Table Of ContentK. ARVID T ÄNGBERG
Die prophetische
Mahnrede
Form- und traditions-
/
geschichtliche Studien zum
prophetisch.e n Umkehrruf
.
VANDENHOECK & RUPRECHT
IN GÖTTINGEN
Forschungen zur Religion und Literatur
des Alten und Neuen Testaments
Herausgegeben von
Wolfgang Schrage und Rudolf Smend
143. Heft der ganzen Reihe
CIP-Kurztitelaufnahme der Deutschen Bibliothek
Tängberg, Kar/ Aruid:
Die prophetische Mahnrede : form- u. traditionsgeschichtl.
Studien zum prophet. Umkehrruf I K. Arvid Tangberg. -
Göttingen: Vandenhoeck u. Ruprecht, 1987
(Forschungen zur Religion und Literatur des Alten und
Neuen Testaments ; H. 143)
ISBN 3-525-53822-7
NE:GT
Dir Abhandlung wurde durch dir UntrrstUuung
drr Theologischen GrmrirdrfakuiUt (Oslo),
drr Alrxandrr-von-Humboldt-Stiftung (Bonn)
und drs Norwegischen Allgrmrinwissrnschaftlichrn Rates (NA VF)
ermöglicht.
Deutsehr Ausgabe: C 1987 Vandrnhorck 6c Ruprecht, Göttingen
Printrd in Grrmany. - Das Wrrk einschließlich aller srinrr Trilr
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Grsamthrrstrllung: Hubrrt 6c Co .• Göttingen
Vorwort
Professor Magne S:Eb0 hat mir 1975 das Thema meiner Abhandlung
gegeben. Ihm bin ich dankbar nicht nur für die erste Anregung, son
dern auch für manchen guten Ratschlag und viel Aufmunterung auf
dem langen Weg. Seine Forschungsseminare an der Theologischen Ge
meindefakultät in Oslo bedeuten in diesem Zusammenhang auch viel
für mich.
Dank einem Forschungsstipendium, das mir meine eigene Fakultät
verlieh, habe ich 1976 ernsthaft mit der Arbeit an dem gegebenen
Thema anfangen können. Professor Ebbe Egede Knudsen am Semi
tischen Institut der Universität zu Oslo hat mir während der ganzen
Zeit durch seinen Unterricht und seine freundlichen Ratschläge zur
Ausweitung und Verwendung der Kenntnisse der semitischen Sprachen
geholfen. Ihm danke ich auch für die Durchsicht meiner Transkriptio
nen.
Die schriftliche Bearbeitung meines Materials kam erst gut voran, als
mir die Alexander-von-Humboldt-Stiftung einen Aufenthalt an der
Evangelischen Fakultät der Maximilian-Universität zu München
1980-81 ermöglichte. Vor allem waren mir dort Professor Dr.Jörg Jere
mias und sein Assistent Herbert Specht behilflich. Die unvergeßlichen
Diskussionsabende zuhause bei Professor Jeremias, der u. a. Professor
K. Baltzer, Rüdiger Bartelmus und andere Alttestamentler zum Ge
spräch einlud, waren für mich von größter Bedeutung. Nach wie vor
war natUrlieh der bleibende enge Kontakt mit meiner eigenen Fakultät
und den dortigen Fachgenossen eine große Hilfe.
Die Abhandlung wurde an die Universität zu Oslo im Dezember
1983 eingereicht. Eine von der Theologischen Fakultät der Universität
zu Oslo ernannte Kommission, die aus Anders j0rgen Bj0rndalen,
Magnus Ottosson und Hans Magnus Barstad bestand, hat die Abhand
lung geprüft und angenommen. Ihre kritische Würdigung ist in Norsk
Teologisk Tidsskrift 85/1984, 133-60 veröffentlicht worden. Der Kom
mission bin ich für ihre gewissenhafte Arbeit zu Dank verpflichtet. So
weit es mir möglich schien, hat meine darauf folgende Revision der Ha
bilitationsschrift auf ihre Bedenken Bezug genommen. Außerdem
wurde weitere Literatur in die Anmerkungen eingeführt.
Professor R. Smend und dem Verlag danke ich herzlich für die Auf
nahme und Veröffentlichung der Arbeit.
6 Vorwort
Großzügige Druckkostenzuschüsse vom Norwegischen Allgemein
wissenschaftlichen Forschungsrat und von der Alexander-von-Hum
boldt-Stiftung (Bonn) haben die Veröffentlichung gefördert.
Zuletzt habe ich meiner lieben Henny zu danken, die mit Geduld das
ganze Manuskript in seiner ersten Fassung maschinenschriftlich lie
ferte.
Ich widme das Buch in Dankbarkeit dem Andenken lvar P. Seier
stads, der an unserer Fakulktät ein inspirierender Lehrer war.
Oslo 1987 K. Avid Tängberg.
Inhalt
Vorwort .......... . 5
Kapitel 1: Einleitung: Die Fragestellung . 9
Kapitel 2: Forschungsgeschichte . . . . . 11
Wellhausen; Duhm; Greßmann; Gunkel; Smend; Skinner;
Hylmö; Beyer; Scott; Wolff; Fohrer; Raitt; Sitompul; Rich-
ter; Gerstenberger; Bjemdalen; Westermann; Harvey; W.
H. Schmidt; Warmuth; Vanlier Hunter
Noort, Ellermeier, A. Schmitt u. die Erforschung außerisra-
elitischer Prophetie im Alten Orient . . . . . . . . . . . . . . 33
Kapitel 3: Terminologische Klärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38
Imperativ/jussiv/lnjunktiv. Vetitiv/Prohibitiv. Mahnung zur
Umkehr und Mahnrede anderer Art
Kapitel 4: Die Gattung der prophetischen Mahnrede . 43
Amos 5,4-6.14f.21-24 . . . . . . . . . . . . 43
Hosea 2,4f. 4,15 10,12 12,7 14,2-9.. . 49
Micha 6, 1-8 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57
Jesaja 1,10-17.18-20 7,3-9 8,12f. 28,12.16.22 30,11.15 61
Jeremia 2,25 3, 12.13.14.22 4,1 f.3f.14 6,8.16.17 7,3f.21
9,22 f. 13,15-17 15.19-21 21,12 27, 9ff.
29,8 f. 29,5-7 81
0 0 0 0 0 0 0
Zephanja 2, 1-3 . . . . . . . . . . . . . . 102
Ezechiel 14,1-11 18 33,10-20 . . . . . . 103
Deuterojesaja Jes 44,21 f. 45,22 46,8-13 48,17-19
50,10 55, 1-5.6f. 111
0 0 0 0 0 0 0
Exkurs: Die Anrede an die Völker 115
Tritojesajajes 56,1-8 58,1-12 121
Joel 2, 1-17 . . . . . . . . . . . 127
Haggai 1,2-11 2,10-19. . . . 130
Sacharja 1,1-6 7, 9f. 8, 16f.19 132
Maleachi 2,10-16 3,6-12. . . . 135
Zwischenergebnis . . . . . . . . . 140
Kapitel 5: Weisheitliehe und prophetische Mahnungen. 142
Material zum Vergleich. . . . . . . . . . . . . . . 143
8 Inhalt
Kapitel 6: Deuteronornisehe Paränese und prophetische Mah-
nung .................. . 160
Exkurs: Imperativ im Deuteronomium . . . . . . . . . . . . . 163
Kapitel 7: Traditonsgeschichtliche Erwägungen zur Forderung
der Umkehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169
Exkurs: Außerbiblische Parallelen zu Hosea 6, 1-3 . . . . . . 181
Exkurs: Analogien zur religiösen "Umkehr" im Akkadischen 189
Exkurs: Mahnungen zur Frömmigkeit im Alten Orient. 194
Kapitel 8: Zusammenfassung und Ausblick 198
Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . 200
KAPITEL 1
Einleitung: Die Fragestellung
Die vorliegende Abhandlung wurde von der neueren Diskussion um
die Mahnworte der Propheten angeregt'. Sie beabsichtigt keineswegs,
die gesamte Problematik der prophetischen Mahnreden zu untersu
chen. Es geht hier vor allem um form- und traditionsgeschichtliche Fra
gen, die m. E. noch nicht genUgend beleuchtet worden sind. Trotzdem
werden andere Aspekte des Themas ja nach Bedürfnis berührt.
Die inhaltliche Seite der Problematik kann nie ganz außer Acht blei
ben. Als Anfangspunkt der Diskussion stehen immer Fragen im Hinter
grund, die durch die Berufungsvision Jesajas in unvergleichlicher
Schärfe gestellt werden. Der Prophet wird zum Ermahnen beauftragt,
aber was fur ein Ermahnen kann das sein?
"Geh hin und sprich zu diesem Volk:
Höret und verstehet es nicht!
Sehet und merket es nicht!
... damit sie sich nicht bekehren und genesen."
Qes 6, 9f.)
Die beiden positiven Mahnungen "höret" und "sehet" werden schein
bar zugleich durch die entsprechenden negativen Mahnungen entkräf
tet2, und die nachfolgende Bestimmung des Zwecks scheint der negati
ven Hälfte der Mahnrede das Übergewicht zu verschaffen.
Wenn man außerdem beachtet, daß derselbe Prophet Mahnungen
ausspricht, die nach ihrem Wortlaut tatsächlich auf Umkehr und Heil
zielen, ist die Paradoxie im Übermaß deutlichJ. Man mag die Paradoxie
dadurch auflösen wollen, daß zwischen unmittelbarem Ziel und "Fern-
1 Vgl. zuletzt die Dissenation von A. Vanlier Hunter: Seek the Lord! A Study of the
Meaning and Function of the Exhonations in Amos, Hosea, lsaiah, Micah and Zepha
niah, Saltimore 1982. Diese wichtige Studie kam mir erst in die Hände, nachdem meine
eigene Arbeit praktisch abgeschlossen war.
2 Die Wahl derVerbenerinnen an weisheitliehen Stil, vgl. die Tabellen unten Kap. S.
J B. Hollenbach erklän Jes 6, 9 f. als Ironie (lest they should turn and be forgiven:
lrony, BT 34/1983, 312-21).
10 Einleitung
ziel" und zwischen Absicht und tatsächlicher Wirkung der propheti
schen Verkündigung unterschieden wird4•
Es kann auch gefragt werden, inwiefern die Verkündigung des ein
zelnen Propheten immer dasselbe Ziel verfolgt, ob es auch nicht an die
sem Punkt Unterschiede unter den Propheten gebe usw.
Unsere Untersuchung wird nicht das einzigartige Paradox von
Jes 6, 9 f. weiter behandeln. Trotzdem dürfen wir voraussetzen, daß die
israelitischen Propheten gelegentlich oder öfter zur Buße gemahnt ha
ben. Darüber herrscht in der alttestamentlichen Wissenschaft eine weit
gehende Einigkeit.
Die Gattung der prophetischen Mahnrede ist aber bisher wenig be
achtet worden. Darum möchten wir hier eben der Form und Tradition
der prophetischen Mahnrede besondere Aufmerksamkeit zuwenden.
Zunächst muß nun der Forschungsgeschichte unseres Themas nach
gegangen werden. Dadurch wird sich klären, welche Texte als Grund
lage der Untersuchung auszuwählen sind. Die Forschungsgeschichte
wird aber auch Anhaltspunkte für Terminologie und Methodik der Un
tersuchung bieten.
4 Cf. C. Hardmeier: Jesajas V erkundigungsahsieht und jahwes Verstockungsauftrag
in Jes 6, in: FS H. W. Wolff: Die Botschaft und die Boten, Neukirchen-Vluyn 1981,
235-5 I.
KAPITEL 2
Forschungsgeschichte
Beim Durchgang der Forschungsgeschichte unseres Themas geht es
um die verschiedenen Einsichten, unter denen die Bibelwissenschaftler
die Umkehrverkündigung der israelitischen Propheten betrachtet ha
ben. Es geht dabei sowohl um die inhaltliche Seite dieser Verkündi
gung, also um den Begriff oder - präziser - die Begriffe der Umkehr
bei den Propheten, als um die formale Seite der Verkündigung, d. h. die
Frage nach ihrer Ausdrucksseite, weil Form und Inhalt niemals ganz
voneinander getrennt gesehen werden können.
Der inhaltlichen Frage ist in der Forschung unseres Jahrhunderts ei
nige Male gründlich nachgegangen worden, sie wird deshalb unten ver
hältnismäßig kurz berührt. Im folgenden Forschungsüberblick wird das
Hauptgewicht auf die Frage nach Form und Tradition der Mahnrede
gelegt, weil sie bisher einigermaßen vernachlässigt worden ist. Nur we
nige Forscher haben sich um diese Problematik eingehend bemüht, und
sie verdient eben deswegen unsere besondere Aufmerksamkeit.
Der ethische Optimismus, das Sittlichkeitsideal und der lebensbeja
hende Fortschrittsgedanke des 19.Jahrhunderts machten sich auch in
der alttestamentlichen Wissenschaft geltend. Bei Julius Weilhausen sind
die Propheten im Grunde Männer im Dienste des religiösen und sittli
chen Fortschritts. Ihre Verkündigung zielt auf eine innere und äußere
"Reformation" ab und zeugt "nicht bloß das Gesetz ..., sondern auch
noch die individuelle Religiosität"'.
Wie bei Weilhausen treten die Propheten auch bei Hermann Gunkel
als "Politiker" auf2. Freilich haben sie eine gewaltige Unheilsbotschaft,
sie verkünden aber auch ein positives Ideal: "Die Zeit der Opfer und
der heiligen Bräuche ist vorüber, die Religion streckt sich nach einer
besseren Verehrung Gottes durch sittliches Handeln."J
Eine solche Anschaung hat natürlich einen offenen Blick für die
Mahnworte der Propheten, d. h. die Sprüche, die zum Handeln oder
zur Bekehrung und Besserung auffordern.
1 J. Weil hausen: Israelitische und judische Geschichte, Berlin J 1897, 144, vgl. auch
125 ff. und Prolegomena zur Geschichte Israels, Berlin 51899, 428.
z H.Gunkel: Die Propheten, Göttingen 1917, 31 ff.
J Op. cit. 48, vgl. auch 51.
12 Forschungsgeschichte
Bernhard Duhm sieht ebenso das Ziel der prophetischen Verktindi
gung als ein grundsätzlich positives an\ legt aber oberaus großen
Nachdruck auf den Unheilsinhalt der Schriftprophetie: "Denn sie sind
Unhei/sverkünder, sie entfachen nicht mehr wie einst den Kampfeseifer
und die Siegeshoffnung, sie verbreiten den Schrecken."5 In der alttesta
mentlichen Prophetenforschung wird die Aufmerksamkeit somit auf
die Unheilsbotschaft gelenkt, die ein zentrales Thema der nachfolgen
den Forschungsgeschichte wird.
Rudolf Smend d. Ä. schätzt in seinem "Lehrbuch der alttestamentli
chen Religionsgeschichte"' die Bedeutung der prophetischen Mahnun
gen erheblich geringer als obiich unter seinen Fachgenossen und hat im
Zusammenhang damit Argumente geliefert, die jetzt in höherem Maße
als damals in der fachlichen Diskussion mitspielen. Smend nimmt Ab
stand von der üblichen Meinung, "die Drohungen und Verheißungen
der Propheten seien Oberall als einigermaßen bedingte zu verstehen"7•
Man darf nicht damit argumentieren, daß die Propheten oft das un
gehorsame Volk zur Bekehrung aufrufen, die Jahwe zum Abstehen von
der in Drohungen angektindigten Strafe anleiten solle. Die Aufforde
rungen zur Bekehrung können "nicht ernst gemeint sein"•, weil "die
Drohung als unwiderruflich bezeichnet" wird, wie z. B. bei Amos der
Fall ist. "In der That ist eine bedingt ausgesprochene Weissagung gar
keine Weissagung, sondern hölzernes Eisen", fugt Smend dazu. Die
Aufforderungen zur Umkehr können deshalb auch nicht in Ernst aus
gesprochen sein, denn die Propheten "wußten wohl, daß sie nicht ein
treten könne"'. Der "zarte" Hosea z. B. "fragt nach der Möglichkeit ei
ner Bekehrung, aber ihre Unmöglichkeit ist ihm aus inneren Grtinden
gewiss."10 Das Volk bleibt unverbesserlich. Von Jesaja11 und Jeremia12
wird Ähnliches verktindet.
Warum waren diese Mahnungen nötig? Nach Smend "entspringt"
die Aufforderung zur Bekehrung "theils dem menschlichen Mitgeftihl
der Propheten mit ihrem Volke, theils aber auch dem Verlangen, die
4 S. z. B. Die Gottgeweihten in der alttestamentlichen Religion, Vortrag, Tübingen
1905, 19 f.; Die Theologie der Propheten, Bonn 1875, 89. I 03. 123 et passim.
5 Israels Propheten, Tübingen 21922, 90.
• Freiburg i. B. 21899.
7 Op.cit.l91.
1 Cf. hier und zum folgenden ibid. 191.
9 lbid. 191 vgl. 194: "Sie ermahnen zur Bekehrung, aber sie wissen wohl, wie wenig
das Volk zu wahrer Umkehr geneigt ist. Für jetzt ist dieser Ausweg auch deshalb abge
schnitten, weil die Strafe unausbleiblich ist."
II lbid. 210, vgl. auch 215 f.
II Ibid. 222.
12 lbid. 246 ff.