders
spannende Kapitel:
- Die Herkunft des Lebens,
- der Ursprung der hoheren Pflanzen und Tiere,
- die Entfaltung und Ausbreitung der Lebewelt auf der Erde
und
- die groBen Aussterbe-Ereignisse.
Es liegt nahe zu fragen, was die Chemie zur Aufklarung dieser
Vorgange beigetragen hat. Hiemach habe ich das Buch in sei
ne Abschnitte gegliedert und so bestimmt sich auch die Aus
wahl des Stoffes. Kiirze war oft notig, damit der Text fliissig
lesbar bleibt. Der interessierte Leser kann sich anhand der Li-
v
teratur genauer unterrichten. Dort findet man auch Verzeich
nisse, die auf altere Arbeiten hinweisen. Aus Platzgriinden
muf3te auf eine vollstandige Bibliographie verzichtet werden.
Fur Mithilfe und Durchsicht des Manuskripts danke ich
Frau Dr. B. Heinz, Frankfurt/M., Frau E. Gr6ning, Marburg
sowie den Herren J. Gerhard und E. Reitz, Gief3en.
Gief3en, Mai 1984 Hans D. Pflug
VI
I nhaltsverzeichnis
Palaontologie und Chemie - eine vielseitige
Partnerschaft .. . . . . . . . . . . . . . . . 1
Erdgeschichte und Lebensgeschichte . . . . 4
Proteine und Aminosauren, eine problematische
Fossilgruppe. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7
Kohlenhydrate und Lignine - Zeugnisse versunkener
Floren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13
Lipide, die Ahnen des Erd6ls und Bemsteins 17
Erste Spuren tierischen Lebens. . . . 28
Tiere entwickeln Hartskelette ....... 35
Wo haben die Tiere ihren Ursprung? ... 41
Biominerale vermitteln Lebensgeschichte . 45
Phytoplankton, ein Vorreiter der Evolution 56
Die ersten Landpflanzen . . . 61
Eine Lagerstatte wird geboren 73
Die erfolgreichen Chitin-Tiere 80
Das Festland wird kolonisiert 84
Das lridium-Ereignis - eine Aussterbe-Katastrophe? 95
Aussterbe-Ereignisse und biochemische Evolution. 101
Lagerstattenchemie als Lebensurkunde 110
Sauerstoff, ein Motor der Evolution . . . . . . . . . 121
Regiert Gaia die Erde? . . . . . . . . . . . . . . .. . 124
Friihe geologische Uberiieferung und Ursprung des
Lebens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127
Anhang: Chemische Analysenverfahren in der
Palaontologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142
Erklarung der Fachausdriicke (soweit nicht im Text
eriautert) . 146
Literatur . . . . . 154
Sachverzeichnis . 163
VII
Paliiontologie und Chemie - eine vielseitige
Partnerschaft
In manchem sind Palaontologie und Chemie ungleiche Geschwister: An
ders als die Chemie ist die Palaontologie eine historische Wissenschaft,
denn aile Fossilforschung dient letztlich dazu, die Geschichte des Lebens
zu rekonstruieren. Ein zweiter Unterschied betrifft die Methodik: Was den
Palaontologen hauptsachlich interessiert, sind korperliche Strukturen, we
niger deren Stoffbestand. So ist die Palaontologie struktur-orientiert und
nicht stofforientiert wie die Chemie. In dieser Beziehung nimmt die Palao
Biochemie eine vermittelnde Stellung ein [38,51, 187]. Sie hat sich auf der
Grundlage moderner Analysentechniken (wie der Gaschromatographie/
Massenspektroskopie) etabliert, mithilfe derer sich auch noch Spuren or
ganischer Verbindungen nachweisen lassen. Damit, so war die begriindete
Erwartung, miiBte man in Fossilien noch Korpersubstanzen aufspiiren
konnen, die iiber die Biochemie des urzeitlichen Lebewesens AufschluB
geben. Solche Chemofossilien waren dann als Urkunden der biochemi
schen Evolution verwertbar. Besonders vielversprechend erschien das Ver
fahren fUr die prakambrischen Gesteine, in denen Fossilstrukturen selten,
organische Substanzen aber verbreitet sind. Uber solche Funde schien es
moglich, dem Ursprung des Lebens auf die Spur zu kommen.
Nicht aile Erwartungen haben sich erfiillt. So muBte man erkennen,
daB die chemische Zusammensetzung eines Fossils, wie es heute vorliegt,
von vielen und oft unberechenbaren geologischen Einfliissen tiefgreifend
verandert ist. Schwierig zu fassen sind die vielfaltigen Stoffaustauschvor
gange, wie sie zwischen Fossilkorper und umgebenden Sediment stattfin
den. Der Korper gibt nach auBen Zersetzungsprodukte ab und nimmt im
Gegenzug aus dem Sediment Stoffe auf (Abb.1, 2). Wird das Sediment
von Grundwasser, Erdol oder anderen Medien durchstromt, konnen orga
nische Verunreinigungen in den Fossilkorper eingeschleppt werden. Ge
steine hohen Alters sind in dieser Hinsicht besonders gefahrdet, da sie ein
langes und wechselvolles Schicksal hinter sich haben. Viele Analysenbe
funde aus prakambrischen Schichten sind so mittlerweile in die Rubrik fUr
zweifelhafte Faile gekommen.
Es gibt keine zuverlassigen Kriterien, nach der sich die urspriinglichen
Bestandteile des Fossils von spateren Verunreinigungen sieber unterschei
den lassen. 1m einzelnen ist unkalkulierbar, wie sich die organischen In-
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Abb.l (Links). Drei Analysen eines Knochenfundes auf Glutaminsaure an verschieden
lokalisierten Stellen. (a) Gehalt im Knochen, (b) Gehalt auBerhalb des Knochens im di
rekt anhaftenden Sediment, (c) GehaIt im Sediment etwa 2 cm vom Knochen entfernt.
Der Befund indiziert, daB organische Bestandteile des Knochens ins Sediment abge
wandert sind. (Nach Armstrong aus Tarlo (1967»
Abb.2 (Rechts). Fiinf Analysen auf Aminosauren an lokalisierten Probenpunkten in ei
nem Bruchstiick des A1lende-Meteoriten. Die Analysenpunkte verteilen sich von der
AuBenschale (O)bis in den Kernbereich des Steins (ca. 2 cm vom Rand entfernt). Aus der
Graphik ist zu folgern, daB irdische Verunreinigungen von auBen in das Gestein einge
drungen sind. Nach Untersuchungen an der Universitat Miami aus Abelson (1959)
haltsstoffe im Laufe ihrer Fossilisation umwandeln und umsetzen. Allen
falls sind generelle Regeln erkennbar.
Insgesamt erhalten sich reaktionstrage und hitzeresistente Verbindun
gen im Gestein langer als andere. Aber das muG nicht immer so sein. Un
ter giinstigen Umstanden konnen auch leicht vergangliche Stoffe wie Pro
tein oder Cellulose geologische Zeitraume iiberdauem. Solche Ausnah
mefalle sind fiir die Palaontologie oft interessanter als die Regelbeispiele.
Beide Moglichkeiten, der Regelfall und das Ausnahmebeispiel, werden
uns noch wiederholt beschaftigen.
Eine zweite Schwierigkeit ist technischer Art. Das meiste der fossil-or
ganischen Substanz liegt in Form des Umwandlungsproduktes Kerogen
vor. (Abb. 43, S. 78). Es ist dies ein aus groGmolekularen Strukturen zusam
mengesetzter Stoffkomplex, der sich durch keines der iiblichen Losungs
mittel aufschlieGen laGt. Nur mit relativ groben Methoden, Erhitzung oder
Oxidation, lassen sich aus der reaktionstragen Masse molekulare Bruch
stiicke abspalten und fUr die Analyse verwerten. Diese besagen manchmal
2
vie! zum Ursprung der Substanzen, manchmal auch recht wenig. In wech
selnden Anteilen sind neben dem Kerogen stets losliche organische Ver
bindungen im Gestein enthalten. Diese lassen sich zwar meist gut identifi
zieren, sind aber mit Vorsicht zu beurteilen, denn hier stecken normaler
weise Verunreinigungen, die aus verschiedenen sekundaren Quellen
stammen konnen.
Man hat inzwischen mehr und mehr gelernt, diese Gefahren einzu
schatzen und die sicheren Befunde von den unsicheren zu trennen. Hilfe
bringt dabei eine benachbarte Wissenschaft, die organische Geochemie.
Fiir sie ist es eine Hauptaufgabe, die Umwandlungsprozesse aufzuhellen,
wie sie die organischen Bestandteile im Sediment erfahren [18, 25, 35, 43,
166, 192, 193].
Bei Palaontologen hat die organische Fossilchemie bisher nur maBiges
Interesse gefunden. Bezeichnenderweise ist in Lehr- und Handbiichern
der Palaontologie nichts oder nur wenig zum Thema zu lesen. Das wird
der Bedeutung dieser Arbeitsrichtung nicht gerecht, denn inzwischen ha
ben die Ergebnisse der organischen Fossilchemie doch viel zur Palaonto
logie beigetragen. Viele Befunde sind geeignet, die morphologische Deu
tung eines Fossils zu bestatigen oder zu erganzen, andere tragen dazu bei,
zwischen alternativen Deutungen zu entscheiden (Beispiele werden im
nachsten Kapitel angefiihrt).
Auch auf einem anderen modernen Feld der Palaontologie hat die
Chemie FuB gefaBt. Es ist die Erforschung der Biominerale und der Bio
mineralisations-Prozesse. Neue analytische Methoden zeigen, daB zahlrei
che Organismen und zwar viel mehr als fmher geglaubt, mineralische Sub
stanzen (sog. Biominerale) in ihrem Stoffwechsel erzeugen. Diese dienen
nicht nur als Skelettmaterial sondern auch vie!en anderen Zwecken. Die
Mineralbildungen erhalten sich fossil oft gut, sowohl in ihrer Struktur wie
in ihrem Stoffbestand. Noch wichtiger ist die Feststellung, daB sich in die
sen Oberresten die Biochemie des Organismus in einigen wesentlichen
Ziigen widerspiegelt. Dadurch kommt man zu Erkenntnissen der bioche
mischen Evolution. Biominerale konnen ortlich in groBen Mengen pro
duziert werden und dann machtige Gesteinsformationen aufbauen. Be
kannte Beispiele sind die Riffkalke und die Diatomeen-Gesteine. Haufig
finden sich Biominerale zusammen mit organischen Stoffen und bilden
mit diesen einen wesentlichen Bestandteil des Sediments.
Nicht aIle Biosedimente sind Produkte von Zellen. Manche leiten sich
von chemischen Reaktionsprozessen ab, die auBerhalb der Zelle unter
dem EinfluB der Photosynthese oder anderen Lebensaktivitaten stattfin
den. AIle diese verschiedenen Biosedimente lassen sich palaontologisch
verwerten. Sie sind dort besonders niitzlich, wo Korperfossilien sparlich
sind oder fehlen [78, 182, 197, 199].
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Erdgeschichte und Lebensgeschichte
METEORITEN 3700
2900
Abb.3. Geologische Uhr, deren Zifferblatt von der Zeitmarke 4600 Millionen Jahre bis
zur Jetztzeit (0) lauft. Das senkrecht schraffierte Feld zeigt die metamorphen Gesteinsal
ter der Erdkruste in ihrer Haufigkeitsverteilung, das waagerecht schraffierte Feld gibt in
entsprechender Weise die metamorphen Gesteinsalter der chondritischen Meteoriten
wider. Die feingestreiften Siiulen rechts indizieren das friihe meteoritische Einschlags
ereignis. Die schwarzen Siiulen stehen fUr Eiszeiten. Die Evolution der Tiere ist mit der
Haufigkeitsverteilung der Metazoen-Ordnungen angezeigt. Zusammengestellt nach An
gaben von Deamley (1969), Kirsten (1978), Maurer et al. (1978), Chumakov (1981), Va
lentine (1973)
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