Table Of ContentDie Rechtsstellung
der Lehrkräfte an den Preußischen
Technischen Hochschulen
Ein Vortrag
von
w.
Dr. Kähler
Professor In beben
Springer-Verlag Berlin Heidelberg GmbH
1913
ISBN 978-3-662-23986-5 ISBN 978-3-662-26098-2 (eBook)
DOI 10.1007/978-3-662-26098-2
Alle Rechte, insbesondere das der
Übersetzung in fremde Sprachen, vorbehalten.
Vorwort.
Die Ausführungen dieses Vortrages sind aus langjährigen
praktibchen Beobachtungen und dem Bedürfnis ihrer zusammen
fassenden Ordnung entstanden. Erstmals vor Kollegen im Aachener
Dozentenverein vorgetragen, werden sie aueh der Öffentlichkeit
mitgeteilt, weil der Wunsch danach in der Besprechung des Vor
trages geäußert wurde. So können sie vielleicht auch anderwärts
zur besseren Einführung in die Lebensbedingungen unserer amt
lichen Wirksamkeit dienen. Ich sehe die beiden Hauptpunkte
der Rechtsstellung des Hochschulprofessors in dem Beamten
charakter und in der Mitgliedschaft im Abteilungskollegium.
Deutet ersterer auf die Abhängigkeit von dem Staat hin, so liegen
in letzterer die Wurzeln der Selbstverwaltung. Da.raUf:> ergibt sich
füt mich die Wichtigkeit der verständnisvollen Pflege der Arbeits
gemeinschaft in den Abteilungen für die Weiterentwicklung der
Hochschulen.
Daß die Ausführungen sich nur auf die preußischen Tech
nischen Hochschulen beziehen, und, wenn auch nicht ausschließ
lich, so doch in erster Linie an die Aachener Verfassung anknüpfen,
ergibt sich a.us dem praktischen Zweck des Vortrages. Indes sind
die preußischen Hochschulen fast ganz - die älteren drei mit ganz
geringen Unterschieden, die jüngeren beiden in sich gleichartig,
aber auch von den älteren nicht stark unterschieden - gleichen
Rechtes, und daher treffen die Grundzüge der Ausführungen auch
anderwärts zu.
w.
Aschen. Köhler.
1*
Inhalt.
Seite
Einleitung • . • . • . . . • . . . . . . . . . 7
I. Die Rechtsquellen . . . . . . . . . . . . . 8
II. Die akademische Freiheit und ihre Begrenzung . 10
Problemstellung: RechtsbegrifI oder tatsächliche Übung?
1. Griindung auf die Preuß. Verfassung. Abweichende Ansicht
von Bornhak und deren Widerlegung. 2. Ferner tatsächlich
ausgeübte Freiheit der Amtsführung, dargelegt an den Grenzen
der Freiheit. a) Die Beamtenstellung. b) Der Lehrauftrag.
c) Die Lehrpläne.
III. Die Lehrkräfte an den Technischen Hochschulen. . . . . . . 18
Übersicht. Im besonderen 1. Honorarprofessoren. ~. Duz0utcn.
3. Privatdozentur.
IV. Die Rechte der etatmäßigen Professoren . . . . •. 25
Ernennung. Recht auf das Amt. Mitgliedschaft in der Ab·
teilung. Anspruch auf Titel und Rang. Dienstalter. Ansprnch
auf Gehalt und Ruhegehalt. Gebühren und Kolleggelder.
Soziale Rücksichten und Bedürfnisse bei der Feststellung des
Amtseinkommens.
V. Die PB.ichten der etatmäßigen Professoren ......... 34
Stellung als Beamter. Ordnungsmäßige Ausführung seines
Lehrauftrages. Treuverhältnis zum Landesherren. Residenz
pflicht und Urlaub. Nebenerwerb. Mitarbeit in der Selbstver~
waltung der Hochschule und bei den Prüfungen.
VI. Das Disziplinarverfahren . . . . _ . . . . . . . . . . . . . 42
Kontrolle 1. durch den Rektor, 2. dureh den Kgl. KommiBsar.
Disziplinarverfahren und Versetzung im Interesse des Dienstes.
Verhältnisse der Privatdozenten.
Einleitung.
Die Beamtenstellung des Hochschulprofessors wird im fol
genden besprochen werden. Das Thema hat dadurch seine be
sondere Schwierigkeit, weil im Gefühl der Beteiligten gerade diese
Seite ihrer Stellung, die doch die ä.ußere Grundlage ihres Wirkens
überhaupt bildet, sehr zurücktritt. Daß dies möglich ist, folgt
aus der Eigenart der Korporation, der der Hochschulprofessor
angehört. Diese ermöglicht ihm eine Wirksamkeit in sehr weiten
Grenzen der persönlichen Bewegungsfreiheit, aber doch immer als
Beamter. Über die Weite dieser Grenzen herrschen vielfach falsche
Vorstellungen, indem man sich an einem falschen Vergleichsobjekt
zu unterrichten strebt, an den Universitäten. Weder stehen sich
rechtlich Hochschulen und Universitä.ten ohne weiteres in allen
Beziehungen gleich, noch auch sind tatsächlich ihre Glieder sich
ohne weiteres gleichgestellt oder nach gleichen Grundsätzen zu
beurteilen. Auch wenn wir uns als den Universitäten gleich
einschätzen, ist damit noch nicht gesagt, daß dies von der
andern Seite und von der Allgemeinheit auch geschieht. Ein Be
weis dafür sind z. B. die wenigen Fä.lle, in denen ein Ordinarius
einer Universität dem Ruf als etatmäßiger Professor an einer
Technischen Hochschule gefolgt ist. Ein wesentlicher Schritt
in der Gleichstellung ist freilich, daß in Breslau Ordinarien der
Universität "nebenamtlich mit der Abhaltung von Vorträgen und
Übungen an der Kgl. Technischen Hochschule beauftragt" und
zugleich z. T. zu Abteilungsmitgliedern an dieser ernannt sindl).
Als Beweis einer entgegengesetzten Entwickelung läßt sich eine
') In der Breslauer Verfassung ist diese Eigenart nicht zum Ausdruck
geko=en, so daß man auch schwanken kann, zu welcher der dort (§ 7)
genannten Kategorien der Lehrer diese Professoren gehören, insbesondere
ob sie etatmäßige Professoren oder Honorarprofessoren sind. Da nicht alle
diese Professoren Abteilungsmitglieder sind, so wird man sie den Honorar
professoren zuzurechnen haben. Denn die etatmäßigen Professoren sind
nach der Verfassung (§ 11) von selbst Abteilungsmitglieder.
8 -
Zcitungsnachricht verwerten, die während des Drucks dieser
Arbeit meldet, daß ein etatmäßiger Professor der Breslauer
Hochschule sich als Privatdozent an der dortigen Universität
habilitiert hat.
Im ganzen wird es gut sein, bei allen diesen Vberlegungen
deutlich zu scheiden einerseits den tatsächlichen Zustand und
seine rechtliche Grundlage, andererseits unsere Wünsche
bezüglich einer solchen, also das Streben nach einer Abänderung
des tatsächlichen und rechtlichen Zustandes. Ich gehe dabei zu
nächst aus von der rechtlichen Regelung und lege im wesentlichen
unsere Aachener Verhältnisse zugrunde, jedenfalls beschränke
ich mich auf die preußischen Verhältnisse.
I. Die Rechtsqnellen.
Das Recht der Technischen Hochschulenl) ist ein Teil des
Preußischen Verwaltungsrechts, d. h. derjenigen Rechtssätze,
welche die Durchführung der Staatszwecke im Königreich Preußen
regeln. Eine umfassende Niederlegung der allgemeinen Rechts
sätze für dieses Gebiet hat nicht stattgefunden. Vielmehr setzt
eE. sich aus einer großen Zahl einzelner Rechtssätze verschiedenster
Form zusammen.
Das Recht der Lehrer an den Technischen Hochschulen ist,
weil und soweit diese Lehrer Beamte sind, enthalten in dem Recht
der nicht richterlichen Beamten Preußens. Dieses Recht ist fest
gestellt zunächst im Allgemeinen Landrecht II. 10, ferner im
Disziplinargesetz von 1852. Soweit in diesen Gesetzen keine
Bestimmungen enthalten sind, kommen die für den besonderen
Verwaltungszweig, das Technische Hochschulwesen, erlassenen
Sonderrechtsvorschriften in Betracht.
Der Erlaß solcher Rechtsvorschriften steht allein dem Könige
zu. Dieser hat nach § 43 des A. Verf. Stat. dies Recht in weitem
Umfang dem Minister der geistl. und Unterrichtsangelegenheiten
übertragen, indem er ihn zum Erlaß der zur Ausführung des
Verfassungsstatuts erforderlichen Anordnungen bevollmächtigt.
1) Vgl. im allgemeinen Bornhak, Rechtsverhältnisse der Hochschul
lehrer in Preußen, Berlin 1901; P. F. Da. mm, Die Technischen Hochschulen
Preußens, ihre Entwicklung und gegenwä.rtige Verfassung, Berlin 1909.
- 9
An besonderen Rechtsquellen haben wir nun vor allem das
Verfassungsstatut vom 27. 8. 18801). Die Bezeichnung als Statut
ist dabei mißvelbtändlich. Denn Statuten - deutsch Satzungen
- sind Rechtsgrundsätze, welche genosseLSchaftlichen Ursprungs
sind, in denen eine Personen-Mehrheit, Verein, Genossenschaft des
öffentlichen Rechts USW. sich - wenn auch im Rahmen anderer
bestehend~r Rechtssätze - ihr eigenes Recht schafft; solche
Satzungen können der Genehmigung unterliegen, aber sie ent·
nehmen ihre Rechtskraft aus dem übereinstimmenden Willen der
Genossenschaft. In diesem Sinne sind unsere Satzungen nicht
Statuten. Auch wenn die Hochschule vor ihrem Erlaß gehört ist,
und nach der Verf. § 22 1 die Begutachtung von Abänderungen
des Verfassungsstatuts zu den Befugnissen und Obliegenheiten
des Senates gehört, so sind die Statuten vom König erlasF;en:
Äußerlich bezeichnet das Statut sich freilich nur als vom König
"genehmigt". Es ist aber entworfen von dem technischen Organ
der landesherrlichen Gewalt zur Verwaltullg des Unterrichts wesens ,
vom Unterrichtsminister, und dann vom König genehmigt. Das
ist gleichbedeutend mit königlicher Verordnung.
Wesentlich ist, daß dadurch Änderungen an diesem Statut
erschwert sind: sie können auch nur durch Königliche Verordnung
erfolgen. Dieser Weg ist mnständlicher als der der ministeriellen
Verordnung. So ist also den Bestimmungen der Verfassung ein
größeres Gewicht beigelegt; sie stellen das Dauernde, Wesentliche
für die Organisation der Hochschule dar.
Daneben stehen dann alle die einzelnen Ausführungsanord
nungen des Ministers, die 'mit derselben Wirkung Recht schaffen.
Da von sind zu nennen v~r allem
das Regulativ betr. die Organisation der Abteilungen vom
7.9.18802);
die Urlaubsordnung vom 28. 4. 18823);
die Habilitationsordnung vom 24.4. 18824);
die verschiedenen Prüfungsordnungen.
1) Berlin 22.8.1882, Hannover 7.9.1880, Danzig 1. 10. 1904,
Breslau 20.7. 1910.
2) Berlin 23. ll. 1894, Hannover 7. 9.1880, Danzig 2. 10. 1904.
") Berlin 28.4.1882, Hannover 28.4.1882.
') Berlin 24.4.1884, Hannover 24.4.1884, Danzig 3.10. 1904.
10 -
Außerdem aber kommen als Recht schaffend auch die Einzel
verfügungen des Ministers in Betracht, in denen er innerhalb dieses
Rahmens einzelne Verhältnisse regelt. Dazu gehört zum Beispiel
die Anstellungsurkunde für den einzelnen Professor, die nach dem
üblichen Wortlaut ihn
"beauftragt, seine Lehrtätigkeit in dem Umfange auszuüben,
wie es durch die ministerieller Genehmigung untc;rliegenden
Lehrpläne vorgeschrieben wird".
Nicht dagegen sind als RechtsqueUe anzuerkennen die in der
Praxis sich findenden Gebräuche und Mißbrä.uche, ebensowenig
wie der Analogieschluß nach Verhältnissen der Universitäten.
11. Die akademische Fl'eiheit.
Nach der allgemeinen Auffassung gibt es etwas, was dem Hoch
schulprofessor eine ungemein stark individuell a.usgeprägte Auf
fassung seiner ganzen Stellung gestattet, die akademische Freiheit.
Augenscheinlich handelt es sich dabei um einen Begriff, der nicht
auf dem Gebiet des Technischen Hochschulwesens entstanden ist,
sondern von den Universitä.ten übernommen wurde. Es fragt sich
für uns hier: Wo Iä.ßt er sich rechtlich nachweisen ~ Ist er faßbar
in bestimmten Rechtsnormen? oder ist er nur tatsächlich vorhanden
als ein die tatsächliche Ausübung der amtlichen Verpflichtungen
bestimmendes, mehr oder minder übereinstimmendes Wollen
der Beteiligten, d. h. der Professoren auf der einen Seite, des
Ministeriums auf der anderen Seite?
1. Wir können diesen Begriff auf einen Rechtssatz zurück
führen: Die akademische Freiheit ist ein Spezialfall der Anwendung
des allgemeinen Rechtssatzes des Art. 26 der Verfassungsurkunde :
"Die Wissenschaft und ihre Lehre ist frei."
Eine andere formelle Rechtsgrundlage hat auch die a.kade
mische Freiheit auf den Universitä.ten nicht. Wohl aber sind diese
durch ihre längere Geschichte, insbesondere durch ihre Entstehung
und die ihnen verliehenen Privilegien und bestätigten Satzungen,
aiso auf eigenem Beschluß beruhenden Sonderrechte, zu einer
stärkeren Betonung der Unabhängigkeit von der Verwaltungs
tätigkeit des Staates berechtigt; tatsächlich hat dazu auch mit
gewirkt, daß sie über erhebliche eigene Vermögen verfügen.
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Doch trifft das letztere nicht mehr für die nenen Universitäten,
z. B. Berlin, Bonn, Breslau, zu.
Merkwürdigerweise ist nun zu diesem Punkt eine Ansicht
aufgestellt worden (Bornhak S. 40), welche diesen Grundsatz der
Verfassung nur für die "Allgemeine Abteilung", aber nicht für die
Fa.chabteilungen gelten lassen wilL Bornhak sagt:
"Die Lehrer der Technischen Hochschulen genießen die amtliche
Unabhängigkeit nicht in gleichem Maße (wie die Universitäts
professoren). Die Technik setzt ihrerseits die Wissenschaft vor
aus, ist aber selbst nicht solche, sondern Kunst in Anwendung
auf die Bedürfnisse des praktischen Lebens. Die Technik wird
also durch die verfassungsmäßige Freiheit der Wissenschaft nicht
mitgedeckt. Der Lehrfreiheit nach Inhalt und Form sind nur
die Vertreter der wissenschaftlichen Fächer teilhaftig, die Ver
treter der Technik unterliegen unbeschränkt den Anweisungen
der Aufsichtsbehörde in demselben Maße, wie jeder Gymnasial
lehrer für seinen Unterricht mit Anweisungen versehen werden
kann."
Diese Ansicht von Bornhak ist vöJlig unhaltbar; es gibt in
dieser Hinsicht weder einen Unterschied in Ansehung der Facher
noch in Ansehung dereinzelnen Gruppen der Lehrer derTechnischen
Hochschulen. Vielmehr sollen alle gleichmäßig wissenschaft
lichen Unterricht erteilen und genießen daher auch die Lehr
freiheit.
Ware Bornhaks Ansicht richtig, dann würde auch die me
dizinische Fakultät der Universitäten, dann würde a.uch der
Unterricht der Chemiker, Landwirte an diesen usw. nicht der Frei
heit der Wissenschaft unterliegen. Denn auch für diese Facher
handelt es sich um "Anwendung auf die Bedürfnisse des praktischen
Lebens". Der Unterschied ist aber doch dabei wesentlich gegen
über niederen Anstalten: die Kunst der Anwendung wird nach
wissenschaftlichen Grundsätzen und Methoden zum Zweck
selbständiger Anwendung im praktischen Leben gelehrt.
Aber man kann auch unmittelbar Bornhak durch den
Sprachgebrauch des Unterrichtsministeriums wiederlegen. Zu
nächst in der Verfassung selbst, § 11. Nach diesem hat das Ab·
teilungskollegium die Aufgabe, die Studierenden "in wissen·
schaftlicher Beziehung" zu leiten. Naeh Bornhak würde sich
das nur auf die allgemeine Abteilung beziehen können, während