Table Of ContentDetlev Fehling
Die Quellenangaben bei Herodot
Untersuchungen zur
antiken Literatur und Geschichte
Herausgegeben von
Heinrich Dörrie und Paul Moraux
Band 9
Walter de Gruyter · Berlin · New York
1971
Die Quellenangaben bei Herodot
Studien zur Erzählkunst Herodots
von
Detlev Fehling
Walter de Gruyter · Berlin · New York
1971
Gedruckt mit Unterstützung der
Deutschen Forschungsgemeinschaft
ISBN 3 11 003634 7
© 1971 by Walter de Gruyter & OD., vormals G. J. Göschen'sche Verlagshandlung — J. Guttentag,
Verlagsbuchhandlung — Georg Reimer — Karl J. Trübner — Veit & Comp., Berlin 30, Genthiner Straße 13
(Printed in Germany)
Alle Rechte, insbesondere das der Ubersetzung in fremde Sprachen, vorbehalten. Ohne ausdrückliche Genehmigung
des Verlages ist es auch nicht gestattet, dieses Buch oder Teile daraus auf photomechanischem Wege
(Photokopie, Mikrokopie) zu vervielfältigen.
Satz und Druck: Walter de Gruyter, Berlin 30
FÜR LUTZ
Vorwort
Wenn ich ein Buch vorlege, das versucht, sich dem Trend der Herodot-
forschung der letzten Jahrzehnte entgegenzustellen, so mag ein histo-
rischer Hinweis die Aufgabe einer captatio benevolentiae erfüllen. Das
Buch ist nicht so entstanden, daß zuerst aus irgendwelchen allgemeinen
Erwägungen heraus die Meinung vorhanden war, die es vertritt, und
dann nach Argumenten gesucht wurde, sie zu beweisen, „konsequent
durchzuführen", wie eine beliebte Phrase heißt. Vielmehr veranlaßten
mich einzelne auffallende Beobachtungen, das ganze Material zu über-
prüfen, entschlossen, nur sicheren Beweisen zu vertrauen, absolut
nicht erwartend, daß solche in Fülle zur Verfügung stehen würden
(was ich jetzt daraus erkläre, daß die Beweisführung keine unsicheren
äußeren Tatbestände benötigt, sondern ganz weitgehend mit inneren
Feststellungen am Werk Herodots auskommt, also mit einem voll-
ständig erhaltenen Material arbeitet), und auf manches eher gefaßt
als auf die, gemessen an den herrschenden Anschauungen, radikalen
Folgerungen, die das fertige Buch vertritt. Zu diesen führte ein sehr
langer Weg, und manche Behauptungen, die ich jetzt ohne den
mindesten Zweifel vertrete, hätte ich am Anfang mit derselben Skepsis
zur Kenntnis genommen, wie ich sie beim Leser, auch noch nach
einer ersten Lektüre, ohne weiteres erwarte.
Mein Wunschtraum wäre, die Überlegungen könnten in der zeitlichen
Folge, wie sie angestellt wurden, vorgelegt werden. Die Zwangs-
läufigkeit jedes einzelnen Schrittes würde dann klarer, als es ein Buch,
in dem inhaltlich Zusammengehöriges nicht beliebig getrennt werden
kann, zum Ausdruck bringen kann. Immerhin habe ich mich aufs
äußerste bemüht, die Beweisführung durchsichtig zu machen, vor
allem klar zu machen, welche Beweise ich als selbständig ansehe und
wo die Entscheidung von den Parallelfällen abhing. Doch lassen
sich solche Hinweise nicht beliebig wiederholen, und so müssen dem,
der das Buch wegen einzelner Stellen konsultiert, oft wichtige Elemente
der Beweisführung entgehen, besonders in Kap. 2, das in seiner ganzen
Diktion auf Leser abgestellt ist, die sich von der Richtigkeit des
ersten Kapitels bereits weitgehend überzeugt haben, und deshalb ζ. T.
nur noch aufzählt und nicht mehr argumentiert. Diese Aufzählungen
und mit ihnen die zahlreichen Verweise zwischen den beiden Kapiteln
sind aber ein sehr wesentlicher Teil der Beweisführung, da sie die
Vili Vorwort
Kumulierung der Argumente zeigen, die allein, da es absolute Sicher-
heit des einzelnen Arguments in unserer Wissenschaft fast überhaupt
nicht gibt, letzte Sicherheit gewähren kann. Die Bedeutung, die ich
den Fragen der Beweisführung beimesse, hat mich zu dem unvoll-
kommenen Versuch eines methodischen Registers veranlaßt.
Dem flüchtigen Leser, der sich rasch ein Urteil bilden will, ob
an der Argumentation des Buches „etwas dran" ist, empfehle ich
nach Überfliegen der Einleitung die Lektüre der §§ 1, 1; 2; 5; 11; 2,6
(2—3); 2, 22 (zu 2, 106 und 5,59—61).
Wenn man ein anfangs für unwahrscheinlich gehaltenes Ergebnis unter
dem Zwang der Beweise anzuerkennen genötigt ist, dann muß man
sich nachträglich die Frage vorlegen, welche allgemeinen Vorstellungen
das anfängliche Fehlurteil verursacht haben und revidiert werden
müssen. Diesem und keinem anderen Zweck dienen einige allgemeine
Ausführungen, namentlich im „Ausblick". Kein MißVerständnis
schiene mir verhängnisvoller, als wenn man sie mit den Beweisen
verwechselte, auf denen die These des Buches ruht. Sie sind unvoll-
ständig; u. a. hätte ich mich auf manche aktuellen Tendenzen der
Literaturwissenschaft berufen können, und weggeblieben ist eine Skizze
über gleichgerichtete Ergebnisse anderswo in unserm Fach (z. B.
Fiktionen der Proömientopik, Revision der Vorlagensuche bei Dich-
tern).
Der Kürze wegen habe ich mich strikt auf das Thema konzentriert;
so konnte ich mich an manchen viel behandelten Stellen mit wenigen
Sätzen begnügen, obwohl eine ganz neue Interpretation zu geben war.
Ganz beiseite blieben eigentlich historische Fragen und solche der
späteren Parallelüberlieferung. Ihre Beurteilung ist so gut wie immer
von der Beurteilung dessen, was Herodot sagt, abhängig, nicht umge-
kehrt. Von dem, was zum eigentlichen Thema gehören könnte, habe
ich die Frage der Orakel gänzlich ausgelassen.
Die Literaturangaben sind in den beiden ersten Kapiteln vollständiger
als im dritten. Ich hoffe, daß die für das Thema relevanten Ansichten
ausreichend zitiert sind, jedenfalls nicht schlechter als in irgendeiner
einschlägigen Arbeit seit Jacoby. Um Vollständigkeit habe ich mich
bei der Zitierung derjenigen bemüht, die von mir vertretene Ansichten
früher geäußert haben. Was auf diesem Gebiet heute gewöhnlich ist,
zeigen etwa unten S. 15 Anm. 2 und S. 39 Anm. 1.
Für eine Äußerlichkeit decke ich mich mit der Autorität Eduard
Meyers: „Eine unlösbare Schwierigkeit hat mir die Transkription der
griechischen Namen geboten. Am liebsten würde ich zu den lateinischen
Formen zurückgekehrt sein ; da dies nicht möglich ist und mir die volle
Durchführung der griechischen Orthographie barbarisch erscheint,
habe ich keinen anderen Ausweg gesehen, als ganz prinzipienlos zu
verfahren ..." (3, XV).
Vorwort IX
Zu danken habe ich der Deutschen Forschungsgemeinschaft für eine
Druckbeihilfe, Peter Lebrecht Schmidt für förderliche Kritik und
Mitlesen der Korrekturen, Hans Diller für Lektüre und Kommentierung
zweier Fassungen des Manuskripts, manchen anderen Kollegen für
gelegentliche Hilfe, endlich Herausgebern und Verlag dafür, daß sich
zwölf Monate nach der ersten Fühlungnahme das Manuskript in ein
äußerlich ansprechendes fertiges Buch verwandelt haben wird.
Das Manuskript wurde im Februar 1970 abgeschlossen, einige Er-
gänzungen im Sommer eingearbeitet, die Nachträge im Dezember
hinzugefügt.
Kiel, im Januar 1971 Detlev Fehling