Table Of ContentSpringer-Verlag Berlin Heidelberg GmbH
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Uber die Dummheit.
Eine Umschau
im Gebiete menschlicher Unzulänglichkeit.
Von Dr. Leopold Loewenfeld,
Spezialarzt für Nervenkrankheiten in München.
Zweite Auflage. Preis kartoniert Mk. 39--.
Übe r den T rau m.
Von Prof. Dr. Sigm. Freud in Wien.
Dritte Auflage. Preis Mk. !)--.
Die Träume der Dichter.
Eine vergleichende Untersuchung der unbewußten
Triebkräfte bei Dichtern, Neurotikern u. Verbrechern.
(Bausteine zur Psychologie des Künstlers und des Kunstwerkes.)
Von Dr. Wilhelm Stekel in Wien.
Preis Mk. 6.65.
Der Traum
ein assoziativer Kurzschluß.
Von Dr. Hans Henning in Frankfurt a. M.
Mit 5 Textabbildungen. Preis Mk. J .80.
Über den nervösen Charakter.
Grundzüge einer vergleichenden Indi
vidualpsychologie und Psychotherapie.
Von Dr. Alfred Adler in Wien.
Zweite urngearb eitete Auflage.
1919. Preis Mk. 14,-,
Praxis und Theorie
der
Individualpsychologie.
Von Dr. Alfred Adler in Wien.
1920. Preis Mk. 30.- gebe Mk. 36.-.
Hierzu Teuerungszuschlag.
Die Sprache des Traumes.
Die
Sprache des Traumes.
Eine Darstellung der Symbolik und
Deutung des Traumes in ihren Beziehungen
zur kranken und gesunden Secle
für
Ärzte und Psychologen
von
Dr. Wilhelm Stekel.
Zweite, verbesserte Auflage.
"Veniet tempus, quo ista, quae nunc
latent, in lucem dies extrahat."
Seneca.
Springer-Verlag Berlin Heidelberg GmbH 1922
ISBN 978-3-662-29857-2 ISBN 978-3-662-30001-5 (eBook)
DOI 10.1007/978-3-662-30001-5
Nachdruck verboten.
Übersetzungsrecht in alle Sprachen vorbehalten.
© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 1922
Ursprünglich erschienen bei J. F. Bergmann 1922
Druck der Universitätsdruckerei H. Stürtz A. G., Würzburg.
V orrede zur zweiten Auflage.
Seit dem Erscheinen der ersten Auflage dieses Werkes hat die
Traumforschung große Fortschritte zu verzeichnen. Ich kann es -
ohne unbescheiden zu sein - behaupten, daß dies Werk trotz mancher
Fehler die Traumwissenschaft außerordentlich bereichert und viele For
scher angeregt hat. Stillschweigend sind die Erkenntnisse zum Allge
meingut aller Analytiker geworden.
Ich war nun bei der zweiten Auflage vor eine schwere Aufgabe
gestellt. Ich habe unendlich viel Neues gelernt und sehe jetzt viel tiefer
in das Gewebe des Traumes. Ich hätte eigentlich das ganze Buch neu
schreiben müssen. Ich habe mich aber entschlossen, das Werk zu
kürzen, übertreibungen und fragliche Erkenntnisse auszumerzen, einiges
Neue hinzuzufügen und dem Werke einen zweiten Band folgen zu lassen:
"Die Fortschritte der Traumdeutung". Da mich aber jetzt die Bearbeitung
der "Störungen des Trieb· und Affektlebens" voll und ganz in Anspruch
nimmt, werden meine Freunde und Leser wohl noch eine geraume Zeit
auf die Fortsetzung warten müssen.
Bad Gastein, im August 1921.
Der Verfasser.
Inhaltsverzeichnis.
Seite
I. Die Bedeutung der Symbolik . . 1
II. Der Traum vom Telephon . . . 13
III. Auf der Oberfläche der Probleme 18
IV. Der Traum vom versunkenen Baum. 26
V. Die TraumentsteIlung. 31
VI. Die TraumentsteIlung. ..... . 40
VII. Die TraumentsteIlung. ..... . 46
VIII. Die Spaltung der Persönlichkeit im Traume 50
IX. Transformationen und Bisexualität. 55
X. Rechts und links im Traume . 63
XI. Träume eines Zweiflers 72
XII. Leben und Sterben im Traume 77
XIII. Die Reden im Traume . . . . 82
XIV. Der Affekt im Traume 85
XV. Was die Tiere im Traume bedeuten 102
XVI. Was die Pflanzen bedeuten 121
XVII. Die Rolle des Kindes und der Verwandten im Traume 130
XVIII. Wortneubi1dungen und unverständliche Worte 136
XIX. Der Traum im Traume . . . . . . . . . . 148
XX. Das Erlebnis im Traume und Rettungsträume 157
XXI. Onanieträume 164
XXII. Zahnträume . . 180
XXIII. Flugträume 186
XXIV. Ammenträume . 193
XXV. Wasser-, Feuer- und Schwangerschaftsträume 204
XXVI. Geburtsträume 217
XXVII. Mutterleibsträume . . . 227
XXVIII. Die Träume der Kinder 239
XXIX. Todessymbolik . 250
XXX. Todessymbolik . 255
XXXI. Todessymbolik . 264
XXXII. Todessymbolik . 271
XXXIII. Todessymbolik . 279
XXXIV. Todessymbolik . 293
XXXV. Todessymbolik . 299
VIII
Seite
XXXVI. Das Verbrechen im Traume . . . . . . . . . 310
XXXVII. "Auferstehung" und zum zweiten Male sterben. 324
XXXVIII. Zahlenanalysen und Zahlensymbolik . . . . . . 333
XXXIX. Biographische Träume . . . . . . . . . . . . 351
XL. Das Gefühl des Fremden im Leben und im Traume 357
XLI. Stereotype Träume . . . . . . . . . . 368
XLII. Die ersten Träume in der Psychanalyse ..... 385
XLIII. Verschiedene Darstellungen eines Traumes 394
XLIV. Traumatische Zustände, Halluzinationen und hypnagoge Bilder 398
XLV. Künstliche Träume . . . . . . 410
XLV I. Telepathische Träume . . . . . 417
XLVII. Die Technik der Traumdeutung 424
XLVIII. Rückblicke . . . . . . . . . . 443
1.
Die Bedeutung der Symbolik.
"Wahrlich, waren die Menschen sinniger, di e
feinen WInke der Natur zu beobachten
und zu deuten, dieses Traumleben mußte sie
aufmerksam machen. Sie müßten finden, daß
von dem großen Rätsel, nach dessen Losung
sie dursten, die Natur uns hier schon die
erste Silbe eingeflüstert hat." Kürnberyer.
Die Kunst der Traumdeutung ist eine uralt!'!. Die ältesten über
lieferungen erzählen uns von gedeuteten Träumen. Der Traum war der
Mittler zwischen den höheren Gewalten und den Menschen. Meistens
war es die Stimme der Gottheit, die sich im Traume verkündigte. Auch
Dämonen und alle finsteren Mächte konnten durch den Traum mit den
Menschen verkehren. Es war eine Zeit, die wir Nüchternen uns kaum
vorstellen können. .,Die Beleuchtung und die Farben allerdings" -
sagt Nietzsche - "haben sich verändert! Wir verstehen nicht mehr
ganz, wie die al ten Menschen das Nächste und Häufigste empfanden -
zum Beispiel den Tag und das Wachen: dadurch, daß die Alten
an die Träume glaubten, hatte das wache Leben andere
J." chter."
Doch das einfache Volk hat im Gegensatz zu den Gelehrten die
iTräume niemals als Schäume betrachtet. In ihm schlummerte das Be
wußtsein von der Wichtigkeit dieses psychischen Materiales. Nur be
stand es hartnäckig auf den Glauben, den wir den "historischen" nennen
dürfen: es wollte aus dem Traume die Zukunft erschließen. Der Traum
galt als der unfehlbare Prophet. Wer Träume deuten konnte, dem war
die Gabe gegeben, die Rätsel der Zukunft zu lösen. Eine Abspaltung
dieses Glaubens ist die Verwendung des Traumes zu Zwecken des Geld
erwerbes. Die Umdeutung der Traumbilder in Nummern wird noch heute
fleißig geübt und spielt eine große Rolle im Volke 1). Die "Gebildeten"
hielten es für ihre Pflicht, über diese Tendenzen erhaben zu lächeln.
Der Traum wurde als ein müßiges Spiel einer vom Bewuß~sein nicht
gelenkten Phantasie betrachtet. Allerdings hätte die einfache Überlegung
sagen müssen: Auch in dieser verzerrten Form handelt es sich um psychI
sches Rohmaterial. Laßt uns nachsehen, was wir daraus gewinnen können.
1) Ich will bei dieser Gelegenheit mitteilen, daß ich es nicht verschmäht habe,
die verschiedenen ägyptischen und persischen Traumbücher durchzusehen. Ich
wollte mich überzeugen, ob unsere aus Traumanalysen erworbenen Kenntnisse durch
die Überlieferungen gestützt würden. Das ist nur selten der Fall gewesen. Die Traum
bücher, die im Volke zirkulieren, machen mir den Eindruck von willkürlichen Mach
werken. Die Umdeutung von Traumbildern in Nummern ist offenbar dem erst einige
Jahrhlmderte alten Lotterie~piele zu verdanken.
Steke!, Die Sprache des Traumes. 2. Aufl. I
2
Hie und da fanden sich auch Forscher, die den Versuch wagten, das
Rätsel des Traumes zu lösen. Mehr als glückliche Anfänge und miß
glückte Theorien kamen nicht zutage 1).
Es ist das unsterbliche Verdienst von Freud, dieses große Werk
in Angriff genommen zu haben. Mit seinem grundlegenden Werke "Die
Traumdeutung" beginnt eine neue Epoche der Traumwissenschaft.
Die neue rrhese, die Freud aufgestellt hat; hieß: Der Traum
ist eine Wunscherfüllung. Diese neue Erkenntnis stützte er durch
eine große Reihe von geistreichen Traumanalysen. Er zeigte, daß die
Sprache des Traumes gewissen Gesetzen unterworfen ist und durch den
Prozeß der Traumentstellung unkenntlich gemacht wird. Er bewies,
daß der Unsinn der Träume nur ein Schein ist, der dazu dient, den
wahren Sinn zu verbergen. Wir sollen nicht erfahren, was wir bei Nacht
denken.
Auf diese Erkenntnisse kam er bei seinen Studien über die Hysterie
und über die anderen Neurosen. Er hatte durch J anet die Bedeutung
des U nb e w u ß t e n kennen gelernt. Wer sich nur um die Regungen des
Bewußtseins bekümmerte, für den war der Traum in der Tat ein neben
sächliches psychisches Produkt. Dem Forscher, der an unbewußte
Regungen glaubte, mußte sich der Traum als wichtigstes unbewußtes
Gebilde aufdrängen. Bestand die neue Lehre von Freud darin, daß man
hinter den neurotischen Symptomen unbewußte Vorstellungen finden
konnte, so mußte gerade der Traum einen Zugang zu diesen unbewußten
pRychischen Ge1;>ilden verschaffen können.
Diese Voraussetzungen erfüllen sich im reichsten Maße. Heute ist
die ,,~Traumdeutung" ein wichtiger Bestandteil der Psychanalyse. Heute
muß sich der Arzt mit der Traumdeutung beschäftigen, wenn er auch
Seelenarzt sein will. Und wie könnte ein wahrhafter Arzt etwas anderes
sein wollen als ein Seelenarzt?
Wie recht hat AnatoJ<France, wenn er sagt: "Ich bin fest über
zeugt, daß die Macht der Träume größer ist als die der Wirklichkeit."
Der Traum ist die Brücke der realen Welt zu der übersinnlichen. Das
wußten die Alten besser als wir. Sie glaubten an die Träume'und fühlten
sich im Traume der Gottheit näher.
Die Gottheit ist die Projektion unseres Ideals in die Unendlichkeit.
Was wir von unserem idealen Ich fordern, das erscheint uns dann wie eine
Forderung der Gottheit. Alle Erscheinungen des Ich werden immer
während in Beziehungen zu diesem höchsten Ideal gebracht. Daher war
die erste primitive Auffassung vom Wesen des Traumes, er wäre uns von
Gott gesandt. Die Stimme Gottes mahne und warne, verkünde l.l.nd be
lobe uns im Traume. Die Traumdeuter der Vergangenheit rühmten sich
der Gabe, diese geheimnisvolle Sprache verstehen und dadurch die Zu
kunft vorhersagen zu können.
Aber nicht nur das ideale Ich wird in die Unendlichkeit proji
ziert. Auch das böse Ich wild nach außen gestrahlt und erscheint
uns wieder als Versuchung und Beeinflussung dämonischer Mächte.
Auch der ~Teufel benützt den Traum, um sich unserer Seele zu bemäch
tigen und uns satanische Gedanken einzugeben. Die naive Auffassung
des Mittelalters sah in dem Traume einen Kampf zwischen Himmel und
1) Die reiche Literatur i1ber den Traum findet bei Freud eingehende
Würdigung.