Table Of ContentLeue: Die Praxis des Seefrachtgeschäfts
Hans-Joachim Leue
Die Praxis des
Seefrachtgeschäfts
Eine Kiste reist von Deutschland nach Kalkutta
Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH
ISBN 978-3-663-12658-4 ISBN 978-3-663-13515-9 (eBook)
DOI 10.1007/978-3-663-13515-9
2. Auflage - Verlags-Nr. 338
Copyright by Springer Fachmedien Wiesbaden 1964
Ursprünglich erschienen bei Betriebswirtschaftlicher Verlag Dr, Th. Gabler GmbH,
Wiesbaden 1964.
Vorwort
"Die Praxis des Seefrachtgeschäfts" ist, wie der Titel besagt, für den
Praktiker geschrieben worden. Die Broschüre erhebt keinesfalls den
Anspruch auf Einmaligkeit oder auf erschöpfende Behandlung der
so vielfältigen Übersee-Verschiffungsmaterie. Es ist hier lediglich
der Versuch unternommen worden, den Weg einer Kiste Maschinen
vom Werk bis zum Löschhafen in Übersee vom Blickpunkt einer
Linienreederei im Dienste ihres Kunden zu verfolgen und dabei die
einzelnen Stationen, die die Maschine zu durchlaufen hat, in allge
meinverständlicher Form mit praktischen für die Berufsarbeit des
Kaufmanns nützlichen Hinweisen zu erläutern.
Es ist mein Wunsch, daß diese Broschüre vor allem in die Hände
derjenigen gelangen möge, die mit der Seeschiffahrt irgendwie in
beruflichem Kontakt stehen. Sie soll den Praktikern und allen
denen, die es werden wollen, einen kurzen umfassenden Überblick
über das so interessante Gebiet der Linienschiffahrt in ihrem kauf
männisch-organisatorischen Ablauf vermitteln. Dem Nachwuchs im
Reederei-, Schiffsmakler- und Speditionsgewerbe, den Versand
leitern in der Industrie, im Export und Import, den Sachbearbeitern
im Bank- und Versicherungswesen, all denen, die aus ihrer beruf
lichen Tätigkeit heraus sagen können "Mein Feld ist die Welt", ist
diese Schrift zugedacht.
Wenn Sie nach dem Studium des Buches den "roten Faden" des
Seefrachtgeschäfts erkannt haben, dann hat es seinen Zweck voll
und ganz erfüllt.
Hans-Joachim Leue
Inhaltsverzeichnis
Die Bedeutung der Seeschiffahrt für den Außenhandel 9
Die wirtschaftlichen Funktionen einer nationalen Handelsflotte 10
Trampschiffahrt und Linienschiffahrt . 11
Eine Kiste geht auf große Fahrt. 12
Der internationale Spediteur. 12
Die seemäßige Verpackung. . . 14
Die Seefrachtordnung (SFO). . 16
Die Markierung des Exportgutes . 18
Die Buchung der Ladung. . 19
Die Schiffahrtskonferenzen . 21
Die Aufgaben der Schiffahrtskonferenzen . 22
Der Konferenztarif . . . . . . . . . . . 23
Die Rahmenbestimmungen des Konferenztarifes . 24
Die Frachtraten des Konferenztarifes . . . . . . 25
Das Rabatt- oder Kontraktsystem der Konferenztarife 27
Der Konferenz-Kontrakt. . . . . . . 27
Der Versand auft rag an den Spediteur . 28
Der moderne Seehafen. . . . . . . . 29
Die Aufgabe der Hafenbehörden . . . 29
Die Anforderungen der internationalenSchiffahrt an die Seehäfen 31
Schwierige Hafenverhältnisse in übersee . 34
Unsere Kiste im Seehafen . . . . 35
Die Funktion des Schiffsmaklers . 35
Der Schiffszettel . . . . . . . . . 37
Die übernahmebedingungen im Seehafen . 38
Die Vermessung im Seehafen. . 42
Die Lagerung am Kaischuppen . 43
Das moderne Motorschiff. . . 44
Die Stauung im Schiffsraum . 49
Die Schiffsleitung mit ihren nachgeordneten Organen 49
Die Ladungskontrollfirma (Tallyfirma). . . . . . . . 50
Die Stauerfirma . . . . . . . . . . . 51
Schutz der Ladung. . . . . . . . . . 52
Das Stauungs- und Garnierungsattest . 53
Stabilität, Trimm- und Stauplan 54
Das Konnossement. . . . . . . 55
Wesen des Konnossements. . . 55
Die Konnossementsbestimmungen . 56
Das reine Konnossement. . . 61
Das Bordkonnossement . . . . 61
Das Übernahmekonnossement 62
Das Durchkonnossement . . . 62
Konnossements-Teilscheine. . 63
Die Auslieferung der Ware gegen Konnossement 64
Die Zeichnung der Konnossemente . 64
Die Praxis der Seefrachtberechnung . 65
Das Manifest . . . . . . . . . . . 66
Die Kosten eines tJbersee-Motorschiffes . 67
Bau- und Betriebskosten . 68
Die Höhe der Heuern. . . . 68
Unsere Kiste auf hoher See. 70
Die Betreuung während der Reise. 70
Das Schiffstagebuch. . . . . . . 71
Die havarie grosse und die besondere Havarie 71
Wesen der Havarie . . 71
Die Schadensverteilung 72
Das Löschen . . . . . 75
Der Reedereivertreter . 77
Die Vorteile von Cif-Verkäufen und Fob-Käufen. . . . . . . . 79
Literatur-Verzeichnis 83
Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85
Die Bedeutung der Seesmiffahrt
für den Außenhandel
Von jeher birgt die Beschäftigung mit der Schiffahrt ebenso er
regende wie realistische Momente in sich. Von den Entdeckungs
fahrten der Phönizier aus dem Mittelmeerraum heraus -1500 Jahre
v. ehr. -, die sich nach Irland, England und weiter erstreckten, bis
zu dem dramatischen Untergang der "Titanic" und der "Andrea
Doria" spannt sich ein weiter Bogen menschlichen Wagemutes, ge
paart mit seemännischen Leistungen, politischem Wollen, mit wirt
schaftlicher Erschließung neuer Kontinente und Märkte, technischem
Fortschritt auf allen Lebensgebieten und Aufnahme kultureller Be
ziehungen zu den verschiedenen Völkern. Gerade der Außenhandels
kaufmann des 20. Jahrhunderts sollte sich dieser Entwicklung immer
bewußt sein. Der Geist der "Hanse", dieser Gemeinschaft wagemuti
ger Kaufleute des 14. Jahrhunderts, wird auch den jungen Außen
handelskaufmann der Jetztzeit befruchten, der, den Krämergeist
ablehnend, die saubere, von kühler Besonnenheit getragene wage
mutige Haltung eines fairen Kaufmannes einnimmt. Er wird, auf
die Dauer gesehen, immer der Erfolgreichere sein.
Der über alle Kontinente sich erstreckende Außenhandel unseres
Jahrhunderts ist mit der Überseeschiffahrt auf das engste verbun
den. Jeder Exporteur und Importeur vertraut ihr seine Ware an, ver
traut damit auf die technische Vollkommenheit des Schiffes und
seiner Ausrüstung sowie auf die seemännische Leistung des Men
schen an Bord, diese Ware den Endempfängern in einwandfreier
Beschaffenheit im Bestimmungshafen auszuliefern. Immer aber
sollte der Kaufmann auch die Unwägbarkeiten von Wind und
Wetter, Nebel und Eis sowie die Unbilden der See in sein Kalkül
aufnehmen, wie überhaupt in seiner Kalkulation dem Transport
sektor seine besondere Aufmerksamkeit schenken. Hier sind auch
Gewinne zu erzielen, genauso aber durch Unkenntnis der Materie
Verluste in Kauf zu nehmen.
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Die Weltschiffahrt umfaßte Ende 1962 24142 Schiffe (über 300 BRTl»
mit insgesamt etwa 134 Millionen BRT. An erster Stelle stehen die
USA, von deren Tonnage allerdings etwa 1700 Schiffe "eingemottet"
(d. h. außer Betrieb gesetzt und für Notfälle vorgesehen) sind. Es
folgen England und an dritter Stelle Norwegen. Deutschlands Anteil
an der Welthandelsflotte betrug 1962 3,6 Ofo (gegenüber 1913 10,8010,
1939 6,5 010), obwohl sich das Außenhandelsvolumen der Bundes
republik um ein Mehrfaches gegenüber dem des gesamten Deutsch
lands im Jahre 1939 erhöht hat. Die deutsche Handelsflotte stand 1962
an neunter Stelle in der Weltschiffahrt. Ende 1962 verfügte sie -
ohne Küsten-, Fischerei- und Spezialfahrzeuge - über 1149 Ein
heiten mit 4,8 Millionen BRT. Sie ist damit in der Lage, etwa 35 Ofo
des deutschen Außenhandels abzufahren. (England fährt zur Zeit
etwa 70 010, die Commonwealthländer nicht mit eingerechnet, seines
Außenhandels mit eigenen Schiffen ab!)
Die wirtschaftlichen Funktionen einer nationalen Handelsflotte
Ist unter Berücksichtigung der aufgeführten Zahlen überhaupt eine
nationale Handelsflotte notwendig? Bedenken wir hierbei die drei
wirtschaftlichen Funktionen einer nationalen Handelsflotte:
Die T r ans p 0 rtf unk t ion ergibt sich aus der Notwendigkeit,
auch in Krisen- und Notzeiten Deutschland mit den erforderlichen
Rohstoffen aus übersee zu versehen, da in solchen Zeiten jede Nation
ihre Flotte für ihren lebenswichtigen Bedarf einsetzen wird. In Zei
ten des Schiffsraummangels (wir denken hier an den Korea-Boom
sowie an den Schiffsraummangel 1956/1957 infolge Überhanges an
Kohle- und Getreideverschiffungen) ist jedes Volk auf seine Flotte
angewiesen, um den lebensnotwendigen Außenhandel durchzuführen.
1961 beförderte die deutsche Handelsflotte - ohne die im Ausland
vercharterten Schiffe - 61,1 Millionen Tonnen Ladung.
Die d e v i sen wir t s eh a f t I ich e Fun k t ion geht aus der
Tatsache hervor, daß im Jahre 1961 rund 1,6 Milliarden netto Devisen
einnahmen und -ausgaben eingefahren wurden. Dieses Devisen-
I) BRT = Bruttoregistertonne. 1 Registertonne = 2,83 cbm.
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ergebnis kommt nicht zuletzt unserem Gesamtexport und -import
zugute und wirkt sich positiv auf unsere Zahlungsbilanz aus.
Die b e s c h ä f t i gun g s m ä ß i g e Fun k t ion kennzeichnen
nicht nur die im Jahre 1962 über 54000 beschäftigten Seeleute, viel
mehr machen die Werftarbeiter und die durch den Schiffsbau weiter
beschäftigte Zubringerindustrie, z. B. für Schiffsbleche und Profile,
die Hersteller von Haupt- und Hilfsmotoren, von elektrischen Instal
lationen, von Rohrleitungen, nautischen Apparaten, Ketten, Ankern,
Pumpen, Farben, Tauwerk, Masten, Persenningen, Stoffen, Wäsche,
Küchenanlagen usw., mindestens das Zehnfache davon aus.
Aus diesen Tatsachen geht hervor, daß gerade der Außenhandels
kaufmann im Interesse der Ausweitung und Krisenfestigkeit seines
Geschäftes dem weiteren Ausbau seiner nationalen Schiffahrt größtes
Verständnis angedeihen lassen sollte.
Dabei ist sich der Schiffahrtskaufmann (Reeder) der Tatsache bewußt,
daß er beim Verkauf seiner "Ware" - des Schiffsraumes nämlich
seine Auftraggeber, den Exporteur und Importeur, im Vollzug ihrer
Geschäfte zu unterstützen hat, indem er die ihm anvertrauten Güter
preisgünstig, schnell, sicher und in einwandfreier Beschaffenheit dem
Empfänger zuführt.
TrampschHlahrt und Linienschiflahrt
In den nachfolgenden Ausführungen werden wir uns nicht näher mit
der sogenannten T r a m p s chi f f a h r t beschäftigen können. Sie
dient vor allen Dingen der Beförderung von Massengut in geschlos
senen Schiffsladungen, z. B. Getreide, Kohle, Erz, Phosphat, Holz.
Zum Abtransport dieses vorzugsweisen Schüttgutes werden seitens
der Befrachter Schiffe auf dem Chartermarkt für längere oder kür
zere Zeit gechartert (gemietet). Die Frachtraten in der Trampschiff
fahrt unterliegen dem freien Spiel der Kräfte, d. h. Angebot und
Nachfrage nach Schiffsraum regeln den Preis. DIese Trampdampfer
haben keinen festen Fahrplan, sie nehmen die Ladung dort auf, wo
sie ihnen, ihrer jeweiligen Position und Größenordnung entsprechend,
zu einer günstigen Rate angeboten wird. Grundlage des Frachtver
trages ist die Charter-Party (Mietvertrag), die entsprechend der Güter-
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