Table Of ContentISBN 978-3-7091-3863-2 ISBN 978-3-7091-3862-5 (eBook)
DOI 10.1007/978-3-7091-3862-5
Nicht im Handel
Sonderabdruck aus 62. Jahrgang (1950), Nummer 2/3
Wiener klinische Wochenschrift
Schriftleiter: L. Arzt und R. fibelhör · Springer-Verlag, Wien
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Die Prophylaxe des endemischen Kropfes*
Von H. j. Wespi-Eggenberger, Aarau
Mit 11 Abbildungen
Der alte Satz: "Vorbeugen ist leichter als heilen" ist
wohl kaum bei ei1wm Leiden besser angebracht, als bei
{fer Veränderung der Schilddrüse, die wir als endemischen
Kropf bezeichnen, und bei den damit verbundenen zahl
reichen Störungen verschiedener Organe und Funktionen.
die wir mit dem Ausdruck ,,endemischer Kretinismus" zu
sammenfassen. Ich darf in Ihrem Kreise die Kenntnis die·
ser Veränderungen wohl voraussetzen und darauf verzieh,
ten, Kropf und Kretinismus gerrauer zu definieren und deren
vielfache schädliche Folgen näher zu beschreiben. Diese
vermindern nicht nur das körperliche Wo bibefinden und
die Leistungsfähigkeit in hohem Maße, sie bringen auch
eine wesentliche Einbuße an menschlicher Schönheit und
Menschenwürde mit sich.
Einleitend möchte ich nur auf einige Punkte hin,
weisen, die mir für das Verständnis der Erfolge und Erfolgs
möglichkeiten der Prophylaxe von besonderer Bedeutung
erscheinen. In erster Linie halte ich es für wichtig, daran
zu erinnern, daß wir z w e i v er s c h i e d e n e K r o p f
formen unterscheiden, die S t r u m a <.I i f f u s a. und die
Struma nodosa. Die letztere, derKnotenkropf,erzeugt das
typische klinische Bild des erwachsenen Kropfträgers im En
demiegebiet. .J e der K r o p f, a u c h <.I er K n o t e n k r o pf ,
beginnt a I s diffuse Struma. Es braucht meist einige
.Jahre, ja Jahrzehnte, bis aus dem diffusen Kropf ein Kno
tenkropf entsteht. D i e e i g e n t I i c h e P r o p h y I a x e
m u ß d a h e r da r i n b e s t o h e n, d a s A u f t r e t eh
~in er diffusen S t r n m a zu verhin d c r n. Bei der
* Vort.rag, gehalten am 5. September 1949 auf der Dritten
Oesterreichischen Aerzteta.gung in. Salzburg.
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Einführung prophylaktischer Maßnahmen und beim Ver
such konservativer Kropfbehandlung kann man immer wie
der feststellen, daß sich die diffusen Strumen im allge
meinen gut zurückbilden, die diffuse Struma ist also re
versibel. Zur eigentlichen Prophylaxe hinzu addiert sich
daher immer noch die t h er a p e u t i s c h e B e ein f I u s
sung der diffusen Strumen durch die Pro
p h y I a x e. Die Knotenkröpfe dagegen sind prophylaktischen
und therapeutischen Maßnahmen gegenüber nur noch sehr
wenig ansprechbar. Zur Beurteilung des Prophylaxe
erfolges kommen deshalb nur die noch nicht verkropften
oder erst mit diffusen Strumen behafteten jugendlichen
Individuen, Neugeborene, Schulkinder und schließlich noch,
besonders nach mehrjähriger Einwirkung, auch die Stellungs
pflichtigen in Frage. Bei den bereits verkropften Erwachse
nen ist von einer Prophylaxe nichts mehr oder kaum
mehr etwas zu erwarten.
Beim Kretinismus kommen die drei Kardinalsym
ptome: Kleinwuchs, Geistesschwäche und Hörstörungen sehr
häufig kombinie•rt vor. Man braucht ja wohl deswegen die
Bezeichnung "depp", also "taub", nicht so sehr für den
Tauben als für den Geistesschwachen. Die Kardinalsym
ptome können aber auch einzeln, dissoziiert, auftreten. So
gab es in der Schweiz hochintelligente Universitätsprofes
soren mit ziemlich ausgesprochenem kretinischem Habitus.
Umgekehrt kann eine Taubstummheit oder eine hochgradige
Geistesschwäche kretinisch bedingt sein, auch wenn der
Betreffende durchaus keinen kretinischen Habitus aufweist.
In schweren Endemiegebieten muß deswegen b e i a II e n
Fällen vcin Geistesschwäche und Hörstörun
g e n d i e U r s a c h e p r i mä r i m K r e t i n i s m u s ge
sucht werden, sofern keine eindeutige andere Erklärung
vorliegt. Ich möchte diesen Punkt besonders betonen, weil
vielfach die familiär eint.J.eitliche kretinische Schädigung
zu der falschen Annahme eines Erbleidens führt. Wie wir
beim Kropf alle Abstufungen von der leichten vorübergehen
den Schilddrüsenvergrößerung in der Pubertät bis zum rie·
sigen atembeengenden Knotenkropf finden, so können auch
die kretinischen Symptome in allen Schat
t i e r u n g e n vorkommen. Man sollte deswegen viel mehr,
als dies im allgerneinen der Fall ist, daran denken, daß
in Endemiegebieten nicht nur die schwere Taubstumm
heit, sondern auch leichtere Formen der Hörstörungen en
demisch bedingt sein könnten, und daß nicht nur die hoch
gradige Geistesschwäche, sondern auch leichtere Formen
der Idiotie und Debilität, ja sogar nur eine gewisse geistige
Schwerfälligkeit mit dem Kropf zusammenhängen können.
Vielleicht liegt ja sog.ar eine gewisse Gefahr der Prophy-
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laxe darin, daß durch sie die bayrische Gemütlichkeit und
die harmlose schweizerische Schwerfälligkeit verschwinden
und durch weniger beliebte kropffreie preußische Eigen
schaften ersetzt werden.
Die schwerwiegende soziale Belastung der Allgemein
heit durch die Kretinen, die schwere Beeinträchtigung der
Militärdiensttauglichkeit durch Kropf und Kretinismus, die
körperliche Verunstaltung und mechanische Atembehind&
rung durch den Kropf hat einsichtsvolle Hausärzte und
Chirurgen, vor allem aber auch Militärärzte, Schul- und
Amtsärzte, immer wieder darüber nachdenken lassen, wie
sich Kropf und Kretinismus verhüten ließen.
Praktisch besonders erfolgreich ist die Verwendung
des Jodes geworden, und ich möchte daher gleich auf die
J o d pro p h y I a x e eingehen. Um Zeit zu sparen, verzichte
ich auf eine Darstellung der historischen Entwicklung, die
wir bei der Verwendung der Meerschwammasche durch
die Chinesen etwa 1500 Jahre vor Christi Geburt beginnen
lassen könnten. Ich erwähne nur die Namen Co ur t o i s,
der 1811 das Element Jod entrleckt hat, Co in d e t, der um
1820 die Behandlung der Kröpfe mit Jod einführte, und
B a u m a n n, der 1897 das Vorkommen von Jod in der:
Schilddrüse beschrieb. Die moderne Prophylaxe beginnt un
gefähr im Jahre 1910, als M a r i n e in den Vereinigten
Staaten ein in den dortigen Fischzuchtanstalten endemi
sches bzw. enzootisches Auftreten von Kröpfen bei Forellen
durch Beifügen von Jod zum Wasser bekämpfte. Spätere
Untersuchungen, ebenfalls durch Marine, zeigten, daß in
tierischen Schilddrüsen Jodgehalt und Gewicht sich umge
kehrt proportional verhalten, und daß eine als Kropf zu
bezeichnende Vergrößerung jeweilen dann auftritt, wenn
der Jodgehalt unter etwa 1o / des Trockengewichtes sinkt
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Von dieser Feststellung ausgehend, begannen im Jahre 1917
M a r i n e und K i m b a ll den Ve rsuch, die Schilddrüsen
vergrößerung bei Schulkindem durch eine "Jodsättigung"
der Schilddrüse zu bekämpfen. Es wurde bei Schülern der
Stadt Akron (Ohio) zweimal jährlich ein "Jodstoß~', und
zwar 10 Tage lang je 0·2 g Natriumjodid, total also 2 g,
durchgeführt. Die ganz eindeutigen günstigen Ergebnisse die
ses Versuches sowohl in bezug auf Verhütung des Auf
tretens neuer Kröpfe als auch in bezug auf Rückgang schon
bestehender Kröpfe öffneten den Weg für die S c h u1 -
p r o p h y I a x e mit Jodtabletten, wie sie ja auch heute
noch vielerorts durchgeführt wird.
In der Schweiz wurde die Schulprophylaxe vor allem
auch von Heinrich H u n z i ke r aufgegriffen, der 1914 die
vor gerade 100 Jahren erstmals von Pr e v o s t und C h a t i n
aufgestellte Jodmangeltheorie wieder neu begründet hatte.
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H n n z i k er konnte, zusammen mit v. W y s s, zeigen, daß
schon Dosen von 1 mg Natriumjodid pro Woche genügen,
um das A nftreten des Kropfes zu verhüten. Der im Zer
matter 'J'al tiitige Arzt Ba y a r d führte in den Gemeinden
seines Praxisgebietes ein jodiertes Salz ein und konnte zei
gen, daß ,;ich damit die Kröpfe bei Schulkindern erfolg
reich behandeln ließen.
Als I leispiel für die Durchführung und die Erfolge
der Schulprophylaxe möchte ich die Untersuchungen von
J, a u e n er, dem Schularzt \"Oll Bern, anführen, der sich
sehr eingehend dieser Schulprophylaxe angenommen hat.
Tab. 1. Erfolg der Schulprophylaxe mit 3 mg Jod pro
Woche bzw. 0·5 mg pro Tag bei den 15jährigen Schülern
der Stadt Bern (nach Lauener)
1920 ohne ~ 1930 nach 9 Jahren
Schilddrüsen ver hältnisse
Prophylaxe Schulprophylaxe
Kropf .......................... . 79% 17%
V ergröl.lerte l:lchilddrüse ......... . 15% 12%
Normale Schilddrüse ............. . 6% 71%
Die Schüler der Sta.dt Bern erhielten wöchentlich eine Ta
blette mit 3 mg, eventuell sogar täglich eine solche mit
0·5 mg Jod. Während 1920 bei den 15jährigen Schülern
des neunten Schuljahres 79o/o einen Kropf aufgewiesen
hatten, war 1930, nach !) Jahre lang durchgeführter Pro
phylaxe, die Kropffrequenz im gleichen Alter auf 17o;o
zurückgegangen.
Entscheidend für die weitere Entwicklung der Prophy
laxe war das sogenannte Naturexperiment im Kan
ton \V a a d t. llPi Untersuchungen über das Vorkommen
des Rekrutenkropfes in den Jahren 1875 bis 1880 hatte
Heinrich H i r ch er seinerzeit eine scharfe Grenzlinie zwi
sch!m verkropften und praktisch kropffreien Gebieten in
der Gegend zwisdwn Neuenburger- und Genfersee nach
weisen können. Entsprc>chend den damaligen Vorstellungen
führte er den Unter;;chied auf geologische Verschiedenheiten
zurück. Die geologische Grenze ist auf seiner Karte mit
einer dünnen Linie eingezeichnet. Erst Heinrich H u n
z i k er und E g g e n b er g er fanden dann .Jahrzehnte spä
ter heraus, daß die Grenze zwischen Kropf und Nichtkropf
nicht mit dem geologischen Untergrund, sondern glj.nz
augenfällig mit der politischen Grenze übereinstimmt, wie
ein Blick auf die Abh. 1 ohneweiters ergibt.
Die Grenze zwischen den Kantonen Freiburg und Waadt
verläuft durch Ex- und Enklavenbildung sehr kompliziert.
Trotzdem die ineinander verschachtelten Gemeinden in diec
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sem Grenzgebiet geologisch und klimatisch unter ganz genau
gleichen Bedingungen stehen, sind die Freiburger Gemein
den stark verkropft, die Wa adtländer Gemeinden praktisch
kropffrei. Der einzige Faktor, der diesen Unterschied er
klären kann, bildet das kantonale SalzmonopoL Freiburg
bezieht, wie die anderen Schweizer Kantone, sein Salz aus
den Rheinsalinen, der Kanton \V aadt aber hat eine eigene
Saline in Bex. Untersuchungen von Salz und Mutterlauge
der Saline Hex hatten gezeigt, daß dieses Salz .Jod ent
hält. Die Natur hatte also gewissermaßen von sich aus im
Kanton Waadt ein lang dauerndes Experiment mit einem
jodierten Salze angestellt und gezeigt, daß sich damit das
Auftreten des Kropfes verhüten läßt. Für E g ge n b e r g t· c
war dieses Experiment noch mehr als nur f"in Re w ·e i s
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für die Wirksamkeit und auch die Ungefähr Ii c h
k e i t d e r A n w e n d u n g e i n e s j o d i e r t e n S a l z es .
Es war für ihn zugleich auch ein Beweis dafür, daß das
S a l z d e r n a t u r g e g e b e n e J o d t r ä g e r ist, daß der
Jodgehalt des Salzes der naturgewollte und das Fehlen des
Jodes im Salz der unnatürliche Zustand ist. Es war für ihn
auch ein Beweis, d aß d er K r o p f a u f e i n e r u n g e
n ü g e n d e n J o d z u f u h r, e i n e m J o d m an g e I, be
ruht. Diese Ueberzeugung gab ihm den Mut, für die all
gemeine Anwendung eines jodierten Salzes, des Voll
s a I z e s, wie er es nannte, einzutreten. In zahlreichen Vor
trägen gelang es ihm, die Bevölkerung des Kantons Appen
zell dafür zu gewinnen, ein Va lksbegehren auf Einführung
eines jodierten Salzes an die Regierung zu richten, und
so konnte im Februar 1922 erstmals im Kanton Appen
zell im großen ein jodierte8 Salz für die ganze Bevölkerung
zum Verkaufe gelangen. Damit war der Bann gebrochen.
Sehr rasch folgte, unter Führung des Chirurgen R o u x, der
Kanton W aadt, dann weitere Schweizer Kantone und auch
unsere Nachbarländer. In Oesterreich war es bekanntlich
Wagner v. Ja u re g g, der sich besonders um die Ein
führung des jodierten Salzes bemühte.
Bevor ich die E r fahr u n g e n und E rf o I g e mit
d e m j o d i e r t e n S a l z i n d e r S c h w e i z bespreche,
muß ich darauf hinweisen, daß der Salzverkauf eine kanto
nale Angelegenheit ist. Es bestehen deshalb in der Ein
und Durchführung der Prophylaxe zeitlich und quantitativ
gewaltige Unterschiede zwischen den verschiedenen Kan
tonen, wie daJS die Zusammenstellung in Tab. 2 zeigt.
Für unsere späteren Feststellungen ist besonders wichtig,
daß der große Kanton Bern im Jahre 1936 die Prophylaxe
intensiver eingeführt hat, und daß seit 1945 nur noch die
Kantone BaseHand und Aargau weniger als 20o;o jodiertes
Salz brauchen.
Tab. 2. Vollsalzverbrauch in Prozenten des gesamten
Salzverbrauches in einigen Schweizer Kantonen
1 1922 1 1923 1 1928 1 1930 1 1940 1 1947
Nidwalden - 47 100 100 100 100
Waadt .....••. .0 .•.••. .0 .•.•.• .0 - 25 100 100 100 100
Wallis ................ - - 78 100 100 100
Appenzell a. Rh. ...... 43 55 67 69 68 87
Thurgau .............. - 27 35 37 36 76
Bern ............... ;. - 1 4 7 63 74
Basel-Land ........... - 2 9 12 17 20
Aargau - 4 12 10 8 8
•• 0 0 •• 0 ••• 0 0 ••· I
Gesamtschweiz ....... 1 7 27 39 59 n
1 1 1 1
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In 16 Kantonen betrug der Vollsalzverbrauch im Jahre
Hl47 mehr als 90o;o.
Für die Feststellung der Stärke einer Kropfendemie
und damit für die Beurteilung der Erfolge einer prophy
laktischen Maßnahme stehen uns verschiedene Möglichkeiten
offen. Am einfachsten ist die Untersuchung von Schul
kindern. Wir haben damit gleichsam einen Querschnitt
durch die Bevölkerung in einem bestimmten Alter, und
zwar in einem Alter, in welchem prophylaktisch noch etwas
zu erreichen ist. Daneben kommen hauptsächlich noch die
Stellungspflichtigen in Frage und schließlich auch die Neu
geborenen.
Ich beginne mit den N e u g e b o r e n e n. Schon im
ersten Jahre nach Einführung des jodierten Salzes konnte
E g g e n b e r g e r feststellen, daß der Neugeborenenkropf
praktisch verschwunden war. Diese Beobachtung wurde spä
ter von G u g g i s b e r g bestätigt, der in Bern nach Ein
führung der, Prophylaxe einen Rückgang der großen Kröpfe
von lf>O/o auf 0·2o;o beobachtete, während die mittleren
Strumen nur wenig abnahmen (Tab. 3). Weg e 1 i n konnte
Tab. 3. Schilddrüsenverhältnisse bei den Neugeborenen
in Bern vor und nach Einführung der Kropfprophylaxe
(nach Guggisberg)
Normale
Mittlere Große
Schild-
drüsen I Struma Struma
%
1925 (ohne allgemeine Prophylaxe) 47·0 38•0 15·0
1937 (nach Einführung einer all-
gemeinen fakultativen Prophy-
laxe mit Vollsalz (5 mg KJjkg) 69-6 30·2 0·2
in Bern an Hand der Schilddrüsengewichte sehr deutlich
zeigen, wie sowohl die leichteren als auch die ausgeprägte
ren Schilddrüsenvergrößerungen nach der Einführung der
Prophylaxe im Jahre 1936 ganz ausgesprochen zurück
gingen. Während vor 1936 ungefähr 40o;o oder mehr aller
Neugeborenenschilddrüsen ein Gewicht von mehr als 6 g
aufgewiesen hatten, sank dieser Prozentsatz nach 1936 auf
ungefähr lOo;o oder noch weniger.
Für Untersuchungen im großen eignet sich am besten
der Sc h u I k r o p f. Bei den älteren Schülern kann sich
die Wirkung der Jodsalzprophylaxe mit der Jodtabletten
prophylaxe der Schule kombinieren. Die reine Wirkung des
Vollsalzes ist daher, sofern eine Schulprophylaxe durchge-
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führt wird, nur bei den Schülern des ersten Schuljahres
zu erfassen.
Für Bern kann ich Ihnen die Verhältnisse bei den
Erstklässlern nach persönlichen Angaben von L a u e n er
demonstrieren. Noch 1925 war bei 280/o der Erstklässler
schon ein Kropf festzustellen. Diese starke. Verkropfung
nahm Ende der Zwanziger- und anfangs der Dreißigerjahre
etwas ab. Einen ganz deutlichen Abfall sehen wir dann mit
dem Jahre 1936, als die eigentliche Vollsalzprophylaxe ein-
Abb. 2. Rückgang der Neugeborenenkröpfe im Kanton Bern nach
Einführung desjodierten Salzes (nach Wegelin, Presse med. 1945, 514)
--- Prozentsatz der Schilddrüsen von mehr als 3 g
-------- Prozentsatz der Schilddrüsen von mehr als o g
1924 Jodsalz eingeführt (1 bis 7% des Salzverbrauchs),
1936 Erhöhung des Jodsalzkonsums (54 bis 71% des Salzverbrauchs)
setzte. Dieser Rückgang verstärkte sich immer mehr und
die nach 1942 in die Schule eingetretenen, also schon unter
Vollsalzprophylaxe geborenen Schulkinder sind praktisch
kropffrei (Abb. 3).
Ganz ähnliche Feststellungen konnte M es s er I i in
Lausanne machen, nur finden wir dort den Abfall, ent
sprechend der frühzeitigeren Einführung des Vollsalzes
schon nach 1927. Im Wa llis hat Ba y a r d die Kropfver
hältnisse bei den Schulkindern untersucht. Während 1920
nur 28·80/o aller Schüler eine normale Schilddrüse auf
wiesen, also mehr als 700jo, streng genommen, als kropfig
zu bezeichnen waren, hat sich 1934 das Verhältnis gerade
umgekehrt, indem 70·50/o normale Schilddrüsen hatten.
Aehnlich wie bei den Neuge·borenen in Bern sehen wir
auch hier einen starken Rückgang der stärkeren Schild
drüsenvergrößerungen, während der Rückgang in der Kate
gorie der palpablen Schilddrüse weniger ausgesprochen ist.