Table Of ContentDie Praxis der
Grundumsatzbestimmungen
Die Praxis der
Grundumsatzbestimmungen
Von
Dr. Viktor Niederwieser
Assistent an der Universitäts-Kinderklinik
in Innsbruck
Mit 4 Abbildungen
Springer-Verlag Berlin Heidelberg GmbH
1932
Alle Rechte, insbesondere das der Übersetzung
in fremde Sprachen, vorbehalten
ISBN 978-3-7091-4636-1 ISBN 978-3-7091-4787-0 (eBook)
DOI 10.1007/978-3-7091-4787-0
Vorwort.
Die vorliegende Darstellung stellt die zusammenfassende Arbeit des
Verfassers auf dem groBen Gebiete des Respirationsstoffwechsels dar und
ist das Ergebnis von zirka 5000 Fallen, die im Bereiche der Universitats
kliniken und besonders der Kinderklinik zur Untersuchung gelangten.
Bei der Untersuchung wurde hauptsachlich in den Vordergrund
geriickt, was als gesichert feststeht und was daher in der Praxis Wert
zur Untersuchung bietet.
An dieser Stelle sei allen und insbesonders dem Vorstand der
Kinderklinik, Prof. Loos, fur die freundliche Unterstiitzung der Dank
ausgesprochen.
Innsbruck, im Juni 1932.
V. Niederwie-ser.
Inhaltsverzeichnis.
Seite
1. Einleitung 1
Variationsbreite des Grundumsatzes 3
Apparatur und Fehlerquellen . . . 4
Kurventypen . . . . . . . . . . 6
Eigenheit des kindlichen Stoffwechsels 8
2. Der Ruheumsatz ........ . 10
Arbei tsstoffwechsel 11
3. Die spezifisch-dynamische Wirkung 11
4. Medikamente und Grundumsatz 14
Valeriana 14
Brom 14
Sedormid 14
Urethan 15
Veronal 15
Chloralhydrat 15
Morphium 15
Narkotika und spezifisch-dynamische Wirkung 15
Antipyretika 16
Herz- und Gefii.Bmittel 16
Narkose 17
Ferrum 17
Arsen 17
Phosphor 18
Schwefel 18
Jod 18
Medikamente des vegetativen Nervensystems 18
Vitamine .... 19
Reizkorpertherapie 19
Licht 20
Hei.Bluft 20
Quarzlicht 20
Parenterale Eiweillkorper 21
Intrakutane Injektionen 21
Sauren . . . . . 21
5. Fieber und Grundumsatz 21
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Seite
6. Schlaf und Grundumsatz . . . 22
7. Inkretstoffe und Grundumsatz 22
Thyreoidea . . . 22
Hypophyse . . . 24
Geschlechtsdriise 25
Nebenniere 26
Thymus 26
Pankreas . . . . 26
8. Schwangerschaft 27
9. Krankheiten der inneren Sekretion und Stoffwechsel 27
Schilddri.ise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27
Basedow (Tp. Medikamente, Rontgen, Radium, Operative Behandlung) 30
Pubertats- und Schulkropf 36
Hypothyreose 38
Mongolism us 39
Fettsucht . . 40
Lipodystrophie 41
Zahnerhaltung 45
Akromegalie 45
Zwergwuchs 46
Geschlechtsdriisen 4 7
Thymus 48
Diabetes 48
10. Krankheiten und Grundumsatz 49
Gehirntumoren 49
Tu~oo. 00
Imbezillitat . 50
Epilepsie . . 50
Schizophrenie 51
Hauterkrankungoo 51
Rheumatische Erkrankungen 51
Tuberkulose 52
Bluterkrankungen 52
Nervositat 53
Vegetative N eurose 53
Herzkrankheiten 54
Nierenerkrankungen 55
Fieber . . . . . . 55
Infektionskrankheitoo 55
11. Zusammenfassung 56
12. Literaturverzeichnis 58
Einleitung.
Wahrend in Amerika die Grundumsatzbestimmung schon friiher
weitgehend in Gebrauch stand, hat sie sich bei uns erst allmahlich,
insbesondere seit Einfiihrung von kleinen, handlichen und billigen
Apparaten (Benedikt, Krogh, Knipping) und der Moglichkeit von
kurzfristigen Ve rsuchen eingebiirgert. Unter Grundumsatzbestimmung
versteht man die Bestimmung des Stoffwechsels des Menschen im niich
ternen Ruhezustand.
Der Gesamtstoffwechsel kann direkt durch das Kalorimeter, das
ist durch Bestimmung der Verbrennungswarme, oder indirekt durch Be
stimmung des Lungengaswechsels, also der Sauerstoffaufnahme und
Kohlensaureabgabe untersucht werden. Fiir klinische Untersuchungen
hat sich nur letztere Methode bewahrt. Sie beruht auf dem bekannten
Prinzip, da.6 ein bestimmter Nahrungsstoff, der sich im Korper des
Normalen umsetzt, soundso viel Sauerstoff verbraucht, soundso viel
Kohlensaure produziert und dabei soundso viel Warme bilden wird.
Dies la.Bt sich daher fiir jedes Nahrungsmittel an der Hand der Nahrungs
mitteltabellen ausrechnen. Das Ve rhaltnis der Kohlensaureproduktion
zum Sauerstoffverbrauch wird respiratorischer Quotient (R. Q.) genannt.
Wahrend die Respirationsapparate fiir langfristige Versuche (Voit
Pettenkofer, Sonden-Tigerstedt, Rubner, Atwater-Benedikt
usw.) bei kranken Patienten aus verschiedenen Griinden unbrauchbar
sind, haben die Apparate fiir kurzfristige Versuche nicht nur in Amerika,
sondern auch bei uns weite Ve rbreitung gefunden, so da.6 eine fast
uniibersehbare Literatur fiber die Stoffwechselbestimmungen heute
besteht. Aus den vielen iibereinstimmenden oder widersprechenden Arbei
ten hat sich aber im Laufe der Zeit ein ziemlich sicheres Gut fiir
die klinische Diagnostik und Therapie herauskristallisiert. Das Prinzip
der Respirationsapparate besteht in einer Sammlung und Messung der
ein- und ausgeatmeten Luft, worin dann Sauerstoff und Kohlensaure
bestimmt werden. Unter den verbreitetsten Apparaten fiir kurzfristige
Versuche waren die Apparate von Krogh, Zuntz und Geppert, Grafe,
Benedikt, Schadow und Knipping u. a. zu nennen.
Die Untersuchungen der folgenden Jahre haben aber gezeigt, daB
auch fiir Kinder und Jugendliche der Grundumsatz die gleiche konstante
Nloderwieser. Grundumsatzbestlmmnngen 1
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physiologische Breite einnimmt, wie es beim Erwachsenen seit langem
bekannt war (Kestner, Knipping, Helmreich, Bokay u. a.).
Ich konnte schon im Jahre 1929 an einem zahlreichen Material
von Kindern erheben, da.B man mit etwas Geduld und Flei.B bereits vom
dritten Jahre an beim Kinde viel gleichma.Bigere und weit weniger beein
flu.Bbare Atemkurven erhalten kann als oft beim Erwachsenen. Ich
stiitze mich dabei auch auf ein gro.Bes Material von Erwachsenen, die
ich der giitigen Zuweisung der Kliniken und Privat.arzte verdanke.
Wahrend der Erwachsene, der ja immer an der Stoffwechselunter
suchung interessiert ist, oft unwillkiirlich mitspielt, zeichnet sich das
Kind, wenn einmal die A.ngstlichkeit vorbei ist, durch eine vollstandige
Willenlosigkeit und Gleicbma6igkeit in der Atmung aus. Die Atemkurve
gleicht daher einer ich mochte fast sagen geometrisch langsam ab
fallenden We llenlinie. lch mochte noch hinzufiigen, da.B z. B. eine
unbedachte A.u.Berung des Arztes, wie ,,die Grundumsatzbestimmung wird
entscheiden, ob eine Operation notwendig ist", beim Erwachsenen diese
Bestimmung oft durch die dadurch entstandene Erregung unmoglich
machen kann. Es ist daher die Untersuchung beim Kinde, das der Stoff
wechseluntersuchung nur geringen personlichen Willenseinflu.B entgegen
bringt, die beste Gelegenheit, Einfliisse iiuflerer und innerer Art zu stu
dieren. Icb meine da den Einflu.B von natiirlichen Faktoren, wie Wachs
tum, Kost, Klima, oder insbesondere die Einwirkung von Medikamenten
und Inkretstoffen, die ja am Kinde ein bedeutend feineres Testobjekt
bieten als am Erwacbsenen. Endlich kamen noch verschiedene pathologi
sche Prozesse zur Untersuchung, deren Einflu.B derzeit noch umstritten ist.
Fiir die Stoffwechseluntersuchungen war die klassische Arbeit von
Rubner von grundlegender Bedeutung, worin gezeigt werden konnte,
dafl die tierische Warmebildung annii.hemd der Korperoberflii.che propor
tional ist. Nachdem Du B o is der Messung der menschlichen Korper
oberflii.che eine wissenschaftliche Grundlage gegeben hat, erwies sicb aber
das Oberflachengesetz nur in gewisser Weise atif den Menschen anwend
bar, da sich dabei zeigte, da.B auch Alter und Geschlecht eine wesent
liche Rolle spielen.
Aber erst <lurch die Untersuchungen von Harris und Benedikt an
einem zahlreichen Material von vielen Hunderten von Erwacbsenen beiderlei
Geschlechts wurden Tabellen des normalen Niichternumsatzes geschaffen,
die heute allseits benutzt werden. Bei Kindem haben bis zum 13. Jahre
besonders Benedikt und Talbot viele hundert Grundumsatzmessungen
vorgenommen.
Ich babe diese Tabellen auch anfangs beniitzt, sie erwiesen sich
aher bei der Untersuchung von 63 gesunden Kindem unserer Klinik
und auch bei Schulkindern als durchwegs zu nieder, wahrend die dann
spater von Kestner und Knipping an einem reichen Kindermaterial
ausgearbeiteten Tabellen viel besser mit den unseren iibereinstimmen.
Trotz zahlreicher Arbeiten, welche diese Normalzahlen mehr oder weni
ger verbessem wollten, haben sich dieselben bis heute als ziemlich
giiltig erwiesen.
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Die Variationsbreite des Grundumsatzes.
Ober die Variationsbreite des Grundumsatzes ist viel geschrieben
worden.
Wahrend Kestner nur eine Fehlerquelle von ±5% annimmt,
glaubt Biedl dieselbe mit ±100/o fiir richtiger zu halten. Ja andere
Autoren erweitern sie sogar auf ±150/o.
An meinem zahlreichen Material (iiber 5000 Fi:i.lle), das sich iiber
die verschiedensten Gruppen (Kleinkinder, Kinder im Pubertatsalter,
Erwachsene, dann Patienten mit den verschiedensten Erkrankungen, be
sonders Basedow, Nervositat und Schwangerschaft) erstreckt, konnte ich
wahrnehmen, daB auch fiir die einzelnen Gruppen verschiedene Fehler
grenzen anzunehmen waren. Insbesondere gilt dies fiir jene Gruppen,
die mit Ve randerung des Ne rvensystems oder mit groBer Angstlichkeit
einhergehen (Nervositat, Schwangerschaft, Basedow). Unter Beriick
sichtigung dieser Ausnahmsfiille hat sich fiir mich als obere Fehler
grenze +100;0 fiir klinische Patienten, +150/o fiir ambulatorische Patien
ten fiir richtig erwiesen. Die Grenze nach unten mochte ich jedoch als
hOchstens -50/o bei der Bewertung der normalen Zahlen der Erwachse
nen von Benedikt und der Kinder von Kestner-Knipping festsetzen.
Dabei unterschreiten nach meinen Erfahrungen diese niedere untere
Grenze nur mit dem Apparat lange Zeit Eingeiibte, sozusagen Trainierte,
sowie im Training befindliche Sportsleute. Diese Gruppe spielt aber im
klinisch-diagnostischen Betriebe keine Rolle. In diesen Grenzen sind
die Fehlerquellen und individuellen Schwankungen ziemlich unter
gehracht. Bekanntlich unterliegt der Niichternumsatz auch kleinen
Schwankungen der Jahreszeit.
So fanden Gustafson und Francis Benedikt bei 20 Studentinnen
niedrigere Werte im Winter, etwas hOhere Werte im Friihling und
Sommer. Nach Kestner fiihrt gro6e Hitze in den Tropen zur Senkung
des Grundumsatzes, groBe Kalte steigert denselben nur dann, wenn dazu
ein Hautreiz tritt. BekanntermaBen zeigen auch verschiedene Volker
rassen leichte Abweichungen, die wohl hauptsachlich bedingt sind durch
Klima, Lebensweise und Kost. So fanden z. B. Th urn er bei 90 Orien
talen den Grundumsatz niedriger, ebenso fand Ozario bei den Tropen
bewohnern Herabsetzung des Grundumsatzes, was aber wiederum von
Eyckmann bestritten und fiir einen Fehler der Apparatur gehalten
wird. Im Gegensatz dazu fand aber auch Knipping eine sichere Ein
sparung des Grundumsatzes in den Tropen. Nicht alle diese Varianten
liegen aber innerhalb der Fehlerbreite und kommen daher nicht wesent
in Betracht. Nach Grafe ist die Hohe des Stoffwechsels die Resultantie
von drei Hauptkraften: 1. dem Eigenstoffwechsel, 2. der Regulation des
Ne rvensystems, 3. der Funktion der Inkretdriisen. Von diesen dreien wirkt
das Nervensystem wieder dampfend auf den Stoffwechsel. Ein in heuti
ger Zeit wichtiger Faktor ist, besonders beim Kinde, die Luxuskonsump
tion und Oberern.iihrung, die mit ErhOhung des Grundumsatzes und
der spezifisch dynamischen Wirkung einhergeht. Diese Oberern.iihrung
l*